Bestimmt sind wieder die Briten schuld. Als die USA ihre Unabhängigkeit durchsetzte, suchte die britische Regierung 1787 nach Möglichkeiten, sich von unliebsamen Inselbewohnern zu trennen, vornehmlich von Menschen aus der Unterschicht, die für jede Kleinigkeit in Strafkolonien gesteckt wurden. Praktisch, dass James Cook ein paar Jahre vorher den australischen Kontinent entdeckte und ihn für die britische Krone reservierte, vielleicht warf er damals ein Handtuch über einen Liegestuhl. Das weit entfernte und nur von ein paar unwichtigen Eingeborenen bewohnte Land wurde zur Strafkolonie. Im Januar 1788 erreichten dann die ersten 11 Schiffe mit Siedlern und Verurteilten den Kontinent und gründeten Sydney.
Anyway. Rund 200 Jahre später dann der nächste brillante Schachzug der Briten, durch geschickte Infiltration wurde Gothic ein Teil der australischen Gesellschaft… Das ist natürlich Unsinn. Die Subkulturen der späten 70er und frühen 80er verbreiteten sich überall. Australische Gothics jedoch, stellen in diesem Blog eine unterrepräsentierte Minderheit dar. Daher bin ich dankbar, dass mich Pixella Panik auf einen Link aufmerksam machte.
Das australische Powerhouse Museum hat sich 2011 in einer groß angelegten Ausstellung den 80ern gewidmet und darin auch einen nicht unbeachtlichen Teil den Subkulturen gewidmet, unter anderem den Gothics. Zu Wort kommen Zeitzeugen, die mit Bildern gewürzte Anekdoten zum Besten geben. Interessant, lustig und irgendwie nostalgisch, es fühlt sich alles irgendwie vertraut an. Es ist erstaunlich. Da entwickelt sich eine Subkultur rund 16.000km entfernt mit den gleichen Ansichten und Leidenschaften. Gothic verbindet?
In einem Video zur Ausstellung erzählen Jodie Meidling, Rachel Black und David Kendall aus ihrer Vergangenheit und zeigen einige Bilder aus ihrer Jugend. Wir erfahren nichts neues, nichts anderes und nichts außergewöhnliches. Genau das finde ich faszinierend, vermutete ich doch zu mindestens in einigen Details entscheidende Unterschiede. Doch es scheint einfach keine zu geben, sogar das, was die drei von sich erzählen klingt vertraut und heimatlich. Vielleicht zählen wir doch einfach zum selben Kulturkreis, oder vielleicht stimmt auch das, was Jodie sagt:
Goth is an open community where you can be whoever you want to be. It doesn’t matter how you present yourself. Even if you don’t wear the right things, it didn’t matter, and I learnt that as I went along. It’s such an open and beautiful community. There’s no judgment, and that’s why it meant so much to me. That you could wear anything and be whoever you wanted to be, and there was absolutely no judgment at all.
Eine große Gemeinschaft, hier und überall. Trotz des herrschenden Individualismus scheinen wir bestrebt, uns mit Gleichgesinnten zu treffen. Dabei scheint meiner Ansicht nach einiges von dem verloren gegangen zu sein, was „früher“ möglicherweise besser war. „no judgment at all“ Wahrscheinlich aber auch eine verklärte Erinnerung. Schade ist, dass es keine (oder kaum) regionale Einflüsse auf die Subkultur zu scheinen gibt, ob Gothic hier oder in Australien, alles scheint gleich zu sein. Vielleicht doch nur ein Kopie dessen, was uns auf der Bühne vorgelebt wird und was durch globale Vernetzung überall verbreitet wird.
Informativ ist es trotzdem. Sehr interessant sind auch die Video-Beiträge über die zahlreichen anderen Subkulturen (Rockabilly, Metalheads, Mods, Skinheads, Punks und Hip Hop), wie auch der Rest der Ausstellungsseite „The 80s are Back„.
Seeehr aufschlussreich! „Swampies“ statt „Batcaver“, weil sie so verrobbt aussehen, als wären sie gerade ausm Schlamm gekrochen…ha, klasse!! **merken muss**
Wie Jodie und auch Rachel sagen: es war vor allem die Musik, die Faszination für andere Klamotten und allgemein das Anderssein(wollen). Das kann einen dann doch überall treffen, even Downunder.*g*
Wobei mich die Reportage eines besseren belehrte, denn ich bin von meinen zwei Besuchen in Neuseeland (aber nur mal 4 Tagen in Australien) mit der Überzeugung wiedergekommen, dass es dort keine oder kaum Gothics geben kann. Denn dazu braucht es in meiner persönlichen Auffassung irgendwie auch mystisches, nebliges Wetter und altes, verfallenes, historisches Gemäuer – zumindest ein paar olle Friedhöfe, auf denen man rumstiefeln kann. Also alles, was es in NZ (und auch in AUS) nicht/kaum gibt (einen einzigen, alten Cemetery hab ich entdeckt). Ich bin dort diesbezüglich ziemlich vertrocknet. Düstere Melancholie und Atmosphäre zu entwickeln würde mir in beiden Ländern schwerfallen – bei so viel Sonne, Wärme und nur-Natur würde mir persönlich das „Drumherum“ zum Lebensstil fehlen (quasi der Outdoor-Spielplatz, in den eigenen 4 Wänden oder im Club kann man sich das ja noch herbeizaubern). Musste auch schmunzeln, wie die da unterm Baumfarn saß bei mutmaßlichen 38°. Aber es kam ja auch rüber, dass die Community dort sehr klein ist und dass sich daher auch alle „Andersartigen“ vermischt und in einem Club getroffen haben (so wie es früher auch in DE war).
Ich habe hier auf einer Dark Party in Frankfurt mal eine Neuseeländerin kennengelernt, die schon 24 Jahre in DE und Goth ist. Sie sagte, eine schwarze Szene in NZ sei praktisch nicht vorhanden (zu wenige) und sie sei wegen der Kultur/Historie nach Europa gekommen. Konnte ich gut nachvollziehen.
Tolle Reportage jedenfalls.
„Batcaver“ ist eher eine Bezeichnung des vergangenen Jahrzehnts. Nur einmal hab ich das in ’ner 80er Zeitschrift gelesen. Nö, hier hießen die „Waver“ und „Edelpunks“. Nutzt aber heute auch kein Mensch mehr. Oder eben „Grufties“. Grufties passt gut zu „Swampies“. ;-)
Aber ich find’s ebenfalls interessant, dass es in der Entwicklung kaum Unterschiede gab. Die trugen beinahe dieselben Klamotten und hörten offenkundig dieselbe Musik (nur mit Turmfrisuren hatten sie’s offenbar nicht so…). Verwundert aber eigentlich kaum, „Dark Britain“ war stets das Vorbild (aber dazu hatte ich mir an anderer Stelle schon genug die Tasten fusselig getippt :P)
Dass es dort eine Szene gab/gibt, war mir schon länger bekannt. Prinzipiell besaßen alle westlich geprägten Industriestaaten einen Nährboden für Gothic/Dark Wave. Auch Japan oder Südafrika (letzterer mit rund 5 Jahren Verzögerung – keine Ahnung, warum das so ist; Punk boomte dort schon anno 1978).
Völlig richtig: „Prinzipiell besaßen alle westlich geprägten Industriestaaten einen Nährboden für Gothic/Dark Wave.“ – Das die Entwicklung aber so Prototypisch verlaufen ist, wie in Good old Britain wundert mich auch sehr. Entweder war von Anfang an alles perfekt, oder die gleiche Musik auf allen Kontinenten sorgte für eine Art Standardisierung, die lediglich in einzelnen Begrifflichkeiten einen anderen Weg geht.
Eine sehr empfehlenswerte australische Band – auch live! – sind übrigens Ikon.
Sie begannen im Stil von Joy Divison, wurden im Laufe der Jahre mal waviger, mal neofolkig, mal poppiger, mal elektronischer.
Die gitarren- und basslastigeren Songs gefallen mir persönlich am besten. Ein paar Beispiele dazu:
https://www.youtube.com/watch?v=iXuI-Vj5GH8
https://www.youtube.com/watch?v=V60d51p_rmw
https://www.youtube.com/watch?v=j4M81uiHmsA
Eine weitere interessante Band aus Australien sind Eden, die man am ehesten noch mit den frühen Dead Can Dance vergleichen kann:
https://www.youtube.com/watch?v=Q9Elb3jc5wU
https://www.youtube.com/watch?v=_QPWqqgks5Y