Gothic Friday Dezember: Tot-Genervte meckern länger… (Hendrik)

Hendrik ist blutjunge und düstere 24 Jahre alt und hat, neben einem ausgeprägtem Wanderdrang, eine langjährige Liebe zur Musik und zu ziemlich allem Historischen mit morbidem Beigeschmack. Obwohl er damit prima in die Schublade der Gruftis passen würde, wählt er dann doch lieber das Fach der „Doom-Metal-Hörer“. Und wer nicht genau weiß, was das ist – so wie ich – schlägt einfach die Map of Metal auf und kann entdecken, worum es sich bei diesem Genre handelt. Ein Bild von Hendrik, das leider nur sehr klein vorlag, habe ich in die Karte gelegt. Nur falls sich jemand wundert. Es freut mich sehr, dass Hendrik für den Gothic Friday im Dezember aus dem Schatten des Lesers herausgetreten ist.

Nun nehme ich doch mal die Option wahr, aus dem Dasein als Leser herauszutreten. Doch wo soll man beginnen, wenn einmal alles erlaubt ist, was dem genannten Thema zuträglich ist, ohne am ende in einer Schimpf-Tirade zu enden? Nun…nach längerem überlegen scheint mir dies mein geeigneter Einstieg zu sein….

Dieses Gefühl, plötzlich in einer Gruppe, einem Kreis – oder wie auch immer man die eigene Ansammlung von Menschen mit ähnlichen Denken und Vorlieben auch immer nennen mag – von Vertrautheiten zu stehen und zeitgleich im Abseits von allem zu stehen. Abseits, da einen der Kern der Situation abweist, erschreckt, oder man sich vielleicht in seiner inneren Ruhe & Vorstellung gestört fühlt.

Hast du das neue Album von XYZ?“ – „Neee, diesen Sch**ß höre ich nicht. Zu Mainstream.

Von „elitärem“ Gebrabbel

Je größer eine Gruppe von Menschen mit gleichen oder annähernden Vorlieben ist, um so größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass man darunter auch Idioten findet. Und zu meinem persönlichen Favoriten dieser Leute gehört der/die selbsternannte „Elite-Vertreter/in“….egal ob Grufti, Punk, Schwermetall-/Biertisch-Philosoph.

Es scheint zum allgemeinen Gesetz geworden zu sein, dass man sich so weit wie möglich herausputzen und sein (teilweise Halb-)Wissen in alle Welt hinaustragen muss, damit andere einen als Inbegriff des Szene-Stereotyps ansehen. In der Theorie – oder zumindest in den Köpfen dieser Personen – mag das vielleicht eine super Angelegenheit sein; auf mich wirkt das ganze jedoch nur noch lächerlich. Wo hört denn da bei meinem Gegenüber die Person auf und wo beginnt das geschaffene, selbstgefällige Kunstobjekt? Ein für mich leidiges Thema, dass mich oft genug in in eine imaginäre Tischkante beißen lässt.
Kraft meiner (r)okkulten Wassersuppe

Irgendwann kam ein sehr innovativer Marketing-Mensch auf den Gedanken: „Wenn die Schwarzgänger schon so viel von Mystik und Okkultismus halten, warum sollen wir dann nicht ganze Kleidungsstücke und Kollektionen darauf auslegen?

Strumpfhosen mit Sigeln & Vestigen aus der Goetia, Sonnen, Triskelen, tonnenweise gestürzte Kreuze und ein bereitstehender Wikipedia-Artikel über die Deutung der Symbole. Schon hat man einen genau abgestimmten Verkaufsschlager….Und dieser wird seit den letzten Jahren immer stärker. „Ich bin *hier bitte Stereotyp einfügen*, also muss ich das tragen….gehört halt dazu.
Es ist absolut nichts Verwerfliches, Sachen, Schmuck usw. zu tragen, der einem zusagt, aber warum behänge ich mich mit Dingen, zu denen ich außer „Es gefällt mir halt“ keine weitere Bindung habe? Gelebter Mystizismus aus dem Kaufhaus. Das gleiche Debakel kann man auch bei der „Erfindung“ des Genres „Okkult-Rock“ sagen. Oh…pardon….ich meinte eigentlich „Neu-Entdeckung“…

Immer mehr Gruppen werden nun zusätzlich zu bereits bestehenden Genre-Betitelungen nun auch dem Okkult-Rock zugerechnet, allem voran die einsame Speerspitze Ghost. Dabei ist es Schade, dass das rückführende Interesse, sich auch mit den Ursprüngen (also Gruppen wie Coven, Blue Oyster Cult, oder anderen psychedelic und Acid-Rock-Gruppen) aus den 60er’n auseinanderzusetzen, meist fehlt.

Was an Mut mangelt, füllen Glasscherben auf

Ok, dieser Zwischenteil klingt schon etwas sonderbar…. Es geht eher um mein Empfinden von erlebten Veranstaltungen. Diese kann ich in etwa folgendermaßen zusammenfassen:

Vorhang auf, Szene 1

  • 22:30 – letzte Soundchecks vom Musik-Beauftragten des Abends
  • 22:35 – Objekt füllt sich
  • 22:37 – Auftakt mit mittelalterlicher Musik….nicht schlecht, ein guter Mix zwischen älterem und neuerem, volle Tanzfläche
  • 23:05 – Wechsel zu EBM, Industrial und Synthie….weniger mein Fall, jedoch eine gute Gelegenheit um sich etwas zu trinken zu organisieren und die Gesprächskultur zu pflegen :-)
  • 23:30 – Wechsel zu Rock und Metal – aaahhh, meine musikalischen Wurzeln. Gehe zum Musik-Beauftragten
  • 23:32 – Habe mir von Black Sabbath „Children of the Grave“ gewünscht. Beauftragter meinte er wird Black Sabbath abspielen. Gehe derweil auf Tanzfläche
  • 23:50 – es läuft Black Sabbath „Paranoid“……jemand lässt Bierflasche fallen und ich habe die Splitter in den Sohlen…..

Ich mag da ja zugegeben sehr kleinlich sein, aber für mich bedeutet so was immer folgendes: Hier kann und wird nur nach Fülle der Tanzfläche abgespielt. Also „Keine Hits= keine Tanzenden = kein Geld.“ Ergo werden nur Songs gespielt, die für eine möglichst volle Tanzfläche sorgt. Und das umfasst auch den Moment, wenn sich ein bestimmter Künstler gewünscht wird und man zeitgleich an drei Fingern abzählen kann, welches Lied gespielt wird.

Von den eigenartigen Blicken, wenn man „Bauhaus“, „Reverend Bizarre“ oder ähnliches nennt, ganz zu schweigen…. Mir fehlt da auf Dauer der Mut mancher DJ’s. Die können sich ruhig mal etwas trauen und gänzlich unbekannte oder „in Vergessenheit geratene“ Songs zu spielen. Das erweitert ja zum einen die Bandbreite und oft auch das Empfinden der Gäste. Denn Musik kann doch auch wirken, wenn sie einfach „nur“ gehört wird und dadurch Gefühle weckt.

“Was ist das denn für ein Rotz“

Situation einer guten Freundin von mir:

M’era Luna 2015 – Sie steht voller Vorfreude vor der Hauptbühne und genießt den Auftakt von den Einstürzenden Neubauten. Fallen lassen, schweben, denken….für sie ein wunderbarer Moment. Eine kurze Stille leitet den Übergang zum nächsten Lied ein als aus dem Hintergrund ein lautstarkes “Was ist das denn für ein Rotz“ zu vernehmen ist.

Musik ist halt Geschmackssache – und darüber lässt sich bekanntlich nicht streiten. Doch wenn sich jemand lautstark über Künstler echauffiert und damit anderen kurzzeitig die Freude des Augenblickes nimmt, dann ist das einfach ein für mich nicht hinzunehmender Fall. Niemandem wird jemals alles gefallen, denn dann würde vieles zu gleich werden. Also warum muss man am ende darüber diskutieren, ob Künstler XYZ nun gut oder schlecht ist? Ich höre mir gern mir unbekannte Sachen an. Wenn diese mir dann gefallen, so freue ich mich. Gefallen mir die dinge weniger, dann gibt es sicherlich Menschen, denen diese Dinge mehr gefallen. Und dass ist deren gutes Recht.

Ausklang

Nun habe ich am Ende innerlich mehr Geschimpft, als ich anfangs vor hatte…. Dass soll es für’s erste gewesen sein. Ich freue mich über jedes Feedback und über eine angeregte Diskussion mit (hoffentlich) konstruktiven Kritiken :-)

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HeuteAufKrawallGebürstet
HeuteAufKrawallGebürstet (@guest_53046)
Vor 7 Jahre

Nun, dann trete ich doch glatt auch einmal aus dem Schatten des Lesers hervor, und wenn es nur im Kommentarfeld ist ;-)
Deine Schilderung vom Mera Luna erinnerte mich prompt an den – nebenbei bemerkt – wunderbaren Auftritt von She Past Away auf dem diesjährigen Autumn Moon:
Tatsächlich haben sich zwei Besucher mitten im Konzert in die zweite Reihe vorgedrückt, um direkt hinter uns ein Selfie zu machen – mit der Bühne im Rücken. Sie waren laut, haben keinerlei Rücksicht auf das restliche Publikum genommen und sind auch gleich wieder gegangen (zum Glück für uns). Überdies empfinde ich das Ganze den Künstlern gegenüber als ziemlich respektlos.
Zweifelsohne – das Problem „egoistischer Konzertbesucher“ ist nicht szenetypisch – ich kann allerdings für keine andere sprechen ;-)

Strangeplant
Strangeplant (@guest_53048)
Vor 7 Jahre

Oh ja, das kann ich alles gut nachvollziehen. Die Dinge, die du ansprichst, nerven mich auch regelmäßig. Ich bin durchaus der Meinung, dass DJs – wie früher und nicht nur im Club, sondern auch im Radio – innovative Musik unter die Leute zu bringen. Ich höre das jedenfalls oft in meinem Umfeld und meine, dass die meisten dafür empfänglich sind. Statt einen ausgeleierten Song 3mal am Abend (hab ich tatsächlich schon erlebt) zu spielen, könnte man 2 unbekannten Künstlern eine Plattform geben.

Eine Frage interessehalber zur Definition „Doom Metal“ im Bild zum Beitrag. Wenn Doom Metal die älteste Form des Heavy Metal ist, müsste doch Heavy Metal vom Doom Metal abstammen bzw. eine Form davon sein, und nicht umgekehrt, oder?

KlausA
KlausA (@guest_53049)
Vor 7 Jahre

Doom Metal kann rückwirkend aufgrund der Bedeutung von Black Sabbath für beide Begriffe als ein Teil der Urstile des Metals gelten. Metal begann erst so richtig mit der NWoBHM insb. Judas Priest sich als Begriff zu festigen. Das war etwas Ende der 1970er. Davor nannte man das fast alles Hard Rock. Doom hingegen als Stil konnte sich erst in den 1980ern als eigenständiger Begriff etablieren. Irgendwann Mitte/Ende der 1980er. Mit Candlemass und Saint Vitus.
Bevor sowas als Stil galt waren es stets nur wenige Bands die die Musik spielten weshalb, dass nicht als eigenständiges Genre wahrgenommen wurde.
-Klugscheißermodus Off-

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