Gothic Friday: Schwarzer Fächer der Passionen

Das Langzeitprojekt „Gothic Friday“ liegt nun schon einige Jahre zurück. Ich finde die Idee dahinter jedoch großartig und spannend und habe nun schon einige Themen interessiert mitverfolgt. Da keimte in mir die Lust auf,  mir diese Fragepunkte selbst einmal vorzunehmen. Ich bin nicht der einzige Nachzügler, den es angesichts der tollen Themen in den Fingern juckt und Robert erwägt nun sogar, eine Fortsetzung zu starten. Die bisherigen Themen bieten jedoch schon einmal eine Fülle an Inspiration, das Kopfkino ist mächtig in Gange und so nehme ich mir nach und nach einige der alten Themen vor – alle werde ich vermutlich nicht schaffen, aber mal sehen! Das März-Thema lautete: „Schwarzer Fächer der Passionen“.

Passionen, Leidenschaften. Eine seltsame Wortschöpfung, denn mit Leiden haben sie selten zu tun, eher mit Freuden! Es gibt vieles, das mich begeistert, so zum Beispiel das Zeichnen, Basteln, Dekorieren, Kochen, Lesen, Lyrik, Fotografieren und Wandern. Ich beschränke mich hier mal auf vier davon, zwei sehr aktuelle und zwei mangels neuer Inspiration etwas brach liegende Leidenschaften.

Malen und Zeichnen

Spitzendecken
links handgezeichnet (1990), rechts PC-bearbeitet (2003)

Meine älteste Leidenschaft ist das Malen bzw. Zeichnen. Schon in der Vorschule malte ich viel, mit Vorliebe Blumen und Schmetterlinge, in der Grundschule dann feuerspeiende Drachen und Pferde. Eine Aufgabe im Kunstunterricht, den Umriss eines riesigen Flaschengeistes mit Scriptoltinten-Schraffuren auszufüllen, kitzelte etwas in mir wach, was ich daraufhin die nächsten beiden Jahrzehnte mit Vorliebe tun sollte: freie Flächen mit grafischen Mustern und floralen Ornamenten (vorrangig in Schwarzweiß) auszufüllen. Ich zeichnete im Unterricht meinen ganzen Wochenplaner voll, weil ich mich so besser konzentrieren konnte. Die inzwischen beliebten detailreichen Malbuchvorlagen für Erwachsene erfreuen sich nicht umsonst so großer Beliebtheit, denn Malen und Zeichnen ist in unserer hektischen Zeit ein gutes Mittel, um sich mal aus dem Alltag auszuklinken und „runterzukommen“. Bevor ich wieder nach Berlin zog, zeichnete ich auch nach der Schule gemeinsam mit einer Freundin. Diese war es auch, die mich später zur düsteren Musik brachte und mit der ich dann stundenlang an Buntstift- oder Tusche-Kopien von Plattencovern einschlägiger Bands saß, die meine Zimmerwände zierten.

Isolde Ohlbaum
Foto von Isolde Ohlbaum, Acryl (2010)

Nach meinem Umzug nach Berlin fand ich nicht mehr ganz so oft Zeit zum Zeichnen, meist im Unterricht. Aber ich wollte auch gerne nach der Schule einen kreativen Beruf erlernen und wählte deshalb Kunst als Leistungsfach. Leider kann ich freihand weniger gut zeichnen als Motive von Fotos oder Bildern abmalen und Ornamente bzw. Muster gestalten. Auch weil ich direkt nach dem Abi noch keine Computergrafikkenntnisse hatte, hatte ich bei meinen Bewerbungen an Kunstschulen keinen Erfolg. Da ich auch gerne bastel und dekoriere, absolvierte ich eine Ausbildung zur Dekorateurin… Doch dieser Beruf ist leider weniger kreativ als gedacht, da man viel nach Vorlagen arbeiten muss und je nach Einsatzort mehr Kleidung bügelt als dekoriert. Als ich kurz nach der Jahrtausendwende von einem Freund Photoshop erklärt bekam, habe ich auch am Rechner gezeichnet und Bildcollagen erstellt. Und ich scannte meine alten Zeichnungen ein, die ich mit Farben und zum Teil auch diversen Effekten unterlegte, so dass manche fast 3D-Charakter bekamen. Für Familie und Freunde fertigte ich zu besonderen Anlässen (Ab-)Zeichnungen beliebter Motive an und relativ spät entdeckte ich das Malen mit Acrylfarbe. Inzwischen habe ich hier einige eigene Bilder an der Wand hängen, aber schon länger nichts Neues mehr gemalt. Die Leidenschaft schlummert gerade etwas. Ich warte darauf, dass es mich mal wieder „packt“. Lange dunkle Winter sind dafür ideal… die Stimmung muss passen.

Lyrik * Poesie * Gedichte

Eine weitere alte Passion ist das Lesen und Schreiben von Gedichten. Vor vielen, vielen Jahren begann ich selbst Gedichte zu schreiben und auch (Song-)Texte zu sammeln, die mir gefallen. Es begann damit, dass wir im Deutschunterricht ein paar sehr schöne Gedichte durchnahmen, so wie beispielsweise “Der Panther” von Rainer Maria Rilke. Ich habe es immer gehasst, Gedichte in Versmaße aufzuteilen und zu analysieren. Ich wollte das Geschriebene einfach so auf mich wirken lassen, mir schon Gedanken darum machen, aber ohne es zu zerpflücken. Letzteres raubt einem Gedicht den Zauber, finde ich.

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe 
so müd geworden, dass er nichts mehr hält. 
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe 
und hinter tausend Stäben keine Welt. 

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, 
der sich im allerkleinsten Kreise dreht, 
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, 
in der betäubt ein großer Wille steht. 

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille 
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein, 
geht durch der Glieder angespannte Stille – 
und hört im Herzen auf zu sein. 

(Rainer Maria Rilke, „Der Panther“)

Später fand ich auf den “rosa Seiten” im “Zillo” (Kleinanzeigen und Kontaktbörse) und ähnlichen einschlägigen Musikzeitschriften Inspirationen, auch wenn einige davon stark klischeelastig waren. Ich habe mich dann durch Bibliotheken gestöbert und mir alle Texte und Gedichte per Hand abgeschrieben oder fotokopiert, die mich ansprachen, vor allem aus der Zeit der Romantik. Als ich um die Jahrtausendwende meinen ersten eigenen PC mit Internetanschluss bekam, verbrachte ich Tage und Wochen damit, Lyrik-Seiten zu durchforsten und weitere Texte zu sammeln. Ich habe auch selbst einige Gedichte und Gedanken geschrieben, meist in extremen Gefühlssituationen wie Liebeskummer oder bei Beginn einer neuen Liebe. Aber auch wenn ich Ärger mit anderen Menschen hatte oder wenn mich irgendetwas besonders beeindruckte (z.B. eine Reise), aber auch einige Spottgedichte, wie zum Beispiel auf Lehrer. Sehr viele meiner Texte handeln vom Leben an sich, dem eigenen Lebensweg und Sinnsuche. Gereimt hat sich mein Geschriebenes selten, aber darauf kam es mir auch nicht an. Es sollte einfach meinen Gedankenfluss auffangen und bewahren. Manchmal habe ich dazu auch Zeichnungen angefertigt oder passende Bilder herausgesucht.

Die Mauer
Die Mauer, geschrieben 1995

Gegen 2001/2002 hatte ich mir sogar eine eigene Webseite erstellt, die inzwischen allerdings nicht mehr existiert. Dort habe ich meine Texte, Zeichnungen und Fotografien gezeigt. Als Myspace noch populär war, war ich auch dort vertreten. Inzwischen habe ich bis auf eine sehr reduzierte Mitgliedschaft bei der Fotocommunity gar keine Webpräsenz mehr. Ich dache, es interessiert sich bei der Masse an Veröffentlichungen sowieso vermutlich niemand für meine Werke… und wozu dann Geld für Webspace ausgeben? Nur einmal habe ich einen Text von mir eingeschickt, es gab einen Aufruf für einen Band des Deutschen Gedichts. Mein Gedicht wurde sogar darin abgedruckt. Aber von dem Angebot, das Buch zum “Vorzugspreis” für immer noch sehr viel Geld zu erwerben, sah ich dann doch lieber ab. Inzwischen schreibe ich nur noch sehr selten Texte, wenn ich aufgewühlt bin. Früher war ich da sehr viel produktiver, einmal habe ich in nur wenigen Wochen 80 Texte verfasst, aus Liebeskummer! Als junger Mensch hängt man sich in solche Themen irgendwie viel stärker rein, die Welt geht scheinbar schneller unter.

Fotografie – „Malen mit Licht“

Noch eine ältere Leidenschaft, die aber aktueller denn je ist, ist die Fotografie. Fotografiert habe ich schon als Kind gerne, vor allem meine zahlreichen Haustiere. Da ich aber nur wenig Taschengeld hatte und mein Vater überdies viel fotografierte, überließ ich ihm das Feld und erfreute mich an seinen Aufnahmen von Familie und Reisen. Als ich Anfang der 90er wieder nach Berlin zog und viel mit Freunden unterwegs war, hatte ich eigentlich immer eine kleine Kamera dabei und habe fast alle Aktivitäten festgehalten: private Treffen, Ausflüge, Clubbesuche, Konzerte, Friedhöfe und Architektur… allerdings hatte ich NULL Ahnung von der Technik dahinter und wollte mich auch nicht weiter damit beschäftigen geschweige denn eine bessere Kamera haben. Mein Vater hatte mir einmal den Umgang mit seiner analogen Spiegelreflexkamera erklärt, und trotz “Spickzettel” brachte ich damit nur unbefriedigende Aufnahmen zustande. Das hat mich nachhaltig so frustriert, dass ich mich nicht wieder mit so einem komplizierten “Monstrum” herumplagen wollte. Damals sah man seine Fotofehler ja erst Tage bis Wochen oder gar Monate nach der Aufnahme und konnte schwerlich rekonstruieren, was man denn nun genau falsch gemacht hatte. Nicht wie heute in der digitalen Fotografie, wo am Display schon das meiste gut zu erkennen und der Lerneffekt natürlich ein ganz anderer ist, von den gesparten Kosten für misslungene Abzüge ganz zu schweigen! Ich blieb also lange bei kleinen, kompakten Kameras und fotografierte nur mit der Automatik. Menschen habe ich eine Zeitlang kaum abgelichtet. Anfang der 90er habe ich im Freundes- und Verwandtenkreis recht ungehemmt fotografiert. Igendwann traute ich mich jedoch nicht mehr so recht, weil immer weniger Leute Lust hatten, fotografiert zu werden. Auch auf Veranstaltungen wie dem WGT habe ich aus Diskretion und Scheu Personen meist aus größerem Abstand oder nur von der Seite/von hinten fotografiert. Das ärgert mich jetzt sehr, weil dadurch natürlich viel Potential verschenkt wurde, gerade wenn man sich heutzutage über alte Szene-Fotos freut. Erst bei meinen letzten beiden WGTs, Ende der 90er, traute ich mich, auch mal andere direkt anzusprechen und um ein Foto zu bitten. Meine Fotokünste hielten sich dennoch weiterhin in Grenzen.

Horizonterweiterung
Um 2001 herum hatte ich einen Partner, der Fotografie gelernt hatte und sich dementsprechend auskannte. Er schenkte mir meine erste eigene Digitalkamera, die aber noch kein Display hatte und keine manuellen Eingriffsmöglichkeiten. Damals erlernte ich in einer DTP-Weiterbildung Bildbearbeitung am PC, was mir großen Spaß machte. Ich tobte mich kreativ ziemlich aus mit Photoshop-Filtern, Bildretusche, komponierte Fotocollagen und zeichnete auch direkt am Rechner. Aber mit Fototechnik hatte ich noch immer nichts am Hut, die Erfahrung mit der analogen Spiegelreflexkamera hatte mich damals zu sehr frustriert. Mit meiner kleinen digitalen Kompakten zog ich aber sehr häufig los und erkundete vor allem Berliner Friedhöfe, alte Gebäude, Parks und Natur. Dennoch blieb ich oft unzufrieden mit meinen Bildern, denn die lange Auslöseverzögerung der frühen Digitalkameras erschwerte es, bewegte Szenen einzufangen. Oft war das, was ich fotografieren wollte, schon wieder vorbei, als die Kamera endlich soweit war. Na toll!
Der erste größere Einschnitt geschah Anfang 2008, als ich mit meinem damaligen Freund nach Paris fahren wollte und wir beide dafür nach einer neuen Kompaktkamera Ausschau hielten. Das kleine Lumix-Modell, das wir erstanden, löste viel schneller aus und machte richtig Spaß. In Paris entstanden trotz ekelhaften Wetters massenhaft Bilder, die mir damals auch wirklich gut gefielen. Mein Freund brachte mich vor allem darauf, auch die kleinen Dinge abzulichten, ein Auge für Details und ungewöhnliche Motive zu bekommen. Seitdem hatte ich erst richtig Freude an der Fotografie! Ich konnte bessere und interessantere Bilder machen und auch am Rechner bearbeiten, wenn ich wollte. Ein herrliches kreatives Spielzeug! Aber auch jetzt blieb ich bei reiner Automatik.

Herrlich kreatives Spielzeug
“Klick” machte es dann mit dem Kauf einer gebrauchten, aber mit mehr manuellen Einstellungsmöglichkeiten versehenen Kompaktkamera, die ein Vielfaches an Zoomstärke meiner alten hatte. Ich hatte mir damals ein sehr gutes Einsteigerbuch zur Digitalfotografie gekauft, durch das ich zum ersten Mal a-ha-Erlebnisse hatte, was die Technik dahinter betrifft. Auch über Bildgestaltung stand dort sehr viel Interessantes und Lehrreiches drin. Ich wurde mutiger und entdeckte neue kreative Möglichkeiten, z.B. das Freistellen mittels größerer Brennweite. Ein einschneidendes Erlebnis war ein Friedhofsbesuch, wo ich eher zufällig herausfand, dass sich Details an rostigen, schnörkeligen Eisengittern aus größerer Entfernung wurderbar hervorheben konnte, indem der Hintergrund durch Unschärfe ausgeblendet wird. Ich wurde richtig euphorisch. Vorher war auf meinen Fotos zwar vieles scharf, aber auch oft überladen, unruhig. Jetzt merkte ich, dass ich bewusst eingreifen und gestalten kann. Und das war der wirkliche Durchbruch zur Leidenschaft.
Es dauerte nicht lange, und die nächste Kamera stand an, diesmal ein Bridgekamera. Hatte ich mich jahrelang dagegen gewehrt, eine Kamera zu benutzen, die nicht in die kleinste Tasche passt und die mehr als ein einfaches Klick erfordert, so wollte ich nun ein kreatives Spielzeug, das möglichst viele Sparten abdeckt. Eine Bridge schien mir ideal, weil weniger schwer als eine Spiegelreflex- oder Systemkamera und dennoch mit allem ausgestattet. Dazu der enorme Zoom und später entdeckte ich auch die Möglichkeit, mittels guter Nahlinsen (Achromaten) zum Davorsetzen faszinierende Einblicke in die Makrofotografie zu unternehmen. Mit einer Bridgekamera bin ich nun endgültig “happy”, Objektive wechseln wäre mir lästig und ich bin jemand, der gerne spontan und so wenig kopflastig wie möglich fotografiert, dabei flexibel ist: eben noch einen Käfer auf einer Blüte anvisiert und im nächsten Moment den Raubvogel “eingefangen”, der plötzlich am Himmel auftaucht. Auf Touren Details und entfernte Motive ablichten, ohne lange stehen bleiben zu müssen.
Meine Motive sind auch sehr breit gefächert: Menschen inzwischen seltener (hauptsächlich Familie, etwas Street), dafür vermehrt Natur und Landschaft, Flora und Fauna, historische Gebäude und Städte, Ruinen/Lost Places, alte Friedhöfe, Makrofotografie. Ich sehe vieles bewusster, entdecke kleine Dinge und habe oftmals das Gefühl, die Welt fast wieder wie mit Kinderaugen zu betrachten. Im Alltag geht man an so vielem unbewusst vorbei. Mit einer Kamera in der Hand und Neugier für alles, was einem begegnet — Schönes, Hässliches, Skurriles, Banales — fallen einem auf einmal Unmengen interessante Dinge auf. Selbst wenn man die Kamera gar nicht dabei hat, kann es passieren, dass dieser “erweiterte Blick” sich einstellt. Es ist wie ein Schleier, der von den Augen gezogen wurde und der alles überdeutlich hervortreten lässt. Ich bin immer wieder fasziniert von der Kreativität, die eine Kamera bietet, wenn mann ich ein bisschen auf das Dahinter einlässt. Weit über normale Sehgewohnheiten hinaus, allein z.B. durch Spiel mit Schärfe/Unschärfe, eingefrorenen oder verwischenden Bewegungsabläufen, Licht- und Schattenspielen usw.

Der Weg ist das Ziel!

Nun komme ich zu meiner neuesten Leidenschaft: dem Wandern, oder besser  zu Fuß-Erkunden von Landschaften und interessanten Orten. Für schöne Landschaften oder historische Stätten konnte ich mich schon früh begeistern, jedoch war ich lange Zeit darauf angewiesen, dass mich entweder jemand irgendwohin mitnimmt oder mich begleitet. Da ich kein Auto besitze und mich nicht allein umherzureisen traute (bzw. auch lange kein Interesse an Alleingängen hatte), ergaben sich viele Jahre nur selten Gelegenheiten, etwas zu erkunden. Auf Reise zur Verwandschaft oder wenn Freunde mit Autos mich mitnahmen. Aber dann bleib es meist bei kurzen Stippvisiten vor Ort.

Berlin wird zu klein ;-)
 Ein guter Freund begann, Berlin abschnittsweise zu Fuß und mit der Kamera zu erkunden: erst die Spree entlang, dann dem Teltowkanal folgend und zuletzt den gesamten Mauerweg (ehemaliger Mauerstreifen um Berlin und durch die ehemals geteilte Stadt hindurch). Ich begleitete ihn auf vielen Touren. Er äußerte dann irgendwann den Wunsch nach einem nächsten Projekt zu Fuß, aber in Berlin hätte er seine Ideen ausgereizt. Da stieß ich auf ein Buch zu einer Rundwanderung in Tagesetappen rund um Berlin, dem 66-Seen-Weg. Ich dachte, das wäre was für ihn, aber er winkte ab: keine Lust, extra ewig ins Umland zu reisen und dafür auch noch Fahrgeld zu investieren. Ich fand das schade und kaufte mir das Buch dann selbst. Nun stand ich vor dem Dilemma, dass darin viel interessante Touren vorgestellt waren, sich aber niemand fand, der mich begleiten wollte! Ich wollte ungern allein losziehen, ohne die Möglichkeit sich unterwegs zu unterhalten und auch ohne das Gefühl, zu zweit sicherer zu sein. Auch dachte ich, dass ich mich bestimmt immer mal wieder verlaufen würde. Die Vorstellung, ohne Auto ins strukturschwache Brandenburg zu fahren, gruselte mir ebenfalls. Also legte ich das Projekt zunächst auf Eis. Ganz schön blöd, wie ich im Nachhinein denke.

Der erste Schritt ist der schwerste…
 Es brauchte dann noch eine ganze Weile, bis es auch hier “Klick” machte. Ich entdeckte noch ein Buch über schöne Touren in Brandenburg und stieß dabei auf eine Strecke gar nicht mal so weit weg von Berlin, das Briesetal bei Birkenwerder. Ein kleiner wilder Bach mit Erlenbrüchen, Biberstaudämmen und herrlichem Wald ringsherum. Die Fotos faszinierten mich. Da musste ich hin! Ich hatte keine Lust mehr, erfolglos zu warten, bis sich jemand anschließt. Außerdem hatte ich meine neue Bridgekamera und war unternehmungslustig. Und ich entdeckte, dass es gar nicht so kompliziert ist, sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Brandenburg zu bewegen, wie ich dachte. Dank Internet lässt sich eine Verbindung zu jeder Bushaltestelle in jedem noch so abseits gelegenen Ort herausfinden und eine Tour reibungslos planen. Und unterwegs stellte ich fest, dass zum einen das meiste auch gut ausgeschildert ist und zum anderen auch die Wanderbücher oft sehr detailgenau beschrieben sind, fast idiotensicher. Ich wurde bislang unterwegs weder dumm angemacht (es gibt in Brandenburg eh wenig Wanderer und die Einheimischen erwiesen sich bisher durch die Bank weg als sehr nett und aufgeschlossen) noch hatte ich Situationen, in denen ich mich ängstlich gefühlt habe. Und was das Wichtigste ist: es macht mir inzwischen großen Spaß, allein unterwegs zu sein! Es ist herrlich, seinen Gedanken nachhängen zu können, sein eigenes Tempo finden zu können und auch frei zu sein, wann man wo pausiert, abkürzt, verlängert… Und gerade zum Fotografieren ist es ideal. Stehen bleiben und schauen, fotografieren so oft ich möchte, und ich muss niemandem hinterherrennen oder auf andere warten. Wenn man allein unterwegs ist, ist das Erleben viel intensiver, weil niemand ablenkt und die Sinne frei werden. Es heißt ja immer wieder, dass Wandern ein Selbsterfahrungs-Trip sein kann. Das stimmt absolut. Selten habe ich so schön, intensive Momente erlebt wie allein zu Fuß in schöner Natur. Die Kamera steigert das Erleben noch, weil auch sie dazu führt, dass die Sinne geschärft werden.

Ich suche mir immer wieder unterschiedliche Touren und Orte aus, so dass es immer wieder spannend ist, was ich unterwegs so vorfinde. Entgegen der verbreiteten Vorstellung gibt es in Brandenburg auch nicht nur plattes Land, weite Öde und Kiefernmonokulturen, sondern erstaunlich viel Vielfalt wie unzählige Gewässer und auch Hügelland, herrlichen Laubwald, uralte Bäume und Moore. Ich bin nicht nur in Brandenburg unterwegs, aber da es für mich ohne Auto gut als Tagestour umsetztbar ist, und dazu auch noch viele Ecken nicht erkundet sind, bin ich hier erstmal gut beschäftigt. Bisher bin ich aber auch auf Rügen und in der Sächsischen Schweiz gewandert. Heute kann ich folgendes Zitat ganz fett unterstreichen:

„Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen.“ (Johann Wolfgang von Goethe)

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Robert
Robert(@robert-forst)
Admin
Vor 8 Jahre

@Tanzfledermaus: Ich finde das mit den unterschiedlichen Größen überhaupt nicht schlimm. Das Bilderfenster habe ich repariert, es sollte jetzt wieder funktionieren.

Vielen Dank für diesen sehr ausführlichen und intensiven Beitrag! Erstaunlich, wieviel Zeit du mit der Kamera und der Natur in selbiger verbracht hast. Ist das eine Großstadt-Flucht? Ich frage mich gerade, ob ich mir selbst helfen könnte, allein und zu Fuß die Natur zu erkunden. Ich habe das ehrlich gesagt noch nie ausprobiert. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich als Kind IMMER Wanderurlaube machen musste und jetzt Erholung darin finde, die Natur NICHT zu Fuß zu erkunden. Aber beim Anblick Deiner Bilder schwelt schon irgendwie das Fernweh…

Flederflausch
Flederflausch(@flederflausch)
Vor 8 Jahre

Sehr schöner Beitrag :)

Auch weil ich mich sehr gut in die und deine Leidenschaften hineinversetzen kann. Ich finde es wunderbar entspannend und beruhigend lange Spaziergänge zu machen und die Landschaft zu entdecken. Für mich hat das etwas meditatives und befreiendes. Einfach mal alles hinter sich lassen und die Schönheit der Natur genießen, Stress weglaufen, einiges klarer sehen können.
Auch den Foto nehme ich dabei gerne mit, auch wenn ich da wie du oft keine Lust habe mich mit den ganzen technischen Spielereien auseinanderzusetzen. Ich probiere dann entweder rum, wenn ich die Muse dazu habe oder schaue später am Bildschirm was man evtl noch machen kann. Das ist für mich persönlicher auch befriedigender, da ich da das Ergebnis wirklich sehen kann, das Display an meiner Spiegelreflex ist dann eben doch klein und nicht sonderlich hoch auflösend. Seid ich so ein modernes Streichelhandy habe benutze ich aber tatsächlich meistens das zum Bilder machen – für mich erfüllt es genauso gut seinen Zweck.
So gerne ich das mache: Nichts toppt meine Leidenschaft: reiten. Nichts ist entspannender und wohltuender als einen flauschigen Vierbeiner bei sich zu haben :)

Mone vom Rabenhorst
Vor 8 Jahre

Tanzfledermaus,
in der Natur zu sein ist auch mein Hobby. Nur mit dem kleinen Unterschied, daß ich mich tragen lassen. ;-)
Es gibts nichts Schöneres, als mit seinem Pferd und Gepäck für die nächsten 7 Tage durch (fast) unberührte Natur zu (wander-)reiten, wo man sehr oft stundenlang keine Menschen oder Autos sieht, höchstens ein Wildschwein, wenn man Glück hat, oder sonstiges Rotwild. Da kann man wirklich alles hinter sich lassen…

Ups! Und nachdem ich den Kommentar abgeschickt habe, sehe ich, daß Flederflausch meine Leidenschaft teilt! :-)

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