Wer kennt nicht die legendäre Wellenform von Joy Divisions Debüt-Album „Unknown Pleasures“ auf T-Shirts, Tassen, Taschen und Jacken? Neuerdings ist sie sogar auf Dr. Martens Schuhen zu finden, wovon ich in diesem Artikel berichtet habe. Ob die Leute, die so ein Paar Schuhe bestellt oder ein Shirt bei H&M gekauft haben, wissen, dass sie ein Stückchen Musikgeschichte zur Schau tragen? Ob sie überhaupt von den wissenschaftlichen Hintergründen dieser Grafik gehört haben?
Die Entdeckung des Pulsars CP1919
Am 28. November 1967 machte die Doktorandin Jocelyn Bell eine bahnbrechende Entdeckung. Zusammen mit ihrem Doktorvater Antony Hewish untersuchte sie Radiosignale aus dem Weltraum. Bei der Analyse der Daten stieß Bell auf ungewöhnliche, regelmäßige Schwankungen in den aufgezeichneten Signalen. Die Quelle befand sich außerhalb des Sonnensystems, aber noch innerhalb der Milchstraße. Anfänglich zogen sie sogar die Möglichkeit einer Entdeckung außerirdischer Intelligenz in Betracht und nannten die Signalquelle scherzhaft „LGM-1“ (für „Little Green Man 1“). Offiziell erhielt sie jedoch die Bezeichnung CP 1919, was für „Cambridge Pulsar“ mit der Rektaszension 19h19m steht. Doch wie kam Peter Saville dazu, die Abbildung der Wellenform als Plattencover für „Unknown Pleasures“ im Jahr 1979 zu verwenden?
Von der Wissenschaft zum Plattencover
Interessanterweise wurde Saville von Joy Division-Mitglied Bernard Sumner auf die wissenschaftliche Aufzeichnung aufmerksam gemacht. Sumner hatte die Daten-Visualisierung 1977 in der Cambridge Encyclopaedia of Astronomy entdeckt. Die ursprüngliche Visualisierung stammte von Harold Craft, einem Radio-Astronomen. Craft war überrascht, als er von der Verwendung seiner Visualisierung auf dem Album erfuhr. Seine erste Reaktion war, in einen Plattenladen zu gehen und sich das Album samt Poster mit seinem eigenen Bild zu kaufen.
Saville, in seiner Rolle als Grafiker, entschied sich dafür, das ursprüngliche Bild von schwarzen Linien auf weißem Grund in weiße Linien auf schwarzem Grund umzukehren. Diese Entscheidung traf er entgegen der Präferenz der Band für das Original. Seine Begründung dafür war: „Ich hatte Sorge, dass es sonst etwas billig aussehen könnte. Ich war überzeugt davon, dass es in Schwarz sexier aussehen würde.“
Diese Entscheidung Savilles, eine wissenschaftliche Visualisierung für ein Musikalbum zu verwenden, erwies sich in der Folgezeit als goldrichtig. Das Cover wurde zu einem der unverwechselbarsten und bekanntesten in der Rockgeschichte. Es hat seitdem eine weite Verbreitung in der Popkultur gefunden und wurde von großen Modelabels wie Stella McCartney, Calvin Klein und Christian Dior verwendet. Sogar H&M hat T-Shirts mit dem Design verkauft. Allerdings waren Savilles Plattencover anfänglich sehr umstritten und riefen laut seinen eigenen Worten „richtige Aggressionen hervor, auch viel Unterstützung, aber halt auch viel Aggression.“
Die Entscheidung Savilles, diese wissenschaftliche Visualisierung zu verwenden und sie auf kreative Weise umzugestalten, hat nicht nur ein ikonisches Albumcover geschaffen, sondern auch eine Brücke zwischen Wissenschaft, Musik und visueller Kunst geschlagen.
CP1919 ist der bekannteste Pulsar der Welt
Das ikonische Bild der Wellenform von CP1919 auf dem Cover von „Unknown Pleasures“ hat sich weit über die Grenzen der Musikwelt hinaus verbreitet. Es findet sich heute auf T-Shirts, Tassen, Taschen, Jacken und sogar auf Schuhen. Die Frage ist, ob die Menschen, die solche Produkte kaufen, sich der wissenschaftlichen und musikalischen Geschichte bewusst sind, die hinter diesem Design steckt.
Die anhaltende Popularität und Wiederverwendung des Designs zeigt auch, wie ein einzelnes Bild zu einem kulturellen Artefakt werden kann, das weit über seinen ursprünglichen Kontext hinaus Bedeutung erlangt. Es ist ein Beispiel dafür, wie visuelle Kunst, Musik und Wissenschaft zusammenkommen können.
Die Bedeutung des „Unknown Pleasures“-Covers geht über seine visuelle Ästhetik hinaus. Es verkörpert den Geist einer Ära, in der Musik, Kunst und Wissenschaft auf einzigartige Weise verschmolzen. Das Design hat nicht nur die Art und Weise beeinflusst, wie wir über Album-Artwork denken, sondern auch, wie wir wissenschaftliche Visualisierungen wahrnehmen und wertschätzen. Interessanterweise hat die Popularität des Covers auch zu einem verstärkten Interesse an der ursprünglichen wissenschaftlichen Arbeit geführt. Viele Menschen, die zunächst nur von der visuellen Ästhetik angezogen wurden, begannen sich für die zugrundeliegende Astronomie zu interessieren. Dies zeigt, wie Kunst als Brücke zur Wissenschaft dienen kann, indem sie komplexe Konzepte auf eine zugängliche und faszinierende Weise präsentiert.
Darüber hinaus hat das Cover eine Debatte über die Rolle von wissenschaftlichen Daten in der Kunst angeregt. Es wirft Fragen auf über das Verhältnis zwischen wissenschaftlicher Genauigkeit und künstlerischer Interpretation sowie über die ethischen Implikationen der Verwendung wissenschaftlicher Daten für kommerzielle oder künstlerische Zwecke.
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.