Irgendwo in einem Treppenhaus. Wild herumschwirrende Zwergfledermäuse, aufgeschreckt von der Treppenhausbeleuchtung, schwirren um Renas Kopf. Vermutlich haben sie sich beim einrichten ihres Winterquartier verflogen. Vielleicht ist es aber auch die Begegnung der dritten Art. Rena ist ein ein Indie-Mädchen, sagt sie jedenfalls. Doch ihr Musikgeschmack und der immer schwärzer werdende Kleiderschrank geben ihr Rätsel auf. Gruftie? Gothic? Indie-Mädchen? Als sie während eines Frankreich-Urlaubs im Pariser Musée d’Orsay die Ausstellung L’ange du bizarre besucht ist ihr erster Gedanke: Ganz schön gruftig hier! Irgendwann recherchiert sie im Internet, stolpert über Spontis und die Artikel zum „Gothic Friday“. Nochmal irgendwann landet in meinem Posteingang eine E-Mail von Rena, die mir von schwarzer Musik, gruftiger Vergangenheit, düsteren Ausstellungen und Zwergfledermäusen erzählt. Ich schreibe natürlich zurück, bin ich doch begeistert über diese persönliche Nachricht. Sie verspricht, sich vielleicht auch mal einzubringen. Unverhofft flattert ein paar Tage später eine Liste mit Lieblingsfilmen des Zwergfledermaus-Indie-Mädchens in meinen Postfach, schließlich sei ja bald Weihnacht und vielleicht – so schreibt Rena – haben die Spontis-Leser Lust auf ein paar alternative Filmtipps.
Renas kleine Gruftithek
Alle Jahre wieder, diese wunderbare Adventszeit. In den chronisch überfüllten Konsumtempeln mischt sich der Geruch von Schweiß mit dem Duft von Weihnachtsgebäck. Überall funkeln und blinken die Lichter und auch die Sterne im Kopf von zuviel Lumumba. Der Herr Herrmann, Peters oder Schneider traut sich endlich der Frau Reinhardt, Bauer oder Heinze eine volltrunkene Liebeserklärung auf der Weihnachtsfeier zu machen, um ihr anschließend in den Ausschnitt zu kotzen. Danach sind alle im Büro peinlich berührt. Hoffentlich kostet das nicht die Beförderung.
Man freut sich endlich alle seine Lieben an einen Tisch voller Köstlichkeiten zusammenzuführen, vorausgesetzt es gibt keinen obligatorischen Feiertagsstreit. Verdammt, einmal im Jahr sollte doch alles perfekt werden. Dass diese überhöhten Erwartungen einem aber auch immer einen Strich durch die Rechnung machen müssen. Immerhin, der Schnee. Der Schnee? Wieder mal keine weiße Weihnachten. Der Schnee lässt mal wieder auf sich warten und kommt wohl erst im Januar oder Februar.
Dann eben ab auf die Couch und ein bisschen rumzappen. Welch Überraschung, das Feiertagsprogramm ist mal wieder hervorragend beschissen.
Für alle, die keine Lust haben, sich auf dem Weihnachtsmarkt die feuchte Kälte in die Füße kriechen zu lassen und es sich stattdessen zu Hause auf eigene Art gemütlich machen möchten, hier einige Filmtipps für einen etwas anderen Filmwinter. Wer möchte darf natürlich gerne während dem gucken am Glühwein nippen und am Spekulatius knabbern, ich bin ja kein Grinch! Für den DVD- Abend, Filme zum Wieder- oder Neuentdecken:
„Tess“ von Roman Polanski, 1979
Epos nach Thomas Hardys Roman „Tess von den d’Urbervilles“ über eine Frau im viktorianischen England. Unglaublich poetische Bilder mit einer bezaubernden Nastassja Kinski.
Es lohnt sich die 164 min dranzubleiben, alleine schon wegen dem atmosphärischen Ende in Stonehenge im Nebel. Vielleicht ja auch eine Geschenkidee fürs Schatzi.
„So finster die Nacht“ von Tomas Alfredson, 2008
Als Einstimmung für eine gruselige Weihnachtsparty. Schwedischer Arthouse-Vampir-Coming-of-age-Horror-Film.
Die unschuldige Liebesgeschichte zwischen dem androgynem Vampirkind Eli und dem Jungen Oskar steht im krassen Kontrast zu dem vielen Blutgespritze und fliegenden Körperteilen. Rührend und brutal zugleich.
„Antichrist“ von Lars von Trier, 2009
Alle die keinen Bock auf besinnliches Friede Freude, o´Tannenbaum haben, sind mit diesem Film gut bedient. Einer der heftigsten Filme die ich je gesehen habe.
Unterteilt in die Kapitel Trauer, Schmerz, Verzweiflung und die 3 Bettler, sowie ein Pro- und Epilog. Mann-Frau-Konflikt, der sich zum absoluten Horror entwickelt. Kontroverser Film, typisch Lars von Trier. Nach dem Filmgenuss empfehle ich einen ausgedehnten Waldspaziergang. (Trailer)
„Die Wand“ von Julian Pölsler, 2012
Wer sich an den Feiertagen einsam fühlt, kann sich ja mal diesem Film anschauen: Plötzlich ist da eine unsichtbare Wand. Sie trennt eine Frau vom Rest der Welt. In dieser Isolation beginnt sie sich der Natur ums sich herum anzunähern, mit ihr eins zu werden.
Sehr ästhetische Bilder. Aber man muß sich im klaren sein: ein Film ohne Dialoge. Manche finden ihn langweilig, ich nicht! Nach dem Roman von Marlen Haushofer. (Internetseite)
„Das weiße Band“ von Michael Haneke, 2009
Ich bin ja bei Filmen die mit Preisen überschüttet werden immer skeptisch. Hier lohnt es die Skepsis über Bord zu werfen. Rätselhafte Ereignisse versetzen, ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, ein Dorf in Norddeutschland in Schrecken.
Haben die Kinder damit etwas zu tun? In schwarz-weiß wird das bedrückende gesellschaftliche Klima des Wilhelminismus gezeichnet. Voller Doppelmoral, Sittenstrenge und Bigotterie. Kann man auch mit der Familie anschauen und dann mit dem Uropa über alte Zeiten und Erziehungsmethoden plaudern. (Internetseite)
Vielleicht fühlt sich der ein- oder andere Leser dazu aufgerufen, seine Weihnachtsfilmliste zu teilen, ich werde die nächsten Tage auch noch was zusammenstellen, damit noch alle genug Zeit haben, die Filme zu bestellen, zu leihen oder was auch immer. Vielleicht fühlt sich ja der ein oder andere motiviert, aus dem Schatten herauszutreten und ebenfalls mein Postfach mit einer Nachricht zu verwöhnen, ich freue mich.