Das Young&Cold Festival jährte sich im September zum fünften Mal und wieder waren verschiedenste Künstler aus dem breitgefassten Wave-Bereich vertreten. Neu hingegen war, dass die Veranstaltung bereits am Donnerstag begann und an jedem Tag in einer anderen Location stattfand. Zudem waren dieses Jahr Tagestickets zu erwerben.
Für Autorin Flederflausch war es bereits das dritte Mal in Augsburg, Svartur Nott, den einige vielleicht noch als fleißigen Helfer vom Gothic-Friday in Erinnerungen haben, sollte dieses Jahr seine Young&Cold Jungfräulichkeit verlieren. Was lag da näher als ein gemeinsames Festival-Tagebuch zu erstellen und abwechselnd die Eindrücke und Erinnerungen zu beschreiben, nebeneinander und gegenüber zu stellen?
Young&Cold Donnerstag: Kuscheln im Keller
Flederflausch: Eigentlich beginnt diese Geschichte gar nicht am Donnerstag, sondern am Mittwoch – zumindest mein Teil der Geschichte – genauer: Mittwoch Abend, als ich dachte, dass es kein Problem sei Donnerstag Vormittag zu packen und ich mich ruhig noch auf ein Gläschen mit einem Freund treffen könne, schließlich hatte ich den nächsten Tag ja frei. Schlecht war das nicht, aber ehrlich gesagt hatte ich schon bessere Ideen. So kroch ich am Donnerstagmorgen nach vier Stunden angetüddelten Schlaf aus dem Bett wie ein Troll aus seiner Winterhöhle und eben dieses Gefühl sollte mich das ganze Wochenende nicht loslassen. Gepackt war nichts, nicht mal gebügelt geschweige denn von abgeschlossenen Vorbereitungen für den Katzensitter. Im trüben Licht des verhangenen Morgens quälte ich mich also durch die Wäscheberge, brach mir beim Packen dreimal fast alle Knochen, weil meine Katze versuchte sich wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu schleichen und musste mal wieder feststellen, dass ich nicht in der Lage bin für nur 4 Tage zu packen, sondern immer gefühlt ein halber Umzug draus wird.
Schwer bepackt und schon am frühen Mittag erschöpft fand ich mich schließlich im Zug wieder. Nancy, die bereits in Leipzig zu gestiegen war, hatte uns trotz akuter Überfüllung einen Sitzplatz sichern können und dort schlief ich nach dem Austausch erster Neuigkeiten auch prompt ein. Party hard und so. Wirklich wach war ich dann auch in der Unterkunft noch nicht und brauchte ungefähr ein Jahrhundert für Haare, Make-up und Klamotten und hätte man mich auf dem Sofa liegen lassen, ich wäre nicht mehr hoch gekommen. Doch da waren wir dann an der Soho-Stage. Hätte ich es nicht gesehen, hätte ich nicht geglaubt, dass sich in diesem dicht bebauten Gebiet wirklich ein Club befindet, in welchem die ganze Nacht die Boxen dröhnen sollten. Zwei Treppen führten ins Untergeschoss, eher in den Kellerraum. Wie hier rund 100 Leute reinpassen sollten, war mir ein Rätsel, aber es wurde schnell voll und kuschelig. Dort lernte ich gleich auch Freunde von Matthias kennen und mal wieder, das man im Osten mit den Preisen beim Ausgehen verwöhnt ist.
Als erste Band des Abends spielten GBS. Synthetisch und im Bereich Dark Wave/New Wave verordnet. Nach den ersten Liedern war ich angenehm überrascht, da ich mir zugegebenermaßen nicht alle Bands vor dem Festival angehört hatte. Im Verlaufe des Auftritts war mir der Klang dann doch leider etwas zu weich gespült. Der Wind blies draußen dafür umso härter und kälter. Nach kurzer Pause ging es weiter mit Werner Karloff aus Mexico City. Seine Musik orientiert sich stark an den 1980ern: Coldwave, Synthwave mit Einflüssen von Post Punk, und Minimal Synth und steht unter dem Einfluss der 1980er Jahren und der Neuen Deutschen Welle.Ich gebe zu, ich war müde, sehr müde, darum nutze ich die anschließende Party vor allem um mich etwas zu unterhalten und irgendwie erst Mal anzukommen. Für meinen Geschmack war die anschließende Party etwas zu Pogo lastig, doch fand auch ich immer wieder musikalische Schmacklern, die mich auf die Beine brachten. Nichtsdestotrotz, gegen 3 Uhr schlichen wir müde und erschöpft zurück in unsere Unterkunft.
Young&Cold Freitag: Intimitäten unter ähnlich Gesinnten
Svartur Nott: Die Sonne senkte sich immer mehr der Erde entgegen während die Bahn ihre Kurven hinauf auf die Schwäbische Alb zog. Noch vor wenigen Stunden wuselte ich in leichter Panik durch die Wohnung, das kleine Zeitfenster nutzend, um die allerwichtigsten Sachen endlich zusammenzupacken. Ticket? Check! Haarlack? Check! Dies und Jenes? Check ! Dann es ging endlich mal wieder raus, ins gelobte Land der Live-Musik, auf eine Veranstaltung, welche ich noch im letzten Jahr zum Trotze völliger Ungewissheit meiner Selbst und meines Aufenthaltsortes ins Auge gefasst hatte: Das Young & Cold-Festival in Augsburg. Spätestens letztes Jahr stieß ich im Zuge meiner stetigen Beschäftigung mit dem Thema “Gothic/Wave et al.” – und sicher nicht zuletzt auch durch den Spontis-Blog – auf diese vergleichsweise kleine Veranstaltung und schaute mich gleich im Netz danach um. Neugier packte mich. Eine Menge frischer musikalischer Gruppen aus Genres, welchen ich ebenfalls lausche, gibt es zu sehen? Und dann noch in halbwegs erreichbarer Nähe? Da muss man sich doch mal ein eigenes Bild von machen. Wann, wenn nicht jetzt? Gedacht, getan – ich sprach einige Freunde an, ob sie auch Interesse hätten und bestellte die Karten.
Es dunkelte. Augsburg kündigte sich in blassem Lichterschein der Zugfenster an. Was würde mich erwarten? Ich wusste es nicht genau, erhoffte mir aber ein wenig Intimität unter ähnlich Gesinnten, einen Genuss der dargebotenen Klänge, einen interessanten Abend mit Freunden und vielleicht neuen Bekannten, sollte ich meine latente Zurückhaltung denn mal überwinden.
Flederflausch: Zu dieser Zeit hatte ich es endlich geschafft mich von der Couch zu schälen und vor allem die Haare wieder in Form zu bringen. Die Aussicht darauf gleich Robert zu treffen brachte mich wieder etwas in Schwung und so zogen wir schon bald zu dritt Richtung Stadtmitte, wo wir, nachdem wir Robert aufgegabelt hatten, uns auf die Suche nach etwas Essbarem machten. Das Essen war toll und wir dem Fresskoma nahe. Aber es gab ja einen Plan. Also huschten wir schnell in Roberts Mietwagen und fuhren zur Ballonfabrik. Da fühlte ich mich dann doch gleich wieder etwas zu Hause. Das ich dort Svartur Nott auch endlich mal im echten Leben begegnen durfte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht und war so später umso mehr angenehm überrascht.
Svartur Nott: Der Zug spuckte mich auf dem feuchten Bahnsteig aus und hinterließ eine Leere, welcher ich rasch zu entkommen suchte. Ich zückte meine abends zuvor via Google-Maps erkrickelte Skizze, orientierte mich kurz und marschierte nun spitzen Schrittes in Richtung Ballonfabrik, jenes Ortes, an dem am Freitag das Young & Cold residierte. Straße um Straße zog vorbei, ich gelangte an eine Brücke über einen kleinen Fluss und sah ein Schild, bei welchem ich im Halbdunkel des Straßenlaterne gerade noch “… Uferstraße” lesen konnte. Hah, hier musste ich ja laut Skizze nach links abbiegen und dann fast nur noch geradeaus laufen! Euphorisiert setzte ich meinen Weg fort, wunderte mich, dass auf mal links ein Wohngebiet war, welches mir nicht mehr in Erinnerung war, aber gut, prä-adultes Alzheimer-Syndrom, das passt irgendwie schon…. So dachte ich dann, bis ich auf mal vor Schrebergärten stand und die Straße einen Knick machte. Das konnte jetzt nicht mehr stimmen. Und so fragte ich dann eine just fertig telefonierte Passantin, ob denn hier nicht irgendwo die Ballonfabrik sei. “Ja” sagte sie, “Jedoch auf der anderen Seite der Wertach…” Meine gute Laune flog mit dem Herbstwind davon…
Eine halbe Stunde später kam ich an einer Straßenbrücke über den Fluss, bei welcher ich auch ein entsprechendes Straßenschild fand und es fiel mir wie Schuppen von den Augen: Ich bin die ganze Zeit die “äußere Uferstraße” entlanggegangen, nicht die “Innere Uferstraße” – und hätte vor Scham im Boden versinken können.
Flederflausch: Was bin ich froh, dass wir (im vergangenen Jahr) nicht die einzigen waren, die sich verliefen. Was auf Google Maps immer so einfach aussah, ist in echt irgendwie doof. Wir waren nicht nur im strömenden Regen herumgeirrt, nein, wir sind letztens auch die letzten 500m mit dem Taxi gefahren, weil unser aller Orientierungssinn wohl gegen null strebt. Goth sei dank, war Robert dieses Jahr ganz seriös mit dem Navigationsgerät bewaffnet – ich hingegen so orientierungslos wie eh und je.
Svartur Nott: So schleppte ich mich und meinen Rucksack letztlich die richtige Straße entlang und gelangte so endlich bei der Ballonfabrik an. Das Gelände machte auf mich, der ich gerade durch die Einfahrt bog, einen vertrauten, gemütlichen Eindruck und meine Stimmung stieg wieder an: Schatten huschten über die Mauern und Fenster eines älteres Gebäudes mit einer Feuertonne davor, umringt von einigen primär schwarzen Gestalten, welche sich im Plausch befanden, darunter ein Gesicht, was mir sofort bekannt vorkam, ich aber nicht sofort ansprechen wollte, da bereits im Gespräch befindlich. Nach meiner etwas verpeilten Frage, ob das hier der Einlass sei, und die Antwort kam, Ja, ich dürfe mein Ticket nun hier in der Tonne “abgeben”, huschte ich schnell ins Gebäude, etwas Unverständliches antwortend. (Flederflausch: Ja, wir hatten die Tonne zur Ticketzentrale erkoren…) Denn ich wollte einerseits dieser just geleisteten Peinlichkeit entfliehen und unbedingt noch die “Neue(n) Strassen” mitbekommen und zudem meine drei Freunde finden. So gab ich fix meinen Rucksack am Einlass ab und wollte mich gerade unters Volk mischen, als ich noch ein bekanntes Gesicht erkannte, welches ich hier auch erwartet hatte und nun einen Weg aus der Menge zu finden suchte: Den Robert. Kurzerhand überkam mich ein Anflug von Geselligkeit und so fing ich ihn ab, stellte mich kurz vor, wechselte ein paar Worte mit ihm und wir verblieben dabei, im Laufe des Abends eine Runde zu quatschen.
So bekam ich letztlich von der ersten Band des Abends, Neue Strassen, nur deren letzte drei Lieder mit. Zumindest teilweise. In meiner Erinnerung wurde allerdings ein positiver Eindruck hinterlassen, welcher dazu aufforderte, sich dort nochmal genauer reinzuhören. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass Synthies voll toll sind? Nein? Dann mache ich das an dieser Stelle. Wer auf Synthies steht, ist auf dem Young & Cold definitiv gut aufgehoben. Im Fall von Neue Strassen kam dazu noch eine leicht angezerrte, mit Chorus und Delay beladene E-Gitarre samt einem kräftigen Drumcomputer-Beat, was auch im Publikum sichtbar Stimmung machte. Nach einem kurzen Plausch mit Freunden und der Zufuhr von Frischluft ging es mit dem Ein-Mann/Frau-Projekt Petra Flurr weiter. “Criminal Wave” war jetzt angesagt, was auch immer ich darunter verstehen durfte. Nun gut, Albumtitel wie “Puffmutter” sah ich jetzt im Nachhinein und kann nun die Bezeichnung halbwegs nachvollziehen, ich war jedenfalls gespannt, was mich nun erwartete. Auch das Künstler Petra Flurr hatte einen kräftigen, tanzbaren Beat im Programm und überzeugte mit einer dominanten Bühnenpräsenz: Man stelle sich eine Kreuzung aus Aladin und einer derangierten Dragqueen vor, welche, immer in Bewegung, seiner Stimmung freien Lauf ließ und etwas schrägen Elektropunk darbot. Für meine Ohren nicht immer etwas, aber live gerne wieder.
Flederflausch: Ich hatte mich dann ja schon voll mit Robert verquatscht und nichts, wirklich nichts außer dem Wummern von drinnen mitbekommen. Ein Lob auf die Feuertonne, ohne wäre ich wohl erfroren.
Svartur Nott: Mittlerweile fühlte ich mich vollkommen angekommen und nicht mehr ganz so fremd. Das Publikum war bunt gemischt und teils nicht klar einzuordnen. Die mir achso übel aufstoßende schwarze Beliebigkeit und Gleichförmigkeit, die ansonsten auf “schwarzen” Veranstaltungen optische Gleichförmigkeit kam mir nicht wirklich unter die Augen bzw. ins Bewusstsein. Alterstechnisch gab es Alles und Jeden – lediglich an <18-jährige kann ich mich gerade nicht mehr erinnern. Da nun der Gig vorbei- und das alkoholische Getränk leer waren, ging es etwas angeheitert erneut nach draußen, wo ich auf einer der Bänke vor der Feuertonne sitzend das von der Ankunft bekannte Gesicht wieder erblickte. Nun äußerte ich meine Vermutung, die werte Flederflausch vor mir zu haben, was mir bestätigt wurde und im Folgenden zu einem Gespräch führte, zu dem kurz darauf auch Robert erschien (“wo warst du? Ich habe dich schon die ganze Zeit gesucht!”). An Einzelheiten kann ich mich jetzt leider nicht mehr genau erinnern (wie auch nicht an die Fragen an den Robert, die mir an dem Abend durch den Kopf spukten), mich hat es jedenfalls sehr gefreut, die Flederflausch und den Robert mal persönlich getroffen und gesprochen zu haben. Was ich für einen Eindruck gemacht haben mag, dürfen die beiden euch dann verraten… meine Sinne waren etwas getrübt ob der vielen Eindrücke, des langen Tages und natürlich des Alkohol. Falls ich zu viel (Stuss) gelabert haben sollte, möge man es mir bitte nachsehen.
Flederflausch: Robert hatte mir schon früh am Abend angekündigt, dass Svartur Nott auch zugegen sei und er ihn bei der nächsten Gelegenheit schnappen und zu mir führen wird. Robert war dann lange verschwunden, Svartur Nott tauchte dafür von ganz alleine auf. Kommentierende und Mitschreiber kennenzulernen finde ich persönlich immer furchtbar schrecklich aufregend und verliere spontan meine Sprache, wie auch meine klaren Sinne. Mir scheint aber das Gespräch lief ganz passabel. Zumindest konnten wir viel lachen, dumm tun, uns austauschen und gleich auch noch Svartur’s Freunde kennen lernen. Den Unterschied zwischen Geographie und Geologie habe ich aber trotzdem schon wieder vergessen.
Svartur Nott: Der dritte und letzte Akt des Abends war Nacht Analyse, auf die ich mich im Vorfeld bereits freute, zumal ich die Stimme der Sängerin wirklich erstklassig finde und einige Songs kannte: “Scan mich ein” ist wohl der bekannteste Titel. Mich überzeugte trotz zu hintergründiger Synthies letztlich auch Nachtanalyse live, der gefühlte Höhepunkt war wider Erwarten jedoch das instrumentale Outro, welches vom Tastenschwinger an einem Theremin performt wurde. Einfach toll, mehr kann ich dazu nicht sagen! (Auf Youtube gibt es ein Video vom Young & Cold Festival 2017, auf welchem ab Minute 3:14 die Performance zu sehen ist). Zum Abschluss der gelungenen Nacht gab es dann noch eine Aftershowparty mit dem Fokus unter anderem auf Italo-Disco (zumindest meinem Vernehmen nach, man möge mich korrigieren), bei dem zwar nicht jeder Übergang nach Plan verlief, allerdings dennoch zum Tanzen einlud. Nach durchtanzter Nacht ging es dann irgendwann um 5 in die relativ nahe gelegene Unterkunft.
Flederflausch: Auch hier habe ich mal wieder voll abgeschmiert, zumindest was den musikalischen Genuss anging. Die meiste Zeit habe ich dann doch draußen beim quatschen verbracht. Auch wenn ich mich ehrlich gesagt beim besten Willen nicht erinnere, was da alles so mitteilungsbedürftig war, dass ich mich nur sporadisch nach innen verlagert habe. Wenn ich mich dort fand, dann wohl zu den Zeitpunkten wo die Musik doch auch meinem Geschmack entsprach und ich etwas über die Tanzfläche schlurfen konnte.
Young & Cold Samstag: Es läuft mir immer noch kribbelnd den Rücken runter
Svartur Nott: Nach kurzer und für mich leider nicht ganz so entspannten Nacht brachen wir am Folgetag zu einer kleinen Besichtigung Augsburgs auf und peilten nach kleinem Rundgang ein indisches Restaurant im Herzen der Stadt an. Zufrieden und mit vollgeschlagenem Bauch ging es dann zurück in die Unterkunft, um die verbliebene Zeit zu nutzen, endlich mal wieder nach Ewigkeiten die Haare zu stellen. Eigentlich wollte ich das schon am Freitag machen, aber naja, ohne genügend Zeit ist solch ein Unterfangen dem Untergang geweiht. Auch wenn ich schon seit einem gefühlten Jahr keine Toupierbürste mehr genutzt hatte, war das Ergebnis – auch Dank der Unterstützung eines Freundes – nicht sooo übel wie erwartet und ich beschloss, mich doch unter die Menschheit zu wagen und den Nachmittag und Abend nicht deprimiert unter der Dusche zu verbringen. Im Übrigen will ich gar nicht wissen, wie stark sich meine Lebenszeit aufgrund der Mengen inhalierten Haarlacks reduziert haben mag….
Da die erste Gruppe am Samstag schon um 18:30 Uhr beginnen sollte, zogen wir früh genug los und erreichten zeitnah ein ehemaliges Kasernengelände, in welchem sich die “Kantine”, unsere Location am Samstag, befand. Im Vergleich zur Ballonfabrik fasste die “Kantine” deutlich mehr Publikum, sodass auch die Besucherzahl über jener am Freitag lag (später wurden auch “normale” Gäste zur Aftershowparty eingelassen). Sich durch das Gewusel hineinkämpfend erblickte ich gleich nach dem Eingang zwei Platten- und CD-Stände, sowie den Merch-Stand der Bands und von Young & Cold-Records, wurde schwach und verbrachte nun die nächsten beiden Stunden beim Musikdurchwühlen und Abwägen, was mit soll und was mangels Penunze dableiben muss.
Dabei lauschte ich natürlich trotzdem der ersten Band, Sudeten Creche, welche ich unter “da solltest du nochmal reinhören” abgespeichert habe. Währenddessen unterhielt ich mich auch mit einer freundlichen, blau-flauschigen Isländerin über jene Insel, ihre Bewohner und deren Musik, las ein wenig in ein Büchlein hinein, was eben davon handelte (und welches ich später vergaß mir zu holen, Argh!), bis diese dann mit ihren Mitstreiterinnen auf die Bühne ging. Kaelan Mikla waren nun an der Reihe und begannen ihr Spiel, bestehend aus Bass, ihrem Synthie und ihren markanten Stimmen… Auch wenn ich von den Texten nichts verstanden habe, war es live eine sehr emotional dargebotene und – zumindest für mich – berührende Musik, deren Stimmung durch den Gesang der Damen noch einmal verstärkt wurde und letztlich eine weitere Entdeckung auf dem Young & Cold, bei welcher sich meiner Meinung nach ein Reinhören lohnt.
Flederflausch: Sudeten Creche waren ja gar nicht mein Fall. Musikalisch so lala und wenn ich einen Haufen alter Männer schwitzen sehen will dann kann ich auch in die Sauna gehen. Kaelan Mikla waren dafür einfach nur geil. Vermutlich hatte ich irgendwann schon mal ein Lied von den drei Damen aus Island gehört, aber das kann kein Vergleich sein mit dem Liveauftritt. Wenn ich daran denke läuft es mir immer noch kribbelnd den Rücken runter. Das nennt man wohl dann düster und mir viel ehrlich gesagt zuerst der Begriff Witchhouse ein
Svartur Nott: Nach dem Gig der Isländerinnen gab es eine kleine Pause, die zum Frischluftschnappen und Haarlack inhalieren genutzt wurde, dann ging es mit Nummer drei an diesem Abend weiter: Ben Bloodygrave. Für mich war es auf jeden Fall das erste Mal. Entsprechend neugierig war ich dann auch auf seinen Auftritt. Mit einem witzigen, wandelnden Pappkarton-Roboter zur Unterstützung und Animation zog Ben Bloodygrave sein Programm, garniert mit etwas Selbstironie, kompromisslos und absolut authentisch/unaufgesetzt (ein passenderes Attribut wollte mir nicht einfallen…) durch. Nach einer kleinen Pause folgten nun die schon seit Mitte der 80er tätigen The Arch, welche sich durch Titel wie “Babsi ist tot” oder “Ribdancer” einen Namen machten. Durch Bekannte wurde mir im Vorfeld gesagt, dass The Arch live nicht so überzeugend wären, ich wollte mir jedoch selbst ein Bild machen und positionierte mich daher relativ weit vorne. Aber irgendwie sprach mich die Musik tatsächlich nicht so an, der Funke sprang einfach nicht über… selbiges konnte ich allerdings auch beim Rest des Publikums beobachten, welches sich merklich lichtete und meines Eindrucks nach nicht so bei der Sache war, wie die Bands zuvor. Dies änderte sich nun jedoch zum letzten Auftritt der Nacht, denn nun übernahm die mittlerweile bekannter gewordene Hante das Szepter der Gefühle. „Noir“ ist wohl einer ihrer bekanntesten Titel, welcher ebenfalls an diesem Abend dargeboten wurde. Ich bemühte mich möglichst weit nach vorne zu kommen, gute Sicht zu haben und gab mich dann mit der zweiten Reihe zufrieden, bei der es genug Platz zum Lauschen, Schauen und Tanzen gab…
Flederflausch: Ich gebe zu, zwischen Kaelan Mikla und Hante war mir alles egal, Ben Bloodygrave ist einfach nicht mein Ding und The Arch waren mir auch völlig egal, ich wollte Hante sehen und hoffe sehr, dass ich direkt vor der Bühne nicht angefangen habe zu sabbern – manchmal steckt in mir eben doch ein kleines Fangirl…Live war der Auftritt leider nicht so harmonisch wie die Aufnahme, nichtsdestotrotz ich war danach bereit glücklich zu sterben.
Svartur Nott: Nach dem Höhepunkt des Abends konnte man nun weiterhin seinen Tanztrieb ausleben: Die Tanzfläche war sofort gerammelt voll, was mir schnell zu viel wurde, sodass ich mich erst einmal zurückzog und mich draußen ans Lagerfeuer setzte. Später kam ich nochmal zu Flederflausch und Robert, unterhielt mich noch ein wenig mit ihnen und anderen und nutzte dann die Gelegenheit, die mittlerweile etwas freier gewordene Tanzfläche zu beglücken. Die Auswahl war an diesem Abend für mich deutlich angenehmer, es wurde bunt gemischt (ich wunderte mich sehr, als ich “Klangwerk” – oder war es “wir schicken dich ins All”? – von LDC wahrnahm, frühen Techno hätte ich nun nicht erwartet) wenn auch wieder der ein oder andere Übergang etwas verpasst wurde: Das geht sicherlich besser, werte DJs! Übrigens hier noch ein Danke für den ein oder anderen Musiktipp, den ich mir erfragen konnte. Die weitere Nacht verbrachte ich mal am Lagerfeuer sitzend, wo ich noch nette kleine Gespräche mit einer Alt-Waverin und einem Besucher des Y&C aus Wien hatte (mit einer echt spacigen Brille!), mal tanzend auf der Fläche oder dem Treiben zuschauend, am Rand derselben. Gegen halb sechs morgens war dann der Ofen aus und es ging, fertig aber zufrieden, zurück in die traute Unterkunft um wenigstens noch kurz die Augen zu schließen, bevor die Sonne den Weg nach Hause wies…
Flederflausch: Vielleicht lag es daran, dass ich in den Wochen zuvor recht lange krank war, vielleicht werde ich auch einfach alt, trotz all der schönen Momente war ich doch heilfroh am Sonntag nachmittag im Zug Richtung Heimat zu sitzen. Nach so viel stehen, reden, tanzen und Musik wünschte ich mir nur eins: mich im eigenen Bett und meine Katze auf meinem Bauch. Das Kratzen im Hals hätte mir eine Warnung sein sollen, dass nicht nur schöne Eindrücke bleiben werden. Young&Cold war an diesem Wochenende Programm und von meiner Erkältung sollte ich mich erst nach drei Wochen erholt haben
Svartur Nott: Erneut zogen die kalkigen Ränder der Schwäbischen Alb an mir vorbei, ebenso wie die endlose Schlange der Blechbüchsen neben mir. In den Gesprächspausen mit meinem freundlichen Fahrer schweiften die Gedanken zurück in die vergangenen Tage und ließen Revue passieren, was ich erlebte und erfuhr…Was bleibt? Es bleibt die verblassende Erinnerung an ein ein tiefes Bad der Gefühle, an den harten Puls analoger Synthetik, und der Wunsch, nächstes Jahr wiederzukommen.
Ich war dieses Jahr auch zum ersten Mal beim Young and Cold wenn auch nur Samstags. Meine Freundin meinte ich hätte den ganzen Abend bzw. die ganze Nacht ein „seliges Dauergrinsen“ im Gesicht gehabt :) :). Kaelan Mikla hat uns beide definitiv umgehauen!!! Auf jeden Fall steht das Young and Cold für nächstes Jahr ganz groß auf der Wunschliste!
*seufzt*
Nächstes Jahr dann hoffentlich…
@Caterpillargirl: Da nächste mal musst Du Dich auch zu erkennen geben :)
Gruftfrosch: Bald akzeptiere ich auch keine Ausreden mehr :)
Danke für den Artikel liebes Spontis Team,
im Juni starten wir den Ableger vom Young and Cold mit dem Schwerpunkt Gitarre das Your Younger Days Festival. 2016 hatten wir es ja bereits angekündigt und 2018 wird es Wirklichkeit.
Ein Grund 2018 zweimal nach Augsburg zu kommen ? ;)
https://www.facebook.com/events/280821845757150/
Danke und beste Grüße der Kalten Familie aus Augsburg
Naja, hat dieses Mal leider für mich auch (wieder) nicht sein sollen, meiner längeren und doch etwas ernsteren Krankheit geschuldet. Ausser dem Herrn Bloodygrave (Junge, schaff dir mal eine weniger nach Rotzbuben-Hooligan-Eckkneipen/Kiosksteher klingende Stimme zu… ;-) ) und dem/der alles-längst-schon-mal-und-weitaus-besser-gehört agierenden Petra-Peter, schon einige heisse meinerseitigen Favoriten dabei. Naja, Kaelan Mikla hatte ich zumindest dieses Jahr im Frühjahr sehen/hören können – schon sehr, sehr gut, die kleinen „Troll“-Mädels ;-)
Schaun‘ mer mal, nächstes Jahr, nächste Chance. Wobei ich hoffe, das Ganze mutiert nicht zu einem exklusiven Grufti-„Event“, es gibt auch den einen oder anderen „Cold-Wave“/“Postpunk“-Rezipienten da draussen, der nicht herumgruften mag…
@ TS: Keine Sorge, das Publikum hatte jetzt nicht den Eindruck gemacht, als würde die ganze Sache nur auf Gruftis usw. beschränkt sein/bleiben: Allein von der Optik rannten da einige ziemlich unauffällig gekleidete Menschen umher und haben die Abende genossen.
@ Gruftfrosch: Optimistisch bleiben, so wie der Robert sagt, das wird schon werden. Dann können wir vielleicht auch mal gemeinsam Nonsens reden ^^.
Das „Your Younger Days Festival“ hört sich tatsächlich überzeugend an, das müsste ich dann ja glatt mitnehmen, wo es dieses Jahr ja soweit gut funktioniert hat. Schauen wir mal…