Das Wave-Gotik-Treffen 2025 ist vorbei, für mich eine völlig neue Erfahrung, da ich ja im Vorfeld und auch während des Treffens drei Tage im 80s80s-Studio tätig war. Ich möchte euch gerne meine Eindrücke in einem Rückblick schildern und vor allem in den Kommentaren wissen, ob und wie ihr das Radio gehört habt, was euch gefallen und was euch nicht gefallen hat.
Sonntag um 9 – In Leipzig könnte man Zombiefilme drehen
Bereits der Freitag begann völlig anders als jemals zuvor auf dem WGT. Ich hatte mir den Wecker für 7.30 Uhr gestellt, denn neben einer Dusche war auch eine Rasur geplant, um das in die Jahre gekommene Gesicht in Form zu bringen. Anschließend habe ich mich ins Outfit geschwungen und das Resthaar hübsch gemacht. Weil das Studio mitten in der Leipziger City lag, habe ich die Tram genommen, um bis zum Wilhelm Leuschner Platz zu fahren, um dann die verbleibenden 500 Meter in Pikes zurückzulegen. Um diese Uhrzeit in Leipzig unterwegs zu sein, ist surreal. Am Sonntagmorgen war es so leer, dass die Innenstadt problemlos als Zombie-Kulisse hätte dienen können.
Im Studio, das früher mal ein Reisebüro war, herrschte geschäftiges Treiben. Tische wurden aufgestellt, Lautsprecher montiert und letzte Handgriffe an der Technik vollzogen. Tatsächlich war das Erste, das mir aufgefallen ist, die hohe Temperatur im Raum. Die Lüftung funktionierte offensichtlich nur unterdurchschnittlich und bereitgestellte Lüfter arbeiteten daran, für Luftbewegung zu sorgen. Meine Grufti-Klamotte musste infolgedessen angepasst werden.
Natürlich haben wir uns alle erstmal vorgestellt. Sabine, die Moderatorin, kannte ich ja bereits von der 80s80s Cure Listening Session, Ruth und Ruby waren die Schweizer Multifunktionsmitarbeiterinnen, die im Laufe der folgenden drei Tage noch erstaunliche Leistungen liefern sollten. Lena aus dem Bereich „Social Media“ rundete das Team ab.
Zacker, der Leipziger Veranstalter und Host der „Glitter+Trauma“ Party war der erste Gast, der zum Interview kam. Sabine leitete die Befragung und ich hatte im Anschluss Gelegenheit, auch noch ein paar Fragen zu stellen. So sollten die Interviews im Laufe der Tage alle ablaufen. Schnell wurde mir klar, dass man im Radio keine zusammenhängenden Interviews sendete. Es wurden einzelne Antworten der Gäste herausgeschnitten, die Sabine dann vorproduziert anmoderierte. So wurden dann aus den Interviews kurze Sektionen, die in den Stream eingespielt wurden. Vorteil: Man konnte die Gespräche auf das Wesentliche reduzieren. Nachteil: Manchmal wurden Passagen weggelassen, die durchaus spannend gewesen wären.
Währenddessen herrschte in der Leipziger Innenstadt geschäftiges Treiben. Ab und zu blieben ein paar Leute stehen und beobachteten uns durch die Schaufenster. Das WGT fand quasi hinter einem Schaufenster statt und so fühlte es sich dann auch an. Als würde es an mir vorbeiziehen. Allerdings ist die Innenstadt auch nicht wirklich das Pflaster, auf dem ich mich während eins WGTs herumgetrieben hätte, daher hinkt der Vergleich.
Im Laufe der Zeit und der folgenden Interviews haben Sabine und ich dann immer besser zusammengearbeitet und uns ergänzt. So hatte ich im Laufe der drei Tage die große Ehre, Lydia Benecke, Coppelius, die schwarze Witwe Anja Kretschmer-Rodenbröker, Sascha Lange, Rue Oberkampf, Archäologin Betty und Luci Van Org kennenzulernen. Nikola Nölle, die Buchautorin, die zu Gothic-Festivals geforscht hat, musste leider krankheitsbedingt absagen.
Ruth und Ruby – Die Schweizer Multifunktionsmesser
Die beiden kommen natürlich nicht aus der Schweiz, sondern aus Rostock, da wo auch 80s80s ansässig ist. Trotzdem waren sie genau das. Unfassbar engagierte, talentierte und professionelle Multitasking-Genies. Sie haben die Interviews nicht nur innerhalb weniger Minuten geschnitten und optimiert, sondern auch die Texte zum Anmoderieren vorbereitet, sie in die Sendung eingefügt und zwischendurch passende Veranstaltungen aus dem WGT-Plan herausgesucht, die Sabine dann ankündigen konnte. Darüber hinaus haben sie auch O-Töne der Besucher eingefangen und sind dazu an der Moritzbastei und auf dem Viktorianische Picknick herumgelaufen. Das war schon ziemlich beeindruckend, wie Ruth, Ruby und Sabine zusammengearbeitet haben!
Ich habe zwischendurch Lena, die 80s80s bei Social-Media unterstützt, mit Boomer-Fragen gelöchert, um endlich hinter das Geheimnis „Instagram“ und Social Media im Allgemeinen zu kommen. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich den Plan, auch in diesen Kanäle „stattzufinden“, weiter verfolge. Ganz schön anstrengend und irgendwie gefährlich.
Sabine hat am laufenden Band Moderationen eingesprochen mit einer – für mich erstaunlichen – Fähigkeit, die Stimme als Werkzeug zu benutzen – immer genau so, wie es klingen soll. Anmoderationen, Veranstaltungshinweise und Interviews mit den anwesenden Gästen bekamen immer die passende Tonalität. Verrückte Radiowelt. Aber alles enorm beeindruckend. Und um es vorwegzunehmen: Die Antwort lautet „Nein“… hier schlummert keine Karriere für den Wizard of Goth.
3 aufregend andere Tage – 3 Anekdötchen aus dem Nähkästchen
- Weil die anderen beschäftigt waren und Sabine morgens einen Kaffee für alle organisiert hatte, sind Ruby und ich losgezogen, um klassische Currywurst für alle zu besorgen (für mich eine vegetarische). Wir enterten das angrenzende Stadtfest und stolperten durch die Menge. Ruby scannte nach passende Essenständen. Ich wollte eigentlich helfen, versuchte angesichts der Mainstream-Dusche die Fassung zu bewahren. Da stand ein „Tattoo-Wagen“ zwischen Zuckerwatte und Crêpes und gegenüber einer Pommesbude, in dem sich Stadtfestbesucher mit Blick auf das geschäftige Treiben vorgefertigte Bilder tätowieren lassen konnten! Wer während des WGT nach einer aufregenden Grenzerfahrung sucht, ist herzlich eingeladen, es mir nächstes Jahr Mal gleichzutun.
- Friedhofsflüsterin Anja Kretschmer, die ich am Samstag noch interviewen konnte, begegnete mir am folgenden Tag direkt vorm Studio nochmal und berichtete mir mit einer Stimme, die so klang wie die eines Fußballfans nach einer gelungenen Aufstiegsfeier, dass bei ihrer ersten Führung am Samstag das Mikrofon ausgefallen war. Sie war also dazu verdonnert, von der Friedhofsflüsterin zur Friedhofsschreierin zu mutieren, um alle Anwesenden mit ihren Ausführungen beglücken zu können.
Ein paar Meter weiter musste ich dann Luci van Org aus den Fängen ihrer Fans befreien und sie daran erinnern, dass sie zu spät zu ihrem Auftritt beim Radio kommt. Verrückte Radiowelt! - Bei der Eröffnungsfeier bei 80s80s musste ich am Freitagabend vor den anwesenden, geladenen Gästen auf die Bühne und sagen, was man auf dem WGT auf gar keinen Fall verpassen sollte. Komfortzone verlassen. Das war mein Plan. ABER NICHT SO! Danach habe ich jedenfalls fluchtartig das Studio verlassen, bin in den Park hinter der Moritzbastei gewatschelt, um mich dort an einer Säule in der Dämmerung zu verstecken. Ein Extrovertierter wird aus mir auch nicht mehr werden. Könnt ihr echt vergessen!
Einfach mal Danke sagen
Ich will 80s80s-Radio ein großes Dankeschön ausrichten. Selten hat sich ein Radiosender so viel Mühe gegeben, im Rahmen seiner Möglichkeiten ein WGT-Radio zu sein, wie dieser Sender aus Rostock. Nicht nur die vielen liebevollen Details, wie schwarzes Trinkwasser, Aufkleber, Buttons, Bändchen, tolle Poster in der ganzen Stadt, eine eigene Kunstausstellung und eine Live-Band, sondern auch die Zugänglichmachung ihres Musikprogramms über eine gemietete UKW-Frequenz waren großartig. Das ist nicht selbstverständlich und die gefürchtete „Kommerzialisierung“ war meiner Ansicht nach nicht zu spüren. Man hat durch die Programmgestaltung versucht, sich der Szene auf Augenhöhe zu nähern. Auch wenn ihr mit dem „schwarzem Eis“ beim VicPic nichts anfangen könnt oder die 80s80s Gallery langweilig, so fand ich allein das Musikprogramm mehr als gelungen und passend. Für mich klingt diese letzte Nachricht auf Instagram authentisch:
Pfingstmontag – der letzte Tag. Und doch ist es kein Abschied für immer. Die Szene lebt, durch ihre MenscheN, ihre Geschichten, ihre Musik. Und wir von 80s80s sind stolz, ein Teil davon zu sein. Mit unserer Gallery und unserem Festivalradio. […] Ein großes Dankeschön an alle Besucher:innen, Gesprächspartner:innen und Hörer:innen. Lasst uns dieses WGT im Herzen tragen.
Jetzt seid ihr dran. Ich würde gerne wissen, wie euch der 80s80s-WGT-Stream gefallen hat. Was fandet ihr gut, was war doof? Was sollte mehr in den Fokus rücken, was weniger? Bitte gebt mir ein bisschen Feedback, ich verspreche die Crux daraus an die Verantwortlichen weiterzuleiten, um es vielleicht beim nächsten mal NOCH besser zu machen.
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.
Aufgrund einer des wohl eher mäßigem Pfingstwetter geschuldeten Rotznase, wird meines Antwort wohl nicht so lang, wie es eigentlich angebracht wäre, aber eines vorweg: Danke an DICH und das Team von 80s80s für den wirklich gelungenen WGT-Stream. Etwas schade war leider das etwas vorzeitige Ende der UKW-Radioübertragung am Montagmittag, was so ja wohl nicht geplant gewesen ist, ansonsten war der Mix einfach wunderbar. Man möge mich dafür schlagen, aber ich bin froh, dass dort wirklich kein in meinen Augen „artfremder“ Metal, irgendwelcher Neofolk oder „Mittelatergedudel“ zu hören war, was ja durchaus im Rahmen der angekündigten Bands möglich gewesen wäre. Ich weiß, dass ich dafür Prügel beziehen werde, aber da stehe ich zu. Dazu gabe es den Versuch nicht immer die gleichen Songs der bekannten Größen zu spielen (Ann Clark, The Cure, DM usw.). Gern darf dieses Projekt eine Fortsetzung erfahren und wenn ich es verpasst habe, dürfen Updates wie Bandausfälle oder Ersatz etc erwähnt werden. Du wurdest ja bereits darauf angesprochen, aber ich frage auch hier noch mal, ob es möglich wäre eines der genialen Plakate, die in der Stadt für das Radio warben, zu ergattern, statt dass sie im Müll landen. Wäre mega.
Robert, jetzt hab ich endlich mal den ganzen Artikel in Ruhe geschafft zu lesen. Das war je echt ne Erfahrung für dich! Aber offenbar eine vorrangig schöne bzw. aufregende. Wirklich ein WGT der anderen Art. Aber gut, dass man dich nicht festgenagelt hat und du zukünftige WGTs wieder ganz nach eigenem Gusto besuchen kannst…
Wir haben das Radio gehört, beim packen und auf Arbeit am Mittwoch und auf der Hinfahrt. Und wir fanden es super! Viel alte Hits und neues dazwischen, ohne Mittelaltergedudel und ohne neumodische deutsche Härte etc. , top!