Ich habe mich genötigt gefühlt, euch dieses Mal etwas mehr Breite zu präsentieren und die musikalischen Grenzen der Schwarzen Szene auszureizen. Denn dort tummelt sich so manches Schätzelein, dass durchaus ins Gesamtbild passt. Doch, was scharwenzel ich hier noch rum. Zur Sache, liebe Leser, beginnen wir – ganz klassisch – mit Engeln.
Angels Of Liberty – Servant Of The Grail
Im Briefkasten #7 meinte ich sinngemäß, dass die Angels Of Liberty nicht mehr existieren würden, da der Sänger, Voe Saint-Clare, gestorben wäre. De Facto ist diese Information korrekt, jedoch hat Scarlet Powers, die weibliche Hintergrundstimme auf zahlreichen Songs, das seinerzeit in Vorbereitung befindliche und bereits eingesungene Album nun überraschenderweise veröffentlicht.
Servant Of The Grail steht, wie auch seine Vorgänger, ganz in Tradtion der dritten Welle des Gothic Rocks. Deutlich elektronisch, tanzbar und eingängig, dabei etwas pathetisch, zugleich pompös und doch text-sicher. Was will man mehr? Okay, Weiterentwicklung vielleicht. Aber ich will man nicht so kleinlich sein und empfehle euch das Album aus dem Stand, da absolut vorzeigbar. Anspieltips wären Haunted, Innana, als ruhigerer Gegensatz neben Queen Of Heaven der Track Josephine und zuletzt meinen Favourit Last Vampire.
Weiter geht es mit…
Altar De Fey – The Insatiable Desire …For More
Altar De Fey waren eine der Bands, welche im Schatten von Christian Death und diverser Gruppen aus dem Ballungsraum L.A. und San Francisco aktiv waren und den damaligen Sound mitgeprägt hatten. Offenbar immer zu sehr underground, fast vergessen und doch nie ganz tot entschlossen sich die beiden verblieben Gründer, Aleph Kali & Kent Cates, 2011 wieder aktiv(er) zu werden und sind seitdem fleißig am Aufnehmen neuer Songs.
The Insatiable Desire …For More wurde dieses Jahr veröffentlicht und enthält acht Stücke gitarrengetriebenen- und an Theatralik grenzenden Deathrocks. Auch wenn hier manche Stücke nicht so gut rüberkommen, wie live (da haben die Jungens offenbar immer noch viel Spaß), passt nach meinem Empfinden zusammen, was offenbar seit Jahren zusammengehört. So lege ich euch doch gleich mal I see Demons und vor allem: Vampires nahe. Und weil Videos so schön im Beitrag aussehen, noch etwas Altes von denen.
Lune Rouge – Rain
Im Westen nichts Neues? Neva! Da ich in letzter Zeit sehr häufig mit eben jenen, Jad Wio, Rosa Crux und weiteren, diversen frankophonen Band beschallt wurde, bin ich parallel dazu auf ein bereits etwas länger zurückliegendes Hin- und Her-Geschreibsel mit dem Gitarristen der aus Nice stammenden Gruppe Lune Rouge gestoßen und erinnerte mich daran, dass ich damals echt hingerissen war. Und dies, wie so vieles Andere, wieder vergaß…
Denn ebenso wie ihr Vorgänger-Projekt Contre Jour, welches ich mit diesem Song über eine vorzüglich bestückte Compilation gefunden habe, sind Lune Rouge Gitarren- & synthwavig unterwegs, jedoch nun mit stärkerem Schwerpunkt auf den effektreichen Gitarren und leicht anderem Sound, irgendwie erwachsener, reifer.
Das Trio Roxy, Laurent und Cristof kann bisher zwei Veröffentlichungen vorweisen, welche dieses Jahr frisch das Licht der Welt erblickt haben, das Augenmerk mag hier nun auf der EP „Rain“ liegen.
Eingeleitet wird diese mit dem gleichnamigen Stück, welcher sofort von meinem Herz Besitz ergreift und dessen Schlag innerhalb kürzester Zeit beruhigt, mich runterkommen und dem Alltag entfliehen lässt. Daran an schließt sich ein ruhigeres Stück, trägt die Stimmung weiter bis zum dritten Stück Alte Zeiten. Auf Deutsch, Englisch und Französisch gesungen halte ich kurz inne, bin zugleich überrascht und bewegt, lasse das Lied klingen und wirken. Nach einem guten, vierten Stück kommt zum Abschluss der EP noch einmal ein Puls Melancholie und gepaarter Gesang von Roxy und Laurent.
Falls euch gefällt, hört auch ruhig noch in deren Album „Masque Blanc“ rein, dort kann ich die Tracks C’est une longue route, Guilt und Revenir demain empfehlen. Oder in ruhiger Stund‘ dieses Stück…:
Der Dènkèr – Erlösung Tot
Der Begriff „Neue Deutsche Todeskunst“ ist vielleicht manch einem Alt-Grufti und interessiertem Jung-Gruft geläufig. Vielleicht auch durch einen kürzlich veröffentlichten Artikel in einem der „Schwarzen“ Gazetten, von welchem ich durch Zufall gerade gelesen habe, dass es ihn gibt.
Zu Beginn der 90er wurde dieser Begriff für Dark Wave-Gruppierungen wie unter anderem Das Ich, Endraum, Goethes Erben, Misantrophe oder Relatives Menschsein verwendet, die ihre extremen, teils stark negative Gefühle und Gedanken in lyrische, deutliche, teilweise kryptische Worte fassten und ausdrücklich darboten.
Auch wenn man über die damalige Wortschöpfung diskutieren mag, ist sie meiner Meinung nach doch – mit Ausnahme des ersten Attributes – treffend. Denn jede der damaligen Gruppierungen hat auf ihre einzigartige Art und Weise jenem faszinierenden Wesenzustand Tribut gezahlt und auch noch 30 Jahre später ihre Spuren hinterlassen.
Der Dènkèr reiht sich nun neben jenen alten Gruppen ein. 2017 als Nebenprojekt der Elektro-Formation „Celotrox“ gegründet, hat Der Dènkèr bisher ein Album – Erlösung Tot – veröffentlicht, von denen drei Stücke über das weltweite Netz zugänglich sind: Seelenschmerz, ewiger Schmerz und das folgend verlinkte. Eine fast flüsternde, klagend-versagende Stimme, begleitet von ambig-minimaler Instrumentalisierung erwartet euch, Gedanken über Mors und Vanitas teilend. Vielleicht mögt ihr hineinlauschen…
Natürlich wird hier das Rad nicht neu erfunden und Geschmack ist subjektiv. Ich möchte in diesem Beitrag jedoch zeigen, dass es auch heute noch Künstler und Musik innerhalb der Schwarzen Szene gibt, die auch in vermeintlich toten (Sub-)Genres Potential sehen oder einfach ihre Leidenschaft ausleben. Wenn ihr in diesem Sinne noch nicht genug habt, gibt es hier noch die Demo der recht frisch gegründeten Gruppierung Todesbund.
*Krzzzszszfzfzszz* Schnitt.
Oder 3teeth aus den Vereinigten Staaten. Und ein etwas harter Wechsel in ein komplett anderes Genre, bei welchem mancher Leser vielleicht die Nase rümpfen wird, warum sowas hier zur Sprache kommt…
Gruppen wie KMDFM, Sister Machine Gun, The Electric Hellfire Club oder Schnitt Acht beschritten auf dem nordamerikanischen Kontinent den Weg, auf denen selbst Skinny Puppy oder Front Line Assembly den stilprägenden, frühen Nine Inch Nails und natürlich Ministry teilweise folgten. Die Rede ist von Inustrial Rock/-Metal.
Die fünf-köpfige Formation um den Frontmann Alexis Mincolla gibt bereits seit 2013 ordentlich Gas, vereint Elektronik mit harten, schreddernden und effekt-verzerrten Gitarren, gesellschaftskritischen Texten, ganz in Tradition genannter Ministry. Nur aus meiner Sicht noch besser weshalb sie auch hier vorgeführt werden. Während mir Ministry irgendwie mit den späteren Alben zu langweilig wurden, blasen 3teeth mir irgendwie Abwechslung in meine Augen und Ohren. Oder Zeitgeist? Eigentlich ist dies genau der Soundtrack, den ich an jenen Tagen brauche, wenn die Welt um mich herum so richtig ankotzt und wütend zurücklässt.
Bisher hat die Gruppe vier Alben und einige digitale Singles/EPs veröffentlicht, auf Bandcamp lässt sich in einiges davon hineinhören. Nahelegen könnte ich euch Nihil, Degrade oder Consent. Ich habe länger überlegt, diese Gruppe hier aufzuführen, da ein böser Bastard von Elektro (bäh) und Metal (pfui!). Und es dann doch gemacht. Einfach mal so als Kontrast und Horizonterweiterung.
Autumn Tears – Colors Hidden Within The Gray
Immer noch auf demselben Kontinent, doch ausgezerrt und mit dem Wunsch nach ruhiger Musik gelangt man nun vielleicht an das neue Album der Autumn Tears.
Im September 1995 durch den seitdem federführenden Ted Tringo und der ursprünglichen Sängerin, Erika Tandy, unter musikalischen Einflüssen von Dead Can Dance und Stoa gegründet, hinterließen die Autumn Tears in den Vereinigten Staaten mehrere Alben voll wunderschöner Musik, bis sich die Formation – zwischendurch mit neuer Sängerin, Jennifer Lee -Anna – 2007 in den Dornröschenschlaf begab.
2017 jedoch erwachten die Autumn Tears wieder und bieten unseren Ohren nun ein neues Album, welches starke Einflüsse klassischer Musik aufweisen soll (so sollen Bach oder Brahms als Inspiration zitiert worden sein). Und tatsächlich: Klingen Stücke Mitte/Ende der 90er Jahre teilweise recht deutlich nach dem damaligen, neoklassischen Protagonisten der ausklingenden Dark Wave-Epoche, sind solcherlei bedrückende Klänge nun in den Hintergrund getreten.
Was nicht schlecht sein muss. Denn auch so klingt das neue Werk mit seinen ruhigen, nuancierten Stücken sehr stimmig, was sicherlich nicht zuletzt auch an der begabten Sängerin Jenniffer Lee-Anna und der orchestralen, analogen Instrumentalisierung liegt, sondern auch an den zahlreichen professionellen Musikern (u.a. von Arcana und Stoa).
Mein Rat: Nehmt euch die Zeit und die Ruhe, genießt das Werk an einem Stück, dann entfaltet es seine Stimmung am besten. Wer dazu nicht kommt, möge alternativ hier hereinschnuppern:
Atelier Du Mal – Noblesse Oblique
Mannequin Records hat wieder einmal in die 80er zurückgeschaut und diesmal Atelier Du Mal ausgegraben. In Florenz gegründet, nahm das Trio um Lapo Pistelli, Iacopo Ficai Veltroni und Ignazio Matteini 1984 ihr einziges Tape Noblesse Oblique auf, welches nun remastered wiederveröffentlicht wurde.
Zu hören gibt es eine ansehnliche Palette an so typischen Synthies aus der Zeit: So sind neben dem stilprägenden Korg Ms-20 der Roland Juno 60 und Roland TB-303 zu vernehmen, also die Instrumente, welche meines Wissens auch heute noch eine Menge Musikmacher und -Bastler schätzen.
Doch was ist abseits der Instrumentalistik eigentlich mit dem Gesamteindruck? Im Groben keine schlechte Veröffentlichung im Sinne des Hörgenusses. Von den zehn auf dem Album befindlichen Liedern sind mir die Stücke Staticità, Marienbad und Palau 2 hängengeblieben, letzteres nicht zuletzt aufgrund des sehr gut herein passenden Saxophons. Und wenn einem dann nach und nach das Tanzbein zucken sollte, lege ich euch das vierte Stück als meinen Favorit nahe:
Falsch Verbunden – Oder warum Spontis nicht ALLES durchkaut, was ihm vorgesetzt wird…
Spontis wird zwischendurch natürlich von allerlei Interessenten angeschrieben, deren musikalischer Output selbst bei aller Liebe nicht wirklich passt. Ein Beispiel gab es dazu bereits beim letzten Briefkasten, in der Zwischenzeit gab es weitere „Vorstellungen“, welche hier zumindest kurz Erwähnung finden (Ich hoffe die Liste wird irgendwann nicht länger als der Gesamte Artikel):
Dead Reckoning: Irgendeine metallische Band aus den Vereinigten Staaten. Irrelevant.
ПЕРСОНАЛ – Eine russische Elektro-Formation der uninteressanten Sorte.
Techno Bert – Neue Dimensionen: Hier wurde Spontis die Wiederveröffentlichung eines Techno-Klassikers des Jahres 1990 nahegelegt. Dies wäre dahingehend reizvoll gewesen, um an diesem Beispiel auf die teils zeitgleiche Entwicklung von Wave- und Techno-Musik und deren gaaaaanz grober Verwandschaft (Stichworte Instrumente & musikalische Einflüsse) durchzuexerzieren. Jedoch gibt es dazu bessere Beispiele als dieses. Vielleicht ein andermal und durch jemanden mit deutlich mehr Fachwissen von dem ich manchmal wünschte, ich hätte es. Abschließend sei Euch nur Eines gesagt:
Kommt gesund über den Winter, seid brav und genießt die wunderbare Welt der Musik!
Ich freue mich, dass ihr auch Todesbund erwähnt, ich kenne die Sängerin persönlich (Sylvia ist eine ganz Liebe) und finde auch ihr musikalisches Projekt sehr gelungen. :)
Der Denker hatte ich ebenfalls durch einen gewissen Rainer Zufall 2019 entdeckt, schön das es so etwas (wieder) noch gibt. Altar de Fey sind großartig. Unglaublich wie viel Energie in denen steckt.
Wem Altar de Fey zusagen, könnte auch an diesem wilden ungarischen PoschT Punk gefallen finden:
https://batcaveproductions.bandcamp.com/album/visszat-r-r-m-lom
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The Last Dusk aus Südamerika darf man auch erwähnen.
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https://lastdusk.bandcamp.com/music
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Ist zwar typisch „ämericän Gothic“ ,
aber uk based Gothic mit verhallten Wall of Sounds Gitarren, die ich so liebe, ist ja bekanntlich Mangelware :D
Ein ewiger Geheimtipp, den etwas älteren wird dies vermutlich sehr gefallen.
https://holyhourrecords.bandcamp.com/album/shadowplay-from-darkness-to-light
Oooooh „Neue deutsche Todeskunst“… und dann gleich zwei verschiedene Interpreten… ich dachte außer „Explizit Einsam“ produziert sowas heutzutage absolut niemand mehr – Schön dass ich falsch lag!
Nach klassischem 80s Wave immer noch mein absolutes Lieblings (Sub-)Genre…
Dank spontis.de (mal wieder) neue Künstler entdeckt die mir sonst wohl für immer verborgen geblieben wären – Danke dafür! :)