Das hier ist mit Abstand der Artikel, der am längsten in den Entwürfen dümpelte. Das ist aber im Fall einer neuen, 46. Ausgabe des „Musikperlentauchers“ aber völlig irrelevant, da es sich ja sowieso um Musikstücke handelt, die bereits einige Jahrzehnte auf dem Buckel haben. Warum ich den alten Artikel gerade jetzt herauskrame? Das ist die Geschichte eines klassischen Rabbitholes. Ich habe einen spannenden Film im Kino gesehen, bei dem im Abspann ein Song gelaufen ist, der mich sofort getriggert hat. Ich habe sogar den gesamten Abspann abgewartet, konnte aber in der Liste der Songs zunächst keine Verbindung herstellen. Also habe ich mir daheim den OST angeschaut und Song für Song angespielt und siehe da, eine gewissen „Karen Marks“. Dann das Erstaunen, denn der Song ist bereits 1981 erschienen. Das muss in den Musikperlentaucher! Hatte ich da nicht schon mal einen angefangen? Und hier sind wir nun. Herzlich willkommen in meiner Hölle der Rabbitholes.
Karen Marks – Cold Café
Karen Marks ist eine australische Musikerin, die 1981 mit dem Song „Cold Café“ einen eindrucksvollen Song schuf. Das Stück besticht durch melancholischen Gesang und sparsame Synthesizer-Klänge und wurde gemeinsam mit Ash Wednesday, einem kreativen Kopf der australischen Underground-Szene, produziert. Marks war ursprünglich Musikjournalistin und Bandmanagerin, bevor sie selbst aktiv wurde. Das Umfeld der 80er Jahre in Melbourne war ein Schmelztiegel für innovative Musik und bot Frauen neue Freiräume, gerade durch die Punk-Revolution. „Cold Café“ wurde zunächst nur in der australischen Szene gefeiert, erreichte Charts lokaler Sender und galt bald als Geheimtipp für Sammler. Erst Jahrzehnte später entdeckten internationale Musikfans das Stück wieder, als es durch Online-Plattformen und Kompilationen neu aufgelegt wurde. Die Wiederentdeckung verlieh Marks Kultstatus und ermöglichte ihre ersten Liveauftritte nach über 40 Jahren.
Melanie Sanders – Jung und Allein
Melanie Sanders veröffentlichte 1981 die Single „Jung und Allein“, die sich thematisch mit der technischen Fortschrittsgläubigkeit und der Künstlichkeit der modernen Welt auseinandersetzt. Das Stück hebt sich durch seinen ungewöhnlich kritischen, fast dystopischen Text von ihren sonst eher konventionellen Schlagerwerken ab. Musikalisch kombiniert es eingängige Popmelodien mit einer leicht abgedrehten, experimentellen Synthesizer-Atmosphäre, die man so sonst nur selten bei ihr findet. „Jung und Allein“ wirkt wie ein Vorbote der Neuen Deutschen Welle, das die junge Sängerin mutig und ungewohnt düster erscheinen lässt. Schlageralarm bei Spontis? Geht mal auf eine Shockwave-Party zum WGT, da ist der Track in bester Gesellschaft.
Das hatten übrigens damals viele Künstler drauf, die später sich dann später in weichgespülte Schlager-Barden verwandelten, wie zum Beispiel auch Matthias Reim, den ich der Vollständigkeit halber hier auch noch präsentiere:
Notdurft – Absoluter Stillstand
„Notdurft“ waren eine Punkband aus Bielefeld, die etwa 1978 als Schülerband von Bassist Johann „Jones“ Stolze und Sänger Thomas Pielecki gegründet wurde. Erst mit Gitarrist Uli Frischemeyer, Bernd Hövelmeyer, Schlagzeuger Lutz Kramer und Sängerin Carola Prietzel, die 1982 die Band komplettiert, konnte das Debütalbum „Notdurft“ realisiert werden. Rausgesucht habe ich das Stück „Absoluter Stillstand“, das für mich das Genre „Depri-Punk“, das deutliche Schnittmengen zur frühen Gothic-Szene aufweist, definiert. Ich habe mich allerdings für ein Video entschieden, in dem einige Bandmitglieder zu sehen sind, das allerdings klanglich auch sehr deprimierend klingt. Besser klingt diese Aufnahme und sehenswert ist dieses Video zur (erfolgreichen) Crowdfunding-Aktion eines Tribute-Albums.
Adam And The Ants – Deutscher Girls
Der Song, der 1978 mit dem Film „Jubilee“ erschien, gehört zu den unbekannteren Stücken des extravaganten Künstlers und wurde von dem umstrittenen Kunstfilm „Der Nachtportier“ der Regisseurin Liliana Cavani inspiriert, der eine sadomasochistische Beziehung einer Überlebenden der Konzentrationslager mit ihrem ehemaligen SS-Peiniger schildert. Klingt abgedreht? Der Film „Jubilee“, in dem der Song letztendlich erscheint, ist allerdings noch abgedrehter. Darin reist Königin Elizabeth I. mithilfe ihres Hofmagiers in eine düstere Zukunft Großbritanniens. Darin haben die Punks die Macht übernommen. Jeder tötet jeden. Sex wird zur Lebensmaxime, Gewalt zur Alltäglichkeit. Der Regisseur Derek Jarmann rechnet in diesem gewollt dilettantischen Film mit der britischen Gesellschaft und der europäischen Kulturgeschichte ab. Adam Ant spielt neben Toyah eine Rolle in dem eigenwilligen Meisterwerk der späten 70er-Jahre.
Gah-Ga – Lucifers Friend
Eine schreckliche Aufnahme. Irgendwo in Sheffield mitgeschnitten. Gah-Ga ist ein Synthpop-Duo aus Chesterfield/Sheffield, aktiv in den 1980ern. Mit minimalistischem Sound und eingängigen Melodien prägten sie die britische Synthpop-Szene. Die Band besteht aus Owen Downey und Keith Bell, unterstützt von weiblichen Background-Stimmen. Bekannt ist unter anderem der Song „Give Your Love to Me“. Aber eigentlich zeige ich euch die Band nur, weil es so viel süßen 80s-Footage dazu gibt.
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.
Das ich mal etwas von Matthias Reim passabel finden würde, ich bin verwundert.
Danke Robert für Deine neusten Perlentaucher.
Dönen Schank auch, ist jetzt aber >=40 Jahre her und wir hatten damals hier ja absolut sonst nix… Dunkelste Grüße aus einer nordhessischen Kleinststadt ;)
Als großer Adam Ant Fan hat mir das Video den Tag hervorragend eröffnet. Adam Ant in Höchstform.
Was Du so alles ausgräbst… Adam And The Ants gehörten damals durchaus zu meinen favorites. Notdurft hatte ich auch noch im Hinterstübchen, konnte sie aber nicht mehr richtig einordnen.
Es lohnt sich wenn Du in einem rabbit hole versinkst… :-)