Cure gegen Hosen – Waver, Grufties, Punks

Wir schreiben das Jahr 1989. Auf dem jährlich stattfindenden Festival Rock am See, das jährlich in Konstanz am Bodensee stattfindet, treffen sich zu diesem Zeitpunkt unzählige Waver, Punks und Grufties, was in erster Linie am Line-Up liegen mag: The Cure, Die Toten Hosen, The Mission, The Sugarcubes (Ex-Band von Björk) und Shelleyan Orphan locken rund 23.000 Fans bei 30 Grad in das Bodenseestadion.

Auch die Zeitschrift Popcorn nimmt sich der Sache an und schreibt den Artikel Cure gegen Hosen – Happy Together: Waver, Grufties, Punks obwohl hier nie wirklich gegensätzliches aufeinandertrifft, eher verwandtes. So heißt es dann im Untertitel auch völlig richtig Glücklich zusammen. Hier war man wegen der Musik, nicht wegen dem Rahmenprogramm, vom WGT sprach zu diesem Zeitpunkt noch niemand, schließlich sollte die Mauer erst später fallen. Rock am See war zu diesem Zeitpunkt das größte alternative Festival im Süden der Republik, für mich zu diesem Zeitpunkt leider unerreichbar.

Meersburg am Bodensee, 20. Mai, 12 Uhr Mittags – bei 30 Grad im Schatten stehen die Autos Stoßstange an Stoßstange vor dem Fähranleger Richtung Konstanz. 23.000 Fans sind auf dem Weg ins Bodenseestadion, viele Rockfreaks haben inzwischen schon mehr als acht Stunden Fahrt hinter sich. Doch die Stimmung ist trotzdem riesig, begleitet vom Sound aus den Autoradios erreicht sie schon auf der Fähre einen ersten Siedepunkt.

rock am see 89 toten hosen fansFestival-Feeling auch in der überfüllten Arena des idyllisch gelegenen Konstanzer Waldstadions, wo um 16 Uhr „Shelleyan Orphan“ als erste von fünf Bands das Open-Air-Konzert eröffnen. Dann der Set der „Sugarcubes“. Aber der Ruf „Hosen, Hosen“ aus der Menge wird immer lauter. Die Fans beginnen zu fiebern und werden Punkt 18.30 Uhr erlöst: Ihre „Toten Hosen“ betreten die Bühne!

Die Düsseldorfer Fun-Punks bringen Stimmung total. Campino, Kuddel & Co. powern mit der „Opelgang“ und „Alex“. Die Fans brüllen jede Zeile mit, Schweiß und Bier fließen Literweise, auf der Bühne landen T-Shirts, Handtücher, Hosen in Massen. Die Menge tobt: Campino turnt in knapp zehn Meter hohen Verstärker-Anlagen herum. „Falls einer hinfällt, tretet nicht drauf“, schreit er ins Mikro. Die Ordner sind im Stress – satte 60 Minuten lang. Solange dauert die totale Action-Show inklusiv vier Zugaben.

rock am see 89 grufties, waverÜber dem von Sonne aufgeheizten Stadion liegt jetzt eine dichte Staubdecke der Sand der Aschenbahn, dreckverschmierte Gesichter, glasige Blicke, leere Flaschen, Umbauphase. Während sich auf dem Boden die erschöpften „Hosen“-Fans lagern, ausgepowert vom Mix aus Hitze, Bier und Sound, stehen andere auf, bewegen sich langsam in Richtung Rampe. Dunkle Gestalten warten schweigend auf ihren Sound – auf „The Mission“.

Die meisten, die sich zum knochentrockenen „Tower Of Strenght“ und „Beyond the Pale“ wie in Zeitlupe bewegen und verhalten mitsingen, verstehen sich als Waver. Mit den Grufties verbindet sie das Styling der lackschwarzen Haare – rasierte Partien und spraystarre Dichte – die dunkelsilbernen Kreuzanhänger, die schwarz geränderten Augen. Friedhofsstimmung muss nicht sein.

Da trennt sich Schwarz von Schwarz, Wave von Gruft. Aber in Sachen Musik sind sie sich einig, die Meister der bizarren Szene heißen „The Cure“. Und die kommen nachher einer Stunde Einstimmung durch „Mission“ auf die Bühne. Als sei es so bestellt, geht jetzt die Sonne unter. Nur die blau-violetten Spots der Light-Show dringen durch die künstlichen Nebelschwaden. Solange er nicht die Texte von „Lullaby“ oder „Why can’t i be with you“ ins Mikrophon haucht, wandelt Robert Smith wie in Trance über die Rampe. Auch er in schwarz, auch er bemüht, Emotionen auf ein cooles Minimum zu beschränken – wie die Menge unten im Stadion. Zwei Stunden lang zelebrieren Fans und Band die Düsternis, tanzen mit geschlossenen Augen zum hypnotischen Psycho-Sound und gehen auf in ihrem gemeinsamen Feeling fürs Mystisch-Makabere.

Dann tritt The Cure ab, ihre Jünger tauchen in den Wald ein, der das Stadion umgibt, suchen einen Schlafplatz. Und auch diejenigen, die stundenlang an den Backstage-Absperrungen ausgehalten haben, geben jetzt auf. Nur Campino hatte am Nachmittag mit seinen Kids geredet, Bier verteilt. Sonst war keiner der Stars aus der hermetisch abgeschotteten Wohnwagenburg ans Gitter gekommen, das die Bodyguards bis zum Schluss bewachten. Kein Blick, kein Wort für die Wartenden – die Show muss genügen.

Fazit: Auch wenn die Wortwahl ein wenig blumig ausfällt und das Ganze hochstilisiert, so ganz unrecht hat man nicht. Tatsächlich tanzen viele (mich eingeschlossen) zu den Hits von The Cure mit geschlossenen Augen und bewegen sich dabei nicht wirklich zur Musik. „Die Musik so richtig schön in sich reinkriechen lassen“ trifft es dabei wohl am besten.

Natürlich empfinden viele Cure-Fans die Stücke als sehr poppig und lehnen es ab diese als wirklich gruftig anzusehen, aber mein Goth was solls. Einem Großteil der 23.000 Fans ist es wohl auch egal gewesen, die Stimmung muss grandios gewesen sein. Das es dabei nicht so abgegangen ist wie heute war Stil, zu Beginn der 80er war man noch arroganter, vor und auf der Bühne. Emotionslosigkeit gehörte damals zum guten Ton der schwarzen Gemeinde und spiegelte sich im Tanz und Fan-Verhalten deutlich wieder.

Es fällt jedenfalls sehr positiv auf, das dieser Artikel das ganze nur wenig Klischeetisiert und durchaus als gelungener Konzertbericht durchgehen kann. Auch das Geschwafel heutiger Kritiker zu den Auftritten einzelner Bands vermisse ich nicht wirklich, manchmal ist es sehr erfrischend eine einfache Form der Sprache zu benutzen. Ich finde, das macht Konzertberichte dieser Art viel authentischer.

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endgueltig
endgueltig (@guest_4255)
Vor 14 Jahre

Naja, das ganze ist ja nun auch 20 Jahre her. Da schrieb man sicherlich noch anders. Heute arten Festivals ja auch eher aus und fühlen sich sicher anders an als (blumig) vor 20 oder 30 Jaahren. Ich wäre zu der Zeit gern auf ein gutes Konzert gegangen; aber ich war halt zu jung.

Karm
Karm (@guest_50274)
Vor 9 Jahre

Bring back the good old dass

Es war ein geiles Konzert. Bis heute bin ich treuer curefan.

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