Die Virgin Prunes stehen stellvertretend für eine interessante Entwicklung zu Beginn der 80er. Die 1977 gegründete Band sorgte mit ihren frühen Auftritten, die mehr einem Theaterstück als einer musikalischen Darbietung ähnelten, für einen maßgeblichen Einfluss auf die frühe Gothic-Bewegung in ihrer äußeren Erscheinungsform. Als die Fans jedoch die Musikrichtung und das was die Künstler darstellen als Lebensmaxime entdecken und daraus etwas 1982 eine Jugendbewegung formen, distanzieren sich viele Band von dem Phänomen.
Nicht weil sie die Jugendkultur als solche ablehnen, sondern weil sie fürchten in eine Schublade zu geraten, die sie in ihrer „künstlerischen Freiheit“ einschränkt und ihnen einen Stil aufzwängt, dem sie nicht gerecht werden wollen. „Yeah, we got put in there with the Gothics and at the end of the day basically I think they like to put you in to some kind of bracket, but basically we were an original band from Dublin, ahead of their time.“ 1 Kultstatus erreichten die Prunes mit ihrer Performancekunst auf der Bühne, die sich all derer Elemente bediente, auf die sich die späteren Gothics berufen. Das Live-Auftritt von Decline and Fall macht das deutlich:
Doch die Idee dahinter ist älter. Mitte der 70er gründete sich in Dublin ein Clique, die sich Lypton Village nannte und sich dadurch auszeichnete eine eigene Phantasiewelt zu schaffen, die mit eigenen Konventionen versuchte dem bürgerlichen zu entsagen. Schon hier gab man sich Künstlernamen, die den eigenen „wahren“ Charakter darstellen sollten. „As teenagers, they formed a society called the Lypton Village – a group of like-minded people united in their unease at the conventions of contemporary suburban life. Members were given Village names – Gavin Friday, Guggi, Pod, Bono Vox, The Edge – to represent their “true” character.“ 2 Die Mitglieder der Clique gründeten etwa 1977 zwei verschiedene Bands. Die einen sollten als U2 einmal Musikgeschichte schreiben, während die anderen sich Virgin Prunes nannten um ihren Teil zur Gothic-Geschichte beizutragen.
Die Ästhetik der Band, der sich viele Fans in ihrer Form annehmen sollten, war das Stolzsein auf die eigene Außenseiterrolle und die Möglichkeit sich selbst in all seinen Facetten ausleben zu können. Musikalische Konventionen und äußere Standards waren der Feind, dem man sich in der Art wie man sich kleidete und das was man auf der Bühne bot, entgegenstellte. Als aus dem eigenen Stil ein Bewegung wurde, als die Fans vor der Bühne einen an das erinnerte was man selbst ausdrücken wollte, fühlte man sich in seiner eigenen Außergewöhnlichkeit parodiert. Vielleicht ein Grund, warum sich auch viele andere Bands dieser Zeit so von der neu entstandenen Bewegung distanzierten. Aufhalten konnte sie die Entwicklung, die sie selbst ins Leben gerufen hatten, nicht mehr.
Einzelnachweise
- Quelle: Aus dem Interview „A conversation with David ID“ von virginprunes.com[↩]
- Quelle: The U2 Connection von der Website Virginprunes.com, 18. September 2003[↩]
Echt jetzt? U2 und die Virgin Prunes kommen aus derselben Kinderstube? Ist ja…komisch. Bevorzuge trotzdem letztere ;)
Immer dese distanzieren >-<
Das Video kann ich mir leider erst heute nachmittag/abend anschauen, da meine momentane Lokalität das nicht zulässt.
Was mich auch noch verwundert ist das sich Siuoxsie and the Banshees von Gothic distanzieren, obwohl die den Begriff doch slebst benutzt haben.
@Vizioon: Echt jetzt, die ganze Geschichte dazu gibt es in den Quellangaben. Ist zwar auf englisch, ist aber sicherlich lohnenswert. Aber ich folge deiner Bevorzugung uneingeschränkt, U2 hat zwar ein paar gute Stücke im Gepäck, sind mir aber mittlerweile zu weit von dem entfernt was sie einmal ausgemacht hat.
@Schatten: Wie gesagt, ich denke als die Künstler entdecken das man ihre Kunst zur eine Lebenseinstellung verwandelte, fühlte man sich parodiert und unverstanden. Man wollte nicht in eine Schublade gedrückt zu werden um nicht von der Enge selbst erdrückt zu werden. Vielleicht fehlte die Vision dessen was man daraus machen könnte, den brachten erst Ende der 80er die ersten Bands aus der Szene selbst ins Spiel.
Bislang kannte ich von den Prunes nur die reichlich schrägen „Baby turns blue“ und den „Pagan Love Song“, die beide nicht so wirklich an mich gingen. Aber „Decline and Fall“, insbesondere in Kombination mit der Performance, sind da schon viel eher meine Kragenweite.
Wieder mal sehr interessant, danke ^^
Stimmt, macht Sinn.
Das Video ist klasse sowohl optisch als auch vom Klang her.
Schön düster und morbides Gesamtbild :D
@Robert: Ich wollte U2 damit auch nicht diskreditieren, ich mag auch einige wenige Songs dieser Gruppe. Ich finde es aber interessant, wie weit die musikalische Entwicklung/Ausprägung auseinandergeht.
Karnstein: Kein Problem, Interesse zu wecken ist wie ein wohliges Gefühl von Zufriedenheit.
@Vizioon: Weit ist gar kein Ausdruck :) Ich mochte zunächst auch nicht glauben das beiden Bands die gleiche Kinderstube haben.