Ich habe ja immer noch Urlaub und genieße davon jede Sekunde, auch wenn ich nur zu Hause bin. So habe ich mir am Donnerstagabend wieder einen Zappelausklang im Duisburger Pulp gegönnt. Ich hatte mir auch fest vorgenommen mich nicht über zu wenig Kleidung auf nackter Haut aufzuregen, denn in London läuft man genauso rum, langsam muss ich mich damit wohl abfinden. War früher schwarz als Ablehnung gegen die bunte Welt der 80er gemeint ist es heute eben Fashion. Der Blick über den Tellerrand erweitert eben doch den Horizont oder macht zumindestens zwangsweise tolerant.
Im Pulp gibt es wie bereits erwähnt, zwei beschallte Tanzflächen, zwischen denen ich immer wechsle, um den Klängen, die dort auf mich treffen, zu lauschen. Im Slimelight, einer der ältesten Londoner Gruftietheken, war ich von der guten Musikauswahl beeindruckt, die eine anständige Mischung aus alten Goth-Klassikern und Wave-Hits in Verbindung mit aktuellen Sachen liefert, bei der man auch vor Deutschen Bands (Deine Lakeien, Das Ich, ASP oder auch Rammstein) nicht fies ist. Hat mir sehr gut gefallen auch mal was neues unbekanntes einzustreuen.
Auf den oberen Etagen lief aber derselbe und extrem Technolastige Mist, den ich auch schon von der Pulper Tanzfläche gewohnt bin. Nur sogar noch etwas härter, schneller und ganz ohne Text. Vielleicht ist das auch ganz gut so, denn wenn schon so ein Song mit Text daherkommt, ist das meist ein hirnloser, oberflächlicher Brei um auch den letzten Anspruch der Musik als Transportmedium für Meinungen zu zerstören. Neuester Streich im Pulp ist das Stück Raven gegen Deutschland von Egotronic.
Wer wird denn rumstehen, wir woll’n euch tanzen sehen, die Arme in die Höhe und die Hüfte kreisen […] Wir haben euch was mitgebracht Bass, Bass, Bass! […] Raven gegen Deutschland!
Leute (und hiermit sind auch die Plattenaufleger gemeint), ihr könnt dem tanzenden Jungvolk doch nicht so eine Bullshit in die Ohren blasen, das könnt ihr wegen mir auf einer Flatrate Party spielen, wo die meisten anwesenden sowieso nichts mehr mitbekommen. Und dann wundern sich wieder alle wegen den Kontroversen und versuchen eine Aussage zu finden, wo offenbar keine ist. Musik auf Holt-mich-hier-raus-ich-bin-ein-Star Niveau. Und jetzt kommt mir keine an mit „Du verstehst denn Sinn nicht…“, oder „Das hast du falsch verstanden…“. Sowas kann man gerne auf Rave Parties und in Normalobunkern spielen, denn sowas, liebe Leserinnen und Leser, sowas zersetzt die schwarze Szene wirklich, jedenfalls für mich.
So, jetzt geht’s mir besser. Wesentlich besser. Schreiben als Form des inneren Gleichgewichts, tolle Sache. Sollte ich vielleicht öfter machen, mich auch mal aufregen und etwas deutlicher schreiben.
Grausam, Grausamer, am Grausamsten!
Ich rate ja noch immer dazu diverse Szenen als „kaputt“ abzuhaken und sich zu sagen: Ich mach was ich will, sag was ich denke und wenns n bisschen „gothic“ ist, dann kann ich immernoch leugnen oder behaupten ein Emo zu sein…
Ballermann yeah, ich hol schon mal den Sangria…oder besser mein imaginäres Gewehr. Mann, das ist wirklich Deichkind für Arme…
Vielen Dank für eure zustimmenden Worte, ich fürchtete erst, ich bin zu hart ins Gericht gegangen, aber offenbar teilt ihr ja meine Ansicht.
@Tears: Ja vielleicht kann man das kaputt nennen, aus nostalgischen Gesichtspunkten finde ich aber Kollaps besser mit der Hoffnung das sich was neues entwickelt.
Ich dachte der Phönix wäre nur eine mythologische Gestalt :P
Komm, gründen wir eine eigene Subkultur ;)
Ja bitte! Die Mythologie liegt uns ja vom Wesen sowieso näher, den Wahrheitsgehalt der Bild! ist so etwas aus dem Reich der Mythologie. Das müssen wir aber geheim halten, sonst findet man dann unseren ganz speziellen Style in 2 Monaten bei Pimkie oder H&M.:D
Ich hab schon ein paar Jahre die Vorstellung einen Trend in die Welt zu setzen, den ich selbst einfach nur als hässlich, lächerlich und dumm bezeichnen würde. Dann abwarten, wer da alles einsteigt und mich am Ende schlapplachen. Naja, doch dann kamen Emo, Cyber Gothic und Visual Kei und meine Idee war ausgelutscht. >:)
Hyper! Hyper!
Da fällt einem ja alles aus dem Gesicht…
Die mir so abgrundtief verhasste „Fick mich“-Front aus Agonoize, Steinkind und ähnlichen akkustischen Vergewaltigungen versucht ja wenigstens noch irgendwo eine eigenartige Form von Düsternis in ihre „Werke“ zu packen (die natürlich nicht von Introspektion, Emotion, menschlichen Abgründen etc. lebt, sondern rein von Aggression und Fäkalsprache).
Aber dieses Machwerk ist einfach nur bei den Mallorca- oder Après-Ski-Hits einzusortieren.
Dinge wie „Koprolalie“ muss man heute ja leider irgendwie in der SCHWARZEN SZENE akzeptieren (da sie eben schon lange nicht mehr nur aus GOTHIC-Spielarten besteht), aber bei „Raven gegen Deutschland“ ist nun wirklich auch noch die allerletzte Grenze überschritten.
Mein Wort zu Sonntag.
Ich gehe brechen.
@Tears: Du hast eben zu lange gezögert :) Wird Zeit einen neuen Trend zu setzen. Dazu musst du nur allem und jedem noch eine Geschmacklosere Krone aufsetzen und fertig ist der neueste Trend.
@von Karnstein: Ja so ist es, traurig aber war. Die neue Inhaltslosigkeit in der Musik finde ich immer wieder erschreckend. Gegen eine Vielfalt der Szenen habe ich nichts, solange man nicht immer gegen Pauschalisierungen ankämpfen muss, das ist mittlerweile sehr lästig. Leider werden auch die musikalischen Räume, die ich gerne zur Entspannung aufsuche immer verseuchter :) Ich glaube wenn ich entsprechende Möglichkeiten hätte, würde ich als Veranstalter in Erscheinung treten.
Bin hier jetzt grad eher zufällig hier gelandet, aber ich bin froh, dass es in Duisburg anscheinend doch noch noch ein paar Individuen der intelligenteren Art zu geben scheint. Bei dem Mist, den die in letzter Zeit im Pulp so verzapfen, habe ich schon lange keine Lust mehr, mich dorthin zu bewegen. Ich war allerdings kurz davor – und es ist schon ca ein Jahr her – mir das Treiben mal wieder anzuschauen, aber der „Rave“ treibt mich dann jetzt doch wohl eher zum Klo…
würg!!
Anstatt wieder auf zahlungskräftigeres Nacht-Publikum zu setzen, scheint das Pulp wohl dann doch eher an hirnlosen Harz4-Ravern interessiert zu sein… Der Song jedenfalls klingt nach solch einem Lockruf!*kopfschüttel*
Und ich war echt mal Pulp-Fan. Was ist bloss aus diesem Laden geworden?
@PulpComment: Ich weiß gar nicht genau an wem es liegt, aber die DJ’s sind auch nicht mehr das was sie mal waren. Ich gehe eigentlich regelmäßig ins Pulp (vor allem in die Mitte) und stelle leider öfter fest, das immer die gleichen Songs gespielt werden. Ich meine gerade in der Gothic- oder Wave Musik gibt es soviele tanzbare Songs. Vor ein paar Jahren bin ich noch zum DJ gelaufen und habe gefragt wie der aktuelle Song heißt, das ist mir schon lange nicht mehr passiert. Leider ist das Pulp kein Einzelfall, vom Hören-Sagen ist das auch von vielen anderen Lokalitäten im Ruhrgebiet berichtet worden.
…Raven gegen Deutschland. Andersherum wäre es mir lieber.
Ich glaube, wenn ich derartiges in einem Club hören würde, würde ich ohne weitere Gefühlsregungen und anstandslos zum Auto gehen. Das ist es nicht einmal wert, auf dem Weg nach draußen wütend kommentiert zu werden. Bei so etwas wäre ich dafür, in Clubs eine Geldzurückgarantie einzuführen.
Aber dennoch bleibe ich bei meiner Meinung: Würde es dem Pulk im Club nicht kollektiv gefallen, sondern bitter aufstoßen, so würde es nicht gespielt werden. Somit sollte man nicht nur den Betreiben fragen, ob er nicht vielleicht irgendwas in Sachen Musik falsch verstanden hat.
Ich stimme Dir zu, blöd nur, das die Kollektive Masse ihrem Protest nicht Luft macht und die Tanzfläche mit Leere bestraft. Es gibt immer wieder viel zu viele Tanzwillige. Meine Wünsche nach mehr Tiefe bleiben ungespielt oder werden nicht beachtet. Gklücklicherweise bieten sich in Mehrflächendiscotheken multiple Möglichkeiten zu tanzen.
Gruselmucke vom Feinsten – im negativen Sinne!
Tears: „Ich hab schon ein paar Jahre die Vorstellung einen Trend in die Welt zu setzen, den ich selbst einfach nur als hässlich, lächerlich und dumm bezeichnen würde. Dann abwarten, wer da alles einsteigt und mich am Ende schlapplachen.“
Du wirst lachen, eine Freundin und ich hatten so um 1993/94 herum mal den Rappel, ein Zeichen gegen die immer einfallsloser werdenden Stylings in den Berliner Clubs zu setzen. Wir stellten uns vor, wie es wäre, sich für eine Party frisur- und schminkteschnisch total gruftig aufzubrezeln – und dann aber ganz in gelb zu erscheinen um zu gucken, ob wir damit „Nachahmer“ hervorrufen würden. Es blieb dann nur bei der belustigenden Vorstellung, wir trauten uns das dann doch nicht ;-)