Von der Reichsmark zur Eintrittskarte – WGT 2014

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Am 11. November 1918 schwiegen die Waffen, der erste Weltkrieg wurde beendet. Zurück blieben 17 Millionen Tote und Zerstörung. Das deutsche Kaiserreich endet im Chaos, die Monarchie hatte sich mit der vorauszusehenden Niederlage endgültig erledigt – das Volk ist enttäuscht, verbittert und hoffnungslos. 1919 entlässt die Nationalversammlung in Weimar die Deutschen in eine parlamentarische Demokratie. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist die deutsche Mark nur noch die Hälfte wert. Um die Staatsschulden, die der Krieg in Form von Reparationszahlungen hinterlassen hatte in den Griff zu bekommen, erhöhte man die im Umlauf befindlich Geldmenge drastisch. Der Beginn der Hyperinflation, denn mangelnde Versorgung mit Sachgütern verschärften das Problem. Im Oktober 1921 war die Mark nur noch ein Hundertstel, im Oktober 1922 nur noch ein Tausendstel wert.

In Wäschekörben trugen die Bürger ihre wertlosen Geldscheine in die Läden. 105 Milliarden Papiermark kostete ein Brot, ein Ticket für die Straßenbahn für schlappe 150 Milliarden – es war sogar billiger, sich die Wände mit den gedruckten Scheinen zu tapezieren, als die eigentliche Tapete dafür zu kaufen.  1924 dann die erlösende Währungsreform zur Reichsmark, die als „Wunder der Rentenmark“ in die Geschichte eingehen sollte.

Foto meiner Eintrittkarte für das 23. Wave-Gotik-Treffen.
Foto meiner Eintrittskarte für das 23. Wave-Gotik-Treffen.

90 Jahre später erinnert das Design der Eintrittskarte des Wave-Gotik-Treffens an den 20-Reichsmark-Schein, der im August 1924 vom der deutschen Reichsbank herausgegeben wurde. Die gute Elsbeth Binsenstock, porträtierte Ehefrau des Maler Hans Holbein, wurde gegen das typische WGT-Logo ersetzt, Typografie und Form entsprechen dem Original, die „20“ wurde logischerweise durch die „23“ ersetzt. Anstatt der Mitglieder des Reichsbankdirektoriums weisen jetzt die drei Namen Hans Römergott, Mick Muehsal und Hagen U.H. Serpentin die vermeintliche Urheber dieser Eintrittskarte aus. Ob es sich dabei um Anagramme handelt, die die eigentlichen Namen der Veranstalter Thomas Görnert, Sven Borges und Michael Schorler verbergen, vermag ich nicht festzustellen. Anspielung auf den Römergott „Sol Invictus“ oder die gleichnamige Band von Tony Wakeford sind ebenso an den Haaren herbeigezogen wie der Schlangenstein „Serpentin“ aus der germanischen Mythologie – welch ein Muehsal den Verschwörungstheorien auf den Grund zu gehen!

Erstaunlich ist jedoch, dass die Eintrittskarte frei von klischeehaften Anspielungen auf das dritte Reich ist. Stattdessen widmet man sich im weitesten Sinne der Inflation, oder – frei interpretiert – der Macht des Geldes. Vorbei sind die Zeiten von schwarzen Sonnen und Riefenstahl-Anleihen. Ja, diesmal ist die Eintrittskarte sogar frei von sämtlichen Bezügen zur aufgedruckten „Wave-Gotik“-Szene. Oder vielleicht doch nicht?

Auch die regelmäßige Verbreitung der Wortfetzen mit dem Treffen-Weltboten gibt wenig Anlass zu wilden Spekulationen: „Mit dem Fortschreiten der Inflation war bei den Banken das reguläre Kreditgeschäft immer stärker in den Hintergrund gedrängt worden. An seine Stelle war weitgehend das Effekten- und Spekulationsgeschäft getreten. Die allgemeine Flucht in die Sachwerte ließ weite Kreise aus Depositeneinlegern Effektenbesitzer werden.

Dr. Friedrich Mueller - Direktor der Reichsbank
„Stabilisierung und Sicherung der Währung“ von Dr. Friedrich Müller 1933

Dabei handelt es sich um Auszüge aus einem Text „Stabilisierung und Sicherung der Währung“ von Dr. Friedrich Müller aus dem Jahr 1933 der sich mit der Frage beschäftigt, wie es überhaupt soweit kommen konnte. Vermutlich ist den Designer der Eintrittskarte in diesem Jahr wieder wichtig, der „allgemeinen Flucht in Sachwerte“ eine subtile Forderung nach mehr Transzendenz entgegenzusetzen. „Oculus non vidit, nec auris audivit!“ (Was das Auge nicht gesehen, noch das Ohr gehört hat) – Dieses Zitat macht übrigens aus einem Realschüler mit Internetzugang einen Latein-Profilierer. Zurück zum Thema.

Keine Bezüge zur Szene?

Wir bleiben bei Theorien. Die Szene ist kommerziell geworden. „Sachwerte“ bestimmen den Grad der Szenezugehörigkeit, seine „Trueness“ kann man sich spielend im Internet zusammenkaufen. Das Geld jedoch ein wackliges Konstrukt aus fiktivem Besitz sein kann, beweisen Finanzkrise, Börsencrashs und nicht zuletzt die Hyperinflation aus dem Jahre 1923. Wenn man so möchte, ein subtile Provokation der Besucher des WGT und interessanter Kontrast zu jährlich wachsenden Anzahl ausstellender Händler in den AGRA-Messehallen.

Dabei ist das WGT überhaupt nicht kommerziell. Der Eintrittspreis gemessen an den Leistungen ist sehr niedrig und seit Jahren scheint die Treffen & Festspiel Gesellschaft für Mitteldeutschland mbH nicht sehr lukrativ mit dem Wave-Gotik-Treffen umzugehen  – diesen Anschein erwecken jedenfalls die Auszüge aus dem Handelsregister. Dem Veranstalter kann man demnach nicht vorwerfen kommerziell zu sein, bleiben als nur noch die Besucher?

Die Besucher zeigen sich angesichts des Kartendesigns allerdings entspannt, die Diskussion im offiziellen Wave-Gotik-Forum ist frei von wilden Verschwörungstheorien, vielleicht sogar zu frei von Provokation, denn wenn wir wirklich etwas „hintergründiger“ sein wollen und eben nicht nur in schwarzen Klamotten über das Gelände stolzieren wollen, müssen wir handeln. Vielleicht müssen wir aus der Theorie eine Praxis machen. Es muss ja nicht gleich die Abschaffung des Privateigentums sein. Dass Bedarf besteht, zeigt beispielhaft dieser Eintrag in der Diskussion des Forums: „ma, wie primitiv seis ihr………karten sind karten, egal design…….wgt, der rest ist doch egal!!!! wie die karten aussehen ist doch sowas von….pffffffft

One-Way-Ticket nach Shanghai – Interview mit Janina Gantzert

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Nach dem faszinierenden Einblick in die chinesische Subkultur in dem Artikel „Shanghai Gothic“ sind zahlreiche Fragen offen geblieben. Wer sind Janina und Nikita eigentlich und was in aller Welt verschlägt zwei Menschen nach China? Schon beim lesen des umfangreichen und unglaublich interessanten Artikels von Janina musste ich einige Vorurteile und Meinungen über das bevölkerungsreichste Land der Erde überprüfen. China ist ein faszinierendes und gleichzeitig polarisierendes Land voller Gegensätze. Vor allem Shanghai, eine der größten Städte dieses Planeten ist mit seiner „westlichen“ Orientierung besonders interessant. Sie vereint auf überraschende Weise chinesische Traditionen und Regierungsformen mit westlichen und weltoffenen Ansprüchen. Ein idealer Platz um sich zu verwirklichen?
Ein Interview mit Janina Gantzert über die Beweggründe nach China auszuwandern, über ihre persönliche Einstellung zu Gothic und die vermeintlichen Schwierigkeiten als Ausländer in einem kommunistischen Staat. Zusammen mit ihrem Ehemann Nikita brachte sie die Idee von Gothic-Partys nach Shanghai und gründeten die Internetseite „Gothic-Shanghai“, über die sie regelmäßige Picknicks und Disco-Abende organisieren. Eine deutsch-kasachische Liebesgeschichte die zeigt, wie man die Idee von einem alternativen und „schwarzen“ Lebensstil über die ganze Welt verteilt.

Du kommst ursprünglich aus Hessen, dein Ehemann Nikita aus Russland. Würdest du uns etwas über Eure Hintergründe verraten und was euch nach Shanghai verschlagen hat?

De facto kommt mein Mann nicht aus Russland. Er ist zwar Russe, wurde aber in Almaty (damals UdSSR, heute Kazachstan) geboren und ist dort aufgewachsen. Mit 15 Jahren zog er dann zuerst zu dem Partner seiner Mutter nach Deutschland und dann, als feststand dass seine Mutter nicht wie geplant ebenfalls umziehen würde, 8 Monate später zu seinem Vater (der die Familie 13 Jahre zuvor verlassen hatte und ausgewandert war) nach Madrid. Ich habe den Großteil meines Lebens in einem beschaulichen Dorf bei Darmstadt gelebt, bis ich zum Studium in die ebenso beschauliche Kleinstadt Hof in Oberfranken ging.

Janina und Nikita vor der Skyline
2009 lernten sich Janina und Nikita in Madrid kennen und beschlossen 2010, sich ein gemeinsames Leben in Shanghai aufzubauen.

Für mein Studium (Internationales Management) musste ich dann ein Semester Praktikum und ein Semester Studium im Ausland absolvieren. Daher ging ich 2009 zunächst für 6 Monate Praktikum (und mit „Hallo, ich heiße Janina. Ich spreche nicht Spanisch.“ als einzigen Spanischkenntnissen) nach Madrid, weil ich in Frankreich, wohin ich ursprünglich wollte, keine Stelle finden konnte. Dort lernten wir uns dann gleich an meinem zweiten Wochenende im „666 Gothic Club“ kennen. Er hielt eigentlich Ausschau nach einem anderen Mädel, das er eine Woche zuvor kennen gelernt hatte und deren Telefonnummer aus absolut unerfindlichen Gründen in seinem Handy gelöscht war, nachdem sie sogar extra versucht hatten dass es auch mit den Anrufen klappt. Ich hatte in der Woche zuvor eine ganze Gruppe an neuen Leuten kennen gelernt und war mir sicher, dass er dabei gewesen sein musste, da er mir so bekannt vorkam. Also sagte ich „Hallo“ und wir kamen ins Gespräch. Es stellte sich heraus, dass wir uns zuvor nie begegnet waren. Das Schicksal hatte aber offenbar seine Finger mit im Spiel…

Nach nur 4 Monaten musste er dann unerwartet nach Almaty fliegen, weil sein Oma einen Schlaganfall hatte und die Familie seine Unterstützung brauchte. Noch vor seiner Rückkehr nach Madrid musste ich zurück nach Deutschland und dann bereits 3 Wochen später ging mein Flieger zum Studium nach Bali (Indonesien).

Während ich ein Semester in Denpasar studierte, blieben wir per Email und Skype in Kontakt und er eröffnete mir eines Tages, dass er nach dem Ende seines Studiums Spanien verlassen und nach China auswandern würde. Grund dafür war die Wirtschaftskrise in Europa im Allgemeinen und Spanien im Speziellen. In China sah er die beste Chance auf Erfolg, da für ihn von vorn herein feststand, sich selbstständig machen zu wollen. Zudem war er seit seiner Kindheit von der Chinesischen Kultur fasziniert. Shanghai, als eine der westlichsten und modernsten Städte Chinas, schien uns der ideale Ausgangspunkt zu sein.

Ich war zuvor ein wenig ängstlich und insbesondere die Tatsache, dass China von einem kommunistischen Regime regiert wird, machte mir Sorgen. Ich wollte eigentlich in Deutschland bleiben, nach dem Studium einen Job finden und vielleicht nach Frankfurt, Berlin, München oder wo auch immer mich die Arbeit hin verschlagen würde, gehen. Doch die Erfahrungen, die ich in nur wenigen Monaten im Ausland gesammelt hatte, hatten mich bereits verändert. Ich überwand meine „typisch deutsche“ Mentalität und beschloss, dass es zumindest einen Versuch wert sei. Und so beschloss ich noch von Indonesien aus, ihm nach China zu folgen. Aus dem Entschluss wurden in wenigen Monaten und bei verschiedenen Besuchen in Madrid und Hof konkrete Pläne.

Meine Eltern waren nicht unbedingt begeistert von meiner neu entdeckten Risikobereitschaft. Aber ich ließ mich nicht mehr abhalten. Kurz nach seinem Abschluss an der Uni und kurz vor seinem Abflug nach China verlobten wir uns dann 2010. Die Ringe kauften wir übrigens auf dem WGT. :-)

Ich musste noch fast ein Jahr warten, da ich meine Uni bei aller Liebe und allem Tatendrang in jedem Falle abschließen wollte. Das war auch notwendig, da man in China als Ausländer nur dann ein Arbeitsvisum bekommen kann, wenn man mindestens einen Bachelorabschluss vorzuweisen hat. Er ging in der Zwischenzeit bereits nach Shanghai, lebte die ersten Wochen bei einer Freundin auf dem Sofa, fand eine günstige Wohnung, besuchten einen Sprachkurs um ein Studentenvisum zu bekommen und lebte sich ein wenig ein. Ich selbst sah meine künftige Heimat knapp 5 Monate vor dem Umzug zum ersten Mal, bis ich dann am 1. Mai 2011 mit einem One-Way ticket in der Hand, einem 3 Monate gültigen Touristenvisum im Pass und ohne einen Job in Aussicht im Flieger saß. Nach wenigen Wochen hatte ich einen Job gefunden und seitdem haben wir Europa nur noch als Besucher gesehen. Shanghai ist unsere neue Heimat geworden und wir haben es nie bereut.

Was bedeutet „Gothic“ für Dich?

Janina von Marga Tarna
Auf der Suche nach dem, was die Welt im innersten zusammenhält
Bild (c) Marga Tarna

In der Kurzfassung: Das Gefühl, „angekommen“ zu sein und einfach ich selbst sein zu können. An der Langfassung doktore ich nun schon eine gefühlte halbe Ewigkeit herum. Ohne diese frage hätte ich das Interview wohl in der Hälfte der Zeit beantworten könne. Aber es ist halt nicht so einfach, Gothic zu definieren. Ich denke, jeder in der Szene weiß das.

Gothic ist eine Subkultur, zu der unglaublich viel dazu gehört und die erstaunlich facettenreich ist. Ästhetik, Style und Musik sind dabei die augenscheinlichsten Aspekte. Kunst, also Literatur, Malerei, Fotografie, Film und dergleichen, sind schon ein weniger offensichtlich (zumindest bei einer oberflächlichen Betrachtung) aber gehören dennoch dazu. Und die Lebenseinstellung ist sehr subjektiv, wenngleich ich dennoch glaube, dass die meisten Gothics hier viele Gemeinsamkeiten haben. Für mich persönlich würde ich sagen:

Gothic ist düster. Mehr als nur schwarz, und mehr als nur die Farbe ist Gothic nicht „Friede-Freude-Eierkuchen alles eitel Sonnenschein“, sondern geht über ein – eigentlich nur mit viel Selbsttäuschung, Ignoranz oder Naivität aufrecht zu erhaltendes – rein positives Weltbild hinaus und hebt oft das hervor, was andere lieber im Dunkel lassen würde – von Gesellschaftskritik bis zur Tatsache, dass jeder eines Tages sterben wird. Wir zelebrieren den Tod oder das negative nicht explizit, aber es gehört nun einmal zum Leben dazu und wenn man dem auf die eine oder andere Seite etwas positives abgewinnen kann (sei es Galgenhumor oder Ästhetik) – warum nicht?!

Gothic ist ein bisschen kaputt. Nirgendwo sonst habe ich so viele Menschen mit psychischen Problemen – ob behandelt oder unbehandelt – getroffen, wie in der Szene. Das heißt nicht, dass wir alle eine Schraube locker haben – und schon gar nicht die gleiche! Aber ich habe den Eindruck bekommen, dass Menschen, denen in Ihrem Leben Schlimmes widerfahren ist, das sie auf lange Sicht gezeichnet hat, sich in der Szene vermehrt zu Hause fühlen als jene die nie erfahren haben, wie dieses Leben oder diese Welt einem zusetzen kann. Und letztlich ist psychische Gesundheit auch nur eine Frage der Sichtweise.

Gothic ist individuell. Die Individualität als hoher Wert der Szene wird, wie auch sonst so vieles, immer wieder in Frage gestellt. Aber: Allen Unkenrufen zum trotz tragen wir keine schwarze Uniform (das wäre ja dann auch wieder zu rechts…), hören nicht alle den selben akustischen Einheitsbrei (dazu gibt es in der Szene zu viele Musikrichtungen, Sub-Gernes und kleine Bands) und wollen das auch eigentlich nicht.

Gothic ist konservativ. Klingt vielleicht ein wenig seltsam. Aber früher war alles besser. Alles ‚Neue‘ macht die Szene kaputt und wenn nicht alles so bleibt wie früher dann ist die Szene dem Ende geweiht. So will Gothic alles konservieren und hängt dem Vergangenen nach – eigentlich ja ein Paradebeispiel für „konservativ“ sein.

Gothic ist tolerant. Ich weiß, über die tolle Toleranz wurde schon so viel diskutiert und gelacht. Aber auch wenn jetzt alle die Augen rollen: Ich bin auch nach über 11 Jahren noch der Meinung, dass die Szene vieles toleriert oder zumindest akzeptiert, das in anderen Kreisen auf Ablehnung, Spott oder gar offene Feindseligkeit stoßen würde. Jeder kann so sein wie er oder sie will und wenngleich natürlich gelästert oder auch gestritten wird, habe ich nie gehört, dass Gothics zum Beispiel jemanden gemobbt hätten, weil ihnen seine Klamotten nicht gefallen, jemand aus einem Gothic Club geschmissen wurde weil er die falsche Hautfarbe hat Gothics jemanden zusammengeschlagen hätten, weil ihnen seine sexuelle Ausrichtung nicht passt.

Gothic ist ein bisschen Resignation. In dieser Welt läuft viel zu viel schief. Die Armen werden Ärmer, die natürlichen Ressourcen werden ausgebeutet, die Regierenden lügen und betrügen und die breite Masse lässt sich ihre Meinung von manipulativen Massenmedien bilden. Viele Gothics sehen all diese Missstände, aber anstatt groß auf die Barrikaden zu gehen und zu versuchen, die Welt umzukrempeln, suchen sie sich ihren eigenen Weg. Lassen die Bösen leben, schwimmen hier und da gegen Strom aber versuchen nicht, die Fließrichtung des Flusses zu korrigieren. Schließlich kann es im Wasser für die Masse nun einmal nur bergab gehen…

Gothic ist tiefgründig. Hinter der oberflächlichen Fassade nach dem Tieferen, dem Verborgenen, dem Sinn und dem „was die Welt im Innersten zusammenhält“, um es mit Faust’s Worten auszudrücken, auf verschiedenen Wegen zu suchen scheint mir recht typisch goth zu sein. Ob diese Suche jedoch psychologische, physikalische, sprituelle, gesellschaftliche oder ganz andere wege einschlägt, bleibt dem Suchenden überlassen.

Gothic ist intelligent. In der Szene habe ich den Eindruck, dass die meisten eine recht gute Bildung genossen haben oder es auf andere Weise verdienen, als intelligent bezeichnet zu werden. Zumindest mehr, als mir der Durchschnitt der Menschheit mir den Eindruck macht (Ausnahmen bestätigen natürlich auch die die Regel).

Janina und Nikita beim viktorianischen Picknick
In Europa sind Janina und Nikita immer gerne zu Gast. Für das WGT, wie hier 2013, setzen sich die Beiden rund 13 Stunden ins Flugzeug

Gothic ist emotional. Wir sind keine Emos. Das haben sogar die Promotion-Websites hier schon verstanden und extra betont. Aber dennoch spiele Gefühle und Emotionen aller Coleur in der Szene eine große Rolle und werden meinem Eindruck nach mehr zugelassen und „genossen“ (denn jede Emotion birgt eine ihr eigene Freude in sich), als anderswo. Das muss nicht immer Schwermut und Weltschmerz sein. Euphorie oder Albernheit sind genauso „erlaubt“. Aber es wird eben nicht ständig erwartet dass man sich „zusammenreißt“ um immer schön funktional zu bleiben…

Gothic ist Abgrenzung, Provokation und Rückzug. Wir finden die Welt, in der wir leben, alles andere als optimal. Und wir sind nicht nur anders, wir wollen auch unbedingt anders sein, anders aussehen und anders denken als die Masse. Manchmal, um die Menschen um uns bewusst oder unbewusst vor den Kopf zu stoßen und manchmal auch einfach, um in Ruhe gelassen zu werden und unser „eigenes Ding“ machen zu können. Und es gefällt uns nicht, wenn diese Abgrenzung oder Provokation plötzlich nicht mehr so recht klappen will. Sonst würde niemand aus der Szene wohl je ein Wort darüber verlieren, dass in der Bravo irgendwelche Gothic-Styling-Tips gegeben werden oder Rhianna plötzlich Sidecut trägt.

Gothic ist friedlich. So böse wir aussehen, so lieb sind wir. Die meisten Gothics können kaum einer Fliege etwas zu Leide tun. Meine liebste Anekdote ist da immer noch jene aus Deutschland von vor etwa 8-9 Jahren: Nach dem Feiern waren wir öfter um 5 noch im KFC, um zusammen zu sitzen und etwas zu essen. Dort gegenüber ist eine „normale“ Disko (Techno/House, Hip Hop und Party-Schlager). Und während die Jungs und Mädels in Ihren schwarzen Ledermänteln und mit Nieten, Totenköpfen bestückt sich alle gegenseitig zum Abschied auf dem Parkplatz reihum umarmten und sich einen sicheren Heimweg wünschten, gab sich eine ganze Gruppe „Freunde“ in hellblauen und zartrosanen Polohemden plötzlich gegenseitig direkt daneben gegenseitig auf die Fresse. Und die erste und einzige „Schlägerei“, die ich je in einem Gothic Club gesehen habe, wurde auch von eben einer solchen Nase im Polohemdchen verursacht: Die Jungs wollten sich „schwarzen Freaks“ mal genauer ansehen. Aber nach ein paar Drinks wurde das wohl langweilig und anstatt in der Kehle landete ein Schnaps grundlos im Gesicht eines „Freaks“ der an der Bar anstand. Nur doof für das Näschen und seine Konsorten, dass die das einzige Ergebnis ein Schlag, ein paar festgehaltenen Hände und ein ordentlicher Rausschmiss inklusive Hausverbot waren.

Wie du in deinem Erfahrungsbericht schreibst, ist die Gothic-Szene in Shanghai sehr überschaubar, der Anspruch an Konformität ist sehr hoch. Obwohl China ein kommunistischer Staat ist, hat es sich im Laufe der letzten Jahre immer weiter der Marktwirtschaft geöffnet, dennoch ist es von einer Demokratie weit entfernt. Welche Regeln und Einschränkungen muss man sich als Europäer in China unterwerfen und wie wirken sich diese auf den Alltag aus?

Zunächst möchte ich ganz kurz anmerken, dass auch sehr viele der „demokratischen“ Länder dieser Welt von einer Demokratie weit entfernt sind – manche wahrscheinlich sogar noch weiter als China selbst, denn hier versucht man wenigstens diesbezüglich nicht, der Welt irgend etwas vorzuspielen…

In der Tat sind die spürbaren Einschränkungen im Alltag für Europäer äußerst gering. Natürlich gibt es überall sehr viel Bürokratie und die Regierung weiß wohl recht genau, wer hier wo was tut. Beispielsweise muss man um Geld umzutauschen 3 verschiedene Formulare ausfüllen, muss selbst zum Ausdrucken eines Kontoauszugs in der Bank seinen Pass vorlegen oder muss nach jeder Einreise ins Land eine temporäre Registrierung bei der nächsten Polizeistation vornehmen. Allerdings lässt sich das alles problemlos auf Englisch regeln. Aber manchmal erscheint es einem als Außenstehenden auch einfach so komplex, da man mit den Abläufen nicht so vertraut ist. Wenn ich mir vorstelle, wie sich ein Chinese hingegen beim Eröffnen eines Kontos (dazu braucht man hier ebenfalls nur einen gültigen Pass, ein Touristenvisum ist da schon genug), einem Behördengang oder einem Arztbesuch in Deutschland fühlen muss, relativiert sich das Ganze doch sehr.

Janina und das wilde Tier
Ausländer erleben China als gezähmtes Biest, das weniger Regeln auferlegt, als man zunächst vermuten würde.

In der Tat ist der Alltag hier für einen Europäer einfacher, als er es in Europa wäre. Ich muss mich darum kümmer, ein gültiges Visum zu haben. Aber darüber hinaus fühle ich keine Einschränkungen oder Regeln in meinem Alltag. Wenn ich beispielsweise daran denke, wie komplex das Leben in Deutschland ist. Dort müsste ich mich um unzählige Versicherungen (von der KFZ-Haftpflicht bis zur Krankenversicherung) kümmern, eine Steuererklärung abgeben und regelmäßig GEZ zahlen. Hier kann ich einfach arbeiten (die Lohnsteuer wird automatisch einbehalten und eine Steuererklärung brauche ich nicht zu machen), meine Miete zahlen, einkaufen und so leben, wie es mir gefällt. Wenn ich eine Versicherung haben will, erwerbe ich eine Police und wenn nicht, dann zwingt mich niemand dazu. Selbst am gesamten Sozialversicherungsgefüge mit Arbeitslosen – oder Rentenversicherung muss ich mich zumindest als Ausländer nicht beteiligen – und bekomme dann eben auch keine entsprechenden Leistungen vom Staat, sondern muss mich um mich selbst kümmern.

Das gilt jedoch in dieser Form wirklich nur für Ausländer.

Als interessante „Anekdote“ habe ich gerade vor vielleicht 3 Wochen gelesen: Auf Drogenhandel steht in vielen Fällen die Todesstrafe. Dennoch wird man in Shanghai vor fast jedem Club mit „Haschisch, Haschisch, Marihuana“ angesprochen, selbst wenn die Polizei ganz in der Nähe patrouilliert. Denn es gibt – natürlich inoffiziell – Regelungen, dass der Verkauf von Drogen an Ausländer geduldet ist. Die Polizei drückt da einfach auf Anordnung von oben beide Augen zu. Wenn die Dealer jedoch bemerken, dass sie gerade einen Chinesen angesprochen haben, nehmen sie sofort die Beine in die Hand. Denn wenn sie einem Chinesen ein paar Gramm Gras verkaufen, sitzen sie dann doch schnell hinter Gittern – oder haben eine Kugel im Kopf.

Chinesen haben es aber auch sonst in vielerlei Hinsicht nicht ganz so einfach. Jeder Chinese hat beispielsweise sein Hukou und kann nicht so einfach dort hin ziehen, wo es ihm oder ihr passt. Für mich persönlich ist es jedoch immer am krassesten, wenn es um die Ein-Kind-Politik geht. Denn jede Schwangere muss erst einmal eine Geburtslizenz beantragen. Wird diese nicht gewährt, wird die Schwangerschaft abgebrochen – ob die Frau dies will oder nicht. Und für Abtreibungen gibt es meines Informationsstands nach in China keine zeitlichen Einschränkungen. Das heißt selbst im 9. Monat kann so noch eine Zwangsabtreibung durch Einleitung der Geburt und Tötung des Neugeborenen angeordnet werden.

Auf der einen Seite öffnet sich China westlicher Musik und ihren Subkulturen mit all ihren Inhalten, auf der anderen Seite wird wie kaum in einem anderen Land zensiert, reglementiert und verboten. Öffnet sich China des westlichen Kultur um das eigene Volk bei Laune zu halten? Wie ist Deine Sicht der Dinge?

Nein, ich habe nicht den Eindruck, dass China sich den westlichen Einflüssen öffnet, um das Volk bei Laune zu halten. Wäre die Zentralregierung beispielsweise davon überzeugt, dass jegliche Musik, die auf Englisch gesungen wird, eine – wie auch immer geartete – „Gefahr“ für China darstellt, dann wäre sie wenn nicht morgen, dann doch nächste Woche verboten. Egal, ob das dem Volk gefällt, oder nicht. China hätte ausreichend Ressourcen und auch im Volk verbreitete Ideologie an der Hand, um selbst solch ein Verbot umsetzen zu können. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass die Öffnung des Landes gerade anders herum kalkuliert wird: Ausschließlich das, was die Regierung als „gefährlich“ betrachtet, bleibt verboten und unterdrückt. Alles andere wird Schritt für Schritt erlaubt. Die Zensur, Reglementierungen und Verbote, die heute in Kraft sind, stammen oftmals noch aus jeder Zeit, als wirklich alles Westliche unterdrückt wurde (also überwiegend aus den 50ern, als beispielsweise selbst die europäischen Friedhöfe geschlossen wurden). Und wurden dann einfach an die Modernisierung der Welt (also beispielsweise das Internet) angepasst. Nun findet die „kulturelle“ Öffnung (so wie es mit der Wirtschaft tatsächlich sehr erfolgreich funktioniert hat) einfach sehr langsam und „vorsichtig“ statt.

Seit 2012 betreibt ihr Eure Internetseite „Gothic-Shanghai“, was war die Idee dahinter und wie ist das ganze entstanden?

Wer am 20. April zufällig in Shanghai sein sollte, dem sei ein Besuch im Xinhonqquiao Central Garden ans schwarze Herz gelegt
Wer am 20. April zufällig in Shanghai sein sollte, dem sei ein Besuch im Xinhonqquiao Central Garden ans schwarze Herz gelegt.

Als ich 2011 nach Shanghai kam, begann ich sofort, das hiesige Nachtleben auszuloten. Ich war damals überzeugt, es müsste mit Sicherheit irgendwo so etwas wie Gothic Partys geben. Schließlich hatte Nikita in dem knappen Jahr, in dem ich noch in Deutschland war, bereits 3 mal auf von einem Amerikaner veranstalteten Partys aufgelegt. Doch nach wenigen Monaten musste ich feststellen, dass ich falsch lag. Der Amerikaner war zurück in den Staaten und die „Belltower“ Partys waren tot. Eine gute Freundin von uns, die seinerzeit bereits seit über 3 Jahren hier lebte, hatte mich „gewarnt“. Aber ich wollte mich nicht damit abfinden. Doch nach verschiedenen Clubs und – sogenannten – „Underground events“ musste ich ihr Recht geben. Nikita war das Ausgehen nicht so wichtig, er ist auch heute noch zufrieden, zu Hause Musik hören und machen zu können und einmal im Jahr zum WGT (andere Festivals lohnen sich einfach aufgrund der Kosten-Zeit-Relation nicht.) zu fahren. Aber ich war, um es klar zu sagen, kurz vorm Durchdrehen. In Deutschland war ich früher jedes Wochenende, während des Studiums dann mindestens ein Mal pro Monat aus. Das mag nach „Partygirl“ klingen, aber tanzen, Konzerte besuchen, immer wieder neue Menschen kennen lernen und so weiter sind für mich einfach ein Lebenselixier. So tanzte ich irgendwann jeden Tag mit meinem mp3-Player im Aufzug wenn keiner hinschaute oder powerte mich mit Musik in den Ohren beim Joggen aus. Aber für mich, ganz egoistisch, stand fest, dass ich so in Shanghai auf Dauer nicht würde glücklich werden können.

Also beschloss ich, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Denn wengleich Veranstaltungen für die Szene kaum bis gar nicht vorhanden waren, so waren wir (Unsere Freundin Margo, Nikita und ich) doch auch weiterhin davon überzeugt, nicht die einzigen Gothics unter 30 Millionen Menschen sein zu können.

Die eigentliche Idee von Gothic Shanghai war somit von Anfang an nicht mehr und nicht weniger, als einen Anlaufpunkt zu haben, um Gothics in Shanghai zu finden, miteinander zu verbinden und gemeinsam etwas zu unternehmen. Ich hatte so oft in Google Suchbegriffe wie „Gothic Club Shanghai“ eingegeben, dass ich endlich eine Website sehen wollte, die mir Hoffnung auf ein bisschen (lebendige) düstere Subkultur in der Stadt machen würde. Unsere Hoffnung war ganz einfach, dass andere Gothics auf die Website stoßen und uns schreiben würden.

Also erstellte ich eine kostenlose Homepage und mit einem Konzert von Lacrimas Profundere schien der richtige Moment gekommen, um endlich andere schwarze Gestalten in der Millionenmetropole zu finden. Margo designte uns den ersten Flyer (sie studiert Multimedia-Design, daher war der Flyer wirklich nicht schlecht…) und nach dem Konzert teilten wir die Flyer aus und gingen dann mit einer Handvoll Leute noch auf ein Bier ins Inferno – die einzige Metalbar, die wir online hatten finden können. Direkt dort kamen wir dann mit Martin, dem Besitzer (und einem super netten dänischen Metalhead mit Shanghainesischer Eherfrau), ins Gespräch und er sicherte uns sofort seine Unterstützung bei unserem Vorhaben zu.

Wenige Wochen später luden wir dann über die Website und per Email und SMS auch persönlich alle zum ersten Picknick und im selben Monat noch zur ersten Party im Inferno ein und Gothic Shanghai hatte endlich so richtig das Licht der Welt erblickt.

Ihr veranstaltet regelmäßig Parties und Treffen für die schwarze Szene in Shanghai, wie kommt eure Idee bei den Einheimischen an? Konntet ihr bereits eine feste Gemeinschaft um Eure Seite scharen?

Wie ein deutsch-kasachisches Ehepaar gruftige Partys nach Shanghai brachte-
Wie ein deutsch-kasachisches Ehepaar gruftige Partys nach Shanghai brachte.

Wir hatten eigentlich schon von der ersten Minuten an eine feste, kleine Gruppe aus etwa 5-6 Leuten, die so gut wie kein Treffen verpassen. Ok, zwei davon sind keine Einheimischen, sondern ebenfalls Expats (aus den Niederlanden). Aber das ist ja im Endeffekt wurscht. Daneben gibt es noch einen größeren Kreis an Leuten, die immer mal wieder vorbeischauen, aber nicht unbedingt zu jedem Event kommen (können). Und dann sieht man natürlich immer mal wieder ein neues Gesichter. Manche kommen wieder, manche sind nur zu Besuch in der Stadt und manche sind nur mal neugierig und orientieren sich dann doch lieber irgendwie anders.

Wie der Rest der Millionen von Menschen hier unsere Idee sieht, weiß ich natürlich nicht. Aber die Leute, mit denen ich bis dato gesprochen habe (sowohl Chinesen als auch Expats – gerade für die schwarze Szene und gerade für uns als Ausländer, die nicht einmal Chinesisch sprechen, ist es weder möglich, noch sinnvoll, sich lediglich auf die Chinesen zu beschränken, daher sehe ich in Hinsicht auf Gothic Shanghai überhaupt keinen Unterschied darin, woher jemand stammt) waren allesamt einfach unglaublich froh, irgend etwas in Richtung schwarze Szene gefunden zu haben. Wir haben Emails bekommen mit Sätzen wie „Danke! Jetzt brauche ich mich endlich nicht mehr ständig zu Hause verkriechen!“ und eine Amerikanerin stieß überglücklich zu unserem ersten Nacht-Picknick mit den Worten „Wow! Ich hab es ja fast nicht geglaubt, aber es gibt euch wirklich! Genial!“.

Ein klein wenig anders war es mit einer einheimischen Club-Besitzerin. Der Club vermarktet sich selbst als total „nicht-kommerziell“, wurde angepriesen als eine private Villa, in der es einfach (wilde) Parties und, weil es halt einfach praktisch wäre, auch eine Bar gibt. Wir durchschauten nicht sofort das Marketing-Prinzip dahinter (heute nimmt man dort auch regelmäßig 100 RMB Eintritt) und hatten uns mit ihr getroffen, weil seinerzeit eine Schließung des Inferno (aufgrund von Beschwerden der Nachbarn, die auch schon mit Glasflaschen aus dem 4. Stock nach Gästen geworfen hatten) im Raum stand. Sie meinte dann, unser gesamtes „Konzept“ können nicht erfolgreich sein. Wir müssten „das, was die Leute hören wollen“ (ergo in Shanghai hauptsächlich Techno/House oder Charts) mit „unserer Musik“ mischen und bräuchten mehr „Specials“ (z.B. DJs aus dem Ausland, Tänzerinnen etc.). Diese Haltung ist natürlich aus kommerzieller Sicht verständlich. Aber wir haben dann doch dankend abgelehnt – lieber nur Picknicks statt gefühlter Party-Prostitution…

Wie würdest du den musikalischen Geschmack der lokalen Gothic-Szene beschreiben?

Viele Leute hier wissen kaum, wie viele Musikrichtungen es eigentlich in der Szene gibt und sind immer sehr an allem Neuen interessiert. Es gibt natürlich die Ausnahmen wie einen Chinesen, der plötzlich über Haus Arafna zu plaudern beginnt. Aber allgemein für die lokale, chinesische Szene den Musikgeschmack wie folgt zusammenfassen: Metal. Und da sich das ganze ja Gothic Szene nennt dann mit einem Fokus auf Gothic Metal.

In den Kommentare zu deinem Erfahrungsbericht ist es bereits durchgeklungen. Gibt es eigentlich lokale oder nationale Bands oder Künstler, die sich in Musik oder in ihren Arbeiten der schwarzen Szene zuordnen lassen?

Vielleicht habe wir falsch – auf English und auf internationalen Websiten gesucht. Aber ein komplett chinesisches soziales Netzwerk (hier gibt es so etwas wie Myspace auf Chinesisch, wo sich viele Bands präsentieren – wir kennen das nur aus Hörproben für Festivals) nach unbekannten Bands zu durchsuchen ist einfach für uns zumindest nicht machbar. Aber auf jeden Fall haben wir nichts wirklich interessantes gefunden. Es gibt Rock, Metal und Punk und auch Rockabilly haben wir auf dem Midi Festival gesehen (sei’s die Sonne oder der Jägermeister oder beides gewesen, aber ich weiß den Namen partout nicht mehr – war aber auch ein chinesischer Name, die merke ich mir sehr schwer). Eine Künstlerin, die interessant ist (wenn geich auch nicht wirklich „düster“, sondern eher wie Bjork), wäre Singersen. Aber darüber hinaus müssen sowohl Nikita, als auch ich, leider passen.

Nikita betätigt sich ja auf den von Euch veranstalteten Parties als DJ. Natürlich komme ich nicht daran vorbei, nach seiner aktuellen Top 10 zu fragen.

Auf dem ersten Platz: Ataraxia – Aigues Mortes. Sein Kommentar: “Wie eine Bibel des Dark Folk für mich! Aber Ataraxia hat noch mehr Lieder, die ich einfach liebe.” – zumindest letzteres kann ich bestätigen, er erinnert sich immer nur an den Tag unserer „offiziellen“ Verlobung, weil wir am selben Tag Ataraxia live gesehen haben… ;-) Da seine persönliche Top 10 nicht unbedingt für die veranstalteten Parties geeignet ist,  hat er auch noch eine zweite (nicht nach Priorität geordnete) Liste mit Liedern, die er als DJ gerne spielt:

1. In Strict Confidence – My Despair
2. Clan Of Xymox – Jasmine And Rose
3. Derriere Le Miroir – Just Like You
4. Girls Under Glass – Erinnerung
5. Mind In A Box – Change
6. Reliquary – Destroy
7. Miguel And The Living Dead – Graveyard Love Song
8. Violet Stigmata – Will You
9. Tragic Black – Surreal Catharsis
10. Joy Disaster – Sensless Tales

Janina auf Bali
Janina bei einem neulichen Urlaub in Indonesien. Am liebsten hätte sie eine Wohnung in Shanghai, eine in Madrid und ein Häuschen in Deutschland. Überall dort, wo sie sich zu Hause fühlt.

Natürlich kommt das immer auch auf die Party an sich und das Publikum an. Wenn zum Beispiel 5 Leute nach Within Temptation fragen, kann man denen ja dann nicht Agonoize um die Ohren hauen oder umgekehrt. Und dann gibt es natürlich auch noch die „Everblacks“, die halt einfach immer irgendwann und irgendwie kommen (müssen). So hatten wir eigentlich noch keine Party, bei alle seine „Top 10“ an einem Abend gekommen wären. Dafür war immer irgendwo ASP dabei, die Military Fashion Show kommt hier auch gut an und Suicide Commando darf spätestens für unsere niederländischen Freunde nicht fehlen.

Wie sehen Eure Pläne für die Zukunft aus?

Wir wollen in jedem Fall noch eine Weile hier in China bleiben. Wie lange genau, planen wir nicht im Detail. Die letzten Jahre haben mir persönlich gezeigt, dass es am Ende doch wenig sinnvoll ist, sein ganzes Leben zu verplanen, denn am Ende kommt dann doch alles anders als gedacht (und plötzlich sitzt man verheiratet mit einem Russen in China… hätte mir das mal jemand vor 5 Jahren gesagt…). Aber momentan geht es uns hier gut und wenn es mit Arbeit, Business und Gothic Shanghai so weiter geht, wird das wohl auch noch ein paar Jahre so bleiben.

Ansonsten sind unsere Pläne eigentlich recht konservativ: Wir möchten eine „richtige“ Familie gründen (unsere beiden Katzen sind klasse, aber zählen hier halt doch nicht…). Wir hätten gerne 4 Kinder. Und je nachdem, wo wir leben, sobald wir genug Ersparnisse haben, wollen wir eine Wohnung oder ein Haus kaufen oder bauen. Ideal wären natürlich mehrere Wohnungen – eine in Shanghai, eine in Madrid und dann vielleicht ein Häuschen im Grünen in Deutschland oder so, um überall dort ein Zuhause zu haben, wo wir uns auch zu Hause fühlen. Und dann wollen wir einfach langsam (so langsam wie möglich! ;-) ) und glücklich zusammen alt werden. Und zu Pfingsten 2050 chauffieren wir dann hoffentlich unsere Enkel im Kinderwagen durch Leipzig, damit unsere Kinder ein Konzert genießen können. Danach müssen die Eltern aber wieder ran, schließlich fahren wir ja nicht nur zum Babysitten zum WGT (oder zu sonst einem Festival, wer weiß was sich bis dahin noch so alles tut)… ;-)

Maskenball – Eine Dokumentation über das WGT und die Szene

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Die meisten sozialen Kanäle konzentrieren sich auf ein freudiges Ereignis. Das 23. Wave-Gotik-Treffen in Leipzig ist in greifbare Nähe gerückt. In Leipzig gibt es nahezu keine bezahlbaren Unterkünfte mehr, immer mehr bestätigte Band-Zusagen fesseln potentielle Besucher zum Probehören und unzählige Outfits werden vor dem Spiegel dem kritischen eigenen Blick unterworfen. Ich frage mich, wann die Vorfreude, dich auch mich in ihren hypnotischen Sing-Sang gelullt hat, abklingt. Nach wie vielen WGTs hat man den Zenith überschritten? Ist man irgendwann zu alt für den ganze Kram? Hängt einem das hektische Reisen zwischen den Veranstaltungsorten irgendwann zum Halse heraus? Wo wir gerade bei der Vorfreude sind. Sicher könnte man sich jetzt durch einen der unzähligen schlecht gemachten Dokumentationen auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Anschließend jammert man dann unisono über den Unwillen und die Unfähigkeit gute Filme zu machen.

Doch manchmal holt einen auch einfach die Tatsache ein, dass man noch nicht alles kennt und einige der wahren Perlen unter einer lauten Oberfläche schlummern. So landete die Dokumentation „Maskenball“ von Ruth Stolzewski  in meinem Nachrichtenstrom. 2009 setzte die junge Regisseurin, Filmemacherin und Autorin ihre Vorstellung von einer Dokumentation über das WGT um und drehte für ihren Abschluss des Studiums „Film- und TV-Design“ den 52-minütigen Film, der auf dem WGT 2010 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde. (An dieser Stelle ärgert sich übrigens der Autor dieses Artikel intensiv darüber, genau dieses Ereignis verpasst, verpennt oder verschlafen zu haben. Er hat sogar kurz darüber nachgedacht, von einer Veröffentlichung abzusehen um sich nicht der Blöße des „Nicht-Kennens“ hinzugeben. Hat er aber nicht.) 

Ich vermute, dass der ein oder andere von Euch diese Dokumentation bereits zu Gesicht bekommen hat. Umso glücklicher bin ich nun, dass die Doku Ende 2013 (vermutlich von ihr selbst) auf Youtube hochgeladen wurde um so einem noch breiteren Publikum zu Verfügung zu stehen. Ich habe sie mir natürlich angesehen. Bis jetzt drei mal. Eine feine Auswahl an Protagonisten, die die Faszination des Wave-Gotik-Treffens auf eine ganz eigene Weise rüberbringen. Die Sichtweise aus den unterschiedlich Blickwinkeln vermittelt etwas von der Internationalität der Menschen, der Vielfältigkeit der Inhalte und dem ständigen Wechsel zwischen der glänzenden Oberfläche und der nachdenklichen Tiefe. Die Musik-Auswahl unterstreicht den Charakter und macht den „Maskenball“ zu einem schönen Erlebnis. 52 Minuten Vorfreude.

Das Wave Gotik Treffen ist mit etwa 20 000 Besuchern und 190 Bands das größte Festival der schwarzen Szene weltweit. Es findet bereits seit über 20 Jahren an Pfingsten in Leipzig statt. In dieser auf dem Wave Gotik Treffen 2009 gedrehten Dokumentation werden verschiedene Akteure des Festivals porträtiert, u.a. der amerikanische Musiker Frank the Baptist, die Berliner DJs Thomas Thyssen und Ian P. Christ und der Autor Sascha Blach. Wie haben sie die schwarze Szene kennengelernt, welche Rolle spielt sie in ihrem Leben und wie sehen sie ihre Zukunft? Dabei soll ein Einblick in diese Subkultur gegeben werden jenseits von allen Klischees und Vorurteilen anderer Reportagen und Fernsehberichte über dieses Thema. Der Film enthält Ausschnitte aus Konzerten von Frank the Baptist, Telegram Frank und Sanity Obscure, aus der Lesung von Sascha Blach, aus der „When We Were Young“ Party und viele Aufnahmen der Festivalbesucher in verschiedenen Locations. (Von der Internetseite von Ruth Stolzewski)

Fazit: Das WGT ist einzigartig. Die Dokumentation macht deutlich, dass das jährliche Treffen in Leipzig der Schmelztiegel sämtlicher Einflüsse der Szene ist. Ein überdimensionaler Topf von dem jeder satt wird und der auch noch so absurde Geschmäcker bedient. „Gothic“ ist ein überladener Überbegriff für all die Splitterkulturen, die auf dem WGT mehr oder weniger friedlich koexistieren. Ruth Stolzewski versucht nicht, etwas zu erklären, sondern überlasst die Interpretation dem Zuschauer selbst. Das lädt dazu ein, sich irgendwo wiederzufinden. Ich finde, die bislang beste Dokumentation über das Wave-Gotik-Treffen, auch wenn sich mittlerweile 5 Jahre auf dem „Bückelchen“ hat.

Spontis Wochenschau #03/2014

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Der Fluch und Segen unzähliger Bands auf dem Wave-Gotik-Treffen. Neulich haben wir 2 Abende dafür reserviert, uns die 110 bisher erschienen Band-Ankündigungen zum WGT 2014 probezuhören. Es ist ein Segen die Möglichkeit zu bekommen, so viele großartige Bands an einem Ort zu sehen und zu hören, man fühlt sich stellenweise wie Robingoth Crusoe auf der schwarzen Gothic-Insel. Man entdeckt, ist begeistert, ja sogar euphorisch! Es ist ein Segen neben dem ganzen weichgespülten Mist, den einige „große“ Bands so unter die Leute streuen, diese feinen und melancholische Klänge zu hören. Es ist ein Segen, dass alles in einer Stadt an einem Pfingstwochenende und zu einem vergleichsweise geschenkten Preis geboten zu bekommen. Es ist aber auch ein Fluch, wie viel schlechte Musik es gibt. Stampfende, langweilige Beats irgendwelcher Typen, die Gothic höchstens mal in einer Zeitschrift gelesen haben und das meine ich nicht nur musikalisch. Es ist ein Fluch, wie viele Genre man inzwischen bedienen muss um allen Besucher des Wave-Gotik-Treffens gerecht zu werden. Deathmetal? Wann habe ich diese Strömung verpasst? Zuckerbrot und Peitsche. Stundenlang haben wie uns die Ohren gekrault oder die Gehörgänge verbrannt. Je nach Band. Merke: Es ist nicht alles „Wave-Gotik“ wo „Wave-Gotik“ draufsteht. Ja, ich weiß, das ist jetzt keine welterschütternde Neuigkeit. Trotzdem habe ich die Augenbrauen in guter alter Spock-Manier hochgezogen. Vielleicht aber auch, weil es nur noch 2 Wochenschauen bis zum WGT und dem 4. Spontis-Treffen sind. Faszinierend!

  • Ina Wölfin – Meine ganz persönliche Sicht der Dinge | Mondbote
    Wie war das denn damals? Mache ich alles richtig? Gehöre ich dazu? Quälende Fragen. Was fehlt sind schreibende Zeitzeugen. Menschen die etwas erzählen möchten, die festhalten um die Welt nicht in Illusionen zu ertränken. Ian hat Ina (interessante Kombination) Wölfin gebeten, darüber zu schreiben: „Das war das Ziel, schockieren und in Ruhe gelassen werden mit all dem täglichen Normalowahnsinn. Sich über Tod und Teufel unterhalten können ohne dass der Gegenübersitzende schreiend die Flucht ergreift und sich dabei hektisch bekreuzigt. Über Kriege diskutieren, über Apokalypse, Weltuntergang, Atomkrieg, psychische Krankheiten, Mord und Totschlag. Dazu Musik, die genauso unterhaltsam ist wie diese Themen. Sicher wurde und wird auch über Politik geredet, doch soweit möglichdoch neutral, “sich austauschen” nennt sich das. Ohne Vorurteile zu sein gegenüber Figur und Optik eines Menschen, tolerant gegenüber jedem Thema und jeder Meinung. Doch das mag den Damen und Herren auf dem Throne unserer Demokratie nicht gut schmecken. Sind doch diese seltsamen rätselhaften gruseligen Gestalten zu undurchsichtig.
  • Zurück auf Radio Hannover: „Grenzwellen“ mit Ecki Stieg | Radioszene
    Von 1987 bis 1997 eine feste Institution bei Radio ffn, die Sendung „Grenzewellen“ mit Ecki Stieg. Nach 17 Jahren ist es wieder soweit. Ab dem 9. April senden die „Grenzwellen“ wieder bei Radio Hannover. In einem Interview erklärt Ecki Stieg, wie es zu einer Zusammenarbeit mit Radio Hannover kam und was den Hörer erwartet: „Wie werden die Grenzwellen zukünftig klingen? Ein Revival der guten alten Zeiten? Es wird definitiv keine Retro-Sendung werden. Das würde einem abgehalfterten 80er-Jahre-Star entsprechen, der sich auf die Bühne schleppt um seine größten Hits von vor 20 Jahren abzuspulen, nur um nostalgische Gefühle zu befriedigen. Ich glaube, das erwartet keiner ernsthaft von mir. Was mich immer getrieben hat, war die Neugier neue Musiken zu entdecken, unbekannte Klänge zu erforschen. Erst in der letzten Zeit bin ich hier wieder massiv fündig geworden. Es wird also ein Spagat: Ich möchte die Leute gerne dort abholen, wo ich 1997 aufgehört habe, aber sie zugleich liebevoll an die Hand nehmen, um sie in neue Welten zu entführen, die sie vielleicht noch nicht kennen, die sie aber lieben werden, wenn sie sich selbst Neugier, ein offnes Ohr und Geist bewahrt haben. Trotz der Tatsache, dass heute fast alles im Internet verfügbar ist, hoffe ich mit Dingen überraschen zu können, die der Hörer noch nicht kennt.Wohin die Reise tatsächlich geht, weiß ich selbst nicht. So eine Sendung hat zwar ein festes Grundkonzept, doch entwickelt schnell eine Eigendynamik. Es wird wie früher feste Bestandteile wie ausführliche Interviews und Specials geben. Auch mit alten, bekannten Weggefährten.“ (danke an Marlene von Dunklewelle)
  • Mitfühlen, aber nicht mitleiden | Bestatterweblog
    Ich habe immer gedacht, Bestatter wären eine ganze besondere Sorte Mensch. Irgendwie anders. Dann habe ich darüber nachgedacht, ob das nicht der ideale Traumberuf für geneigte Gothics wäre, doch hier gibt es wohl Reibungspunkte mit dem Erscheinungsbild. Wer also will Bestatter lernen? Wie die Neue Presse berichtet, steigt die Tendenz der Lehrlinge bundesweit.  „Die eigene Sterblichkeit wird ausgeblendet, verdrängt, tabuisiert. Ausgerechnet den Beruf des Bestatters zu ergreifen ist für viele erst recht unvorstellbar. Überraschend ist deshalb, dass die Branche keine Nachwuchsprobleme hat, im Gegenteil. „Es gibt bundesweit jedes Jahr 150 bis 200 Lehrlinge mit leicht steigender Tendenz“, sagt Oliver Wirthmann vom Bundesverband Deutscher Bestatter: „Die Nachfrage ist größer als das Angebot.““ Ist ja auch nicht blöd, die Idee, denn gestorben wird immer.
  • Neuroscience of Out-of-Body Experience | Nerdcore
    Seelenwanderung und solcherlei Unsinn ist also nichts weiter, als eine Quasi-Synästhesie.“ Verdammt und ich hatte alles so schön vorbereitet für meine nächste Nah-Tod-Erfahrung. Als Gothic (das ist wie bei den Vulkaniern) durchlebt man verschieden Phasen seines Lebens. Der Experte spricht von „Goth-Points“ als wichtigen Ereignissen, die ein echte Gruftie durchlebt haben muss. Die ersten Pikes, das erste selbstgeschneiderte Outfit, von Robert Smith träumen und eben eine anständige Nah-Tod-Erfahrung. Damit man die Seele spürt und wegen des versprochenen Films über sein Leben. Nerdcore enthüllt: Alles Quatsch! „Eine 24jährige Studentin aus Ottawa hat außerkörperliche Erfahrungen geschildert, die sie selbst steuern und auslösen konnte. Dann haben Wissenschaftler ihr Gehirn gescannt und festgestellt, dass während Out-Of-Body-Experiences eine Kombination aus der Deaktivierung der Sehrinde (Teil der Großhirnrinde und des visuellen Sytems) und gleichzeitiger Aktivierung der Teile des Gehirns darstellt, die für die mentale Bewegungswahrnehmung verantwortlich sind.
  • Ist ja nur ’ne Phase… | Confessions of a Gothmum
    Stichwort Phasen. Grufties werden manchmal Eltern. Wünschen sich „Gothic-Eltern“ eigentlich „Gothic-Kinder“? Ich meine, das mitschleifen auf Konzerte und schwarze Veranstaltungen suggeriert doch eine gewollte Konditionierung, oder? Bei der Gothmum ist soweit. Der Nachwuchs kommt in seine schwarze Phase. „…die Gothic Phase! Hatte unsere auch, ging aber vorbei!“. Meine Reaktion: „Ääääh…daß das nur eine Phase ist und vorbei geht, kann ein Irrtum sein.“ Er wieder: „Wartet’s ab…das gibt sich!“ Ich: „Ja, darauf warten meine Eltern noch immer *LOL*“ Den Wink mit dem Zaunpfahl hat er nicht verstanden… Ich mein‘, irgendwo fand ich es ja auch ziemlich niedlich von ihm, mich trösten und mir vermitteln zu wollen, daß diese pubertären Anwandlungen ganz normal sind und man als Eltern einfach darüber stehen muß, wenn die Kinder eben in die Gothic-Phase kommen. Wir hätten das ja alle in unserer Jugend durchgemacht, also solche Phasen.  Er gestand mir dann, daß er in den 80er Jahren ja mal Popper war. Ih, pfui! Das waren die mit den pastellfarbenen Lakotzhemden und den Brechlingtonsocken! Aber das habe ich ihm großmütig verziehen, das war ja nur ’ne Phase :D
  • „Es war mein Traum, meiner Mutter ein perfektes Leben zu spendieren“ | Zeit Online
    Hoffentlich kommt die Tochter von Gothmum nicht in die gleiche Phase wie Boy George. Oder hoffentlich doch? „Als meine Karriere in Fahrt kam, kaufte ich meiner Mutter umgehend ein großes Haus mit feinen Möbeln, Teppichen und so weiter. Es war mein Traum, ihr ein perfektes Leben zu spendieren. Aber leider funktioniert das ja nicht so einfach. Das Verhältnis zwischen meiner Mutter und meinem Vater war so kompliziert, dass ich lange versuchte, ihnen klarzumachen, dass sie sich trennen müssten. Meine Botschaft war: Eine Scheidung wird euch beide glücklich machen. Sie hätten ja gute Freunde bleiben können. Besonders auf meinen Vater redete ich stundenlang ein. Aber er lehnte meinen Vorschlag ab. Erst später verließ er dann meine Mutter, nach 43 Jahren Ehe – für eine jüngere Frau. Das war ein fürchterlicher Schock für mich. Ich war fassungslos. Zwar hatte ich davon geträumt, dass meine Mutter eines Tages von meinem Vater befreit sein würde, aber nicht so. In meiner Kindheit war es immer mein Vater gewesen, der davon redete, wie wichtig doch Loyalität und Familie seien. Was für ein Geschwätz.“
  • Die Blutkrähe vor der Fernsehkamera | Norddeutsche Rundschau
    Miriam Gosch, Künstlername“Bloodcrow“ ist ein sogenanntes „Gothic-Model“. Für ein Fernseh-Team des NDR hat sich die 24-jährige einen Tag lang begleiten lassen um einen Einblick in ihren Alltag zu geben. Ganz bieder verdient die Itzehoerin ihren Lebensunterhalt als technische Zeichnerin um dann in ihrer Freizeit alle Facette ihrer Persönlichkeit auszuleben. Häufig lässt sie sich von Fotograf Mathias BannickBlut brauche ich für meine Bilder nicht“ in knappen Latex-Outfits ablichten. „Huhhh! Und jetzt wird es düsterer. Das Military-Latex-Outfit passt perfekt in die Szene.“ Ich musste diese knapp 4-minütigen Bericht einfach zur Verfügung stellen. Nicht das ich daran objektiv etwas auszusetzen hätte, aber der blumige Unterton der Sprecherin und die merkwürdigen Zusammenfassungen sind schon ein paar Zitate wert. „Das Gothic Model hat eigentlich ganz normale Träume, sie will Kinder, ein Haus und eine weiße Veranda.“ Die vollständige Sendung DAS!, in der der Graf von Unheilig auch von seinem neuen Album um dem geplanten Eurovision Songcontest berichtet, will ich euch nicht vorenthalten.
  • Tiefer gelegt – Was bleibt, wenn eine Seele geht | Scobel
    Friedhofszwang, horrende Gebühren und vergiftetes Grundwasser? Gert Scobel setzt sich in seiner gleichnamigen Sendung mit dem Tod auseinander. Das wäre noch nicht spannend, schließlich ist das ein Credo der Szene. Ich fand die Sendung informativ, aufschlussreiche und hintergründig. Vielleicht ein Kontrast zu obigem Bildmaterial.  (danke an Sophia Intoleranta)

Die Krupps – der Schlag des Schmiedehammers

Es gibt Gelegenheiten, die sollte man sich nicht entgehen lassen. So erhielt ich vor ein paar Wochen das Angebot, ein Interview mit Jürgen Engler von der Band „Die Krupps“ über das aktuelles Album „The Machinist of Joy“ zu führen. Obwohl ich ein ausgesprochen leidenschaftlicher Musik-Hörer bin, mangelt es mir am nötigen Hintergrundwissen und so bat ich meinen guten Freund Marcus Rietzsch, sich mit seiner legendären Sorgfalt und Sachkenntnis den „Krupps“ zu widmen.

Eisen und Stahl, Feuer und Rauch, Lärm und Kraft. Inspiriert durch die Stahlhütten des nahen Ruhrpotts und geschichtsbelastete Industriegiganten haben „Die Krupps“ das Donnern des Schmiedehammers in einen musikalischen Kontext gesetzt. 1980 gegründet kreierte man mit der ersten Veröffentlichung „Stahlwerkssinfonie“ einen experimentellen, unkonventionellen Sound. Wut und Kritik begleiten die Industrie-Musik. Doch blieb man nicht stehen, sondern entwickelte sich weiter. Zuerst stark elektronisch geprägt, wurde die Musik in den 1990er Jahren zunehmend von Gitarren beeinflusst. Die Verschmelzung von kühler Elektronik und Elementen des Heavy Metals fand mit der Zeit immer mehr Anklang. Musikalischen Grenzen unterwarf man sich nie. Die „Konventionen“ des Marktes ignorierend ließ man 17 Jahre verstreichen, um erst im letzten Jahr ein neues Album zu veröffentlichen.

Ein Gespräch über die musikalische Vergangenheit, die Propaganda der Medien, Kooperationen mit befreundeten Musikern und die Bedeutung von Jugendkulturen mit Jürgen Engler, dem kreativen Kopf und der einzigen Konstante seit der Bandgründung.

Auffällig an der aktuellen Platte sind die vornehmlich deutschen Texte und der hohe Elektronikanteil im Vergleich zu den letzten Alben, die noch im letzten Jahrtausend erschienen sind. Kehren „Die Krupps“ zurück zu den Wurzeln? „Das Album beinhaltet die Essenz der Krupps.“, lautet Jürgen Englers Einschätzung. Mit dieser Veröffentlichung zieht man ein Resümee. Alle Elemente, welche die Band ausmachen, sind zu hören: Harte, treibende Sequenzen, tanzbare Rhythmen, Hymnisches, Stahlelemente, aber auch rockige Passagen. „Das sind die Krupps.

Die Krupps – Blick in die Vergangenheit

The Machinist Of Joy“ geht aber noch ein wenig weiter in der persönlichen Vergangenheit des Musikers zurück. Mit den Coverversionen von „Industrie-Mädchen“ (ursprünglich von „S.Y.P.H.“ – der Band, in der Ralf Dörper, Mitglied der ersten Stunde, tätig war) und „Panik“ (von der französischen Punk-Band „Metal Urbain“) setzt man dem Punk ein kleines Denkmal. Mit der Band „Male“ war Jürgen Engler ab 1976 Wegbereiter des deutschsprachigen Punks. Was ist von dieser Zeit geblieben?

Ich bin immer noch der gleiche Kerl. Ich habe mich nicht geändert. Ich trage noch den gleichen Geist in mir.“ Jürgen schwärmt von der Eigenständigkeit der Punk-Bands in den 1970er Jahren. „The Clash“, „Buzzcocks“ oder „Siouxsie & The Banshees“ – jeder hatte seinen individuellen Klang. Ab Anfang der 80er Jahre wurde Punk jedoch zunehmend uninteressant. „Die Krupps“ waren eine konsequente Weiterentwicklung, ohne den Geist des Punks zu verleugnen. Geblieben sind die politischen wie kritischen Texte und die Einstellung.

Beim Blick auf die heutige Musiklandschaft scheint Jürgen Engler zu resignieren: „Die letzten zehn Jahre waren musikalisch die größte Wüste, die wir je durchgemacht haben.“ Bands orientieren sich in erster Linie an der Vergangenheit. Der Wille, die Musik weiterzuentwickeln und neue Klangwelten zu eröffnen, ist kaum noch vorhanden. Es wird munter abgekupfert. Begünstigt durch Computer und entsprechende Programme klingt vieles ähnlich. Früher hatte man diese Möglichkeiten nicht. In Düsseldorf gab es einen einzigen Laden, der Hardware-Synthesizer im Angebot hatte. Jedes Modell war höchstens zweimal vorhanden. So bekam jede Düsseldorfer Band – „DAF“, „Der Plan“, „Die Krupps“, „Propaganda“ – ihren eigenen, unverwechselbaren Sound.

Eine Jugend ohne Feindbilder

Ebenso vermisst er die gesellschaftlich-kulturellen Bewegungen, die etwas anstoßen. Die sich klar abgrenzenden Subkulturen, die Reibungspunkte schaffen. „Es muss immer einen Kontrapunkt geben.“ Aus fehlenden Reibungspunkten resultiert Stagnation. Eine Art „Feindbild“ sei unerlässlich, um andere Ansichten und Einsichten zu gewinnen. Im Punk waren diese Feindbilder vorhanden. Wichtig war die deutliche Abgrenzung von der Masse der Kinder des Wirtschaftswunders und der glitzernden, sich auf Oberflächlichkeiten reduzierenden Discowelt. Man wollte Musik machen, kreativ sein, ausbrechen. Anders als bei vielen gegenwärtigen Bands wurde kein Gedanke an einen finanziellen Erfolg verschwendet. Heute „versucht keiner mehr gegen den Strom zu schwimmen“. Feindbilder, wie es sie beispielsweise auch in der Hippiebewegung gab, scheinen längst verloren gegangen zu sein. Zu vermischt sind einzelne Subkulturen, zu verwaschen ihre Grenzen, zu lähmend ihre Toleranz. Jugendkulturen, die etwas anschieben und verändern, sind nicht mehr vorhanden. Doch erkennt Jürgen auch, dass es immer schwieriger geworden ist, die Gesellschaft aufzurütteln und ihr einen Spiegel vorzuhalten. In den USA, in denen der Musiker seit etwa zwei Jahrzehnten lebt, fällt es schwer, zu schockieren. Mit einem bunten Irokesenschnitt auf dem Haupt stößt man nicht mehr an.

Diese Vermischung ist auch ein Grund, warum sich Jürgen Engler keiner aktuellen Subkultur zugehörig fühlt. Die Fans der „Krupps“ sind keine klar definierte Szene. „Man kann sagen, dass Gothic der Überbegriff ist, aber letztendlich sind wir nicht Gothic und unsere Fans sind es eigentlich auch nicht.“ Es ist die Schublade für alle Außenstehenden, in die jeder, der Schwarz trägt, eingeordnet wird. Eine Definition für „Die Krupps“ zu finden, fällt ihm schwer. Sie sehen sich durchaus als Teil einer Szene, aber durch die lange Geschichte der „Krupps“ deckt man eine große Spannbreite ab: EBM, Industrial, Neue Deutsche Härte, wobei diese Genres zumeist erst später größeren Zuspruch fanden, nachdem sich die „Krupps“ bereits neuen Klangwelten zugewandt hatten.

Die Krupps
Die Krupps beendet jüngst ihre Europatournee, werden jedoch ab Juli auf zahlreichen Festivals vertreten sein.
(c) Marcus Rietzsch – T-Arts

So waren es auch immer Andere, die die ganz großen Erfolge feiern konnten. Die Kreativität der „Krupps“ hatte Einfluss auf zahlreiche Bands. Auf „Nitzer Ebb“ beispielsweise. Oder auf „And One“. Auch „Rammstein“ tauchen in dieser Liste auf. Man vergleiche den Titel „Tier“ mit „The Dawning Of Doom“. Eine eindeutige Hommage. Jürgen weiß, dass „diejenigen, die den Stein lostreten, immer diejenigen sind, die den härteren Weg haben.“ Doch dies stört ihn nicht. Wichtiger ist ihm, sich nie verbogen und keiner Maschinerie unterworfen zu haben.

Kooperationen mit anderen Bands bzw. Musikern haben Krupps-Tradition. In der Vergangenheit mit Nitzer Ebb, Arthur Brown und Client, aktuell mit Eric Débris („Metal Urbain“) und Geoffrey D. („Dernière Volonté“). Wie kam es dazu? Jürgen erklärt: „Metal Urbain war immer eine meiner Lieblings-Punkbands.“ Schon in den 90er Jahren fragte er französische Journalisten, denen er Rede und Antwort stand, ob sie Eric Débris kennen würden. Allerdings ohne Erfolg. Doch viele Jahre später konnte Geoffrey D., dessen Musik Jürgen sehr schätzt, einen Kontakt herstellen. Mit der Neuinterpretation von „Panik“ schließt sich nun ein Kreis. Punk trifft Electro.

„Die Krupps sind eine Antifaschistenband“

„Die Krupps“ haben sich immer klar gegen rechte Gesinnungen positioniert. „Dernière Volonté“ hingegen wird von mancher Seite genau diese Gesinnung vorgeworfen. Im September letzten Jahres wurde aus diesem Grund sogar ein Konzert des französischen Projekts in Berlin abgesagt. Jürgen war durchaus bewusst, dass diese Zusammenarbeit Fragen aufwerfen würde. Doch die Behauptungen sind „absolut an den Haaren herbeigezogen“. Er weiß, dass Geoffrey D. nichts Politisches im Sinn hat. Auch Eric Débris, der mit „Metal Urbain“ linken Anarcho-Punk gespielt hat und Geoffrey D. lange kennt, hat ihm dies bestätigt. Es sei wohl richtig, dass „Dernière Volonté“ auf zweifelhaften Compilations vertreten waren. Allerdings hat eine Band darauf oftmals keinen Einfluss. Jürgen betont, dass er äußerst sensibel ist, was das Thema „rechte Gesinnung“ betrifft. Wie schnell man in die rechte Ecke gestellt wird, weiß er jedoch selbst genau. So wurde im Vorfeld eines Konzerts in der Schweiz unterstellt, die „Krupps“ wären eine Naziband. Sie würden ja schließlich die Endlösung predigen. Wie konnte es zu dieser abwegigen Annahme kommen? Ein Journalist hat aus dem Albumtitel „Final Option“ „Final Solution“ gemacht. Gerne möchte man hier an mangelnde Englischkenntnisse glauben, doch wahrscheinlicher erscheint die Gier nach einer reißerischen Meldung. Wurden doch auch sonstige offensichtliche Hinweise, wie beispielsweise das „Stop Facism“-Logo auf der Rückseite der Veröffentlichung oder den Text des Stücks „Fatherland“, ignoriert.

Die Positionierung gegen Faschismus, Rassismus und Ausländerhass ist Jürgen Engler immens wichtig: „Die Krupps sind eine Antifaschistenband.“ Auf ausländerfeindliche Äußerungen reagiert er allergisch. Er weiß, wovon er spricht: „Ich bin zwischen solchen Menschen aufgewachsen.“ In Deutschland sei alles noch vorhanden, nur viel subtiler. Und die Propaganda-Maschinerie funktioniert nach wie vor. Allerdings viel raffinierter und smarter als unter Goebbels. Zwar will man sich von der deutschen Vergangenheit lösen, doch noch immer stecken in den Köpfen vieler Durchschnittsbürger Ignoranz und Arroganz.

So ist es nicht verwunderlich, dass die Industriellendynastie Krupp nicht nur für den Bandnamen Pate stand, sondern auch in den Texten thematisiert wird. Ist sie doch Sinnbild für deutschen Fleiß, Stahl und Schweiß, ebenso wie für Aufrüstung und das Anschieben der Kriegsmaschinerie im zweiten Weltkrieg, aber auch schon weit davor. Auf dem aktuellen Album widmen sich diesen kontroversen Aspekten die beiden Stücke „Im Schatten der Ringe“ und „Essenbeck“ – inspiriert von dem Film „Die Verdammten“ aus dem Jahre 1969, wobei hier die fiktive Familie Essenbeck (angelehnt an die Familie Krupp) aus Profitgier gemeinsame Sache mit den Nationalsozialisten macht.

Für diverse deutsche Firmen spielt Rüstung nach wie vor eine erhebliche Rolle. Aktuell liegt Deutschland in der Statistik der Waffenexporte auf Platz drei, was höchstens halbherzig und inkonsequent diskutiert bzw. kritisiert wird. Totschlagargumente sind letztendlich immer die Arbeitsplätze, die verloren gehen, wenn man auf diesen Industriezweig verzichten würde. Wie wird dieses Thema in Jürgen Englers Wahlheimat – kein Land hat mehr Waffenexporte – behandelt? Der Musiker verweist darauf, dass die USA nicht als Land gesehen werden kann. Es ist ein Kontinent – zig Mal größer als die Bundesrepublik. Ein Kontinent voller extremer Gegensätze. Ein Teil spricht sich strikt gegen Waffen aus, die Republikaner dafür. „Die haben ja auch alle Waffen zuhause und die Bibel.“ Seit er in den USA lebt, hat er nie eine Schießerei erlebt, nicht einmal eine Schlägerei. Umso mehr ärgert ihn die mediale Darstellung, in der das Bild eines Landes voller Gewalt und schießwütiger Bürger gezeichnet wird – im krassen Gegensatz zum „zivilisierten“ Deutschland. Medien betrachtet Jürgen Engler sehr kritisch. Behauptungen hinterfragen und das Nutzen unterschiedlicher Quellen ist oberste Pflicht. Schließlich werden Worte und Tatsachen so lange verbogen und verdreht, bis es den verantwortlichen Journalisten passt. Letztendlich geht es nur um die „fette Schlagzeile“, die den Verkauf anschiebt.

Bei den Vorbereitungen für dieses Interview schwelgte ich in Erinnerungen. Ein Auftritt der „Krupps“ im Jahre 1997 in Chemnitz hat sich in mein Gedächtnis gebrannt. Auch Jürgen erinnert sich sofort. Damals beendete bedauerlicherweise ein Stromausfall im gesamten Stadtteil das überaus stimmungsvolle Konzert. Man munkelt, dass hierfür der Veranstalter vergangener Auftritte, der sich übergangen fühlte, verantwortlich war. Mit zwei Taschenlampen musste die Band, die übrigens mit der Wahl des Veranstalters nichts zu tun hatte, hinter der Bühne ihre Sachen zusammensuchen. Doch glücklicherweise blieben Musiker wie Konzertbesucher bei der kürzlich beendeten Tournee durch Europa von Stromausfällen und ähnlichen misslichen Ereignissen verschont. Und Jürgen Engler konnte sich zudem darüber freuen, dass die neuen Titel vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen wurden.

Ostara – Göttin des aufsteigenden Lichts

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Nach so viel tiefschürfenden Diskussionen ist es Zeit für etwas Aufhellung. Man nennt es Frühlingsanfang, doch das dieser Tag etwas besonderes ist, wusste man schon vor sehr langer Zeit. Auch heute noch huldigen neuzeitliche Hexen und Hexer Ostara, der Göttin des aufsteigenden Lichts. Das Ostarafest aus dem Wicca-Jahreskreis wird vom 20. März bis zum 23. März gefeiert und steht für die Tagundnachtgleiche – der Tag, an dem der lichte Tag und die Nacht gleich lange dauern. Die Tage sind nun schon spürbar länger geworden und die meisten Pflanzen erwachen langsam aus ihrem Winterschlaf. Bis Ostern, so die Metereologen, könnte es noch schneien, doch Sonne und steigende Temperaturen künden jetzt schon vom unmittelbar bevorstehenden Frühling. Ostara ist das Fest für den Frühling, ein Fest der Fruchtbarkeit und ein Fest des Wachstums.

Woher der Name Ostara stammt, ist nicht wirklich geklärt, womöglich hat die Sonne im Osten zur Namensgebung beigetragen. Eine weitere Möglichkeit der Deutung ist die germanische Frühlingsgöttin Ostara, die von einem gewissen Jacob Grimm 1835 geprägt wurde. Er verweist in seiner Arbeit „Deutsche Mythologie“ auf den Mönch Beda Venerabilis, der die Herkunft des Wortes „Easter“ (Ostern) mit einer früheren germanischen Göttin namens „Eostrae“ erklärte. Grimm, ein glühender Anhänger der deutschen Romantik, war sehr interessiert an der germanischen Religion und kam in seinem Buch über die deutsche Mythologie von 1835 zu folgenden Schluss: „Ostara, Eástre mag also Gottheit des strahlenden Morgens, des aufsteigenden Lichts gewesen sein, eine freudige, heilbringende Erscheinung, deren Begriff für das Auferstehungsfest des christlichen Gottes verwandt werden konnte„, die Erfindung der Göttin „Ostara“ des frommen Mönchen Breda lehnte er als zu unwahrscheinlich ab, offensichtlich wurde die Romantik von schnöden Indizien zerschlagen.

Ganz offenkundig ist jedoch die Verbindung mit dem christlichen Osterfest, das ebenfalls im Ostara herumgefeiert wird und den einst heidnischen Brauch vermutlich im Laufe der Jahrhunderte abgelöst hat. Das heutige Osterfest bedient sich in seiner Symbolik immer noch seiner heidnischen Abstammung, so symbolisieren die Eier Fruchtbarkeit, während die Hasen für Fortpflanzung stehen.

Während das christliche Fest seit jeher die Auferstehung Jesu (Ostersonntag) in den Mittelpunkt stellt, geht es bei Ostara um die Wiedergeburt der Natur im Zyklus der Jahreszeiten. Auch heute ist der Beginn des Frühling noch mit unzähligen Ritualen belegt. Mit dem „Frühjahrsputz“ befreien wir uns nicht nur von Dreck und Schmutz im physischen Sinne, sondern bereiten uns auch spirituell auf das Erwachen ein. Sogar der Körper reagiert, denn die „Frühjahrsmüdigkeit“ ist eine unmittelbare Folge des sich ändernden Hormonhaushaltes, wenn die Tage wieder länger werden.

Deutet man „Ostara“ mit Hilfe der Runenzeichen, lassen sich weitere Bezüge zum Frühling herstellen. Die Rune „Os“ steht für Geburt, Erde oder Entstehung, während die Rune „Tar“ auch „zeugen“ heißen kann. Im weitesten Sinne kann man also von einer Zeugung der Erde sprechen, die Befruchtung des Bodens, die letztendlich mit der Ernte abschließt.

Besonders abergläubische Bauern in manchen Gegenden unseres Landes leben selbst 2014 noch den Brauch der Feldweihe, die traditionell zu Ostara durchgeführt wird. Da der Frühling bald beginnt, segnen die Bauern ihre Felder. Dazu laufen sie um ihre Felder herum und weihen diese an allen vier Ecken mit heiligen Kräutern, wie Pfefferminze, Schlüsselblume oder Ästen des Weidenbaumes und einer Kerze, die in den Boden gesteckt wird. Damit bitten sie um eine reiche Ernte und Schutz ihrer Saat vor Unwettern.

Viele dieser Rituale und Traditionen sind im Laufe der Jahrhunderte untergegangen. Im Laufe der Menschheitsgeschichte schickten sich Religionen und Institutionen immer wieder an, diese Feiertage naturreligiöser Völker zu annektieren und für ihre Zwecke umzudeuten. In christlichen Breiten zelebrieren wir im dem Osterfest den Tod und die Wiederauferstehung Jesus Christus und folgen damit dem Ritus von Tod und Wiedergeburt, ganz so, wie Ostara es vorgesehen hat.

Doch es bleibt beim „Glauben“, denn wie es bei Traditionen, Brauchtümern und Symbolen nun mal so ist, lässt sich das Meiste nicht belegen, beweisen und für jede These gibt es unzählige Argumente und Gegenargumente. Egal welcher Religion ihr euren Glauben schenkt, egal was oder wen ihn verehrt, den Frühlingsanfang hat man immer schon zelebriert. Nehmt mit, dass im Frühling das „Neue“ wächst und gedeiht, während das „Alte“ in seine Bestandteile zerfällt. Das sollten wir mit Gedanken gelegentlich auch einmal machen.

Izzie Adams – Gender? Fucked!

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Liebe Gemeinde, wir haben uns heute hier versammelt, um einmal ganz unorthodox unser Augenmerk auf das Thema der Geschlechterrollen (Gender) in der schwarzen Szene zu lenken. Mein Name ist Izzie Adams, 25 Jahre und von Beruf Mediengestalter sowie leidenschaftlicher Künstler – und ich werde heute ein umfassendes Geständnis ablegen.

Den folgenden ersten Eintrag habe ich bestimmt mindestens zehnmal umformuliert, umstrukturiert und gedanklich definitiv viele weitere Male komplett auf dem Kopf gestellt und umgekrempelt. Wo fängt man bei einem Thema wie dem, welches ich hier ansprechen möchte, am besten an? In wie fern greift man erklärend vor, wie viel Hintergrundwissen traut man dem Leser zu?

Fragen, die mir einigen Kopfschmerz bereitet haben – bis ich mir schließlich dachte „Weißte was, Izzie? Scheiß drauf.“ Und dabei verbleibe ich, mit Verlaub, nun. Es würde zu lange dauern, alles durchgehend zu erklären und zu beschreiben. Nicht umsonst gibt es an der Universität ganze Lesungen und Kurse zu „Gender studies“.

Gender? Fuck!

Robert ließ bei unserer Diskussionsrunde zu diesem Thema kürzlich durchscheinen, dass er persönlich diesen Begriff etwas harsch und unästhetisch findet, ihn als sehr aggressiv und provokant empfindet. Damit hat er durchaus Recht, und doch muss ich ihm in einem Punkt widersprechen: Zu mir passt die seichtere Variante, Genderbend oder Genderfluid, einfach absolut nicht.

Ich will es aggressiv, auffallend, provokativ. Warum? Weil ich genau weiß, dass es da draußen noch einige Personen wie mich gibt, die sich jedoch nicht ans Licht wagen, weil über uns nicht (oder zumindest so gut wie nie) gesprochen wird. Weil wir nicht für voll genommen werden, in Frage gestellt werden, man uns nicht ernst nimmt und sich die Freiheit nimmt zu behaupten, besser zu wissen wer wir sind, als wir selbst. Weil die Gesellschaft vom Konstrukt der Gender-Binary (Männlich und Weiblich) regelrecht zerfressen und besessen ist. Aus diesem Grund müssen wir laut sein, aggressiv, auffallend und provokant.

Wer aber sind „wir“ denn überhaupt?

Izzie Adams- Feminin Style
Lange Zeit habe ich gehadert, ob ich jemals ein „Coming Out“ haben sollte

Frau-zu-Mann Transgender, die dem sozial genormten und geformten Bild der strotzenden Männlichkeit nicht zu 100% entsprechen – und es auch gar nicht wollen. Männer, die im Körper einer Frau geboren wurden, aber keine Angst vor dem weiblichen Aspekt haben, der nun mal jedem innewohnt – dem einen mehr, dem anderen weniger.

Wie passt das alles überhaupt zusammen? Wie kann man sich als Mann fühlen und dennoch in nahezu komplett weiblicher Aufmachung feiern gehen? Was soll der ganze Zirkus? Und was zum Geier hat das mit der schwarzen Szene zu tun?

Auf all diese Fragen möchte ich in diesem (und folgenden) Beiträgen ausführlich eingehen. Ich möchte erklären, wie mein Platz in der schwarzen Szene mir mit meiner Geschlechtsidentität hilft, wie sie direkt mit meinem Selbstbewusstsein verknüpft ist und wie sie zu einem Ausdruck meiner Persönlichkeit, meines ICHs geworden ist.

Lange Zeit habe ich gehadert, ob ich überhaupt jemals ein „Coming Out“ haben sollte. Inzwischen ist mein Passing (das Erkannt werden als Mann im Alltag) durchweg gut und positiv, ich werde problemlos mit ‚Herr‘ und den anderen mir entsprechenden Pronomen angesprochen und fühle mich damit mehr als wohl. So hat es schon seit meiner Geburt sein sollen.

Zugegegben – ich habe auch heute noch Angst, dass man mich nach dem Coming Out nur – oder zumindest oft – als „die, die mal nen Mädel war“ und „der, der transsexuell ist“  sieht – und nicht einfach als Mann. Der Stempel der Transsexualität wird einem nur zu schnell und zu gerne aufgedrückt, es ist unfassbar, wie sensationsgeil die Menschen werden, wenn sie plötzlich eine „Transe“ (böses Wort, besonders in dem Zusammenhang. Pfui. Nicht benutzen wenn nicht ausdrücklich gewünscht, vertraut mir) kennt. Aber ich weiß auch, dass sich das Bild über Männer wie mich in der Gesellschaft nicht ändern kann, wenn niemals jemand darüber spricht. Dass viele Transmänner (und sicher auch Transfrauen, die gern ihre maskulinere Seite ausleben) glauben, sie wären „verkehrt“ und nicht „wirklich trans*“, weil sie sich nicht vor allen Aspekten ihres biologischen Geschlechts ekeln und distanzieren.

Es ist ein wichtiges Thema und aus diesem Grunde habe ich mich entschlossen, es offen anzusprechen und publik zu machen.

Demonstrierte Akzeptanz

Bevor ich den Bogen zurück zur schwarzen Szene schlage, würde ich gerne ein paar Aspekte meines bisherigen „Werdegangs“ zum Mann und meinen Erfahrungen, zum Teil alltäglich, zum Teil in der Szene, etwas näher schildern. Immerhin habe ich in den ersten paar Absätzen dieses Beitrags schon mit einer Menge Fachbegriffen und sicher auch mit vielen Aspekten, die für einige absolutes Neuland sind, um mich gefeuert.
Davon, meinen trans* Lebenslauf – der übrigens für sämtliche Papiere und Operationen vom Staat und anderen Institutionen gefordert wird – hier niederzuschreiben, werde ich absehen. Das wäre dann doch zuviel des Guten.

Wichtig ist in meinem Falle definitiv, dass ich sehr, sehr lange Zeit nicht einmal wusste, dass es überhaupt möglich ist, sein Geschlecht zu ändern. In dieser Hinsicht war ich absolut unaufgeklärt, was sicherlich auch daran liegt, dass trans* Menschen oftmals bevorzugt still und leise ihre Geschlechtsangleichung vornehmen und dann in ihrem eigentlichen Geschlecht leben, ohne jemals die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, dass transgender einfach ein sehr, sehr großes Thema ist.
Ich will das auch niemandem verübeln, wie bereits gesagt fällt auch mir dieser Schritt recht schwer.

Es ist aber auch nach wie vor in der Öffentlichkeit eher ein Tabuthema. Kaum jemand weiß, wie man damit umgehen soll, wenn sich plötzlich ein Familienangehöriger, Bekannter oder Mitarbeiter als trans* outet und darum bittet, ihn oder sie mit einem neuen Namen und anderen Pronomen anzusprechen. Aus Herr Arne Müller wird auf einmal Frau Isabelle Müller – und alle Beteiligten stehen meist mit einem aufgesetzten und hilflosen Lächeln und tausenden Fragezeichen auf der Stirn da. Auch hier ist der zwischenmenschliche Dialog das A und O. Schockierend, ich weiß. Nehmt euch Zeit, das zu verarbeiten. ;0)

So albern das klingt – die häufigste Reaktion, die ich erlebt habe war zunächst augenscheinlich demonstrierte Akzeptanz (man will ja nicht als Arschloch gelten), darauffolgendes totschweigen des Themas und schließlich Ignoranz. Dass man nicht erwarten kann, dass Anrede, Name und alles drum und dran von jetzt auf gleich adaptiert wird, ist klar. Das Problem ist aber viel tiefgreifender – blicken wir doch mal auf die 60er / 70er zurück. Wie war da das Verhalten gegenüber Schwulen und Lesben? Wie war es, wenn man auf einmal einen „Ausländer“ als den neuen Freund oder die neue Freundin vorstellte oder, Gott bewahre, selbige auch noch ehelichen wollte? Geschichte wiederholt sich und auch wenn wir, zumindest hier in Deutschland oberflächlich betrachtet, in den meisten Gegenden keine direkte Gewalt gegenüber trans* Menschen befürchten müssen, so bedeutet das nicht, dass wir von Akzeptanz oder gar Toleranz sprechen können.

Mädchen sind doof

Izzie Adams - Masculin Style
…ich habe leidenschaftlich Barbies gesammelt und war auch brennender Sailor Moon Fan. Nichts, wofür ich mich schämen würde; warum auch?

Dass mit mir etwas nicht stimmte, war mir schon mit etwa 9 Jahren klar. Ich wusste es aber nicht zu artikulieren und habe mir zumeist auch nichts dabei gedacht, dass ich eben doch lieber mit Autos spielte und meine Mutter zum Frisör schleifte, um mir die Haare ganz kurz schneiden zu lassen. Auch dass ich meist mehr Jungs als Mädels befreundete, war für mich völlig normal. Mädchen waren immer irgendwie doof und hatten nur langweilige Hobbies.

Sicherlich hatte ich hier und da durchaus mädchenhafte Interessen – ich habe leidenschaftlich Barbies gesammelt und war auch brennender Sailor Moon Fan. Nichts, wofür ich mich schämen würde; warum auch? Heute male ich mir das Gesicht bunt (naja, so bunt wie schwarz-grau-Töne es eben erlauben) an und benutze sogar manchmal knallroten Lippenstift.

Und nun? Sicher halfen diese ganzen „Ausrutscher“ ins Feminine meinem persönlichen Findungstrip im Hinblick auf meine Geschlechtsidentität nicht wirklich, aber mit etwa 19 Jahren erreichte mich, dank Internet und modernen Medien, dann auch endlich ein erster Einblick in die Möglichkeiten der Geschlechtsumwandlung. Ich begann, mich zu informieren, mich einzulesen und ernsthaft nachzudenken. Es passte, machte Sinn und auch wenn ich Anfangs einen kleinen Stich des Zweifels verspürte (denn immerhin schminkte ich mich zum Ausgehen doch gern?), so überwiegte nachher doch mein Gefühl.
Zu dem Zeitpunkt habe ich bereits seit etwa 2-3 Jahren täglich meine Brust abgebunden und versucht, einen möglichst tiefen Klang meiner Stimme zu erreichen. Zum Vergleich: Meine geschlechtsangleichende Brustoperation ist jetzt 6 Wochen her, ich habe also insgesamt etwa 8 Jahre meine Brust abgebunden. Es bleibt zu hoffen, dass daraus keine bleibenden Haltungsschäden entstanden sind, was durchaus passieren kann.

Zeitgleich mit dem Coming Out als Transmann bei Familie und Freunden habe ich auch wieder damit angefangen, auszugehen. Zuvor habe ich mich sehr lange Zeit praktisch zu Hause vergraben und bin nur für Schule / Universität bzw. später Ausbildung aus meinem Loch herausgekommen.
Ich habe die schwarze Szene für mich neuentdeckt, nachdem ich jahrelang keinen wirklichen Bezug zu ihr hatte und fühlte mich so unglaublich zu Hause, so „angekommen“, wie noch nie in meinem Leben.
Hier traf ich in den Clubs genau die Sorte Jungs an, wie ich auch einer sein wollte. Hier scherte es niemanden, wie feminin man aussah, wie viel Makeup man sich ins Gesicht schmieren wollte, wie die Haare aussahen… androgyne Erscheinung steht in der schwarzen Szene schließlich, besonders bei den Männern, sehr oft an der Tagesordnung.
Es half mir in der ersten Zeit meiner Geschlechtsumwandlung unwahrscheinlich, dass ich beim Ausgehen meist ohne Probleme als Junge wahrgenommen wurde, weil es niemanden kümmerte, dass ich eine eher hellere Stimme hatte. Bartwuchs sieht man auch eher selten, also noch ein Punkt, auf den niemand achtet.
Ich konnte ganz ohne OP, ganz ohne Hormontherapie ich selbst sein, akzeptiert und erkannt werden – Dinge, die mir im Alltag nicht gegeben waren.
Die schwarze Szene ist in dieser Zeit für mich zu einem zu Hause geworden, einem Hafen, zu einer – so kitschig es klingen mag – Hoffnung und einem Strohhalm. Sie hat zu großen Teilen dabei geholfen, dass ich nicht verzweifelt bin, dass ich meinen Weg mit zunehmendem Selbstbewusstsein gehen konnte und wusste, dass ich mein Ziel auch erreichen würde.

Bis ich dort angekommen bin, wo ich mich jetzt befinde, sind insgesamt 3 Jahre Ämter, Gerichte, Psychologische Gutachten, Sitzungen beim Psychologen, Tränen, Schweiß, Angst und eine Menge Ärger mit den jeweiligen Institutionen ins Land gegangen. Es war alles andere als einfach, aber wenn ich jetzt zurück blicke, hat sich all das gelohnt. Ich bin jetzt an einem Punkt, an welchem ich mit einem Lächeln nicken kann und sagen kann „Ja, so ist es gut.“

Robert hat mir für diese Beitragsreihe vorgeschlagen, dass ich die Einträge ein wenig in „Tagebuchform“ verfassen könnte. Nachdem ich mit diesem Artikel eine gewisse Basis für das Thema und über mich geschaffen habe, würde ich gerne wie angekündigt künftig den Bogen zurück zur Szene schlagen und intensiver über mein Leben in ihr und mit meiner Geschlechtsidentität berichten. Wo genau mein nächster Eintrag thematisch angesiedelt sein wird, kann ich noch nicht sagen, aber ich bin auch durchaus dafür offen, detaillierter auf Rückfragen / bestimmte Aspekte einzugehen. Wer also einen Vorschlag machen möchte, darf mich gerne kontaktieren :-)

Informative und nützliche Links zum Thema Transgender:

Hilfreiche Begriffserklärungen zum Thema Gender, Trans* und dergleichen

Englischsprachige Seite eines Transmannes, sehr informativ (Schwerpunkt Ernährung und Workout, aber auch Basics)

Frau-zu-Mann Forum, nicht nur für Transmänner, sondern auch Angehörige

Trailer zum Film „Romeos“ – ein wundervoller Film über einen schwulen Transmann, den ich jedem nur wärmstens ans Herz legen kann.

Mein schaurig schönes Tagebuch – Episode 3: Höfliche Homophobie

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Liebes Tagebuch, neulich sprach ich mit einem guten virtuellen Freund über mögliche Themen für eine kritische Auseinandersetzung mit dieser unserer Szene. Ich warf das Stichwort „Homophobie“ in den Raum und hoffte auf feurige und unterstützende Resonanz. Zugegeben, mein eigener Standpunkt war mir so sonnenklar, dass ich gar nicht auf die Idee gekommen bin, eine andere Meinung zu hören. So schoss meine Euphorie ins Leere: Natürlich, so entgegnete mein Gegenüber, gäbe es bei den Gothics Homophobie, schließlich bildet die Szene „auch nur einen Schnitt durch die Gesellschaft“ daher war dieses Thema für ihn gar nicht feurig, wie ich es mir erhofft hatte. Aus Mangel an Gegenargumenten wusste ich nicht, was ich dazu schreiben sollte und begnügte mich zunächst damit, andere Themen vorzuschlagen. In meinem Kopf rumorte es aber fürchterlich: „Schnitt durch die Gesellschaft“ Hallte es durch die geistigen Hallen – „Pah!„, sagte das Herz erbost, „der spinnt doch! Wir sind anders, außergewöhnlich und hintergründig!“ – „Blödsinn…„, entgegnete der Verstand lapidar, „…er hat völlig recht. Gothic ist allenfalls eine schwarze Feierkultur von den gleichen Homophoben Spinnern die du in jeder Fußgängerzone triffst.“ – Das Herz fiel dem überheblich wirkenden Verstand ins Wort: „Goth bewahre! Wir sind ein tiefgründiges Sammelbecken für Andersartigkeit, deshalb fühle ich mich doch so wohl!“ Und während sich der Verstand und das Herz so zankten, fühlte sich ein paar Etagen tiefer der Bauch immer unwohler. Erst als er sich zu heftiger Übelkeit hinreißen ließ, schenkten ihm die Streithähne Aufmerksamkeit. „Einigt euch bitte endlich. Das macht mich ganz bekloppt.

Natürlich hat mein virtueller Freund recht, doch diese Tatsache stimmt mich traurig. Wollten wir nicht anders sein? Tragen wir nicht schwarz, weil wir alles das, was uns an der „normalen“ Gesellschaft stört ablehnen? Ist die Szene nicht ein schwarzes Becken voller introvertierter Spinner, depressiven Nihilisten und latenten Misanthropen? Verhüllten wir nicht einst unsere Körper in langen schwarzen Gewändern um den Blick vom unwesentlichen Abzulenken?

Das letzte WGT empfand ich als homophobe Katastrophe. Ich erinnere mich gut an die kleinen Messerstiche die ich aufschnappte. „Was wollen DIE denn hier?“ – „Die gehören nicht zu meiner Szene.“ – „Was hat denn das mit Gothic zu tun?“ Ich weiß noch wie verstört ich war, als ich realisieren musste, dass es manche Leute ernst meinten. Die andere Seite machte es unterdessen nicht besser, denn die aufwendig gestylten „Genderfucker“ in ihren Reifröcken echauffierten sich offensichtlich über einen alternden Herrn der selbstzufrieden in einem schwarzen Kleid, Nylonstrümpfen und höllischen High-Heels über die Agra stolzierte. Selbstverliebte Arschlöcher. Ja, wir sind eine visuelle Szene, in der Outfit, Kleidung, Make-Up und Schmuck eine zentrale Rolle spielen. Das will ich auch gar nicht aus der Welt räumen, denn ein extremes „Zurechtmachen“ ist für mich stilprägendes Element der Gothic-Szene. Aber was für eine Rolle spielt die geschlechtliche Identität? Ist es nicht völlig egal ob jemand dick oder dünn, Mann oder Frau oder was auch immer ist? Ist das Spiel mit dem Geschlecht nicht sogar ein Merkmal der Szene?

Die Höflichkeit an der Sache

In der Tram machen die Gothic immer Platz für ältere Menschen, sie stehen brav in der Schlange vor den Kassen, prügeln sich nicht und pöbeln auch nicht rum. Ich fand es immer schon toll, wenn man höflichen Menschen begegnete. Ich glaube, das habe ich von meiner Mutter, denn die war selbst in größtem Stress höflich, auch zu dem Busfahrer der sie einst anbrüllte, als ich mich als 7-jähriger partout nicht in den Bus ziehen lassen wollte. Mit jedem neuen Jahrzehnt, dass seit dieser Zeit verstrichen ist, wurden die Menschen unhöflicher. Die Arbeitswelt erzieht uns zu verbitterten Einzelkämpfern. Die einzige Gemeinsamkeit sind die Schlagzeilen der BILD, die dazu animieren sich gemeinsam über den Steuerbetrug eines Fußball-Club Präsidenten aufzuregen. Jahr für Jahr habe ich es als Wohltat empfunden, über Pfingsten von so höflichen Menschen umringt zu sein!

Sollte es das gewesen sein? Ist Höflichkeit der einzige Codex der sich zwischen unzähligen Musikstilen, Subkulturen und Splittergruppen finden lässt? Sind wir höfliche Homophobe?

Geht alle weg. Verschwindet mit eurer geheuchelten Höflichkeit. Wir wäre es mit echter Toleranz gegenüber allen Menschen in der Szene und gelebter Intoleranz gegenüber dem „Schnitt durch die Gesellschaft“. Höflichkeit ist auch eine Maske, eine Maske hinter der man sein wahren Emotionen verbirgt. Höflich und freundlich lächelt man dem schwulen Gothic-Paar zu während man sich hintergründig fragt „Muss das denn sein?“ Manchmal denke ich, dass ich mich ziemlich lächerlich damit gemacht habe den Cybergothics ein eigenes Refugium schmackhaft zu machen. Oder meine anfänglichen Erklärungsversuche der Gothic-Szene. Wie ich alles relativiert habe. „Eigentlich sind wie gar nicht so anders wie normale Leute.“ Von manchem Text den ich der Öffentlichkeit andrehte, wird mir heute noch schlecht. Lasse ich aber alles drin, wir wollen ja ehrlich bleiben und gelegentlich tut es gut, aus seinen niedergeschriebenen Fehlern zu lernen.

Haut ab! Bleibt mir mit euren komischen und eingefahrenen Ansichten von Geschlecht, Identität und Sexualität vom Leib, ihr könnt eure Meinung gerne eintuppern. Beim Sex ist alles erlaubt, was einem selbst und beiden gefällt. Welches Geschlecht man dabei hat, ist mir völlig egal. Liebe kennt kein Geschlecht. Gerade in der Gothic-Szene sollte man sich ernsthaft Gedanken darüber machen, wohin die Reise gehen soll. Gothic ist für mich auch die Freiheit so zu sein, wie man ist. Gothic ist für mich, das Innerste auch visuell nach außen zu tragen. An alle Leute, die mir vordergründig höflich begegnen und sich nachher über mich aufregen, weil ich so tuckig bin, Damenstrumpfhose trage oder High Heels liebe: Verpisst Euch! Bitte. Wir wollen ja höflich bleiben.

Öfter habe ich schon überlegt, endlich mal einen vernünftigen Beitrag über dieses ganze Homophobie-Ding zu schreiben. Ich wollte aufklären und erklären, zeigen und darstellen. Bin ja selbst ein winzigklitzekleinesbisschen Queer. Aber mit viel Wohlwollen bin ich nur halb betroffen und finde mich wohl eher irgendwann in dem älteren Herrn wieder, der über die Agra stolziert. Dann traf ich Izzie Adams. Izzie hat eine Geschichte und er weiß sie zu erzählen, Izzie ist jung, tiefgründig und hat das nötige Feuer. Ich habe ihn gebeten, als Gastautor über seine Erfahrungen und seine Gedanken zu schreiben. Ich bin sehr froh, dass er zugestimmt hat. Ich freue mich auf morgen, denn da hat er Premiere.

Dienst für die Toten auf dem Wiener Friedhof der Namenlosen

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Beim Alberner Hafen im 11. Bezirk der Stadt Wien findet sich der Friedhof der Namenlosen. Hier wurden zwischen 1845 und 1940 Leichen begraben, die im Hafenbereich der Donau angeschwemmt wurden. Ein Wasserstrudel bei Stromkilometer 1918,3 sorgte dafür, dass an dieser Stelle immer wieder Ertrunkene an Land gespült wurden.

Ein reguläres Begräbnis gab es für die Leichen nicht, da es sich oftmals um Selbstmörder handelte, die nach christlicher Ansicht das Recht auf eine reguläre Beisetzung verwirkt hatten. 1900 gründete man unter freiwilliger Mitwirkung ortsansässiger Handwerker einen zweiten Teil des Friedhofs, weil der erste durch Hochwasser ständig zerstört wurde. Keine Leiche wurde verscharrt, alle wurden in einem schlichten Holzsarg beerdigt, die eine Tischlerei spendete.

Als 1939 große Neubauten im Alberner Hafen für sich ändernde Strömungsverhältnisse sorgten, wurden keine Leichen mehr angespült.  478 unbekannte Tote liegen auf dem Friedhof der Namenlosen begraben, 1940 wurde der Friedhof offiziell geschlossen, unbekannte Leichen wurden fortan auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben.

Liest man die Berichte über den Friedhof, so wird oft von einer eigentümlichen oder beklemmenden Stimmung berichtet: „Auf der einen Seite liegt beschauliche Ruhe über den meist schmucklosen Gräbern, auf der anderen Seite dröhnt tagsüber der Lärm des Hafenbetriebes. Auf manchen Gräbern liegen Blumen und Kränze. Auf den Täfelchen steht „Unbekannt“ oder „Namenlos“. Im Gegensatz zu anderen Friedhöfen ist diese letzte Ruhestätte mehr der Natur überlassen. Statt eines Grabsteins befindet sich auf jedem Grab das gleiche schmiedeeiserne Kreuz.“ Es ist erstaunlich, wie gut erhalten der Friedhof ist, der nie von einem öffentlichen Träger finanziert wurde.

Doch wer kümmerte sich um die Gräber? Von wem stammen die eisernen Kreuze mit den weißen Christusfiguren?

Josef Fuchs – Totengräber auf dem Friedhof der Namenlosen

Der Friedhof der Namenlosen ist auch die Geschichte des ehrenamtlichen Totengräbers Josef Fuchs, der den Friedhof bis zu seinem eigenen Tod im Jahre 1996 mit großer Hingabe pflegte und gestaltete. 60 Jahre lang opferte der Mann seine Zeit für ertrunkene Leichen ohne Namen.

Ich bin mir nicht sicher, welche Geschichte ich bewegender finde, die der namenlosen Toten oder die Geschichte eines Mannes, der sich leidenschaftlich für Menschen einsetzte, die er nicht kannte, die ihm nichts bezahlten und seine Dienste nie erwiderten. Mit 16 fand er seine erste Wasserleiche, als er am Ufer bei besagtem Stromkilometer Schilf schnitt. In einem Karton wurde ein toter Säugling angeschwemmt, den er auf dem Friedhof der Namenlosen beerdigte. Auch lange nach seinem Leben als Feuermann und Gendarm arbeitete Fuchs auf dem Friedhof und pflegte die Gräber. Für seine Arbeit erhielt er vom Land Wien das Goldene Verdienstzeichen.

1986 wurde der Friedhof unter Denkmalschutz gestellt. Doch was dem verstorbenen Fuchs viel wichtiger ist als Prunk und Anerkennung sind seine Nachfolger, die die Gräber auch heute noch pflegen.

https://www.youtube.com/watch?v=Xx6rOf9ag00

Der Fall des alten Friedhofs spiegelt übrigens ganz besonders den Zwiespalt in unserer Gesellschaft. Seit über 150 Jahren wurde das winzige Areal direkt am Hafen der Donau von Menschen gepflegt, besucht und belebt. Kein Reiseführer ohne einen Hinweis auf den zugewucherten Originalfriedhof. Anfang 2013 wurde der alte Friedhof gerodet und planiert, die Stadt erklärt: „Es lagen alle erforderlichen Genehmigungen vor.“

Zurück bleiben die Namenlosen und die Menschen, die Leidenschaft, Herz und Arbeit für etwas investierten, was ihnen wichtig erschien. So wie Josef Fuchs, der sich nie mit dem brüstete, was er tat. Ein Mensch mit Mitgefühl und Courage. Auf der anderen Seite die, die nicht nachdenken und sich im Zweifelsfall hinter Gesetzen verstecken. Menschen, die ohne Rückgrat dem folgen, was ihnen diktiert wird.

HINWEIS: Wie die Hafen Wien GmbH mir mitteilt, ist sie Eigentümer des Friedhofs und möchte, dass ich folgende Hinweise publiziere: „Das Betreten des Grundstücks erfolgt auf eigene Gefahr. Bitte beachten Sie die Zugangsbeschilderung über den Damm. In Ausnahmefällen kann der Zugang wegen Umschlagsarbeiten gesperrt sein.  Aufnahmen (Film, Foto, Ton) sind nur zu privaten Zwecken gestattet. Für gewerbliche Zwecke benötigen Sie eine Genehmigung durch die Grundeigentümerin.

 

Interview mit Gotikatur – Ian’s Hände sind wie Drucker

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Eine Karikatur ist die komisch überzeichnete Darstellung von Menschen oder gesellschaftlichen Zuständen. Der Ian von Nierenstein ist so ein Karikaturist, der seine Vorlagen in einer der ernstesten, tiefgründigsten und humorlosesten Subkulturen findet, die dieser Planet zu bieten hat – der Gothic-Szene. Ian ist 25 Jahre alt und ein kreativer Tausendfüßler. Als Sänger und Songwriter der Band „Kaeltekammer“ machte er musikalische Schritte, mit dem „Mondboten„, seinem schwarzbunten Nachrichtenblog, hat er sich ein schreibendes Standbein geschaffen, während er mit den „Gotikaturen“ seinen zeichnerischen Talenten den Weg ebnet.  Zu allem Überfluss sieht sich der Mann mit dem breiten Grinsen auch noch als Teil dieser Subkultur und ist mit über 400 größtenteils geistreichen Kommentaren auch hier in diesem Blog sehr aktiv. Es ist offensichtlich, dass Ian von Nierenstein – den seine Freunde Jan-Erik nennen – einem erhöhten Mitteilungsbedürfnis Rechnung trägt und seine Umwelt mit einem der zahlreichen Projekte bereichert. Doch dann diese infame Unglaublichkeit! Nicht nur, dass Jan-Erik sein Pseudonym „Ian“ dem gruftigsten aller Sänger geklaut hat, neulich erdreistete sich der Schmierfink auch noch, mich – den Wizard of Goth – auf ein Blatt Papier zu bannen, zu überzeichnen, zu karikieren… Dem Leser dürfte an dieser Stelle nicht entgangen sein, dass ich mich meiner überspitzten Darstellung der Tatsachen eigentlich nur von der Tatsache ablenken möchte, dass ich mich wahnsinnig gefreut habe eine solche Karikatur über mich zu sehen. Ich bin sogar ein bisschen gerührt. Ein kleines bisschen. Genug Gründe, dem in der Nähe von Karlsruhe lebenden Studenten für Medien- und Kommunikationsinformatik ein paar bohrenden Fragen zum Thema Gotikaturen zu stellen.

Wie bist du überhaupt dazu gekommen, „Gotikaturen“ zu zeichnen?

Ich habe ja schon ewig gezeichnet, meine Eltern behaupten immer noch, ich hätte schon mit zwei Jahren ihr ganzes Papier vollgekritzelt und soweit ich persönlich zurückdenken kann, war ich immer der, der in Kindergarten, Schule oder sonstwo immer vor sich hingezeichnet hat. Irgendwann habe ich die Welt der Comics für mich entdeckt. Mitte der 90er fing ich an, Micky-Maus-Hefte zu sammeln, vom Künstler Don Rosa, der die Abenteuer des jungen Dagobert Duck als „Graphic Novels“ zeichnete, war ich ganz besonders angetan. Irgendwann kam dann auch noch eine mehrjährige Star Wars-Phase hinzu. Irgendwann habe ich durch die Artworks von Ingo Römling (Monozelle) den Bereich Cover-Gestaltung für mich entdeckt und finde die Kombination Comics und Musik einfach prickelnd. Da ich ohnehin öfters mal Karikaturen zeichne, fand ich die spontane Idee lustig, „Gotikaturen“ von Leuten speziell aus der schwarzen Szene anzufertigen. So sind dann die „Gesichter des Todes“ entstanden, ein Projekt, das ich die nächsten Jahre weiterführen möchte.

Wizard of GothDie schwarze Szene, in der du hauptsächlich deine Motive und Vorlagen findest, steht ja nicht gerade Synonym für Humor und lebendige Satire. Wie passen deine Gotikaturen in das melancholisch morbide Weltbild seiner Anhänger?

Genau darum! Weil man ja oft, als Außenstehender glaubt, da die „Schwarzkittel“ alle mit hängenden Mundwinkeln herumlaufen, müssen sie auch dementsprechend gestrickt sein. Ich persönlich kann da nur das Gegenteil behaupten. Die durchgeknalltesten und schwarzhumorigsten Wesen, die ich kenne, haben zumindest mit der „schwarzen Szene“ Kontakt. Auf die einen mag es zutreffen, aber irgendeine Art von trockenem Humor hat ja wohl jeder. Andererseits würde ich Karikaturen auch nicht unbedingt als etwas besonders wahnsinnig „lustiges“ betrachten. Sie sind eine verzerrte, übertriebene Darstellung von realen Menschen. Und gerade das skurrille und sarkastische ist ein wichtiges Element, das man im Düsterbereich schon immer hatte. Zumindest sehe ich das so.

Was hat die Gothic-Szene getan, dass sie einen offensichtlich lebensfrohen und heiteren Menschen wie Dich in ihren Bann gezogen hat? Bist du vielleicht gar nicht so fröhlich und hast noch eine dunkle und düstere Seite?

Ehrlich gesagt weiß nicht, wieso mich die schwarze Szene so fasziniert. Ich liebe einfach das, was ich darin sehen und hören kann. Ich kann da noch nicht einmal viel reininterpretieren sondern nur sagen, dass ich mich dort „verdammt“ wohl fühle. Ob ich nun ein besonders lebensfroher Mensch bin, weiß ich nicht. Vielleicht ist meine Welt auch eher „Wave“ als „Goth“. Schwarz zu sein gehört für mich jedenfalls dazu, ich möchte es nicht mehr missen. Auch wenn das alles komisch klingt, ich weiß nicht wie ich das sonst sagen soll.

Depeche Mode
Depeche Mode – Auch die drei Jungs aus Basildon mussten schon dran glauben.

Deine zahlreichen Projekte, die alle einen schwarzen Einschlag haben, kosten sicherlich viel Leidenschaft und Zeit. Oftmals frage ich mich, was die Menschen dazu bewegt sich für eine Sache so zu begeistern und warum sie soviel Energie in der häufig brotlosen Arbeit verwenden. Was steckt bei Dir dahinter?

Es bereitet mir einfach Freude ein Stück zur Szene beizutragen. Ich habe einen Kanal für meine Kreativität gefunden, in dem ich natürlich auch die Anerkennung genieße, die mir zuteil wird. Meine Hände sind wie ein Drucker für mein Gehirn, das von der Bilderflut entleert werden will! Ich finde, ich bekomme auch viel zurück, denn die vielen interessanten Menschen, mit denen ich über meine Arbeit ins Gespräch komme,  hätte ich sonst wohl nie kennengelernt.

Wie du bereits angedroht hast, wirst du in der Zukunft unter anderem deine „Gesichter des Todes“ weiterführen. Welche Pläne lauern noch in Deinem düster-lustigen Geist?

Ich würde gerne mal eine Ausstellung mit meinen Gotikaturen machen. Es haben sich ja bereits einige angehäuft und in Zukunft kommen sicherlich noch weitere hinzu. Auch über einen eigenen Comic habe ich bereits nachgedacht, einen entsprechenden Charakter gibt es schon.