Gothic Friday November: Ein kleiner Funken bewusster Abgrenzung ist immer noch dabei (Lilia)

Aus der Stille der Mitleser springt Lilia über ihren Schatten ins schale Licht unseres kleines Mondes – was mich sehr freut – obwohl das wieder die Stimmung, die der Mond verzweifelt aufzubauen versuchte, zerstört. Für das Thema „Gesellschaftskritik“ des diesmonatigen Gothic-Fridays wollte sie etwas beitragen und hat mir ihren Text geschickt. Für Lilia ist immer noch einer kleiner Funke ihrer bewussten Abgrenzung dabei – nur einfach so zählt sie sich nicht zur Szene. Worin Ihre Abgrenzung liegt und warum sich solche Einstellungen immer weniger finden, könnt ihr selbst herausfinden:

Gesellschaftskritik

Mir war schon immer alles ein wenig zu schnell, zu laut und zu bunt. Heute ist es das oft mehr den je. An manchen Tagen bin ich es leid, in einer Gesellschaft zu leben, die von Egoismus, Schnelllebigkeit, Konsumwahn, Geld, Gewalt und Oberflächlichkeit dominiert wird. Es geht meinem Empfinden nach, nur noch darum, immer schneller der neuesten Technik und den aktuellsten Trends hinterherzujagen. Online-Shops und flexible Finanzierungsmöglichkeiten ermöglichen es uns, in Sekundenschnelle Kram zu erwerben, den wir eigentlich gar nicht benötigen. So etwas wie Wertschätzung gegenüber materiellen Dingen existiert immer mehr genauso wenig (Stichwort: Wegwerfgesellschaft), wie Respekt, Hilfsbereitschaft und Achtsamkeit gegenüber Mitmenschen. All das heiße ich nicht gut.

Persönliche oder szenetypische Ansichten?

In erster Linie sind dies natürlich persönliche Ansichten, die ich auch noch weiter hätte ausführen können – Ich habe versucht sie auf das Wesentliche zu beschränken. Ob sie nun aber wirklich szenetypisch sind, lässt sich finde ich, nicht unbedingt klar beantworten.

Ich habe sowohl außerhalb, als auch innerhalb der Szene Personen kennengelernt, die der gleichen oder ähnlichen Meinung im Hinblick auf die Gesellschaft sind wie ich. Aus diesem Grund würde ich nicht behaupten, dass die Ansichten, die ich habe zwangsweise szenetypisch sind. Nichtsdestotrotz: Für mich war die Szene vor allem anfangs wie ein Zufluchts-und Rückzugsort, vor den zu Beginn aufgeführten Gegebenheiten und ich denke für manch anderen war und ist es das auch heute zum Teil noch.

Als eine Szene die Abgrenzung und Gesellschaftskritik anfangs ausgemacht hat, gehören diese ja im Kern quasi zu ihr und sichern somit auch ihr fortwährendes Bestehen als Subkultur. Mit Betonung auf das „im Kern“. Bekanntermaßen ist auch die Szene nicht frei von Mitläufern, von Oberflächlichkeit, Egoismus, Intoleranz, etc. und verkommt darüber hinaus auch – dem Eindruck nach – immer mehr zur Party- und Selbstdarstellerkultur.

Nach dem Kritik üben: Was kann ich tun?

Ich habe – wie viele andere vermutlich auch – oft das Gefühl als einzelne Person machtlos zu sein. Und ich denke genau darin liegt das Problem, denn daraus folgt Resignation und es gibt keine Veränderung. Das Verhalten einer Person hat somit trotzdem Bedeutung, weil Veränderung dann doch wieder beim Einzelnen beginnt. Natürlich kann man nicht von heute auf morgen die Welt verändern…

Ich selbst versuche so bewusst und gut zu leben, wie es mir eben möglich ist. Ich lege viel Wert auf Respekt, Höflichkeit, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft, Umweltbewusstsein, reflektiertes Konsumverhalten, allgemein reflektiertes Handeln und versuche das auch selbst so gut es eben geht in die Welt hinauszutragen. Mit Widerstand sehe ich mich oft immer dann konfrontiert, wenn ich Nachrichten lese oder das Haus verlasse.

Abgrenzung und Äußerlichkeiten

Es gab eine Phase, in der Kleidung und Styling bewusst Abgrenzung und Provokation, also auch Rebellion gegen die bunte Masse, für mich waren. Ich wollte anders sein.Ich wollte meine Unzufriedenheit mit allem über mein Äußeres zum Ausdruck bringen. Ich mochte es, wenn mich Leute in Ruhe ließen.

Irgendwann wurde Rebellion und Provokation durch Kleidung für mich wieder zunehmend unbedeutend. Ich lief eine Zeit lang – nicht zuletzt auch der schulischen Laufbahn und Praktika geschuldet – „normal“ herum. Heute ist mein Kleidungsstil dezent dunkel. Ich trage schwarz, weil ich mich darin wohlfühle. Ein kleiner Funken bewusste Abgrenzung ist aber immer noch irgendwie dabei…

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