5 Filmtipps für ambitionierte Schwarzseher: Renas kleine Gruftithek

17

Irgendwo in einem Treppenhaus. Wild herumschwirrende Zwergfledermäuse, aufgeschreckt von der Treppenhausbeleuchtung, schwirren um Renas Kopf. Vermutlich haben sie sich beim einrichten ihres Winterquartier verflogen. Vielleicht ist es aber auch die Begegnung der dritten Art. Rena ist ein ein Indie-Mädchen, sagt sie jedenfalls. Doch ihr Musikgeschmack und der immer schwärzer werdende Kleiderschrank geben ihr Rätsel auf. Gruftie? Gothic? Indie-Mädchen? Als sie während eines Frankreich-Urlaubs im Pariser Musée d’Orsay die Ausstellung L’ange du bizarre besucht ist ihr erster Gedanke: Ganz schön gruftig hier! Irgendwann recherchiert sie im Internet, stolpert über Spontis und die Artikel zum „Gothic Friday“. Nochmal irgendwann landet in meinem Posteingang eine E-Mail von Rena, die mir von schwarzer Musik, gruftiger Vergangenheit, düsteren Ausstellungen und Zwergfledermäusen erzählt. Ich schreibe natürlich zurück, bin ich doch begeistert über diese persönliche Nachricht. Sie verspricht, sich vielleicht auch mal einzubringen. Unverhofft flattert ein paar Tage später eine Liste mit Lieblingsfilmen des Zwergfledermaus-Indie-Mädchens in meinen Postfach, schließlich sei ja bald Weihnacht und vielleicht – so schreibt Rena – haben die Spontis-Leser Lust auf ein paar alternative Filmtipps.

Renas kleine Gruftithek

Alle Jahre wieder, diese wunderbare Adventszeit. In den chronisch überfüllten Konsumtempeln mischt sich der Geruch von Schweiß mit dem Duft von Weihnachtsgebäck. Überall funkeln und blinken die Lichter und auch die Sterne im Kopf von zuviel Lumumba. Der Herr Herrmann, Peters oder Schneider traut sich endlich der Frau Reinhardt, Bauer oder Heinze eine volltrunkene Liebeserklärung auf der Weihnachtsfeier zu machen, um ihr anschließend in den Ausschnitt zu kotzen. Danach sind alle im Büro peinlich berührt. Hoffentlich kostet das nicht die Beförderung.

Man freut sich endlich alle seine Lieben an einen Tisch voller Köstlichkeiten zusammenzuführen, vorausgesetzt es gibt keinen obligatorischen Feiertagsstreit. Verdammt, einmal im Jahr sollte doch alles perfekt werden. Dass diese überhöhten Erwartungen einem aber auch immer einen Strich durch die Rechnung machen müssen. Immerhin, der Schnee. Der Schnee? Wieder mal keine weiße Weihnachten. Der Schnee lässt mal wieder auf sich warten und kommt wohl erst im Januar oder Februar.

Dann eben ab auf die Couch und ein bisschen rumzappen. Welch Überraschung, das Feiertagsprogramm ist mal wieder hervorragend beschissen.
Für alle, die keine Lust haben, sich auf dem Weihnachtsmarkt die feuchte Kälte in die Füße kriechen zu lassen und es sich stattdessen zu Hause auf eigene Art gemütlich machen möchten, hier einige Filmtipps für einen etwas anderen Filmwinter. Wer möchte darf natürlich gerne während dem gucken am Glühwein nippen und am Spekulatius knabbern, ich bin ja kein Grinch! Für den DVD- Abend, Filme zum Wieder- oder Neuentdecken:

„Tess“ von Roman Polanski, 1979

Tess - Roman PolanskiEpos nach Thomas Hardys Roman „Tess von den d’Urbervilles“ über eine Frau im viktorianischen England. Unglaublich poetische Bilder mit einer bezaubernden Nastassja Kinski.

Es lohnt sich die 164 min dranzubleiben, alleine schon wegen dem atmosphärischen Ende in Stonehenge im Nebel. Vielleicht ja auch eine Geschenkidee fürs Schatzi.

„So finster die Nacht“ von Tomas Alfredson, 2008


So finster die Nacht von Tomas Alfredson
Als Einstimmung für eine gruselige Weihnachtsparty. Schwedischer Arthouse-Vampir-Coming-of-age-Horror-Film.

Die unschuldige Liebesgeschichte zwischen dem androgynem Vampirkind Eli und dem Jungen Oskar steht im krassen Kontrast zu dem vielen Blutgespritze und fliegenden Körperteilen. Rührend und brutal zugleich.

„Antichrist“ von Lars von Trier, 2009


Antichrist - Lars von Trier
Alle die keinen Bock auf besinnliches Friede Freude, o´Tannenbaum haben, sind mit diesem Film gut bedient. Einer der heftigsten Filme die ich je gesehen habe.

Unterteilt in die Kapitel Trauer, Schmerz, Verzweiflung und die 3 Bettler, sowie ein Pro- und Epilog. Mann-Frau-Konflikt, der sich zum absoluten Horror entwickelt. Kontroverser Film, typisch Lars von Trier. Nach dem Filmgenuss empfehle ich einen ausgedehnten Waldspaziergang. (Trailer)

„Die Wand“ von Julian Pölsler, 2012

Die Wand - Julian PölslerWer sich an den Feiertagen einsam fühlt, kann sich ja mal diesem Film anschauen: Plötzlich ist da eine unsichtbare Wand. Sie trennt eine Frau vom Rest der Welt. In dieser Isolation beginnt sie sich der Natur ums sich herum anzunähern, mit ihr eins zu werden.

Sehr ästhetische Bilder. Aber man muß sich im klaren sein: ein Film ohne Dialoge. Manche finden ihn langweilig, ich nicht! Nach dem Roman von Marlen Haushofer. (Internetseite)

„Das weiße Band“ von Michael Haneke, 2009


Das weiße Band von Michael Haneke
Ich bin ja bei Filmen die mit Preisen überschüttet werden immer skeptisch. Hier lohnt es die Skepsis über Bord zu werfen. Rätselhafte Ereignisse versetzen, ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, ein Dorf in Norddeutschland in Schrecken.

Haben die Kinder damit etwas zu tun? In schwarz-weiß wird das bedrückende gesellschaftliche Klima des Wilhelminismus gezeichnet. Voller Doppelmoral, Sittenstrenge und Bigotterie. Kann man auch mit der Familie anschauen und dann mit dem Uropa über alte Zeiten und Erziehungsmethoden plaudern. (Internetseite)

Vielleicht fühlt sich der ein- oder andere Leser dazu aufgerufen, seine Weihnachtsfilmliste zu teilen, ich werde die nächsten Tage auch noch was zusammenstellen, damit noch alle genug Zeit haben, die Filme zu bestellen, zu leihen oder was auch immer. Vielleicht fühlt sich ja der ein oder andere motiviert, aus dem Schatten herauszutreten und ebenfalls mein Postfach mit einer Nachricht zu verwöhnen, ich freue mich.

Gothic-Gottesdienst: Ein kirchliches Paradoxon

68

Der Begriff Gothic-Gottesdienst wirkt auf den ersten Blick wie ein Widerspruch – und doch rückt er ein spannendes Spannungsfeld in den Fokus: die Beziehung zwischen christlicher Religion und der Gothic-Szene. In einer Subkultur, die sich über dunkle Ästhetik, symbolische Provokation und die Ablehnung religiöser Dogmen definiert, wirft die Annäherung der Kirche viele Fragen auf. Der folgende Artikel geht der Reibung zwischen institutionalisierter Glaubenswelt und individueller Sinnsuche nach – und zeigt, warum gerade Weihnachten für viele Gothics zur inneren Zerreißprobe werden kann.

Gothic-Gottesdienst in Nortrup-Loxten

Hand aufs Herz: Wer von Euch geht Weihnachten in die Kirche, feiert zu Hause christliche Traditionen oder betet am Heiligen Abend vor dem gemeinsamen Essen? Ich bin nicht ganz sicher, was eine groß angelegte Umfrage in der Szene ergeben würde. Ich war mir mal sicher, eigentlich war das auch ein Grund, mich der Szene anzuschließen: Die Szene, so wie ich sie kenne und deute, ist im Grunde eine antichristliche Szene. Schon rein äußerlich verkörpern wir die dunkle Seite des Lebens, also alles das, was mit Tod, Traurigkeit oder Sehnsucht zu tun hat. Alles, was mit heidnischer, keltischer, nordischer oder nicht-christlicher Mythologie zu tun hat, fasziniert uns. Wir schmücken uns mit merkwürdigen Symbolen, Friedhöfe empfinden wir als Rückzugsorte und überhaupt, von der Gesellschaft wollen wir als andersartige Querulanten wahrgenommen werden.

Die Gothic-Szene hat meiner Ansicht nach nichts mit der Kirche zu tun, die Szene steht sogar für die provokative Ablehnung jedes institutionellen Glaubens. Neulich lief beim NDR der kurze Bericht über einen Gothic-Gottesdienst in Nortrup-Loxten, den Pastor Uwe Brands ins Leben gerufen hat. Die Idee dazu entstand während des Referats eines Schülers über die Szene, bei dem der Pastor viel lernte. „Ich hatte die Gothics, was die Symbole angeht, dem Satanismus zugeordnet – das stimmt nicht.“ Aus der Idee wurde Realität, Lichtshow, Musikvideos und Lesungen, fertig war der Gottesdienst. Keine neue Idee, denn bereits auf dem WGT 2010 hat es solche Gothic-Gottesdienste gegeben.

Das Paradoxon

Ich behaupte, wie bereits erwähnt, die Szene hat mit der Kirche und der klassischen christlichen Religion nichts zu tun. Ich finde sogar, dass sie die visuelle und inhaltliche Ablehnung genau dieser Werte ist, die den meisten von uns schon als Kind in die Wiege gelegt worden sind. Die stille Auflehnung gegen das Spießbürgertum, gegen das Dogma, etwas glauben zu müssen, das uns vermeintlichen Halt verschafft und das Leben in ein vorgefertigtes Schema aus Gut- und Böse presst. Das lässt sich natürlich auf jede Religion übertragen, es spielt keine Rolle, ob die Dogmen christlicher, jüdischer oder muslimischer Herkunft sind.

Die Gothic-Szene ist für mich eine Subkultur, bei der die Ablehnung einer solchen vorgefertigten Religion zum festem Bestandteil ihrer Existenz zählt. Die meisten Gothic-Anhänger, die ich kenne, sind Atheisten oder Agnostiker, glauben nicht an einen Gott oder überhaupt an die Existenz einer höheren Instanz. Schon seit die Szene besteht,  bringt man uns aufgrund unserer Interessen und Leidenschaften, wegen unseres Aussehens oder Auftretens mit der „dunklen Seiten“ in Verbindung. Wir waren Satanisten, feierten schwarze Messen, trieben uns auf Friedhöfen herum und probierten unzählige okkulte Spielereien aus. Sie hatten alle Recht! Denn genau darum ging es. Herausfinden, was neben christlichen Traditionen und kirchlichem Glauben noch existiert. Herausfinden, ob man mit seinen „bösen“ Gedanken Gleichgesinnte findet und sie nicht nur im Beichtstuhl dem Pfarrer ins Ohr flüstern muss. Wir hörten sogar Musik, die genau das in Frage stellte und sich mit Themen wie Religion, Glauben, Tod und Traurigkeit beschäftigte. Stellvertretend und fast plakativ: Silke Bischoff – 666 Hellbound – „The devil’s not outside of you; The devil’s within you.

Paradox, dass Gothic jetzt als Zugpferd für immer leerere Kirchen herhalten muss. Immerhin war der Großteil der Gottesdienst-Besucher in Nortrup-Loxten nicht „aus der Szene“, sondern nur „zum Gucken“ gekommen. Fast schon wie beim WGT vor dem AGRA-Gelände, nur mit Sitzplatz. Dass die Kirche nun versucht, „Gothics“ anzusprechen, sollte eigentlich eine neue Welle satanistischer Strömungen zur Folge haben! Einfach nur, um zu zeigen: Bleibt weg mit Eurem Kram und kokettiert nicht mit Subkulturen!

Die These

Gothic ist im Mainstream angekommen. Ich denke, die meisten Besucher schwarzer Veranstaltungen können meinen Gedanken zu Religion und Glauben nichts abgewinnen.  Für die ist das Styling wichtig, vielleicht ein Hauch andersartige Musik und auch die ein oder andere „schmutzig“ Fantasie abseits des Alltags. Warum also die Religion ablegen? Wer ist dann für mich da, wenn es mir schlecht geht? Woher weiß ich sonst, was richtig und falsch ist, was gut und was böse ist? Die Kirche steckt in einer Krise. Spätestens seit den 80ern steigen die Zahlen der Kirchenaustritte stetig. Medial aufbereitete Skandale erschüttern die Herrlichkeit der eigenen Kirche, man beginnt immer mehr, Glaube und Kirche voneinander zu trennen. Immer mehr Gotteshäuser müssen schließen, die Einnahmen aus der Kirchensteuer fallen unaufhörlich.

Die Suche des Menschen nach einem Leitbild, nach Prinzipien und Regeln, nach Führung und Vergebung ist geblieben. Immer noch gibt es Fragen, die uns niemand beantworten kann, oder Antworten, die uns nicht ausreichen. Gothics bauen sich oftmals ihre eigene Welt, eine religiöse oder rationale Collage, die als Lebensmaxime herhalten muss. Daran ist nichts Verwerfliches, jeder soll glauben, was er glaubt. Auch die Welt der Gothics ist schwarz und weiß – im Sinne von Gut und Böse – nur wir wollen selber entscheiden, was wir wo einordnen. Ist eine Abtreibung böse? Ist Ehebruch verwerflich? Was kommt nach dem Tod?

Gothics beschäftigen sich nicht mehr allzu häufig mit solchen Fragen und wenn, dann nur im kleinen Kreis. Nach außen hin sind wir zu einem toleranten und angepassten Haufen Weicheier verkommen, die sich am Wochenende gerne schwarz anziehen. Das ist das Ergebnis aus jahrzehntelangen Erklärungsversuchen, nach tausenden Beteuerungen: „Wir sind nicht böse!“ Doch wir sind böse. Jeder von uns hat eine böse Seite. Bei Gothic geht es auch darum, beide Seiten kennen und schätzen zu lernen.

Gut und Böse

Jetzt steht Weihnachten vor der Tür und wir stecken in der Zwickmühle. Zu keiner Jahreszeit sind die Kirche und die Religion so präsent wie zu dieser Zeit. Kein Wunder, ist doch unsere christliche Tradition der Grund für die freien Tage am Ende des Jahres. Jeder feiert Weihnachten auf seine Weise, der eine schwärzer, der andere bunter.

Konsequenterweise müsste man auch die freien Tage ablehnen, denn die basieren genau auf dieser Grundlage, die ich für mich eigentlich ablehne. Ich bin da aber pragmatisch, ich mag es einfach, wenn alles still, leise und beschaulich wird, wenn Familien sich am „heiligen Abend“ liebhaben, sich trennen oder zerstreiten. Wenn es Weihnachten nicht geben würde, wäre ich zum Ende des Jahres für die Familientage, drei Tage, an denen alles, was ablenkt oder unterhält, geschlossen ist. Drei Tage, an denen man mit sich selbst, der Familie, mit den Problemen und Geschichten, mit der Freude und dem Leid alleine ist. Drei Tage, an denen man gezwungen ist, sich mit sich selbst und seinen Nächsten zu beschäftigen, das Verdrängte herauszuholen oder auch einfach genießt. Gutes und Böses.

Doch was ist gut und was ist böse? Gemeint ist das, was uns Kirche und Religion als solches verkaufen wollen. Hier gilt es, zu differenzieren, denn „Du sollst nicht töten.„, ist ein ziemlich gutes Gebot, das auch ich nach allen Kräften einzuhalten versuche. Es nicht im Gruftie-Sinne, die Lehren der christlichen Kirche pauschal abzulehnen. Vielmehr ist es das Zusammenstellen der eigenen Lehren. Ich lehne es ab, einer allumfassenden Lehre meinen Glauben zu schenken, sondern wähle aus, was ich für gut und was ich für böse halte.

Spontis Wochenschau #12/2013

22

Wer über meine frisch montierte Lichterkette meckert, den bestrafe ich mit dem Blick einer beleidigten, vegetarischen Leberwurst. So. Ich weiß, eigentlich sollte ich als Mitglied einer angeblich rebellischen Subkultur Weihnachten und alles drumherum ablehnen, verachten und abstrafen. Ernsthaft, ich habe versucht ohne den ganzen, viel zu kommerziellen Kram auszukommen. Ich bin gescheitert, zerbrochen an meinem ästhetischen Empfinden, vielleicht auch an meiner frühkindlichen Prägung. Ich meine, stellt euch doch mal Weihnachten ohne die ganzen blinkenden Sterne, Lichterketten und leuchtenden Schlitten vor. Was wäre Weihnachten ohne den Geruch nach Zimt, Gebäck und heißem Alkohol? Wo kommen wir hin, wenn im Kaufhaus plötzlich nicht mehr „Last Christmas“ gedudelt wird, während sich verzweifelte Ehemänner um die letzten Geschenke bemühen? Ein eher zufälliger Besuch des örtlichen Baumarktes am gestrigen Abend endete in der dort extra eingerichteten Lichterketten-Abteilung. Da wurde begutachtet und wieder verworfen, geschwelgt und gelästert um letztendlich doch nichts für unseren Haushalt mitzunehmen. Auf der Rückfahrt dann die Einsicht. Das Funkeln in der Augen kam nicht nur von blinkenden LEDs, sondern von dem Gefühl, etwas zu vermissen, was einem die selbst auferlegte Rebellion ausreden möchte. Jetzt fahren wir am Wochenende los, um uns gruftig-weihnachtlich auszurüsten, jedenfalls ein bisschen. Und Goth sei mir gnädig: Ich freu mich.

  • Finanzinvestor kauft Kultmarke Dr. Martens | Spiegel
    Für rund 300 Millionen Pfund hat ein Finanzinvestor die Kultmarke „Dr.Martens“ gekauft. Ob die Stiefel ihren neuen Inhaber überleben werden, ist fraglich: „Der Käufer Permira steht dagegen so gar nicht für Subkultur. Die Beteiligungsgesellschaft, in Deutschland als „Heuschrecke“ verschrien, setzt im Modebereich bisher eher auf das gehobene Segment. So gehört ihr unter anderem die Mehrheit am deutschen Label Hugo Boss. Auch die Wurzeln von Dr. Martens liegen in Deutschland. Die typische Luftpolstersohle wurde um 1945 am Starnberger See von Militärarzt Dr. Klaus Märtens erfunden […] Im vergangenen Jahr vermeldete das Unternehmen einen Umsatz von 110 Millionen Pfund und einen Vorsteuergewinn von 13,3 Millionen Pfund. Dr.-Martens-Chef David Suddens sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Familie habe aus persönlichen Gründen entschieden, die Firma zu verkaufen. Der neue Eigentümer werde dazu beitragen, die Kultur des Unternehmens zu bewahren.
  • Gothic Manchester Festival | Manchester Metropolitan University
    Großbritannien ist ein Land der Gegensätze. Während man in manchen Landesteilen für die Tatsache ein „Goth“ zu sein verfolgt werden kann, bietet ein intellektuellere Teil der Gesellschaft sogar Möglichkeiten der gruftigen Fortbildung an. Die Manchester Metropolitan University veranstaltete Ende Oktober das „Gothic Manchester Festival“, dass sich in zahlreichen Veranstaltungen ganz den Forschungen in Sachen Gothic angenommen hat. Ganz erstaunlich, was die Engländer dort für ein Programm geschnürt haben:  „There will be readings from Gothic writers, a ghost hunt at haunted Ordsall Hall, a tour of Monstrous Manchester, a zombie-themed pub-quiz, tours of architectural hotspots like the John Rylands library and the Town Hall, a lamp-lit walk through the Gothic highlights of the Manchester Art Gallery, creative writing workshops, a double-bill of horror at Cornerhouse and a series of academic papers and symposia.Manchester is teeming with gothic architecture, goth bands, gothic events and gothic experts, and has even been the setting of horror films such as The Living Dead at Manchester Morgue (Jorge Grau, 1974). Gothic Manchester will capitalise on these myriad cultural influences by bringing together a series of events dedicated to turning the city into a hub of gothic activity.“ Klingt ziemlich großartig, wie ich finde. Sollte sich 2014 eine ähnliche Gelegenheit bieten, werde ich alles daran setzen, dabei zu sein. Obwohl, war Manchester nicht die Stadt, in der man Gothic als bedrohte Lebensart einstufte? (via The blogging Goth)
  • Ich. Will. Rosa – Gender Marketing für Kinder | Sueddeutsche
    Nachtrag zu meine Artikel über das Metrosexuelle in mir. Im Prinzip ist doch alles Erziehungssachen, also das Geschlechterverhalten. Die Farben nicht. Rosa für Mädchen, blau für die Jungs, alles eine Erfindung der Industrie. So steht es jedenfalls in einem Artikel der Süddeutschen: „Spielwarengeschäfte fixen die Kinder mit Rosa an, sie sind strikt nach Jungen und Mädchen unterteilt: rechts Pirat Sharky, Autos, Bagger, links Lillifee, Barbie, Plastikpuppenhäuser in Pink, Pink, Pink […] „Rosa ist eine tolle Farbe“, sagt Stevie Meriel Schmiedel, Dozentin für Genderforschung und Vorsitzende von pinkstinks.de, einer Kampagne gegen Produkte und Marketing, die jungen Mädchen einseitige Rollenklischees zuweisen. „Wir sind nicht gegen Pink, nur dagegen, dass die Farbe nur mit Mädchen assoziiert wird und Jungs ausgrenzt. Das schafft eine künstliche Geschlechtertrennung.“ Wieso tragen wir nochmal schwarz?
  • Zum Sterben schön | Tageblatt
    Was der Joop in die Finger bekommt, wird zur Mode. Mit Stoffkreationen die Schönheit des Todes manifestieren. Ein fulminanter Modeschöpfer dieser Joop. So schreibt das Tageblatt aus Luxemburg: „Mit dem Sterben verbindet der Mensch vieles. Auf den ersten Blick ist es kaum etwas Schönes, der Tod macht Angst. Die Kunst trägt genau diesen Antagonismus in sich: Sie verbindet auf der einen Seite den Schrecken mit dem Tod und auf der anderen Seite zelebriert sie diesen. Das gilt für die Malerei und die Musik, genauso wie für den Film und das Ballett, die Fotografie und die Mode. Hier ist der Totenschädel längst nicht mehr nur mehr ein Emblem der Subkultur von Heavy Metal bis Gothic, sondern er feiert als Modeaccessoire wahre Triumphe.
  • Totensabbat | Der schwarze Planet
    Das Frankfurt nicht nur häßliche Seiten hat, musste sich auch Shan Dark eingestehen. Mittlerweile hat sie einige schöne Seiten der Stadt entdeckt. Das es sich dabei unter anderem um Friedhöfe handelt, liegt in der Sache der schwarzen Natur. „So unbefangen, wie ich Mitte November zum israelitisch-jüdischen Friedhof an der Rat-Beil-Straße in Frankfurt fuhr, bin ich nun nicht mehr. Zumindest, was die Rothschilds und die Juden betrifft. Ich hatte durch das ehemalige Eingangsportal einen Blick auf die friedhöflichen Herrlichkeiten erhascht, aber stand plötzlich vor hohen Mauern und einem breiten verschlossenen Eisentor. Es war Samstag und samstags ist der jüdische Friedhof geschlossen. Bei “Frag den Rabbi” habe ich jetzt gelernt warum: Samstag ist Sabbat. Ruhetag. *Knirsch* Auch wenn mir Frankfurt jetzt sympathischer ist – gleich zwei Mal an einem Wochenende dahin fahren? *knirsch* Ich tat es. Am Sonntag stand ich wieder vor dem Eisentor – diesmal war offen und sogar lebende Menschen drin. Keiner der Männer trug eine Kopfbedeckung. Sollte Mann aber; es muss ja nicht gleich eine Kippa sein. Ich hatte zwar auch erst im Nachhinein daran gedacht, aber Frauen dürfen sowieso ihr schnödes Haupthaar unbedeckt zu Grabe tragen – oder so ähnlich.“
  • Das meiste liegt auf dem Weg | Frankenpost
    Oberkotzau. Wer wohnt schon in Oberkotzau? Hoppla, Marcus Rietzsch, den kennen wir doch! Jetzt schreibt die Frankenpost anlässlich seines neuen Bildbandes „Schon unser Heut ein Gestern ist“ : „41 Jahre: „Mitten wir im Leben sind …“ Ist Marcus Rietzsch ein Pessimist? Das weist er, in aller Ruhe, strikt zurück; auch wenn, „je älter man wird, die Hoffnung in die Menschheit sich verringert“. Gleichwohl verfällt der Künstler keiner Depression, sondern macht klug einen „Unterschied zwischen Melancholie und Schwermut“. Für Erstere sucht und findet er die idealen Schauplätze und Ausdrucksmittel. Auf Friedhöfen fühlt er sich wohl: „Ich fotografiere gern alte, der Zeit entrückte Sachen.“ Die Bestattungskultur von einst war kostspieliger als heute, „aber auch spannender, mit detailliert ausgearbeiteten Symbolen.“ In Genua, zum Beispiel, bewunderte er opulente Grabdenkmäler: „Richtige Menschen sitzen da, in Stein verwandelt, voller Staub, mit Sprüngen im Material und Abbrüchen.“ An ihnen nagt der Zahn der Zeit. Zwischen ihnen „lernt man viel über die Menschen“.“
  • HOAXILLA – Der skeptische Podcast aus Hamburg
    Explodierte die erste Atombombe vor gut 4.000 Jahren am Indus? Was ist dran am Geheimnis um die riesige Stadt Mohenjo Daro? Wurden die tausenden von Einwohner Opfer eines Krieges zwischen antiken Hochzivilisationen? Schuf 1981 eine geheime Regierungsorganisation der USA ein Videospiel, dass schreckliche Folgen für die Spieler hatte? Und warum wurden die Videospielhöllen in Portland, Oregon von “Men in Black” besucht?“ Solchen und ähnlichen Fragen gehen die Hamburger Alexander und Alexa Waschkau in ihrem regelmäßigen Podcast auf den Grund. Sie wollen aufklären und skeptisch machen und beschäftigen sich mit Urban Legends, Medien Kultur und Wissenscahft aus der Sicht der Skeptiker-Bewegung. Sehen ja gruftig aus, die Beiden. Ob sie welche sind? Ich bleibe skeptisch.
  • Der offene Brief von Saltatio Mortis | Kleine Eule
    Nach einige merkwürdigen Neuschöpfungen der Mittelalterband Saltatio Mortis („Wachstum, Wachstum über alles“) und einem geplanten Auftritt auf dem rockXmas Festival, auf dem auch die umstrittene Band „Freiwild“ auftritt, sind einige Fans sauer. Ein offener Brief der Band sollte Klarheit schaffen. Hat er aber nicht, denn Bloggerin Kleine Eule sieht das anders: „Ihr verwendet in Eurem neuen Album die – nicht ohne Grund – verbotene erste Strophe vom Deutschlandlied, baut den Text um und veröffentlicht das Lied. Ihr promotet es, verteidigt es gegenüber aller Kritik. Schön, von mir aus. Aber nach der Nummer spielt ihr ein Konzert mit einer rechts gerichteten Band und wundert Euch dann – und seid sogar sauer, dass Ihr für rechts gehalten werdet? Also BITTE!!! Das kann doch wohl nicht Euer Ernst sein! Auch, dass Ihr die Musik der bewussten Gruppe in Eurem Post verteidigt, dazu aufruft, sie NICHT zu boykottieren, wirft nicht grade ein besseres Licht.
  • Goth Clubs after 30 – Sign of a Loser? | Jane Agni
    Eigentlich ein putziger Artikel. „SMT“ fragt, ob sie mit über 30 überhaupt noch Goth sein darf und sich in Goth Clubs herumtreiben sollte. Jane M. Agni vom Magazin „Modern Women Digest“ findet sie ist zu alt für diesen Kram: „The gothic lifestyle is a perfectly acceptable phase for teens and despondent 20-somethings to experience. Getting drunk in some filthy bar while pretending you’re a faery princess named “Ishir Nightshade” when you’re knocking on 40′s door is something altogether different and disturbing.“ Das allein wäre schon genug, doch es kommt noch besser. In den Kommentare wirft sie ihre geballtes Wissen in den Raum: „I wonder if the students at Columbine thought Eric and Dylan were only joking before they were gunned down in their own schoolyard? The Columbine Killers were largely responsible for the creation of gothic subculture. Did you know that? No, of course you didn’t. All you know of goth is the stuff you’ve seen on MTV.“ Yeah! In den USA gibt es noch echte Vorurteile! Wer darin baden möchte, dem sei der Artikel und vor allem die Kommentare ans Herz gelegt. (Danke an Alwa Petroni)
  • Moskau zum Gruseln | Russland Heute
    Bis jetzt fand Moskau als Reiseziel ziemlich ungeeignet. Schließlich hat es sich in Russland etabliert „Andersartige“ zu verfolgen. Aber Moskau hat nicht nur frustrierte Bürger, sondern ist darüber hinaus auch eine Geschichtsträchtige Stadt, in der es vor allem für Freunde morbider Ästhetik unzählige Orte zu entdecken gibt, so wie das verfallene Krankenhaus von Chowrino: „Die Stadtverwaltung kann sich bis heute nicht entscheiden, wie es damit weitergehen soll. Dafür wurde die Bauruine bald von Satanisten in Beschlag genommen. Eine Sekte wurde für das Verschwinden von Menschen und Tieren in Chowrino verantwortlich gemacht. Es heißt, die Sektenmitglieder hätten Hunde und Bettler für ihre Blutrituale gebraucht. In Moskau kursierte dann die Geschichte, dass die Polizei eine Großfahndung nach den Sektenmitgliedern ausgerufen und sie in einen Tunnel gejagt habe, wo sie die Satanisten erschossen hätten. Diese seien darüber unsäglich froh gewesen, weil sie so schnurstracks ins Reich des Teufels befördert wurden. Es heißt, man kann noch heute an dunklen Winterabenden hören, wie sie im Tunnel im Chor singen. Jedes Jahr brechen sich dort Dutzende Jugendliche, die es auf der Suche nach Abenteuern dorthin zieht, alle möglichen Knochen. Der Ort ist eine Pilgerstätte für Gothics, Punks, Emos und andere.“
  • Go Goth! | Morgan Priest
    Der kahlköpfige Franzose Morgan Priest ist ein Talent vor und hinter der Kamera und hat sich nun auf eine parodistische Art und Weise der eigenen Subkultur gewidmet: Goth. In einem Musikvideo nimmt er sich und alle existierende Klischees auf die Schippe. Wer kann, übersetzt den Text, obwohl man sich das Meiste davon denken kann.
  • Schwärzer wohnen | Mondbote
    Der Mondbote hat ein paar englische/amerikanische Einrichtungstipps für den geneigten Gruftie entdeckt. Und ja, Gothic-Interieur ist zeitlos schön. Echt jetzt.

Londons schönste Jahreszeit in den Kew Gardens

2

Bei unserem London-Urlaub im September 2013 haben wir die Ehre gehabt, Carmen kennenzulernen. Nach einem gescheiterten Versuch, uns in ein möglichst gruftiges Lokal zu setzen (das war an diesem Tag geschlossen), sind wir kurz entschlossen in den Stadtteil Camden gefahren, um dort ein Restaurant zu besuchen, das die Wahl-Londonerin in bester Erinnerung hatte.  Die Liebe zog sie vor ein paar Jahren aus Bayern in die britische Hauptstadt, der sie bis heute treu geblieben ist. Carmen ist ein neugieriger Gruftie und welche Stadt hat mehr schaurige und schöne Ecken zu bieten als London? Bei einem leckeren Essen konnte ich Carmen überreden, einen Artikel für Spontis zu verfassen. Ich konnte gar nicht anders, nachdem sie mir bildreich vorschwärmte, wie schön ein Garten im herbstlichen London sein kann, als sie um eine kleine Geschichte zu genau diesem Ort zu bitten:

Londons schönste Jahreszeit – Ein herbstlicher Spaziergang im Kew Gardens

Wenn man wie ich in London lebt, sind Plätze, an denen man sich der Schönheit der Natur hingeben kann, wertvolle Rückzugsorte. Jetzt, wo die Tage wieder kürzer werden und der Herbst die Bäume in bunte Kleider hüllt, ist Kew Gardens einer meiner Lieblingsplätze, für den ich mir schon mal einen Tag Urlaub gönne.

An einem Freitag Mittag mache ich mich mit meiner Kamera auf den Weg, um die melancholische Herbstluft in einem der ältesten botanischen Gärten der Welt zu schnuppern. Das Paradies für Botaniker – und solche die es werden wollen – eröffnete 1759, nachdem es von William Chambers in mühevoller Kleinarbeit von einem schnöden Park in einen botanischen Garten verwandelte wurde. Zahlreiche von ihm entworfene Gebäude, wie die eindrucksvolle chinesische Pagode, sind auch heute noch zu bewundern.

Die Gewächshäuser lasse ich an diesem Freitag mal aus, mir geht es um die Farbenpracht der Bäume im Arboretum, das im westlichen Teil von Kew Gardens zu finden ist. Der Weg führt mich am Tropenhaus „Palm House“ vorbei, dem ältesten noch existierenden viktorianischen Gewächshaus, das 1848 fertig gestellt wurde. Etwa 10 Jahre später baute man das „Temperate House“, das sich auf der rechten Seite eindrucksvoll erhebt und dem Besucher imponiert. Das „Haus der gemäßigten Klimazonen“ ist angeblich das wichtigste Gewächshaus der viktorianischen Epoche, in dem auch die höchste Gewächshauspalme der Welt zu finden ist. Das „Pavilion Restaurant“, das ich jetzt erreiche, hat ein bewegte Geschichte hinter sich gebracht. 1913 brannten die beiden Frauenrechtlerinnen Olive Wharry und Lilian Lenton das Restaurant in ihrem Kampf für das Frauenwahlrecht bis auf die Grundmauern nieder, glücklicherweise fand sich wieder jemand, der Geld in die Hand nahm, um das Restaurant wieder aufzubauen.

Schliesslich gelange ich im Arboretum an. Vor meinen Augen erstreckt sich die bunte Pracht unzähliger Bäume, während der Lärm der Stadt im Rauschen der Blätter ertrinkt. Kaum zu glauben, dass man immer noch in London ist. Die Flugzeuge über meinem Kopf, die zur Landung im nahe gelegenen Flughafen Heathrow ansetzten, erinnern mich erst wieder an die Metropole im Hintergrund. Mit ein wenig Glück und günstigem Wetter ist aber auch vom Großflughafen nicht viel zu hören.

Kew Gardens - Oktober 2013 (6)
Einsamkeit ist in diesem weitläufigen Park durchaus möglich. Zwei einsame Bänke laden zum verweilen ein.
Kew Gardens - Oktober 2013 (2)
Der Herbst breitet sich aus. Für wenige Wochen tragen die Bäume ihre bunte Pracht schamlos zur Schau

Unglaublich strahlende Farben wie Pink, das sich mit tiefem Orange abwechselt und mit eingeschmuggelten gelben Tupfen verziert ist, fesselt meinen Blick. Manche Bäume haben noch grüne Blätter, einige sind bereits kahl, aber die meisten zeigen kräftige Schattierungen in allen nur erdenklichen Rottönen. Herrlich! Wieder einmal bin ich im Paradies angelangt und die nächsten Stunden verbringe ich damit, sehr viele Fotos zu machen. Die faszinierende Farbenpracht erschlägt meine Sinne immer wieder, obwohl ich schon einige Male den Herbst im Kew Gardens erleben durfte.

Ich gehe weiter und klettere die Treppen zum „Rhizotron and Xstrata Treetop Walkway“ (Baumkronenweg) hoch, um von der 18 Meter hohen Holzkonstruktion über die Bäume hinweg sehen zu können. 2008 eröffnete man die Aussichtsplattform anlässlich des Tages der Artenvielfalt. Einige Bäume, die hier gepflanzt wurden, sind bereits seit 1762 ein Teil des Gartens und werden liebevoll „The old Lions“ genannt. Die aus dem Nachlass eines gewissen Herzogs von Argyll stammenden Bäume umfassen unter anderem eine morgenländische Plantane, einen Honigbaum (auch Schnurbaum gennant) und einen Gingko-Baum, der damals der ersten seiner Art war, die in England gepflanzt wurde. Die drei alten Löwen haben sogar den „Westeuropa-Orkan“ 1987 gut überstanden. Ein anderer Baum, Turner’s Eiche, hatte Glück im Unglück. Obwohl der legendäre Sturm die Eiche umkippte, entwurzelte er sie nicht. Der Baum konnte wieder aufgerichtet werden und erfreut sich auch heute noch bester Gesundheit.

Kew Gardens - Oktober 2013 (8)
Lauschige Architektur schmiegt sich in die herbstliche Stimmung von Kew Gardens
Kew Gardens - Oktober 2013 (5)
Imposante Komposition aus rötlichen Blättern

Wo Bäume sind, gibt es auch Bewohner. Freche Eichhörnchen betteln mich um Nüsse an, Pfaue stolzieren vor mir her und einige Fasane kreuzen meinen Weg. Dachse habe ich bisher noch nie gesehen, obwohl irgendwo eine Dachsfamilien wohnen soll. Mit etwas Glück sieht man sogar die grünen Parakeets. Obwohl man nicht wirklich von Glück sprechen kann, es ist tatsächlich schwer, die Papageien nicht zu sehen. Es ranken sich zahlreiche Mythen um die Herkunft der Vögel. Die einen behaupten, seien vom Film-Set des Filmes „The African Queen“ (1951) entflohen, andere sind felsenfest davon überzeugt, dass Jimi Hendrix einigen von Ihnen die Freiheit geschenkt hat, bevor er 1970 in London verstarb.

Höchstwahrscheinlich ist ein Paar der grünen Papageien in den 50er Jahren seinem Besitzer entwischt und vermehrt sich seit dem fleißig. Angeblich gab es im Jahr 2004 rund 20.000 freifliegende Papageien in Süd-Ost England und immer noch soll ihre Anzahl steigen.

Mein Nachmittag neigt sich dem Ende zu. Etwas wehmütig bewege ich mich Richtung Ausgang und mache noch einen kurzen Stopp im Pavillon, um mir einen heißen Tee und ein Stück Karottenkuchen zu genehmigen. Bevor ich zurück zu Kew Gardens Station gehe, um dort den Zug nach Hause zu erwischen, verspreche ich mir, nächstes Jahr wiederzukommen.

Kew Gardens - Oktober 2013 (4)
Wer für die explosionsartige Papageienpopulation zuständig ist, bleibt unklar. Fest steht jedoch, dass sie sich hier wohlfühlen.
Kew Gardens - Oktober 2013 (7)
Der weiße Schwan wirkt wie ein Kontrast zum herbstlich düster-bunten Kew Gardens.

Tipps & Links

Carmen Wagner
Carmen, London Korrespondentin für Spontis

Kew Gardens erreicht man am Besten mit der U-Bahn (grüne District-Line bis Kew Gardens) oder mit der Londoner Overground (bis Richmond). Das Tagesticket kostet stattliche 15 britische Pfund, Kinder unter 16 Jahren haben in Begleitung Erwachsener freien Eintritt. Eine „Membership Card“, mit der man das ganze Jahr freien Eintritt hat, kostet rund 70€. Idealerweise erkundet man Kew Gardens in der Woche oder bei strömendem Regen, dann ist dort am wenigsten los und man hat die Chance auf einsame Momente in der Natur.

Video: Deine Lakaien im Viva Special 1999

4

Ich empfehle dringend, die Anmoderation zu überspringen um dem „Zauber“ einer Nadine Krüger zu entgehen. Alexander Veljanov und Ernst Horn gründeten diese Ikone des Dark Wave „Deine Lakaien“ schon 1985. Fast noch interessanter als ihre Musik ist ihre Entstehungsgeschichte. Ernst Horn, damals Kapellmeister des Staatstheaters in Karlsruhe und ein Freund klassischer Piano-Kompositionen hatte zu dieser Zeit „Lust“ etwas neues zu machen. Er schaltete eine Anzeige mit dem Text „Suche experimentierfreudigen Sänger“ und traf schließlich Alexander Veljanov: „Als wir uns das erste Mal trafen, war es nicht unbedingt die Liebe auf den ersten Blick. Da standen sich zwei Männer gegenüber, die ziemlich verschieden waren und der Altersunterschied war nicht zu übersehen. Als wir dann anfingen, uns über Musik zu unterhalten, war das Eis schnell gebrochen, obwohl unser Musikgeschmack unterschiedlicher nicht hätte sein können.“ 4 Jahre blieb der Erfolg lokal beschränkt, die Band war ihrer Zeit voraus und spielte für eine Szene, die noch mit The Cure, den Sisters of Mercy und Depeche Mode ihre Richtung suchte. Mit der Wiedervereinigung und einem neuen Interesse für neue Musik war es dann endlich soweit. Den Rest der Geschichte haben viele Szene-Mitglieder in den Regalen stehen. 1999 nahm sich Viva mit ihrer Sendung „JAM – Jeans and Music“ der Sache an und reflektierte 15 Jahre Band-Geschichte und gleich noch die Gothic-Szene in einem Rutsch.

Auch enthalten ist ein wirklich interessanter Zusammenschnitt damaliger „Legenden“ über die Schublade, in die sie gesteckt wurden. „Rockbands vergnügen sich damit Lärm zu machen, deswegen sollte man vorsichtig sein.“ (Andrew Eldritch) „Man kann nicht von einer Bewegung sprechen. Die Bezeichnung Gothic dient eher als Anhaltspunkt, den das Publikum und die Journalisten brauchen.“ (Wayne Hussey) „Gothic ist schon so alt, das begann Mitte der 80er Jahre. Heute ist es lächerlich The Mission als Gothic-Band zu bezeichnen, denn Gothic existiert doch gar nicht mehr.“ (Andy Cousin, The Mission) „Ich hasse Etiketten. Ich habe diese Punk-Schublade genauso gehasst wie Gothic auch. Wir bekamen diese Bezeichnung auferlegt, weil wir zu dieser Zeit Musik machten.“ (Siouxsie Sioux)

Wie dem auch sei, letztendlich können die meisten dieser Bands doch froh sein, dass es die „Szene“ gegeben hat und immer noch gibt. Denn oftmals ist genauso diese Szene und ihr Umfeld die Startrampe für breitere Erfolge. Aber was soll’s, wir sind nicht nachtragend und letztendlich interessiert uns doch nur die Musik und die Figur auf der Bühne und nicht der Mensch dahinter. So oberflächlich das klingt, manchmal schützt es vor der Zerstörung einer Illusion.

Zurück zu den Lakaien. Die haben ihren Namen übrigens aus dem Einstürzende Neubauten Song „Die genaue Zeit“ in dem es heißt: „Auch Lakaien haben Taktgefühl„. So trivial der Name klingt, so eingängig ist er. Zurück zum Thema, zurück zur Viva-Doku. Für mich sind Deine Lakaien einer wichtiger Meilenstein des Dark Wave Genre und vor allem Ernst Horn ist eine Bereicherung für die Szene, nicht zuletzt wegen seiner Verschmelzung von Klassik und Elektronik zu neuen Gewändern. Qntal oder auch Helium Vola klingen so wie sie klingen, weil er auch hier seine Finger im Spiel hatte. Textlich haben beiden ihre Stärken. Veljanov (heute auch erfolgreich Solo unterwegs) und Horn haben das Schreiben stets aufgeteilt. Viva ist heute mehr oder weniger Geschichte, die Lakaien sind glücklicherweise immer noch aktiv, über ihr letztes Album Indicator, das 2010 erschien, freue ich mich immer noch. Immer wieder beglücken sie ihre Fans mit Konzerten und sind auch abseits ihrer gemeinsamen Wege erfolgreich. Veljanov als Solo-Künstler und Ernst Horn mit Helium Vola, die dieses Jahr das Doppelalbum „Wohin?“ veröffentlicht haben. Ihre Musik ist Geschmacksache, ihre Rolle in der schwarzen Szene unbestritten.

Mein schaurig schönes Tagebuch – Episode 2: Metrosexuell

12

Liebes Tagebuch, vor ein paar Wochen musste ich mir den Begriff „metrosexuell“ an den Kopf werfen lassen. Das fand ich nicht weiter schlimm, doch der anschließende Vergleich mit dem englischen Star-Fußballer David Beckham tat dann doch ein wenig weh. Der Beckham ist nämlich sowas wie der Promi unter den Metrosexuellen. Es ist ja wieder typisch, so dachte ich mir, dass wir jede  abweichende Lebensweise in merkwürdig klingende Schubladen packen müssen. Trotzdem wurde ich neugierig auf den Inhalt dieser Schublade.

Metrosexuell, so habe ich dann nachgelesen, nennt man Männer, die keinen Wert darauf legen, sich in ein männliches Rollenbild zu fügen. Sie gehen zur Maniküre und lackieren sich die Fingernägel, besuchen lieber Lesungen als Fußballspiele und der David trägt sogar die Unterwäsche seiner Vicotria. Metrosexuelle Männer leben ihre weibliche Seite aus, sind aber nicht homosexuell. Der britische Journalist Mark Simpson hat 1994 eine Schublade mit diesem Wort beschriftet, weil er fand, dass die Männer, die Dinge taten die sonst Frauen machten, einen Namen verdient hätten. Ein paar Jahre später“baute“ der amerikanische Soziologe Robert Heasly dann eine „ganze Kommode mit sechs Schubladen“ und nannte das Kunstwerk „Straight-Queer Masculinities„. Er behauptet, dass man schon in der Kindheit feststellen kann, ob man später einmal metrosexuell wird.

Meine metrosexuelle Karriere begann vermutlich schon in der Schule, denn als typischer Junge taugte ich nicht viel. In der Grundschule habe ich gerne gehäkelt, getöpfert und gebastelt und beim Fußballspielen im Sportunterricht der Realschule wurde ich wegen meines Unvermögens, den Ball zu beherrschen, diskriminiert. Immer zwei der Klassenbesten, die natürlich auch in ihrer Freizeit fußballerisch aktiv waren, durften jeweils eine Mannschaften bilden. Dazu stellten sie sich vor ihre Mitschüler, die wie Hühner auf der Holzbank saßen, und begannen damit, abwechselnd Namen aufzurufen, um so die perfekte Mannschaft zu bilden. Die letzten beiden, die auf ihren Aufruf warteten, waren – wie immer – Marc und ich. Als Marc dann nach der 7. Klasse auf das Gymnasium wechselte und unsere Jungenschule sich auch für Mädchen öffnete, wartete ich mit Manuela, dem einzigen Mädchen in unserer Klasse, auf die Zuteilung.

Meine Mutter war ein wenig verstört, als sie mich eines Tages in den Klamotten meiner Schwester erwischte, als ich gerade versuchte, in einem blauen Rock und viel zu großen Pumps durch das Zimmer zu laufen. Ich glaube, sie war erleichtert, als ich mich dann mit 17 doch für die ersten Mädchen interessierte und im Alter von 20 meine erste Freundin zu Hause vorstellte.

Algenmaske
Eine Algenmaske bei meiner Kosmetikerin, die Wimpern sind gerade frisch gefärbt. Entspannung pur.

Heute bin ich 38 Jahre alt, lasse mir die Nägel machen, die Augenbrauen zupfen, das Gesicht peelen und nenne meine Kosmetikerin beim Vornamen. Das Fach im Badezimmerschrank, in dem meine Ausrüstung lagert, ist deutlich voller als das meiner Partnerin. Mit der teile ich mir übrigens den Kajal, den Mascara, den Eyeliner, das Puder und den Lippenstift. Im Gegensatz zu David trage ich aber meine eigene Unterwäsche, nicht weil mir das zu weit gehen würden, sondern weil wir unterschiedliche Größen haben. Kleidung kaufe ich vorzugsweise in der Damenabteilung, weil mir die Mode für „Männer“ einfach nicht zusagt und Frauen sowieso eine viel größere Auswahl haben. Wieso haben Frauen denn 20 Paar Schuhe? Weil sie es können! Nach 5 Paar Männerschuhen ändert sich nur noch die Farbe. Es ist merkwürdig, aber Männerkleidung suggeriert mit jeder Faser, dass man Mann sein muss, um sie zu tragen. Funktionale Schnitte und stabile Materialien, es scheint manchmal so, als würden Männerunterhemden sagen: „Führe einen Krieg in mir!“ Dagegen sind Klamotten für Frauen verspielt und abwechslungsreich, die Materialien sind leicht und zärtlich. Ein Nachthemd aus Lycra, Seide, Satin oder Mako-Satin ist durch nichts zu ersetzen, das Hautgefühl ist toll, als ob es sagen würde: „Ruhe Dich aus, fühl Dich wohl.“ Kriege sind sowieso doof.

Glücklicherweise, liebes Tagebuch, bin ich ein Gruftie. Denn in dieser Szene spielt das Geschlecht unter der schwarzen Kleidung eine eher untergeordnete Rolle. Hier sind Männer hemmungslos geschminkt, tragen Corsagen, Netzstrumpfhosen und hohe Stiefel, sie haben lackierte Fingernägel und ertrinken in Silberschmuck. Und so ganz richtige Grufties, die prügeln sich nicht, trinken kaum Alkohol, sind höflich und romantisch und interessieren sich für Kunst & Kultur anstatt für Fußball & Motorsport. Ich bin darüber hinaus auch gelegentlich tuntig, umarme gute Freunde zur Begrüßung innig, finde andere Männer auch schon mal attraktiv (David Bowie ist ein Gott!), liebe es „Hach!“ und „Huch!“ zu sagen und unterhalte mich lieber mit Frauen über Kochrezepte und Klamottentipps als mit anderen Männern über irgendwas schwer Männliches zu sinnieren. Okay, über Autos rede ich auch schon mal, jede Tunte hat seine kleinen Laster.

Vielleicht bin ich zur Szene gekommen, weil man hier so sein durfte, wie man war. Junge als Mädchen, Mädchen als Junge – völlig egal. Hier muss ich meinem Gegenüber nichts erklären und sehe nicht diesen typische Blick der sagen möchte: „Wie sieht der denn aus?„, während man sich vordergründig mit mir angeregt unterhält. Das Geschlechterverwischen ist in der Gothic-Szene für manche ein Lebensgefühl. Oder sagen wir es anders: Wir haben einfach viel mehr Schubladen als der Otto-Normal-Verbraucher. In der Szene haben wir schon alles gesehen und kennen unzählige Schubladen für Splittergruppen, Musikgenre, sexuelle Ausrichtung und Lebensweise. Daher kommt uns das „Ungewöhnliche“ etwas „normaler“ vor. Obwohl ich auch hier schon erlebt habe, dass man fremdartigen Gewächsen wie Transen, Tunten und Homosexuellen mit einer gewissen Ablehnung begegnet. Aber jetzt mal ganz ehrlich! In einer Szene, in der man seinen Partner an der Hundeleine führt, in der Vampirzähne aus den lachenden Gesichtern blitzen, Naziuniformen als modische Ausdrucksform durchgehen und manche so viel Metall im Körper stecken haben, dass ihre Beerdigung auf dem Schrottplatz stattfinden müsste, ja in so einer Szene ist „Metrosexuell“ doch nun wirklich Kindergeburtstag.

Stichwort Kinder. Die müssen ja auf Festivals vor dem Krach aus den Lautsprechern geschützt werden – ich bin mir aber ganz sicher, dass man jetzt nicht noch Augenklappen kaufen muss, um sie vor dem Anblick merkwürdiger Menschen zu schützen. Kinder, mein liebes Tagebuch, kennen nämlich noch keine Heuchelei, keine Vorurteile und bei Schubladen denken die an Süßigkeiten. Ich höre sie schon unken, die Kröten. Bloß nicht in eine Schublade einräumen und bezeichnen wie man ist. Mache ich ja selber nicht anders, denn mit einem Fußballer in einer Schublade, das geht gar nicht und endet womöglich doch noch in einer völlig verspäteten posttraumatischen Belastungsstörung.

Dokumentation: Auf Teufel komm raus (1991)

12

Wer jetzt die übliche Schmähschrift über einen misslungenen Versuch, die schwarze Szene zu erklären, erwartet, wird enttäuscht werden. Wer wieder einmal denkt, ich würde Klischees ausräumen, Vorurteile abbauen und über die etablierte Medienlandschaft herziehen, sollte an dieser Stelle den Artikel verlassen. Die Dokumentation, die Norbert Busé 1991 filmte, ist ein ernsthafter, feinfühliger und weitsichtiger Versuch, die Szene 1991 darzustellen und zu erklären. Auch wenn der ein oder andere bei Zitaten wie „Die Abschottung ist perfekt und erschwert den Ausstieg.“  erlernte Gegenargumente abfeuern möchte, sollte man kurz innehalten und sich fragen, wie viel Wahrheit in dem liegt, was die Dokumentation als Hintergrund darstellt. Dass heute alles viel oberflächlicher wirkt, wie in diesem Film, ist ein Fakt, der der aktuellen Berichterstattung geschuldet ist. Seit Jahren verkauft man Gothic als harmlose und feierwütige Partykultur der schwarz gekleideten Selbstdarstellung.

Dokumentarfilmer Busé ist studierter Pädagoge und Philosoph, arbeitete als Lehrer für Ethik und war als Medienreferent tätig. 1990 gewann er den deutschen Jugendvideopreis und arbeitete bis 1993 als Redakteur beim ZDF. Auch wenn seine Darstellungen und Schlussfolgerungen an manchen stellen überspitzt erscheinen, ist die Doku „Auf Teufel komm raus“ das bislang Beste, was ich in diesem Bereich gesehen habe. Das liegt auch an den Interviewpartnern und den vorgestellten Bands „Das Ich“ (Stefan Ackermann und Bruno Kramm) und „The Fair Sex“ (Myk Jung, Rascal und Blonder), die nicht nur den Szenegeschmack 1992 repräsentieren, sondern „Szene“ auch mit Inhalten füllen können. Vielleicht ist auch Vieles von dem, womit sich Szenemitglieder und Künstler auseinandersetzen, eine Wunschvorstellung, doch die deckt sich mit meiner persönlichen Wunschvorstellung nach dem „Magisch-Mystischen“. Ist das alles plakativ überzogener Blödsinn?

Fatima steht ihre Frau in einem Lackierbetrieb in Hamburg. Sie und ihr Freund Arne, der noch zur Schule geht, leben in einem überraschend geregelten Alltag. Aber gerade dieser Alltag, in dem alles glatt und makellos wie Autolack sein muss, macht es Fatima und Arne – wie sie sagen – nicht leicht, sich selbst zu finden. Die Anforderungen der Gesellschaft, wie Schule und Beruf, lassen den beiden kaum Raum für ihre besonderen Träume und Gefühle. Mit ihren heimlichen Fluchten in eine magisch-mystische Welt versuchen sie, die Monotonie des Alltags zu vergessen. Doch ihre tristen Visionen, die sie dabei entwickeln, sind nur schwer nachvollziehbar für ihre Umwelt.

Was 1992 galt, ist heute aktueller denn je. Heute sind es nicht nur Jugendliche, die auf der Suche nach Flucht vor den Anforderungen der Gesellschaft sind. Der Zufluchtsort der magisch-mystischen Interessierten ist die Gothic-Szene. Gerne auch mit der einhergehenden visuellen Provokation und der gelebten Andersartigkeit. Sicherlich gibt es das auch in vielen anderen Subkulturen und überhaupt braucht man für diese Flucht nicht unbedingt eine Szene. Die Gothic-Szene ist das Ergebnis eines Gemeinschaftssinns, ein Treffpunkt auf der Suche nach Gleichgesinnten, der den Austausch über die gleichen Interessen und Vorlieben zum Ziel hat. Die Dokumentation fasst einige interessante Phänomene der Szene auf und bündelt sich in bemerkenswerten Zitaten:

Auf Teufel komm raus - Screenshot 1Nicht selten romantisieren Grufties ihre Vorstellungen vom Tod. In faszinierenden Bildern und trauriger Musik schwelgen sie in ihren Stimmungen. Die Gefahr, dass sie in diesem magischen Sog der Gefühle steckenbleiben, ist groß.“ (9:42)

Selbstfindung im schwarz-weiß Denken? Jedenfalls ein spielender Umgang mit Bildern, die sehr schnell zu Klischees von Gut und Böse erstarren können. Denn das einfach gestrickte Weltbild verführt zu neuen starren Vorstellungen und kritische Zwischentöne werden in der Szene nicht gerne gehört.“  (11:46)

Gründe für die Provokationen sind oft nur mangelndes Selbstbewusstsein und der Wunsch, etwas Besonderes zu sein, aus der Masse herauszuragen.  Das Gott vorenthaltene Gute, das Böse also, muss nicht gleich der Hang zum Dämonischen sein sondern schlicht der Wunsch, Beachtung zu finden.“ (18:47)

Bei diesen Aussagen kann ich nur von meiner Ansicht sprechen, denn ein Problem sich in seinen Gefühlen zu verheddern, ist individuell und nicht unbedingt szenetypisch. Was jedoch typisch ist, ist die Suche nach gelebter Melancholie. Während man in anderen musikalisch orientieren Szene oftmals versucht, Freude und Energie auszudrücken und diese beispielsweise auf der Tanzfläche zu zeigen, ist die getanzte Melancholie szenetypisch. Sich der Traurigkeit bewusst hinzugeben, kann für das eigene positive Lebensgefühl sehr befreiend sein. Das gilt jedenfalls für mich.

Die kritischen Zwischentöne haben wir – und da spreche ich für eine breitere Allgemeinheit – inzwischen zu akzeptieren gelernt. Auch der Diskurs damit ist uns nicht fremd, dieser Blog ist das beste Beispiel. Es mag daran liegen, dass wir mit der Szene gealtert sind (ganz sicher sogar), doch mit dem Alter lernt man auch die Gelassenheit. Das muss nicht immer positiv sein, manchmal beneide ich jeden Jugendlichen, der seine gesamte Energie in etwas „Aussichtsloses“ zu stecken vermag.

Es geht um Abgrenzung und ein Teil der Szene ist sicherlich auch immer schon auf Anerkennung aus gewesen. Das gehört unweigerlich zur menschlichen Existenz. Schüchternheit, mangelndes Selbstbewusstsein oder Selbstzweifel finden sich meiner Erfahrung nach außerordentlich häufig in der Szene. Überdurchschnittlich häufig sind es „hässliche“ Menschen, die in der Szene einen Rückzugsort suchen und bisher auch immer gefunden haben. Eine neuzeitliche Gefahr ist die körperliche Uniformität, die mittlerweile auch in der Szene Einzug hält. Szenezeitschriften und Fetisch-Fotografen sei Dank. Doch das steht auf einem anderen Blatt.

Für Julia aus Essen hatte die Gruftie-Zeit auch ihre Schattenseiten. Hinter der scheinbar selbstbewussten Fassade verbarg sich oft auch eine große Unsicherheit. Im Laufe einer Gruftie-Karriere muss man viel Geld investieren, um mit den alten Grufties mithalten zu können. Alt-Grufties, die bereits seit 5 oder 6 Jahren in der Szene leben, bestimmen, was momentan  an Musik, Kleidung und Meinung angesagt ist. Wer in die Szene hineinkommt, muss sich einer strengen Verhaltensnorm unterwerfen. Die Abschottung ist perfekt und erschwert den Ausstieg. Individualität ist nicht mehr gefragt und wird von einem enormen Gruppenzwang in Frage gestellt. Ursprung der Gruftie-Bewegung war der Punk aus England, aus dem sich die New Wave Generation entwickelt hat, in dem der ganze Mystik-Bereich nur Mode und Styling war. Daraus ist eine unpolitische Gruppe geworden, von außen ist schwer zu erkennen, dass das Interesse  für die dunkle Seite des Lebens nicht in Teufelsanbetung und Satanskult endet. Nur wenige haben sich mit okkulten Riten auseinandergesetzt.“  (16:54)

Auf Teufel komm raus - Screenshot 2Julia fällt zugegebenermaßen etwas aus dem eloquenten Rahmen, denn der „Ausstieg“ ist dann doch nicht so problematisch, wie er sich ihr darstellte. Es ist viel mehr – wie sie auch sagt – die Gewohnheit und das liebgewonnen Vertraute, das den Ausstieg erschwert. Darüber hinaus lässt sich eine Faszination für ein okkultes, magisches oder mystisches Ambiente auch nicht einfach „austreiben“, das zeigen mir auch oftmals die Geschichten der Wiedereinsteiger, die zwar nach ihrer Jugend die Szene rein äußerlich verließen, die Interessen und Vorlieben aber beibehalten haben.

Für die Gruppe der Schwarzen ist der Teufel alles andere als ein leibhaftiger Bundesgenosse, er ist Symbol einer gemeinsamen Grundhaltung. Ein Ausdrucksmittel, genau wie einst Jeans und lange Haare.  Während Solarien Hochkonjunktur haben und knackige Bräune als Inbegriff für Erfolg, Dynamik und Leistungsfähigkeit gilt, tragen sie trotzig ihre weiß geschminkte Haut zur Schau.“ Ob der Teufel als gemeinsames Symbol herhalten kann, halte ich für fraglich, das ist dann doch eher anderen Szene vorbehalten. Doch den Kontrast zwischen knackiger Bräune und bleich geschminkten Gesichtern finde ich sehr gelungen. Interessanterweise war das im Mittelalter genau andersherum. Da war die Bleiche ein Zeichen für den Stand, denn das Fußvolk, das auf dem Feld schuften musste, trug die „knackige Bräune“ unfreiwillig.

Aber das Reich der dunklen Märchen führt auch zu den Sehnsüchten junger Menschen. In einer Welt, in der alles erklärbar erscheint, ist wenig Raum für eine tiefere Wirklichkeit. Auf der Suche zum eigenen Selbst ohne Maskerade. Doch was ist das Selbst?

Eine Sehnsucht, die bleibt. Vielleicht ein Grund, warum die Subkultur „Gothic“ immer noch ein Phänomen ist, dem sich selbst Erwachsene nicht entziehen können. In einer säkularisierten Welt, in der Religionen immer weniger Halt versprechen, sucht man sich eigene Welten, die einem die Richtung geben, die man sucht. Szenen, in denen man individuell sein kann, ohne sich erklären zu müssen, sondern in denen man einfach gemeinsam (er)lebt. Die Frage nach dem Selbst beantwortet keine Szene, keine Band und keine Dokumentation. Das Drumherum ist nur die innere Atmosphäre, in der man sich wohlfühlt, um sich selbst zu finden.

75 Jahre Reichskristallnacht – Wie judenfeindlich ist Deutschland?

28

Heute vor 75 Jahren brannten die Synagogen in Deutschland. Die Reichskristallnacht markierte den Übergang von der Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung zur dessen systematischen Verfolgung. Die letzten Wochen und deren Ereignisse erinnern mich daran, dass auch heute noch immer möglich erscheint, was damals geschah.

Es macht mich nachdenklich, wenn Menschen gegen eine Asylunterkunft auf die Straße gehen und hinter den Banner der braunen NPD brüllen: „Wir sind das Volk!“ Bislang hatte ich immer den Standpunkt, dass in einer gesunden Demokratie braune Ideologien keinen Platz finden würden. Doch diese Demokratie ist nicht gesund, wenn man liest und sieht, wie 1800 „Besorgte Bürger“ einer kleinen Gemeinde im Erzgebirge gegen Menschen demonstrieren, die vor dem Krieg in ihrem eigenen Land geflohen sind. „Stört es sie, wenn sie hier Seite an Seite mit der NPD marschieren? – Ein bisschen vielleicht. Ich mag Nazis nicht. Aber ein klein bisschen Recht haben sie ja. “ Hinterwäldler, Dorftrottel, Unterschicht? Neonazis, neuzeitliche Nationalisten, die „Deutschland für Deutsche“ propagieren und alles ablehnen, was ihren Horizont übersteigt.

Ich bin jedoch schockiert, das die Story im Ersten auf den Schirm brachte. „Antisemitismus heute – Wie judenfeindlich ist Deutschland?“ zeigt, was 75 Jahre nach der Reichsprogromnacht in den Köpfen der Menschen vorgeht, wenn man sie mit dem Begriff „Jude“ konfrontiert. Ganz bewusst wird hier die „Mitte der Gesellschaft“ unter die Lupe genommen. Die Linguistin Monika Schwarz-Friesel hat 14.000 E-Mails an den Zentralrat der Juden und an die jüdische Botschaft untersucht und kommt zu einem schockierenden Ergebnis: „Sehr viele Akademiker, sehr viele gebildete Menschen die an den Zentralrat und die Botschaft schreiben. Also gebildete Antisemiten, die auch immer leugnen, dass sie Antisemiten sind, würden jetzt niemals vulgär Beschimpfungen oder Beleidigungen artikulieren und auch keine Morddrohung, wie das Rechtsextremisten machen. […] Sie treten als Moralprediger auf. Also wir mit unserem moralischen Gewissen und wir Deutschen die aus der Vergangenheit gelernt haben, wir müssen Ihnen, dem Zentralrat jetzt mal sagen, was sie alles falsch machen.

Die Dokumentation soll zeigen, wie judenfeindlich Deutschland heute noch ist. Sie zeigt darüber hinaus, wie sehr man sich hierzulande an das klammert, was man hat und wie man in Einzelkämpfermanier an seine eigenen Vor(ur)teilen arbeitet.

Mit der Kippa, der traditionelle Kopfbedeckung, in Wedding oder Neukölln auf die Straße? Der Rabbiner Daniel Alter rät davon ab. Die große Zahl von arabischen und türkischen Migranten machen es schwierig, sich hier unbehelligt aufzuhalten. Muslimischer Antisemitismus im christlichen Deutschland? Hass aus der Mitte der Gesellschaft? Mittlerweile sollte es bei jedem halbwegs intelligenten Menschen angekommen sein. Ausländerfeindlichkeit, Rassenhass und Diskriminierung lassen sich nicht in äußerliche Schubladen einsortieren. Kranke Geister gibt es überall.

Ich habe kurz überlegt, ob dieses Thema überhaupt mit der sogenannten Szene zu tun hat. Schwarz ist die Farbe der Trauer und ich bin traurig darüber, dass die 1.800 Menschen Teilnehmer des Lichterlauf nicht über ihrem Horizont schauen können. Ich bin traurig, dass wir uns in unserer wohlhabenden Langeweile nur noch über das aufregen, was das eigene Leben unbequemer macht. „Wir sind das Volk!“ Nicht mein Volk. Da schaffe ich mir lieber mein kleines Paralleluniversum, in der Diskriminierung eine möglichst kleine Rolle spielt. Nicht, dass mich einer falsch versteht. Nicht dieses Land ist krank, sondern einige seiner Menschen. Ich wünschte, man könnte sie alle heilen, ihnen etwas verschreiben um ihnen die Augen zu öffnen. Wir brauchen Utopien.

Video: Die okkulte Gothic-Szene – Report aus München 1995

157

Was habe ich mich über dieses Fundstück gefreut, an dem mich Alwa Petroni jüngst teilhaben ließ. Endlich wieder ein ganzer Korb voller Klischees und Vorurteile, der dazu einlädt, sich über die Vergangenheit der deutschen Medienlandschaft zu echauffieren. Es müsste etwa 1995 gewesen sein, als die Sendung „Report aus München“ vom Bayrischen Rundfunk ausgestrahlt wird. Die moderierende Galeonsfigur der Sendung, Andreas Bönte,  eröffnet den Reigen mit dem Stein des Anstoßes, die 23. Ausgabe des „Gothic“-Magazins: „Es ist eins der Szenemagazine der okkultischen Rockmusik. Am Rande der Legalität wird hier die Satansverehrung gepusht. Ein Einzelfall? Unsere Recherchen ergaben: Ein Millionenmarkt rund um den Satanskult hat sich entwickelt. Verehrung des Teufels, Bekämpfung der Christen, das ist die Botschaft.

Erstaunlich. Da stellt sich der studierte Politikwissenschaftler, Kommunikationswissenschaftler und Soziologe Andreas Bönte vor die Kameras und behauptet, dass mit dem „Gothic“-Magazin die Satansverehrung gepusht wird und nennt es ein „Szenemagazin der okkultischen Rockmusik„. Wenn so Wissenschaft oder Journalismus aussieht, dann sehe ich schwarz. Mittlerweile ist Bönte übrigens Leiter des Programmbereichs Planung und Entwicklung beim Bayrischen Fernsehen und ist nebenbei als Honorarprofessor für Fernsehjournalismus an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt tätig. Ich sehe schon wieder schwarz.

Zurück zum Thema. Sebastian Sigler, der sich für den Bericht verantwortlich zeigt, besucht die Discothek „Totentanz“ in Sigmaringen:  „Grabesstimmung, weiß geschminkte Gestalten, es riecht nach okkulter Mystik, kokettieren mit dem Satan.“ Sigler ist Journalist und studierter Historiker, vielleicht kommt daher das unterschwellige Brummen des Satanismus. Doch der Bericht hat auch Fakten zu bieten.

Silke Bischoff, seinerzeit eine prägende Ikone der Szene, steht im Fokus des Artikels. Zu Recht, denn schon allein der Name der Band erinnert an ein blutiges Geiseldrama Ende der 80er Jahre. Felix Flaucher bekleckert sich auch nicht mir Ruhm als er der Kamera offenbart, „das Sie (Silke Bischoff) es geil finden würde“ einer Band ihren Namen zu geben. Die Texte der Band, so der Bericht weiter, bergen „okkulten, ja satanischen Zündstoff“. Man nimmt Bezug auf den 1990 erschienen Song „666 Hellbound“ in dem folgende Zeile vorkommen: „Let me see your body bleed / Let me taste your flesh / Take the cross between your legs / And you’ll be a living dead / Let me hear your mortal shout / Let me drink your Blood / I’m gonna fuck you in your arse / And you’ll be a part of me.“ Die Übersetzung des vorletzten Verses spart man sich allerdings. Jugendschutz und so. Felix Flaucher räumt im weiteren Interview ein, dass er diese Symbolik ganz bewusst provokativ einsetzt, nicht zuletzt wegen dem werbenden Effekt für die Band. Schließlich ist es das, was die Szene hören will.  Bis hier hin keine Satanisten zu sehen.

Es geht nach Bochum, in die verstorbene Discothek Zwischenfall, wo einige Besucher mit der Frage „Okkultismus als Religionsersatz?“ konfrontiert werden. Die Antworten sind ebenso hanebüchend wie der Tenor der Reportage, vermutlich entsprechend passend und wegen der Dramaturgie zusammengeschnitten. „Ich denk, das war mal ne Mode, aber mittlerweile ist es ne Einstellungssache.“ (2:32) – „Es würde mich nur so interessieren, was danach kommt. Also nicht ob ich zu irgendeinem Gott in den Himmel komm, oder in die Hölle, oder was weiß ich. Es ist einfach nur, ob ich wiedergeboren werde oder ob da irgendein Paradies kommt.“ (2:39) Ein blutjunger DJ Michael Zöller reißt die Sache inhaltlich herum: „Es ist aber auch eine Ablehnung gegen die Gesellschaft und natürlich die christliche Gesellschaft, wie sie von der Kirche vertreten wird. Das kann man generell so sagen. Jeder einzelne wird wohl was anderes dazu erzählen.“ (2:55)

Doch bevor es in eine konstruktive Richtung driften kann, fragt man sich: „Todesstimmung wird herbeigesehnt, das Jenseitige beschworen, was steckt hinter dem Spuk?“ – Jetzt kommt natürlich, wie konnte es anders sein, ein Experte (Professor Werner Glogauer) ins Spiel und ersinnt eine zunächst völlig sinnfreie Passage, die ich aus Gründen der Verständlichkeit auf ihren eigentlichen Sinn heruntergebrochen habe: „Diese Suche nach Sinn und nach neuen Sinnerfüllungen, muss damit zu tun haben, dass bisher gültige Sinnerfüllungen verloren gegangen sind. Das ist für mich der wesentliche Grund. Das hat bei uns damit zu tun, dass der christliche Glaube verloren geht.“ Herr Professor, völlig richtig!  Mit anderen provokativen Worten: Die Kirche hat es versäumt, den Jugendlichen eine zeitgemäße Sinnerfüllung zu bieten.

Aus Kommerzgründen wird die okkulte Musik gepusht. Musiksender blasen vor allem den Jugendlichen den Satanismus unzensiert ins Gehirn.“ Was folgt, sind völlig zusammenhanglose Videos aus dem Metal-Bereich, die mit Dark Wave und/oder Gothic nichts zu tun haben. Schlechte Recherche, plakativer Journalismus. „Dem Okkultangriff stehen Eltern und Kinder ahnungslos gegenüber.“ Der einst so eloquente Professor resümiert, dass sich die Erziehungsberechtigten überhaupt nicht damit beschäftigen und keine Ahnung von dem haben, was ihre Kinder da treiben.

Bleiben wir beim Thema Kommerz. Olli Reimann, vom Plattenladen „Gift“ in Rheine: „Die Szene wächst ganz enorm.“ – Ein Kunde zum Thema Okkultismus: „Sicherlich wird es bei einigen Gruppen benutzt um ihre Musik zu verkaufen.“ Die einzigen wahren Zeilen. Welch Entspannung. Die Death-Metal Band „Dissection“ muss im übrigen immer wieder dafür herhalten, den okkulten und satanistischen Hammer zu schwingen. Death-Metal und Gothic ist für die meisten Journalisten offensichtlich einerlei. Oder es passt wegen der Symbolik. Vielleicht klingt es auch einfach gefährlicher. Der Bericht kommt zu seinem Fazit:

Der Okkultismus verbreitet sich. Und alle schauen tatenlos zu. Was das für das spätere Leben Betroffener, vor allem Jugendlicher bedeutet, ist überhaupt nicht absehbar. Entscheidend ist, dass jetzt den Dealer des Satans das Handwerk gelegt wird.

Andreas Bönte hat das letzte Wort: „Die Rockmusik als solche ist natürlich kein Teufelszeug, es geht nur um die jeweilige Botschaft, die damit transportiert wird. Satansverehrung jedenfalls ist keine Weiterentwicklung der Rockmusik sondern…“ Leider endet der Bericht hier. Ihr könnt die Lücke jedoch mit der gleichen Beliebigkeit füllen, die in dem Bericht gezeigt wird.

Ich habe mich tatsächlich gefreut.Darüber, dass solche Berichte erhalten bleiben. Darüber, dass alle Klischees und Vorurteile über Subkulturen einen meist medialen Hintergrund haben und darüber, dass ich in einer Szene verweile, über die es solche coolen Vorurteile gibt. Ich meine: Super! Sollen doch alle glauben wir wären Satanisten und okkulte Ordensbrüder, dass verschafft im Alltag viel Ruhe. Vielleicht ein paar ungläubige Blicke und zischende Kommentare, aber sonst? „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert!

Spontis Wochenschau #11/2013

14

Gestern antwortete ich auf die Frage: „Was fehlt Ihnen?“ und eröffnete so ein erquickendes Gespräch zwischen der Sprechstundenhilfe des Allgemeinmediziners und einem erkälteten Gruftie, also mir. „Ich muss sterben.“ antwortete ich schlagfertig. Die Lacher waren wieder auf meiner Seite, niemand begriff den Ernst der Lage. Ich entspannte die Situation um zu Ärztin vorgelassen zu werden und schob hinterher: „Nein, ich bin nur (sehr schlimm, Anm. d. Verf.) erkältet…“ und erntete ein ebenso schlagfertiges: „Also doch sterben?“, worauf hin ich mich trotz meiner prekären Lage zu einem Lachen hinreißen ließ. Soll ja die beste Medizin sein. Die Ärztin bestätigte mir unterkühlt, dass ich eine Erkältung habe. Ich hatte eigentlich ein sehnsüchtiges Dahinschmelzen erwartet, als ich ihr meine gestählte und völlig nackte Brust offenbarte. Doch nichts dergleichen. Anstatt dessen sollte ich mit offenem Mund ein- und ausatmen. Wie prickelnd. Vielleicht sollte ich den Tatsachen ins Auge sehen, das ist so ähnlich, wie sein Leben vor seinem inneren Auge zu verfolgen. Mit einer (bestimmt tödlichen) Erkältung verliert man seine nie dagewesene Ausstrahlung. Die rote Nase, die belegte Stimme, das ständige Schniefen und Husten wirken eben nicht harmonisch mit dem monotonen Jammern über den eigenen Zustand. Herrje. Noch kurz vor meinem Tod eine Wochenschau, weil ihr es seid: 

  • Melodrom-Fans trauern um Kultdisco in Kaufbeuren | Allgäu Online
    Am Samstag, den 12. Oktober starb der nächsten schwarze Kulttempel in Deutschland. Ein Großfeuer zerstörte die seit 28 Jahren existierende Discothek „Melodrom“ völlig. Das Gebäude brannte bis auf die Grundmauern nieder. Für Anhänger der schwarzen Szene eine Institution. „Seit 28 Jahren wurden im „Melo“ Filme gezeigt, anschließend verwandelte sich der Kinosaal in eine Diskothek. Über die Jahre fanden auch viele Jugendliche und junge Erwachsene aus dem benachbarten Landkreis Landsberg den Weg dorthin – samstags war sie vor allem für die Anhänger des Gothic Rock eine Anlaufstelle. Viele von ihnen hoffen jetzt auf einen Neuanfang, wenn auch nicht am ursprünglichen Platz.“ schreibt die Augsburger Allgemeine. Besitzer Jakob Eger gilt als „Stehaufmännchen“, doch es ist klar, dass der „alte Charme“ sich nicht wieder eröffnen lässt.
  • Der Mann mit der privaten Geisterbahn im Keller | Die Welt
    Nein, der Mann hat sicher nichts mit der Szene am Hut, doch seine 25 qm große und mit 13,2m Schienen befahrbare Geisterbahn ist sicher das Ausstattungsmekka gruftiger Inneneinrichter. „Er selbst nennt sich einen Tüftler mit verrückten Ideen. Doch das ist stark untertrieben. Denn die Effekte seiner Geisterbahn sind außergewöhnlich. Es zischt, knallt und holpert. Da ist ein Keuchen, Ächzen und Stöhnen. Nebel wabert, Blitze zucken, und Sirenen heulen. Der Elektriker hat sich einen Kindheitstraum erfüllt. „Mich haben Geisterbahnen schon immer begeistert. Freunde haben mich vor Jahren auf die Idee gebracht, selbst eine zu bauen“, sagt er. Aus der Idee wurde Faszination. Derenbach stemmte zwei Wände im Kohlenkeller auf, baute einen Rundkurs mit einem 13,2 Meter langen Schienennetz und schuf in unzähligen Arbeitsstunden auf etwa 25 Quadratmetern eine einzigartige Gruselstrecke.“ Schön, dass es noch Menschen gibt, die sich Kindheitsträume erfüllen.
  • Erst Tragödie, dann Farce | taz
    Vor rund 35 Jahren, genauer gesagt am 21. Oktober 1978 erstach Sid Vicious von der legendären Punkband Sex Pistols seine Freundin Nancy Spungen. Beide waren vollgepumpt mit Heroin. Als er nach seiner Verhaftung wegen Mordes gegen eine Kaution am 1. Februar 1979 auf freien Fuß gesetzt wird, geht er zurück in das New Yorker Hotelzimmer und setzt sich eine Überdosis Heroin. Sein Selbstmord scheitert, seine Mutter, die ihn am 2. Februar findet, vollendet den Suizid und verabreicht ihrem Sohn die tödliche Dosis, um ihn vor dem Gefängnis „zu retten“. „Die Tödliche Doris verfilmt 1981 „Das Leben des Sid Vicious“ mit einem Drei- und einer Sechsjährigen in den Hauptrollen, ihr Kommentar zur Legendenbildung. Noch 1995, da ist Kurt Cobain schon tot, strickt der bekannte Punkrock-Darsteller Ben Becker mit dem Theaterstück „Sid und Nancy“ die Legende weiter. Die Nancy spielt Schwester Meret. Geschichte wiederholt sich, so der Marx-Evergreen, mal als Tragödie, mal als Farce.
  • Die eingeschworenen Jungfrauen von Albanien | Rosa Chalybeia
    Das dritte Geschlecht ist keine Erfindung unserer Zeit, sondern schon seit je her ein weit verbreitetes Lebensdogma. Rosa Chalybeia, die bereits mit ihrem Artikel „Two Spirits“ an diese Tatsache erinnerte, berichtet nun von den albanischen Jungfrauen, die sich für ein Leben als Mann entscheiden. „Dass es zwischen den biologischen Geschlechtern von Männlein und Weiblein noch mehr gibt, hält man ja oftmals gerne für eine moderne Spinnerei von Leuten die sonst nicht viel zu tun haben, allerdings, da mich das Thema schon sehr lange beschäftigt, möchte ich dieser Meinung entgegensetzen, dass es sogar sehr viele Kulturen gibt welche ein drittes Geschlecht kennen, das sich nicht an biologische Tatsachen festmacht, sondern am Selbstempfinden mancher Personen, besser noch, gerade bei vielen sehr alten Kulturen waren solche Phänomene nicht nur gewissermaßen normal, sondern oft auch gesellschaftlich hoch angesehen – erst der Einzug der westlichen “Kultur” minderte das Ansehen solcher Personen,  schlimmer noch, deren komplette Auslöschung war ebenfalls in manchen Fällen eine traurige Konsequenz.
  • Knochenkirche Kutna Hora | Frau Fledermaus
    Einen mit eindrucksvollen Bilder garnierte Beitrag über die tschechische Knochenkirche Kutna Hora liefert Frau Fledermaus: „Ich war im Juli über eine Woche im Osten für eine Fototour unterwegs. Weil wir unbedingt Kutna Hora sehen wollten, haben wir einen „kleinen“ Abstecher nach Tschechien gemacht.“ Einen ausführlichen Reisebericht, über den ich bereits berichtet habe, findet ihr immer noch beim schwarzen Planeten.
  • Schöne Grüße von Jules Verne | Gedankensplitter
    Stichwort „Tolle Bilder“. Gestorbene Legenden hinterlassen Pilgerstätten um ihrer zu gedenken. Markus Rietzsch folgt dem Ruf des Autors vieler fantastischen Geschichte und besucht den Friedhof in Amiens, auf dem Jule Verne begraben liegt. „Skulpturen und Gargoyles zieren die verschiedenen Grabstätten, ehe in meinem Augenwinkel plötzlich und unvermittelt das ursprünglich anvisierte Ziel auftaucht und mich staunen lässt: Die steinerne Grabplatte hochstemmend reckt ein Mann seinen Oberkörper aus der Gruft – den Blick gen Himmel gerichtet und den Arm wie zum Gruß erhoben. Jules Verne grüßt seine Leserschaft. All jene, die seiner Phantasie folgten und folgen. Diese lebensgroße Abbildung fasziniert nicht nur mich. Die Sitzbank gegenüber wird von wechselnden „Pilgern“ eingenommen, die ihren Gedanken nachhängen.
  • Der Mann, der seit fünf Jahren nur rohes Fleisch isst | Vice
    Die für Qualitätsjournalismus bekannte Internetpräsenz von VICE hat Derek Nance ausgegraben, der sich von rohem Fleisch ernährt. Wer sich mal wieder gründlich ekeln möchte, folgt dem Link. Es ist unfassbar, was Menschen für ihre 5 Minuten Ruhm alles auf sich nehmen. Ein Kerl, der sich nur von Leichen ernährt. „So probierte er eine mediterrane Diät (Fisch und Gemüse), dann ließ er den Fisch weg und wurde Veganer, doch es wurde nicht besser. Schließlich empfahl ihm ein Typ mit ähnlichen Symptomen die karnivore Version der paläolithischen Diät. Weil er nichts mehr zu verlieren hatte, gab Derek dem rohen Fleisch eine Chance. Das ist jetzt fünf Jahre her. Mittlerweile putzt er sich sogar mit Tierfett die Zähne.
  • Goth Challenge – Oder: Eine Autobiographie des Grauens | Mondbote
    Fast genauso gruselig ist Ian Luthers Werdegang in die schwarzen Szene, die er anlässlich einer Goth Challenge zum Besten gibt: „Mit zarten elf Jahren baute sich der kleine Ian einen Sarg aus Karton, weil er Lumpi, den älteren Bruder von Rüdiger von Schlotterstein so cool fand. Vampire, geil, sowas rockt. Lange vor Bergdoktor-Glitzer-Elfen, die sich im Wald verstecken. Musikalisch begann es bei mir eher gitarrenlastig. Rammstein, wie für viele andere war dies auch für mich wohl eine Art “Einstiegsdroge” in “düstere” Richtungen, die Mediamarkt damals in ihren schmalen Musikregalen für einen nerdigen Star Wars – Fan, mit mehr Pickeln als schulischem Engagement, hatte. Die Reise entwickelte sich weiter von Rammstein, hin zu Trällerelfen-Metal à la Nightwish oder Within Tempation, in späteren Tagen auch Epica, eben all solchen Dingen.
  • The Day my Kid went Punk (1987) | Nerdcore
    Ein Selbsthilfefilm für verstörte Eltern, deren Kinder zu „Punks“ mutierten, drehte 1987 der Sender ABC um dabei zu helfen, die Gefahr abzuwehren. Zur Zeit kann man sich das 45-minütige Machwerk der Aufklärung auf Youtube anschauen. Oder hier:
  • Breakdance im ZDF 1984 | KFMW
    Ich glaube ja fast nicht, dass man das je ernst gemeint hat. Das kann einfach nicht.