Mit dem letzten Gothic-Friday wurde sehr viel gemeckert und auch der (mittlerweile nicht mehr ganz so) neuste Artikel zum Clubsterben sprüht nicht gerade vor Optimismus. Gegen den allgemeinen Verdruss hält Spontis eigentlich gerne und tapfer die positiven Beispiele hoch und genau das hatte ich eigentlich auch vorgehabt – mal wieder ein Musiktext oder so – uneigentlich läuft mir aber zur Zeit etwas ganz andere nur so aus den Fingern…
There we go again: meckern oder herzlich willkommen zu meinem ganz persönlichem Mimimi.
Der folgende Moment war sicher nicht der erste, in welchem mich das Gefühl überkam, aber der erste, der sich prägend in mein Bewusstsein eingegraben hat. Ich hatte den Anfang des letzten Jahres im Ausland in einer ziemlich Grufti befreiten Blase verbracht und dem Kurztripp zum WGT entgegengefiebert wie ein kleines Kind dem Weihnachtsfest. Förmlich ausgehungert war ich. Und dann? Dann mischte sich unter die ganze (Wiedersehens-) Freude und die Begeisterung musikalischen Interessen endlich auch wieder außerhalb meinen eigenen vier Wände nachgehen zu können ein ziemlich doofer Beigeschmack.
Ich meine: jeder weiß von den Problematiken in „der Szene“, von den Verkleideten und den hohlen Halloween-Plaste-Grabstein-Fledermaus-Verschnitten, von dem Versuch einzelner möglichst viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und von denen, denen der Begriff Google fremd zu seien scheint. Das ist nichts neues. Das ist unter „Normalen“ auch nicht anders. Was anders war und ist: Es tangiert mich mehr als früher. In das Augenrollen schlich sich Entfremdung. Das ist „meine“ Szene?! Wirklich?! Platt und glanzlos liegt es vor meinen Augen: das entzauberte Dunkel, die entzauberte „Szene“, die schnöde und blöde Normalität und das konsumerische Einerlei. Ätzend.
Optisch und musikalisch ist das sicherlich meine Szene. Zumindest ein Teilbereich davon. Ich habe viele interessante Persönlichkeiten in und über die Szene kennengelernt. Ich schätze es an meinem Wohnort zu Parties unterwegs zu sein und zu wissen, dass ich dort mindestens drei Leute treffe, die ich kenne, ohne das man sich verabredet hat. Auf was ich allerdings auch immer wieder stoße, sind Irritationspunkte. Diese Stadt hier ist klein und die Fluktuation groß. Nicht sonderlich verwunderlich, wenn 25% der Einwohner Studenten (und damit auch oft noch in der Selbstfindungsphase) sind. Trotzdem, einen harten Kern gibt es hier. Aber auch den scheint zwischenzeitlich das Leben einzuholen. Die typischen Klassiker an Ausgeh-Killern: Job, Familie, Gesundheit („In meinem Alter glüht man nicht mehr vor – man schläft vor“ sagte eine Freundin mal zu mir und zunehmend verstehe ich sie…), Umzüge, am Wochenende Ruhe haben wollen und so frage ich mich zunehmend: Überdruss und/oder Entfremdung? Um dann festzustellen, dass ich es mir mitunter auch so geht. Was mich allerdings viel mehr beschäftigt, ist dieses Gefühl, dass sich mitunter beim Ausgehen tief in meine Magengegend gräbt und sich komisch schwer und fremd anfühlt. Entfremdung gemischt mit platter Realität. ‚Wo ist „meine“ Szene?‘ frage ich mich dann. Wo ist das stille Wohlgefühl das mich sonst beim Ausgehen überfallen hat? Das zarte Wissen, dass ich richtig bin? Irgendwie weg. Oder zumindest nicht mehr so da wie früher.
Die Irritation nimmt zu
In der Stadt, in der ich wohne, gibt es keinen klassischen Grufti-Schuppen. Es gibt Locations in welchen Parties relativ regelmäßig stattfinden bzw. Veranstaltungsreihen, welche vergleichsweise regelmäßig sind. Immer schon wusste man, was man hier zu erwarten hatte. Klassiker und das ein oder andere neuere und gerade beliebte Lied, aber keine musikalischen Überraschungen oder Offenbarungen. Normal, wie die breite Diskussion zu eben jenem Clubsterben-Artikel zeigte. Angenehm mit den richtigen Menschen und der richtigen Mischung, aber ganz sicher kein Klangorgasmus. Aber der durchschnittliche Besucher solcher Parties flüchtet ja, wenn ein oder gar mehrere unbekannte Lieder kommen, nicht nur von der Tanzfläche, am besten gleich auf Nimmerwiedersehen von der Partyreihe. Der ein oder anderen (ver(w)irrten) Nicht-Grufti auf der Party, welcher sich der musikalischen Darbietung schlicht erfreut, oder der nicht wusste wohin sonst, mitgeschleppt wurde oder eben dort landete, weil man immer in den gleichen Locations landet, wenn man sonst nicht weiß wohin, sind normal. Letzteres kann irritierende Ausprägungen annehmen, ist aber meist nicht übermäßig unangenehm. Auch wenn ich es grundsätzlich eher schätze, wenn man unter sich ist oder zumindest das Gefühl hat einen gemeinsamen musikalischen Nenner zu haben – Stichwort: positive Gefühle teilen und so. Nur, die Irritation nimmt zu. Oder ich nehme sie wirklich wahr. Ich schätze, ich habe das früher einfach besser übersehen und ignorieren können.
Als ich im Sommer wieder hier war musste ich feststellen, dass ich viele der Party-Besucher nicht mal mehr vom sehen kenne. An sich nicht tragisch, was mich mehr irritierte ist die Tatsache, dass ich teilweise vergeblich „meine“ Szene suchte…
Gerade 18 und ausgezogen und jetzt mal alle Extreme durchmachen – kennt man, langweilig, weiter im Text. Mega herausgeputzt und super schick, aber arrogant und nicht das hellste Grablicht – kommt auch nicht nur vereinzelt vor. Paaarty-Paaarty-(Hyper-Hyper) – ehrlich, immer noch? Eigentlich-habe-ich-mit-gothic-nichts-zu-tun-aber-ich-finde-es-mega-cool – rolling eyes intensifies. Hipster, die mega cool und anders sind, so cool und anders, dass sie mal andere Musik hören müssen um in Grüppchen ihre Andersartigkeit zu zelebrieren – srynichtsry, aber Basecaps disqualifizieren automatisch. Antanzer, hartnäckige Antanzer – und spätestens an dieser Stelle müsste ich beim Augenrollen eigentlich schon mein Gehirn sehen, wenn es im Kopf nicht dunkel wäre und rauche dann draußen lieber noch ne Kippe mehr, als ein nicht ganz so tolles Lied mal durchzutanzen um in Bewegung zu bleiben. Es fühlt sich nicht an, als ob weggegangen wird um Musik zu hören und sich einer gemeinsamen Sache zu erfreuen, sondern um…ja, um was? Ich weiß ehrlich gesagt nicht, um was es den anderen geht, was sie fasziniert und anzieht und zunehmend auch weniger, was ein Gesprächsthema sein könnte.
Sicher, eine öffentliche Party ist jetzt nicht unbedingt der Ort an dem man tiefgehende Gespräche mit fremden Menschen hat. Zumindest ist mir das eher selten passiert. Aber nicht nur beim ausgehen, auch generell und überhaupt habe ich das Gefühl teilweise vergeblich etwas an „mehr“ in Szenegängern zu suchen, was da einfach nicht ist. Und dann frage ich mich wieder, was das ganze Palaver um das vermeintliche Lebensgefühl und die dieses ständige man-lernt-hier-nur-ganz-besondere-und-reflektierte-Menschen-kennen soll. Reiner Selbstbetrug?! Der versuch sich elitär abzuheben? Okay, ich gebe zu, dieser ganze Text klingt auch irgendwo nach elitär abgehoben. Aber das ist nicht das worum es mir geht. Nicht die Frage, ob jemand „richtig“ angezogen ist, oder jederzeit zu einem hochphilosophischen Gespräch aufgelegt. Bin ich auch nicht. Vielmehr frage ich mich, wo ist die Substanz?
(Eigentlich habe ich ja nach einem ganz anderem Lied gesucht, das hier erschien mir dann aber doch irgendwo passend, auch wenn ich bei Toleranz gerne jedes mal laut schreien möchte…)
Ein kitschig-romantischer Traum
Vielleicht heißt das jetzt alles nur, dass ich alt und intolerant geworden bin und mich so wohl in meiner eigenen kleinen Welt fühle, das mich alles andere über das Maß beeinträchtigt und eigentlich mal jemand kommen und mich ausgiebig schütteln sollte, weil ich sonst Gefahr laufe, verrostet, spießig und ganz und gar so zu werden, wie ich nie hatte sein wollen. Oder, dass sich der Schleier des Mystischen, welcher der Szene für mich, damals zu meinen Anfängen, innewohnte nun endgültig gelichtet hat. Und wenn das so ist, dann frage ich mich nicht mehr, warum Clubs und Parties sterben, Betreiber keinen Bock mehr haben. Warum viele der „Alten“ lieber zu Hause bleiben, mal weiter zu einer qualitativ hochwertigen Veranstaltung fahren, anstatt jedes Wochenende auf die ewig gleiche ausgelutschten Piste zu gehen, sich lieber im privaten Kreis treffen und/oder vermehrt anderen Aktivitäten nachgehen. Vielleicht, kann ich mich jetzt auch einem eingebildeten Obergrufti-Daseins rühmen, weil ich so pessimistisch und desillusioniert bin, dass mir selbst der gefühlte Tod „meiner“ Heimatszene nur konsequent erscheint und ich so anders bin, dass ich mich selbst anders, als die fühle. Toll. Willkommen in der Gothbehörde, Mitgliedsplaketten erhalten Sie nur Mittwoch und Freitags zwischen 21.37 und 21.58, ausgenommen in geraden Kalenderwochen, bei Halbmond und Hochtide.
Letztens hatte ich wieder eines dieser Gespräche in dem man feststellt, dass es die Szene eigentlich gar nicht (mehr) gibt, sondern nur viele kleine Teilgruppen. Kommerz und mediale Ausschlachtung, man kennt die Schlagworte die in so einem Gespräch immer wieder fallen. Der einstige Rückzugsort ist dem Ausverkauf preisgegeben.
Und jetzt? Ich weiß es nicht. Weder zweifel ich an meiner Identität, noch fühle ich mich geneigt dem Ganzen den Rücken zu kehren. Alles nur darauf zu schieben, dass die Leute nur noch Party machen wollen oder die mediale Ausschachtung und der modische Ausverkauf der Szene an diesem Gefühl Schuld sind erscheint mir zu platt und zu kurz gedacht. Nur noch ausgewählte Veranstaltungen besuchen? Hat schon was bemüht elitäres und grundsätzlich finde ich es gut lokale Veranstaltungen zu unterstützen – und sei es nur um mit netten Leuten was zu trinken und lange vor dem Morgengrauen wieder zu gehen. Vielleicht ist das auch nur einfach das was passiert, wenn Gruppen zu groß und ausdifferenziert werden: man sucht sich seine Nische. Im Grunde, und das wurde lang und breit genug diskutiert, findet man in der Szene auch nur ein Abbild der Gesellschaft. Und wir mal ehrlich: der „wir-sind-alle-eine-große-Familie“-Gedanke ist doch auch nur ein kitschig-romantischer Traum.
Hier hast Du wunderbar und nachvollziehbar genau das in Worte gefasst, was ich schon seit längerem empfinde. Irgendwie fühlt es sich an wie eine Entwurzelung.
Die Freude, bei Partys auf Gleichgesinnte zu treffen und einfach mal gemeinsam in eigene dunkle und musikalische Welten abzutauchen, ist Langeweile und angeödet-Sein gewichen, teils sogar mit Fremdscham verbunden. Wenn ich weggehe, fühle ich mich oft sogar unter bekannten Leuten einsam. Man hat sich kaum noch etwas zu sagen. Und abseits der Clubs trifft man sich auch nicht mehr, weil alle immer viiiiiiel zu beschäftigt sind. Kein Wunder, dass da alles nur noch an der Oberfläche kratzt. In der Disko ist kein Ort zum lange Gespräche führen. Außerdem gehe ich weg, um viel zu tanzen. Selbst das ist einem manchmal verleidet, wenn die Musik einem schon zu den Ohren rauskommt oder auf der Tanzfläche lauter Spinner unterwegs sind, die ungeachtet der anderen ihre schräge Show abziehen (oder mit einem Bier in der Hand stehend die Tanzfläche blockieren, weil es ja so cool ist, sich mitten auf dem Dancefloor zu unterhalten).
Dieses Jahr fahre ich zum ersten Mal seit 18 Jahren Pause wieder als zahlender Besucher zum WGT, und ich fahre mit sehr, sehr gemischten Gefühlen. Sicher weiß ich, was mich dort erwarten wird. Schaulaufen, Selbstinszenierungen, Karneval-Feeling. Aber bestimmt auch Lichtblicke und musikalische Perlen, tolle Leute, interessante Kontakte. Da hoffe ich vor allem auf das Spontis-Treffen. Vielleicht erkunde ich auch mehr die Stadt Leipzig mit meiner Kamera, wenn nicht gerade ein interessantes Konzert lockt. Irgendwie reizt mich eine Stadt-Fototour mittlerweile mehr als all die vielen anderen dunkel gekleideten Gestalten.
Ich hab für mich auch keine Alternative zur Szene, auch wenn diese nicht mehr dieselbe ist. Es ist numal meine musikalische Heimat, hier kann ich mich stilistisch einordnen und wohlfühlen. Aber ich fühle mich zunehmend wie ein Fremdkörper, ein Relikt. Wie jemand aus einem vergangenen Zeitalter, der plötzlich ein paar Jahre oder gar Jahrzehnte in die Zukunft katapultiert wurde und zwar vertraute Orte durchwandert, diese aber aufgrund ihrer Wandlung nicht mehr wirklich (als Heimat) erkennt.
Ich denke schon, dass das auch einfach tatsächlich eine Frage des eigenen Alters/Weiterentwicklung/Erfahrungswachstums ist. Wenn man frisch dazu kommt ist halt alles neu, aufregend, man ist meist noch ziemlich jung, ignoriert manchen Unfug weg, weil man ihn – Hand aufs Herz – teilweise selber verbricht. 10, 20 Jahre später hat mehr gesehen, erlebt, überlebt – und sieht die Welt auf einmal
anders, kritischer. Man überlegt sich bei manchem Schwachsinn eben drei oder vier mal, ob man dafür seine
Lebenszeit verschwenden will, die sowieso immer mehr zugekleistert wird durch Job, Familie etc. Zugleich hat die nachwachsende jüngere Generation zwangsläufig ganz andere Erfahrungen als wir oder die Generation vor uns. Das ist halt so. Das bedeutet nicht zwangsläufig den Tod der Szene – nur auch sie entwickelt sich weiter. Ich bin seit 2002 dabei und ich vermute mal die Szene, die ich da erlebt habe ist schon was ganz andres als die Szene, die einige meiner Freunde, die sich zu den Veteranen zählen dürfen, in den 80ern oder 90ern erlebt haben. Das lässt sich nicht ändern. Ich glaube würde alles exakt gleich bleiben, hätten wir jetzt hier den Mimimimi-Text über die Stagnation. Wäre ja auch nicht gut. Anfang der 0er Jahre sagte mir ein alter Szeneveteran mal, dass eigentlich immer nur so ein paar Prozent wirklich dabei bleiben, die meisten sind für ein paar Jahre Mitläufer und dann raus. Das war damals schon so. Und ich vermute mal, vor meiner Zeit auch. Ich selber hab damals die Faustregel gelernt, jeder, der unter 2 Jahre dabei ist, ist Mitläufer und erst nach über 10 Jahren ist man wirklich das, was man vorher immer behauptete zu sein. Ich nehm mich da ja nicht aus, ich hätte 2002 auch nicht gedacht 2017 immer noch schwarz rumzurennen und zwischenzeitlich meine Karriere für Szenesolidarität geopfert zu haben (etwas was ich nicht jedem nahelegen würde, wirklich nicht). Und ja, ich habe auch die Momente, wo ich mir nur denke…mein Goth, was soll diese Scheiße? Da brauch ich eigentlich nur in den einzigen Vollzeit-Grufti-Party-Laden hier vor Ort für zu gehen und mir die um die 20jährigen „Helden der Schöpfung“ anzuschauen. Aber ich sehe auch die anderen Dinge, die immer noch drin sind, die ich bis heute erlebe: Wenn Du in einem unbekannten Ort als Goth nen Goth triffst, wird Dir in aller Regel – geholfen. Tiefsinnige Gespräche selbst bei wummernden Bässen – hab ich immer noch. Und mit ein bischen Pflege der richtigen alten Bekanntschaften, jener, die einen seit über 10 Jahren begleiten, kriegt man sogar ab und an nochmal den Trupp zusammen, mit dem sich Nostalgie zusammenstellt. Die Menschen sind da wichtiger, aber um Bindungen mit Menschen aufrechtzuerhalten muss man tatsächlich ein bischen was an Mühe investieren, das ist halt leider so. Und auch manchen jungen Neuzugang sehe ich bei der Truppe durchaus positiv, es sind ja nicht alle bescheuert. Da finde ich es wichtig, dass die Neuen uns ältere (das ich das über mich überhaupt schon so schreiben kann, meine Güte…dabei gibt es noch ältere!) noch antreffen können. Machen wir uns nix vor, wie wollen wir denn in Anspruch nehmen, dass manche Dinge nicht in die zu falsche Richtung gehen, wenn wir nicht mindestens durch reine Anwesenheit noch Einfluss darauf nehmen? Deswegen: Das Thema ist wichtig keine Frage. Aber den Grabstein bitte auch auf dem Friedhof lassen. Denn wie mir ein Kumpel, der seit 1981 dabei ist mal verriet: Todgesagt wurde die Szene im Grunde vom ersten Moment an. ;)
Die Szene etnwickelt sich weiter, man selber entwickelt sich weiter. Da muss nicht jedem alles immer besser gefallen, es kann auch mal ok oder doof sein. Noch ist nicht alles doof, noch entdecke ich zumindest hier und da Sachen die mir gefallen und die neu sind. Was mir hilft, ist einfach den Hintern hoch und hin, Erwartungen runter, und anstatt meckern Humor hoch. Wenn man sich selbst nicht mehr so ernst schwarz nimmt, und auch die anderen nicht mehr so ernst schwarz beäugt, wirds besser. Einfach mal die schwarze, heiße, flache Luft raus, um so mehr freuts wenn man dann doch mal was tief erfrischendes erleben darf. Noch komm ich persönlich ab und zu mal hoch in die Discothek, aufs Festival, oder zu nem Markt oder Shop. Noch ist zuhause bleiben keine Alternative… auch wenns im Freundeskreis weit verbreitet ist. Noch ist die Szene auch im Freundeskreis ein Thema, auch wenn man sich privat oder im Oma Kaffee trifft. Aber wenn ich eins durch die Jahre gelernt habe, ist es das ich mehr bin als einige „Gruftknigges“ meinen was ein“Grufti“ zu sein, zu hören, zu tragen, zu lesen, zu mögen hat. Das kann je nach Person spießiger empfunden werden, das kann auch alternativer empfunden werden. Das kann ruhig ein gutes Stück außerhalb der Szene stattfinden. Das bin halt ich. So ist es vielen Freunden auch ergangen. Ich persönlich lebe noch ganz passabel, und noch kann ich eine mindestens genauso lebendige Szene erleben, wenn ich diese denn aufsuche. Und wenns nur „aufbrezln“, hinjuckeln, sitzen, Tasse Kaffee, etwas tanzen, Leute bekucken, ein zwei mal „Hallo, schön das du da bist..“ ein Uhr nach hause ins Bett, basta, war, dann ist das halt so. Also, wer suchet der findet, solange man denn noch weiß was man eigentlich sucht, und ob es das überhaupt gibt.
Alt. Kurz und knapp und mit nur 3 Buchstaben. Höflicher ausgedrückt: Du bist erwachsen und reifer geworden. Deine Ziele im Leben nehmen Gestalt an. Darüber hinaus hast du Dir durch Erfahrung einen neueren Wertemaßstab zurechtgelegt. Ich war den selben Änderungen unterworfen, den selben Gedanken, den gleichen Gefühlen und der gefährlichen Mischung aus „Lass mich in Ruhe mit dem Kram“ und „Ist mir alles egal“.
Leider gibt es nicht das ultimative und universelle Rezept um gegenzusteuern. Fakt ist: Die Szene hat sich nicht großartig verändert, sondern die Wahrnehmung dieser. Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Meine Crux ist das Überwinden der eigenen Vorbehalte. Das zwingen in Situationen. Konkreter ausgedrückt: Zu Partys zu gehen, obwohl eine inner Stimme dagegen ist. Musik hören, obwohl man auf den ersten Blick nicht begeistert erscheint. Menschen kennenlernen, obwohl man eigentlich überhaupt niemanden sehen möchte. Wenn ich das nicht machen würde, verbrächte ich wohl noch viel mehr Abende in meinem Dunstkreis, der (ohne das ich es merke) immer weiter schrumpft.
Und so strample ich gegen die eigene Reife, die sich wie ein Kraken immer fester um die Extremitäten schnürt. Ich hoffe, mit Erfolg. Denn so bleibt ein wenig von der Resignation auf der Strecke und ich bleibe aufmerksam ;)
Das kenne ich alles zu gut und mir ging es vor ein paar Jahren auch so. Alles hatte seinen Zauber für mich verloren und das machte mich richtig traurig.
Da mein Sohn damals noch sehr klein war und ich deshalb auch immer etwas müde und ausgepowert war, legte ich eine längere Ausgehpause ein.
Vor ein paar wenigen Jährchen wollte ich die Pause brechen, weil dieses ewige allein zu Hause sitzen ja auch nicht so sonderlich toll ist. Ich merkte, dass viele der Leute von früher andere Wege einschlugen und so kam es gar nicht selten vor, dass ich alleine irgendwo hin gefahren bin. Letztes Jahr bin ich sogar alleine zum Amphi gefahren und es war richtig toll. Ich traf tatsächlich auch ein paar alte Gesichter und auch trotz meiner Schüchternheit konnte ich ein paar neue liebe Menschen kennen lernen.
Letztes Jahr hat mich dann ein junges Mädel angeschrieben, welches meinen Stil sehr toll findet und gerne mal neue Menschen kennen lernt. Das war das Beste, was mir in den letzten Jahren passieren konnte. Sie und ihre Freunde, veranstalten jedes Wochenende ein privates Treffen. Ich besuchte solch ein Treffen dann auch mal, mit sehr gemischten Gefühlen. Meine Befürchtung war, dass ich aud Grund des enormen Altersunterschiedes, wenig mit den Leuten anfangen kann. Das war zum Glück nicht so. Ich hatte schon ewig nicht mehr so viel gelacht, wie an diesem ersten Treffen.
Dort habe ich jemanden kennen gelernt, der auch gerne mal weg geht und das haben wir jetzt auch schon ein paar mal getan und werden das noch öfter tun.
Letztens war sogar wieder eine Party in dem Club, den ich vor 12 Jahren regelmäßig besuchte. Es war super schön und fühlte sich, wie nach Hause kommen. Manchmal fühlte ich mich zwar kurz alt, als ich meinem Begleiter von den tolles Parties, die früher hier waren erzählte aber egal XD
Ich habe mir auf jeden Fall geschworen, wieder öfter auszugehen und mich für die ganzen neuen Menschen zu öffnen, die mir begegnen. Egal ob sie jetzt 10 Jahre jünger oder älter sind ♡
Das habe ich alles dem Mädel zu verdanken, welches mich angeschrieben hat :-)
@Lexi: Ja, das sehe ich ähnlich. Der Altersunterschied spielt innerhalb der Szene oftmals eine untergeordnete Rolle, das konnt ich in der Vergangenheit sehr oft erleben. Ich finde Deine Kommentar im übrigen sehr erfrischend, denn er zeigt doch sehr beispielhaf, wie man durch das Verlassen der eigenen Befindlichkeiten, Vorbehalte und Gedankenkarussels dann doch belohnt wird mit Kontakten, von denen man gar nicht mehr glaubte, dass sie 2017 noch existieren könnten. Und letztendlich gewinnt man dadurch auch an Lebensqualiät. Und ist es nicht genau das, wonach wir alle streben?
@Tanzfledermaus: Genauso, wie du es beschreibst geht es mir in letzter Zeit vermehrt. Es geht weniger auch darum, dass man sich nichts mehr zu sagen hat, mehr haben sich die Themen einfach verschoben. „Szene“ und alles was dranhängt ist oft genug durchgekaut. Aktuelles ist immer wieder ein Diskussionspunkt, aber damit verbringen wir auch keine Abende mehr. Es ist wohl so wie Robert sagt: alt. Andere Prioritäten etc. Wie beschrieben, ich kann es ja auch nachvollziehen, geht mir ja auch so und das Thea Musikauswahl bei Veranstaltungen, das ist mehrfach ausgiebig durchgekaut. Was bleibt? Weiterweg fahren, wenn es besondere Angebote gibt, oder solche die einem schlicht besser zusagen. Geld- und Zeitfrage am Ende, da muss man, ja, da ist es wieder das Wort: andere Prioritäten setzen oder Erwartungen reduzieren.
Als WGT Fan muss ich einfach sagen, dass sich dort viele Möglichkeiten bieten über Karneval und Schaulaufen hinauszuschauen und andere Aspekte zu finden. Schöne kleine Konzerte, nette Gespräche auf dem Weg, bei nicht-musikalischen Veranstaltungen und außerhalb von Veranstaltungsstätten, mit Menschen in Kontakt kommen, mit denen man sonst keinen Kontakt hat oder hätte.
Eben, wie du sagst, es ist irgendwo in verschiedener Hinsicht Heimat. Aber eben wie du erlebe ich es auch. Ich fühle mich als Fremdkörper unter „Fremdkörpern“ (Im Bezug auf Menschen, die sich in einer „Szene“ zusammenfinden und damit in der Gesamtgesellschaft nicht einfach nur ein weiteres buntes Teilchen sind).
Stefan Kubon Reiss: Ich denke, du hast Recht, was Alter/Weiterentwicklung etc. angeht. Mal ganz ehrlich, wenn ich an vor 10 Jahre denke, wie ich da stilistisch teilweise unterwegs war und was ich für Ansichten hatte. Man gebe mir eine Schaufel…Teilweise ganz klare Fälle von jung und dumm.
Zugekleistert werden mit anderen Dingen ist das eine. Ist eben ein Unterschied, ob man studiert und sich seine Zeit (in manchen Fächern) frei einteilen kann oder ob man eine 40h Woche und andere Verpflichtungen hat. Auf der anderen Seite ist es meiner Meinung nach eine Frage der Prioritäten. Manche Dinge sind mir einfach wichtiger geworden, als sie es früher waren, in diese investiere ich gerne mehr Zeit und Energie, auch wenn das heißt, dass dadurch manchen „Szeneaktivitäten“ reduziert werden. Mein Interesse hat sich auch einfach mehr dahin verschoben…
Das die Szene so einfach nicht stirbt, das wurde glaube ich auch schon oft festgestellt. Dass sie sich verändert und einige sie nicht wiedererkennen oder nicht mehr das finden, was sie suchen, oder weswegen sie kamen, das ist eine andere Sache. Und ja, ich denke die Szene, so wie ich sie kennengelernt habe, damals, Mitte der 2000er hatte auch in einigen Punkten nichts mehr mit „damals“ zu tun. Ehrlich gesagt kenne ich viele Leute, die schon lange dabei sind. Aber auch bei denen haben sich Prioritäten verschoben, sie haben sich Nischen gesucht, einen Bekannten- und Freundeskreis aufgebaut und ja, man trifft sich dann privat. Auch ich sehe mich momentan mit der Frage des weiteren beruflichen Werdegangs konfrontiert und, oh Wunder, was ich früher nie dachte, ich habe keinen Drang da auf Zwang meine Szenezugehörigkeit darzustellen. Es geht auch dezenter und ich gebe mich dadurch nicht auf. Und ja, dann lacht man teilweise über solche die auf Teufel komm raus immer um ihre Selbstdarstellung kreisen (der Grad zwischen Individualität und Lächerlichkeit – siehe Gothic Friday Dezember Beitrag und Kommentare Nadja).
Ist einem selbst etwas so wichtig und Bestandteil der Identität ist es manchmal schwierig die jugendlichen „Helden der Schöpfung“ in der Selbstfindungsphase nur zwinkernd zu belächeln und ihnen diese Experimente zuzustehen. Die besonderen Bindungen in der Szene würde ich aber nicht nur auf diese beziehen, ausser vllt die äußerlichen Erkennungszeichen, die einen schneller zuammen führen. Was du beschreibst erlebe ich auch mit „nicht-Gruftis“ – Menschlichkeit, Achtsamkeit und Rücksichtnahme auf einander, das ist das.
@ Wiener Blut: Auch di gebe ich Recht: Es ist nicht alles schlecht. Nur manches stört mich mehr als zuvor, irritiert mich mehr, befremdet mich mehr. Ich denke das ist der springende Punkt: gibt es das was man sucht…
@Robert: So ist es wohl. Manchmal ist das halt schwer zu verkraften…Grundsätzlich stimme ich deinem „Rezept“ zu. Für mich persönlich wird es in verschiedener Hinsicht manchmal eine zunehmende Überwindung, die nicht nur was damit zu tun hat, dass ich eine lange Woche hatte. Angeödet sein vielleicht auch? Ausgeschöpft sein des sozialen Interaktionslevels meinerseits?
@ Lexi: Schön und hoffnungsvoll, was du berichtest und wirkt gegen mimimi. Eigentlich ist das auch ein schöner Punkt, der die Szene ausmacht.
Genau so ist es :-)
Ja, das ist das tolle an unserer Szene und es freut mich auch jedes mal, wenn ich ausgehe, dass ich mit meinen 35 Jahren, dann doch nicht die Älteste bin :-)
Ich kann mich noch erinnern, als ich mit zarten 12/13 in die Punkszene geschlittert bin XD Da wurde ich oft von den Älteren (16-20) oft belächelt und da kamen auch als Sprüche wie „Was willst du Kiddi. Du hast doch eh keine Ahnung“ Da habe ich mir geschworen, niemals so zu werden wie die.
Ok, ich war schon arg jung aber durch die jüngeren Menschen, kann eine Szene auf Dauer bestehen. Auch wenn die meisten nicht für immer bleiben, hat doch jeder die Chance verdient, ein Teil des ganzen zu sein.
Wir waren auch alle mal jung und wenn ich daran denke, wie ich früher als ausgesehen habe XD Vor allem mein MakeUp XD
Wie dem auch sei, ich finde es sehr erfrischend, diese jüngeren Leute kennen gelernt zu haben. Es macht Spaß mit ihnen und ich finde es sehr interessant zu sehen, wie ihre Sicht auf die Welt ist :-)
Genau so geht es mir auch ,ich kann dir nur absolut Recht geben .
Wahnsinn wie aus der Seele gesprochen.
Ich kann dich so gut verstehen! Für mich fühlt sich auch alles anders an als früher. Aber da ich nur selten die Möglichkeit habe auszugehen, nutze ich jetzt jedes Mal vollends aus und blende alles andere aus, auch wenn das sehr schwierig ist. Es ist schön, dass scheinbar viele ihr eigenes Mimimi haben. Das tröstet dann auch irgendwie.