Gothic Friday: Ist Gothic (D)ein Lebensstil? (ASRianerin)

Es ist immer wieder spannend und erfrischend zugleich, wenn Beiträge zum Gothic Friday in meinem dafür eingerichteten Postfach landen. Zum einen das zufriedene Lächeln, weil wieder jemand teilgenommen hat und zum zweiten die aufgerissenen Augen und hochgezogenen Augenbrauen beim Betrachten des Inhalts.

Immer wieder schaffen es auch bereits etablierte Teilnehmer, für Überraschungen zu sorgen, so auch ASRianerin, die sich auf pseudowissenschaftliche Pfade begibt, um dem September-Thema des Gothic Friday gerecht zu werden. Ich habe versucht, alle von ihr vorgegebenen Rahmenbedingungen einzuhalten, habe ein Schaubild wie gewünscht eingefügt und auch für entsprechende Fußnoten gesorgt.

Ich entlasse den geneigten Leser nun in die kundigen Hände von Frau Doktor ASRianerin vom Forschungszentrum für Gruftologie.

Ist Gothic (d)ein Lebensstil?

Eine pseudowissenschaftliche Untersuchung, erstellt vom Forschungszentrum für Gruftologie

Was ist Gothic?

Diese Frage wird nicht nur von Außenstehenden gestellt, denen es schwer fällt eine Intention hinter dem Ganzen zu erkennen, sondern auch von Anhängern der Szene selbst. Aber eine genaue Antwort darauf gibt es nicht. Nichtsdestotrotz versuche ich hier eine Antwort zu geben und zeige euch meine ganz persönliche Ansicht auf.

Als erstes muss ich sagen, gefallen mir die Wörter „Lebensgefühl“, „Lebenseinstellung“ und „Lebensstil“ überhaupt nicht. Darum würde ich über all das „Leben“ weglassen.

Für mich ist es einfach zu weit führend. Auch wenn ich zu denen gehöre, die das Gruftiedasein (laut Aussage einiger anderer) relativ extrem auslebt, so würde ich es niemals gänzlich mit einem umfassenden „Lebensgefühl“ oder Ähnlichem in Verbindung bringen. Für mich persönlich klingt das leicht fanatisch, denn auch wenn man sich in dieser Subkultur wohlfühlt und sich auslebt, so bestimmt sie nicht das ganze Leben. Und das ist auch gut so. Denn es gibt Dinge außerhalb der Subkultur, die Einstellung, Stil und Gefühl beeinflussen. Nur überwiegt (manchmal?) der Einfluss der Subkultur.

Also bleiben nur noch die Worte „Stil“, „Gefühl“ und „Einstellung“ übrig.

Stil ist etwas, was wir nicht nur in Form unserer Kleidung tragen. Es gibt natürlich auch einen bestimmten Musikstil, der essentiell ist. Immerhin hat die Musik alles voran getrieben und sie ist auch heute noch einer der wichtigsten Bestandteile des Ganzen.

Auch Gefühl spielt eine Rolle. Und hier zeigt sich auch, warum das Wort „Lebensgefühl“ für mich zu weit führen würde: Es gibt ja noch andere Dinge, die mit der Subkultur nichts zu tun haben, die Gefühle in mir wecken und „die sich auf den Körper, die Psyche und das Verhalten (…) auswirken“ 1. Ich kann allerdings eben so wenig abstreiten, dass beispielsweise die Musik ein positives Gefühl in mir weckt, selbst wenn sie traurig sein sollte. Um es mal mit etwas Kitsch zu würzen: Ein Gefühl des „Angekommen-Seins“.

Ebenso bin ich der Meinung, dass auch Einstellungen zu dem Ganzen gehören. Und zwar aus einem einfachen Grund: Weil wir immer in einem bestimmten Umfeld bestimmte Einstellungen entwickeln. Die (sozialen) Einstellungen sind „erworbene, relativ beständige Bereitschaften auf bestimmte Objekte kognitiv, gefühlsmäßig und verhaltensorientiert zu reagieren.“ 2 Die Erworbenheit dieser Einstellungen lassen sich bspw. Mit der Theorie des Modelllernens nach Bandura erklären. Aber das würde jetzt zu weit führen, darum hier nur ein kleiner Link zur Orientierung.

All‘ diese Dinge beeinflussen sich gegenseitig

Das ASRi’sche Subkulutrdreieck der wechselseitigen Beeinflussung © Forschungszentrum für Gruftologie

Wenn ich z.B. einen bestimmten Song, einer bestimmten Band höre,dann entsteht darauf hin ein bestimmtes Gefühl (z.B. Wut) welches dann eine bestimmte Einstellung gegenüber einem Objekt zur Ursache hat.

Wenn ich eine bestimmte Einstellung habe (ich lehne z.B. eine bunte Spaßgesellschaft ab), dann hat das Einfluss auf meinen Stil (ich versuche mich durch schwarze Kleidung abzulenken) und das wiederum hat Einfluss auf mein Gefühl (zum Beispiel ein positives, da man sich den Schritt der bewussten Abkehr „gewagt“ hat). Wenn ich ein bestimmtes Gefühl in mir trage (zum Beispiel Melancholie), dann hat auch das Auswirkungen auf meinen Stil (Klischee olé, man schreibt bspw. Ein Gedicht darüber) und das hat dann auch wieder Einfluss auf meine Einstellung gegenüber einem Objekt (hier könnte es zum Beispiel sein, dass ich dadurch erkannt habe, Melancholie anzunehmen, statt sie wegzuschieben).

Das könnte man nun ewig so fortführen. Das ist aber nur ein Teil des ASRi’schen Subkulturendreiecks.

Es kommen auch noch Einflüsse aus dem Individuum selbst hinzu. Wichtig ist hier die subjektive Wahrnehmung (die natürlich auch wieder von äußeren Dingen beeinflusst wird.)

Wenn man eine ablehnende Haltung gegenüber der Gesellschaft hat, dann fühlt man sich nicht in ihr wohl. Aber das ist subjektiv. Denn es gibt Menschen, die kein Probleme damit haben. Genauso ist der Musikgeschmack und der Kleidungsgeschmack rein subjektiv. Und Emotionen ja sowieso.

Diese Dinge werden durch die Musik, die Möglichkeit sich auszuleben und natürlich durch die Szene selbst, also ihrer Mitglieder, beeinflusst oder unterstützt. Von daher gibt es für mich nicht die Frage, ob es ein Lebensstil ist oder nicht. Für mich ist eher die Frage: In welchem Rahmen liegen Stil, Einstellung und Emotion?

Denn dieses Dreieck könnte man ja mit den obigen, schwammigen Erklärungen sicher nicht nur auf Gothic beziehen. Es muss also für jede Subkultur spezifische Dinge in diesen Bereichen geben, die sie ausmachen. Und genau das ist der Knackpunkt. Gefühle sind schwer zu beschreiben, also sind sie eher mäßig geeignet (ich persönlich finde nur, dass es wichtig ist, dass man dieses Gefühl des „Angekommen-Seins“ spürt).

Ich denke aber, dass Stil und Einstellung Dinge beinhalten, mit denen es möglich ist die verschiedenen Kulturen zu unterscheiden, einen Rahmen zu bilden. Bei „Stil“ könnte man sicher viele Dinge zusammentragen, bei denen wir uns einig sind, dass diese Dinge „typisch Goth“ sind. Bei Eintellungen wird es da schwieriger. Ich konnte was das betrifft z.B. entdecken, dass für die Menschen dieser Subkultur Prestige, die man mit überteuerten Gegenständen ausdrückt, völlig ohne Belang ist. Hier ist natürlich meine subjektive Wahrnehmung der „normalen“ Gesellschaft wichtig: Da hatte ich immer den Eindruck, dass es dort sehr wichtig ist ein teures Handy oder Auto zu haben und natürlich auch damit anzugeben. Das ist mir in der Subkultur nie untergekommen. Selbst wenn die Klamotten u.U. teuer sein mögen, so habe ich es noch nie erlebt, dass jemand dadurch im Ansehen gestiegen ist, wenn er sie angezogen hat.

Aber wie gesagt, bei den Einstellungen ist es schwierig zu sagen: “Das ist goth!“ da man hier doch die Einflüsse aus anderen Bereichen spürt.

Mit diesem Rahmen, der beschreibt, welche Einstellung und welcher Stil „goth“ ist, geht es mir auch nicht darum Dogmen zu definieren, an die sich jeder zu halten hat, wenn er mitspielen will. Aber ich denke doch, dass man in der Szene am liebsten unter Seinesgleichen ist. Das bedeutet ja auch nicht, dass alle 1:1 das selbe Denken und mögen müssen, aber dass sie sozusagen eine gleiche Basis haben. Denn ich denke das ist etwas, was uns verbindet aber uns dennoch die Möglichkeit lässt uns zu unterscheiden.

Einzelnachweise

  1. Quelle: Aus meinem heißgeliebten Psychologieordner der FOS[]
  2. Ref:1[]
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tobikult
tobikult(@tobikult)
Vor 12 Jahre

Endlich!
Der Durchbruch in dieser Debatte!
Das „Subkulturdreieck“!
Grandios!
Jetzt können wir endlich wieder feiern gehen und müssen uns nicht mehr die Köpfe zerbrechen!
Danke!

ASRianerin
ASRianerin (@guest_16377)
Vor 12 Jahre

Hihi, Danke, gut zu wissen, dass diese Innovation uns alle retten wird. Aber ich befürchte, dass das Dreieck jegliche Magie sofort tötet :D

stoffel
stoffel(@stoffel)
Vor 12 Jahre

Gerade Dein letzter Absatz bringt es auf den Punkt (ich wünschte ich könnte so schreiben, was natürlich auch Deinen gesamten Artikel betrifft) und Dein „Subkulturdreieck“ finde ich schlichtweg genial!

Melle Noire
Melle Noire (@guest_16385)
Vor 12 Jahre

Interessant geschrieben! :)

Dunkle Grüße!
Melle

Robert
Robert(@robert-forst)
Admin
Vor 12 Jahre

Diesmal hat sich das Forschungszentrum für Gruftologie selbst übertroffen. Wirklich sehr gelungen. Ich erinnere mich daran, als Du (ASRianerin) mir zum ersten mal „begegnet“ bist. Auf der Suche, mit so vielen offenen Fragen. Mittlerweile hast du Dich erstaunlich entwickelt und die Antworten selbst für Dich herausgefunden, das ist sehr wichtig. Auch wenn das jetzt altklug klingt.

Scooterfan
Scooterfan (@guest_16486)
Vor 12 Jahre

Ja alder… Voll der krasse comment. Ich bin kein Raver mehr, also mach nicht mehr so auf krass bumm bumm. Aber der Artikel ist echt geile Scheiße.

Wie werde ich Gothic. Hab schon schwarze Schminke und Antennen am Kopf. Die Cybers haben es mir angetan.

RESPEKT

Guldhan
Guldhan(@guldhan)
Vor 12 Jahre

Scooterfan…

Aus Achtung vor dem Willen zur sachlichen Neutralität innerhalb jener Plattform -sowie gegenüber dieses Artikels- sage ich nur eines: Kein Kommentar.

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