Auf den Complete BBC Recordings von Joy Division befindet sich neben allen Aufnahmen der Sessions in John Peels Radio-Show auch ein Interview, dass der Reporter Richard Skinner zur gerade aktuellen Veröffentlichung des ersten Joy-Division-Albums Unknown Pleasures mit Sänger Ian Curtis und Drummer Stephen Morris führte. Das Ganze muss daher wohl etwa auf Juni 1979 zu datieren sein, also ein knappes Jahr vor Ians tragischem Suizid und dem verfrühten Ende der Band.
Ich möchte euch an dieser Stelle also ein Streaming des Interviews präsentieren, jedoch natürlich wieder mit einer etwaigen Übersetzung ins Deutsche zum Mitlesen (wie bereits bei der BBC-Doku „Gothic“). Der Reporter hat dabei mit seiner schönen RP-Aussprache kein Problem dargestellt, Ian mit seinem breiten Manchester-Dialekt ein wenig mehr, und Stephen, der dazu noch schnell und nuschelig spricht, war ein dezenter Krampf im sprichwörtlichen Arsch – man mag mir also verzeihen, dass es teils eher sinngemäß aus dem Kontext abgeleitet ist :)
Nun, ihr habt vermutlich schon etwas von ihrem neuen Album Unknown Pleasures in der John Peel Show gehört und die Kritiken waren sehr lobend. All das mag zeigen, dass Tony Wilsons Kritik an der Plattenindustrie wirklich gerechtfertigt ist, den Joy Divisions Album erscheint auf seinem Factory Label. Als Richard Skinner die Bandmitglieder Stephen Morris und Ian Curtis traf, wollte er gerne wissen, ob die Isolation in Manchester ihrer Karriere förderlich oder eher hinderlich ist.
Stephen Morris: Es ist schon eine gute Sache, denn so sind wir nicht von irgendetwas beeinflusst worden, was irgendwo stattfindet. Wir sind wirklich abseits von allem – wir haben irgendwie unseren eigenen Stil in unserer eigenen Umgebung entwickelt.
Ian Curtis: Als wir angefangen haben, gab es in Manchester nur drei oder vier andere New-Wave-Gruppen. In London scheint es da viel mehr zu geben – ich denke, in Manchester sind viele Gruppen ihre eigenen Wege gegangen.
Richard Skinner: Eine Sache, die uns Tony Wilson verraten hat ist, dass man in dieser Gegend nur sehr selten A&R-Talentsucher trifft, dass Manchester in der Tat ziemlich auf seine eigenen Ressourcen angewiesen ist.
Stephen Morris: Ich glaube, es kommen auch nicht viele Züge hier hoch. [Allgemeines Lachen]
Richard Skinner: Wolltet ihr denn jemals zu einem Major Labels?
Stephen Morris: Ja, als wir anfingen. Ich meine: Wenn man eine Band gründet, dann ist jeder voller Ambitionen die nächsten Beatles zu werden oder sowas. Aber je länger man dabei bleibt, desto weniger naiv wird man und man realisiert, dass noch etwas mehr dazu gehört und dass einen die großen Plattenfirmen eigentlich gar nicht so interessieren – „Wir haben da irgendwo was über diese Jungs gelesen, schauen wir uns die mal an“.
Ian Curtis: Wir haben uns auch sehr verändert. Als wir angefangen haben, Musik zu machen konnten wir eigentlich gar nicht spielen. [Stephen lacht]
Richard Skinner: Aber ihr habt es gelernt?
Ian Curtis: Ja. Es war so eine unverfängliche Spaß-Sache, „Oh, wir sind in einer Band!“. Es war ungefähr im August 1977, denke ich, als wir anfingen wirklich unseren eigenen Weg zu finden.
Richard Skinner: Ihr wurdet als der nächste große Durchbruch aus Manchester bezeichnet. Und es ist interessant, dass wir kürzlich Gary Numan auf „Rock On“ hatten, der über die Zukunft des Rock sprach, ich habe hier ein Zitat: Er meint, dass Machine Rock das nächste große Ding sein wird. Nun, und ich kann da einen gewissen Einfluss von vielleicht Velvet Underground oder Kraftwerk in manchen eurer Stücke sehen – ist das etwas, das ihr im Moment bewusst macht?
Stephen Morris: Nein.
Ian Curtis: Nein.
[Allgemeines Lachen]Richard Skinner: Dann sagt uns etwas darüber!
Stephen Morris: Zunächst einmal allen gebührenden Respekt an Gary Numan, aber ich kann mich nicht anschließen, was das Klassifizieren von irgendetwas angeht, alles in kleine Schubladen stecken. Was wir machen ist das was wir machen – und das sind eben vier Leute, die die Musik spielen, die sie spielen wollen. Bis zu einem gewissen Grad ist man von allem beeinflusst das man hört. Ich meine: Absolut alles hat irgendeinen Einfluss auch dich – ich etwa höre viel Musik, würde aber nicht sagen „Das beeinflusst mich“ – Wir hören alle unterschiedliche Arten von Musik und man kann einfach nichts einfach zusammenfassen wie „Wir sind wie die Doors“ – Barney und Hooky haben die Doors nichtmal gehört, also kann man auch nicht sagen dass wir irgendwie von ihnen beeinflusst wären.
Richard Skinner: Mit all der Aufmerksamkeit die ihr nun von der Musik-Presse bekommt und mit den begeisterten Kritiken (den zurecht begeisterten Kritiken) – Wie fühlt es sich nun als Band an plötzlich diejenigen zu sein, auf die jeder schaut?
Ian Curtis: Um ganz ehrlich zu sein: Das beeinflusst uns kein bisschen, denn wir hatten ein paar sehr schlechte Kritiken als wir angefangen haben [lacht] und dann hatten wir ein paar gute, und wieder ein paar schlechte. Das kümmert uns nicht.
An einer Stelle hätte ich schwören können Gitarrist Bernard Sumner zu hören (der erwähnten „Barney“), aber ich denke, es könnte auch Ian sein, und schließlich war keine Rede davon, dass die ganze Band anwesend wäre. Interessant finde ich es, wie wichtig es auch Stephen und Ian war, sich von Schubladen zu distanzieren und ihre eigenes Ding zu machen, wobei doch gerade die erwähnte Einflüsse wohl gar nicht zu leugnen sind – allerdings tun sie das ja auch nicht, sie sagen nur, dass sie nicht konkret XYZ umsetzen wollen, sondern einfach ihr Ding machen.
Dass Ian die Band dennoch ohne mit der Wimper zu zucken als ein Band „of the New Wave type“ bezeichnet mag auch ein wenig Licht werfen auf die tatsächliche damalige Benutzung des Begriffs – es war eben weniger ein Musikstil, als viel mehr der Hinweis darauf, dass man Teil einer Modernen Bewegung ist, die sich aus festgefahrenen Normen lösen (die natürlich auch Punk darstellte).