Mit Stumpffer Feder geschrieben, so präsentiert sich Silvia 1982 mit ihrem auf Schallmauer erschienen Longplayer „Silvia“, denn für diese NDW Perle zeigt sich in erster Linie Tommi Stumpff verantwortlich, der bei der KFC den frühen Punk der Düsseldorfer Szene mit gestaltete. 2003 wurde Silvias „Silvia“ dann erneut veröffentlicht und zeigt sich aktueller denn je, denn jenseits vom alten Staub der Neuen deutschen Welle eröffnet sich dem Hörer eine Elektroperle, die neben wirklich eingängigen Klängen auch auf der Textseite etwas zu bieten hat. Obgleich man den Stil mit einer DAF Kopie vergleichen könnte, so legt die eingehende und kühle Art zusammen mit der minimalistische klanglichen Untermalung deutliche Wave-Anleihen offen. Leider ist viel zu wenig von Silvia selbst bekannt als das ich ausschweifend darüber schreiben könnte. Deshalb lassen wir sie und ihre Musik für sich sprechen.
Anne Clark – Our Darkness
Angesichts der bevorstehenden Konzerterfahrung werde ich einen zeitgemäßen Klassiker oben genannter Künstlerin auspacken. Habe morgen die Ehre einem Anne Clark Clubkonzert beizuwohnen – und ja, ich bin aufgeregt. „Weltschmerz“ ist einmal die Definition eines Musik-Magazin gewesen, das versucht hat mit Clark’s Schwermut und den poetischen Songtexten umzugehen, doch dabei hätte sie einfach nur zuhören sollen. Am 16. Februar 1981 tritt die damals 21-jährige erstmals im Vorprogramm von Depeche Mode auf, die im gleichen Stil mit „Dreaming of me“ in den Charts landen sollten. Noch bevor Sie zusammen mit John Foxx 1985 das Album „Pressure Points“ heraus bringt, hinterlässt sie mit dem auf ein Jahr zuvor erschienenen „Joined Up Writing“ auf dem auch das Stück „Our Darkness“ ist, einen ganz besonderen Eindruck 1. Musik, zu der man nicht unbedingt tanzt, sondern bei der man einfach auf der Tanzfläche steht und die Musik so richtig in sich reinkriechen lässt.
Helium Vola – Selig
Schluss mit Berechenbarkeit! Denn mit einem Ausflug in diese Gefilde hatte sicherlich keiner gerechnet, obwohl dem regelmäßige Verfolger solche Sprünge geläufig sein dürften. Und obwohl dieses Stück poppig-leicht bis düster-romantisch in die Ohren schwingt ist es ebenso bei Gruftis und Schwarzromantikern gleichermaßen beliebt. Ernst Horn, der sich auch musikalisch bei den Lakaien austobt hat in seinem Nebenprojekt Helium Vola (Helium Flieg!) zusammen mit Sabine Lutzenberger klassisch mittelalterliche Themen in eben so alter Lyrik in mittelhochdeutscher und provenzalischer Sprache aufgenommen und dazu tanzbare elektronische Klänge unterlegt. Hier zum „Reifrock-über-den-Boden-wischen“ das Stück Selig von der 2001 erschienenen Debüt-Scheibe „Helium Vola“. Und ich weiß jetzt schon: Das Stück wird spalten. Goth or not?
Und als Schmankerl der Refrain in neuzeitlichem Deutsch:
Selig, selig sei die Wonne,
selig sei die wonnenbringende Maien-Zeit
selig sei der Vögel singen,
selig sei die Aue, selig sei der Wald,
man sieht Blumen manigfaltig
durch das grüne Gras hoch dringen
mehr denn ich erdenken könnte,
tanzen, springen, sollen die Jungen im Widerstreit.
Einzelnachweise
- Anmerkung: Zunächst habe ich behauptet, „Our Darkness wäre erst auf „Pressure Points“ erschienen, das stimmt natürlich nicht. Schon 1984 erscheint es auf dem Vorgängeralbum und wird zusammen mit „Sleeper in Metropolis“ auch auf einer 7″ Vinyl veröffentlicht – wie Marcus entsprechend kommentierte[↩]
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.
Jetzt musste ich doch glatt einmal in meiner Vinylsammlung kramen und die Single „Our Darkness/Sleeper in Metropolis“ hervorholen. „Our Darkness“ befand sich demnach auf „Joined Up Writing“ und nicht auf dem Album „Pressure Points“. Oder gibt es von „Pressure Points“ eine Nachpressung, welche „Our Darkness“ enthält? Dann bitte ich, meinen Kommentar einfach zu ignorieren.
Ich ignoriere Deinen Kommentar nicht, weil du völlig recht hast. Natürlich ist „Our Darkness“ 1984 auf „Joined Up Writing“ erschienen. Ein unverzeihlicher Fehler, den ich entsprechend korrigiert habe. Danke!
Hihi, beim Stichwort D.A.F. sehe ich mich immer noch auf „Mussolini“ Pogo tanzen (Ist der Song eigentlich skandalfrei über die Bühne gegangen?). Nenne auch noch heute das Vinyl „Gold oder Liebe“ gleichnamiger Band mein Eigen. Großartig.
Ist „Silvia“ und „Silvi und die Awacs“ ein und diesselbe Person? Habe jetzt aber leider keine Zeit mehr, zu eruieren…
Eine ausgezeichnete Auswahl heute hier. „Our Darkness“ ist einer meiner Lieblingssongs von Anne Clark – zusammen mit „Homecoming“. Allerdings mag ich ihre Konzerte gar nicht, ich hab mich da schon 2x sehr gelangweilt. Aber naja, ist halt eine Ikone.
Von Silvia kenne ich nur „Zuerst Ich“ – auch ein geniales Stück. Die Aufnahmen mit ihr waren eher ein Zufallsprojekt. Tommi Stumpf hatten ein Studio gebucht, waren mit den Aufnahmen aber einen Tag früher als geplant fertig. Da haben sie den Tag noch genutzt und zu Silvia, die bei Schallmauer Studio arbeitete und eine gute Freundin von Tommi Stumpf war gesagt, dass sie jetzt singen müsse. Das alles weiß ich vom Betreiber des Labels No Emb Blanc, der viele in der Szene (auch von früher noch) persönlich gut kennt. Also wird es stimmen, ist aber nicht auf „meinem Mist gewachsen“.
Helium Vola ist auch eine außergewöhnliche Band und ich schätze sie sehr in den eher ruhigen Momenten.
@Madame Mel: Natürlich nicht. „Mussolini“ hat es aber nie zu einer Popularität gebracht, die einen Boykott zur Folge gehabt hätte. Das Stück ist in vielerlei Hinsicht provokativ. Es führt die Thematik ad absurdum und ist unheimlich vielschichtig. „Tanz den Adolf Hitler“, da gibt es doch immer wieder Menschen die ihre Hand im gepoge zum Gruß erheben, dabei stellt man sich die Frage, ist das überhaupt ein Stück zum tanzen? Tanzen wir gegen eine Vergangenheit für die wir nichts können?
BTW: Silvia und Silvi und die Awacs haben nach aktuellen Erkenntnissen nichts miteinander zu tun. Ich bleibe aber dran.
@shan_dark: Ja die Konzerte sind nicht unbedingt ihre Stärke, sie ist ja auch eher Publikumsscheu und steht nicht gern im Rampenlicht. Für mich aber eine ideale Möglichkeit die Songs nocheinmal „wirken“ zu lassen. „Silvia“ ist ein (noch) ein Rätsel für sich, ich bin noch dabei zu recherchieren, aber wie es aussieht ist die Sängerin von einst verstorben.
@Robert
Hierzu möchte ich jedoch noch kurz anmerken, dass diese erwähnten Hohlbirnen den sarkastischen Hintergrund des Songs nicht verstanden haben und ihn völlig anders auslegen. M.E. stehen diese Namen als Synoyme für „Kommunismus, Diktatur und Religion“. Sehr brisante und provokante Themen, die leider immer wieder zu Kriege geführt haben – und noch werden. Und das Tanzen darauf interpretiere ich persönlich als „Es geht weiter, wir lassen uns nicht unterkriegen, trotz allem…“. Es sei noch angemerkt, dass ich den Titel schon mindestens seit 2 Jahrzehnten nicht mehr gehört habe und auch gar nicht weiß, ob der überhaupt noch irgendwo gespielt wird…Tja, manchmal stößt man halt durch ein Stichwort wieder auf irgendeinen Gedankenfetzen ;-)
Und: Anne Clark, Queen of Synthi – der Name alleine steht schon für sich.
Bin schon gespannt, was bei deiner Recherche über „Silvia“ herauskommt.
Soweit ich informiert bin, gab es damals einige Radiosender, die „Der Mussolini“ auf ihren internen Index gesetzt haben. Ich habe das Stück immer als Kritik an den Menschen empfunden, die blindlings und gedankenlos bestimmten „Ideologien“ folgen. In den letzten Jahren habe ich den Song außerhalb der eigenen vier Wände nur bei DAF-Konzerten und bei der When-We-Where-Young-Party beim WGT gehört. Ansonsten ist er wohl aus den Playlists der meisten DJs verschwunden.
@Madame Mel: Ich finde allein schon die Diskussionen um den Song und dessen Bedeutung sehr spannend, „Wir wollten hald provozieren“, wie DAF mal in einem Interview äußersten, scheint wohl die gelungenste Einschätzung zu sein, denn der Song ist ja in seiner Aussage eben sehr gegensätzlich. Ich finde Marcus Beschreibung sehr treffend und dennoch bleibt dann die Frage, ist der Song dann nicht eine Ideologie wenn man dazu tanzt? Ich gebe zu: Auch mit hält es nicht bei Stück am Tanzflächenrand. Leider tue ich das nicht aus „Es geht weiter, wir lassen uns nicht unterkriegen, trotz allem…“, sondern weil ich ein Stück weit Teil dieser Provokation werden möchte. Und irgendwie ist das doch auch gruftig, Randthemen zu thematisieren, oder?
@Marcus: Wie schon bei Madame Mel kommentiert, teile ich Deine Einschätzung. Kurioserweise hörte ich den Song auf einer „schwarzen Party“ die sonst durch belanglose Musik herausstach und eher auf die Tanzbarkeit des Songs ausgelegt war. Ich war bei einem DAF Konzert, das ich an dieser Stelle nochmal jedem ans Herz legen möchte, der auch heute noch etwas vom Geist von früher spüren will :)
Interessant ist ja auch die Betrachtung von Myk Jung im Buch „Schillerndes Dunkel“. Er sieht „Der Mussolini“ als „ein Spottlied über die tumbe Bereitschaft der mitgröhlenden Masse“. Und weiter: „Die Leute auf der Tanzfläche – die diesen Song hätten gut finden müssen, aber mitnichten auf ihn hätten tanzen dürfen – tanzten damals und tanzen noch heute, sie machten und machen also das ihnen diabolisch zugedachte Opfer-Spielchen bereitwillig mit!“ Vielleicht hat er ja sogar recht damit, dass sich Sänger und Texter Gabi Delgado „seit nun fast 30 Jahren darüber abrollt, klammheimlich ins Fäustchen lacht und sich wundert, wie blöde die Musikkonsumenten sind“. Gut nur, dass ich den Song ein wenig anders interpretiere, anderenfalls hätte ich durch einen gewissen Bewegungsdrang wohl zur guten Laune Gabi Delgados beigetragen. Nun ja, es gibt sicherlich Schlimmeres, als einem Musiker ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern ;-)
@Robert: Ich finde DAF-Konzerte ebenfalls empfehlenswert. Im März 2011 bietet sich auch wieder die Möglichkeit, DAF live zu erleben (in Berlin, Ludwigsburg und Hannover).
@Marcus: Stimmt, die habe ich auch gelesen und irgendwie fühle ich mich davon auch beeinflusst. Ich denke das sich DAF überhaupt nicht so einer tiefgreifende Gedankenstruktur hingegeben haben, der Song enstand meiner Meinung nach aus dem Bedürfnis der Provokation, nicht unbedingt um eine Auseinandersetzung damit zu erzeugen. Und sicherlich freut sich Delgado nun darüber das Songs wie dieser so polarisieren und welche Auswüchse das annehmen kann. Und ja, ich bin mir sicher er belächelt auch Myk Jung für seine Ansicht :)