Das Kellerverlies der guten Musik – oder: Wie ich Marcs „Formel Goth“ befreite

Verehrte Leserschaft, ich trete heute nicht als stolzer Wizard of Goth vor euch, sondern als reuiger Sünder. Was folgt, ist das Protokoll eines journalistischen Verbrechens. Es ist eine Geschichte von Unterschlagung, Unfähigkeit und Zerstreuung.

Vor geraumer Zeit legte mir mein geschätzter Autor Marc eine Ausgabe „Formel Goth“ auf den virtuellen Schreibtisch. Er war brillant. Eine feinste Auslese musikalischer Meisterwerke. Es war genau das, was die Welt brauchte. Und was tat ich? Habe ich es der hungernden Masse sofort präsentiert? Nein. In einem Anfall von Hochmut und einer Flut vermeintlich eigener Kreativität schob ich es beiseite. „Das veröffentliche ich später“, sagte ich mir. Eine Lüge, so alt wie die Menschheit selbst.

Das Manuskript rutschte in der Entwurfsliste nach unten. Dann auf Seite zwei. Seite zwei – der Marianengraben des Content-Management-Systems, wo das Sonnenlicht stirbt und gute Ideen im kalten Datengrab verrotten. Dort lag es, unter Schichten meiner eigenen, weitaus weniger genialen Geistesblitze, begraben und vergessen. Ein Opfer meiner organisatorischen Inkompetenz.

Doch heute, im Zuge der großen Jahresendreinigung, habe ich den Staub von den digitalen Akten gepustet. Und da war es. Vorwurfsvoll blinkte mich der Cursor an. Ich habe dieses Juwel unterschlagen, ich habe euch diese Musik vorenthalten, und dafür erbitte ich keine Vergebung – sondern nur, dass ihr nun, mit monatelanger Verspätung, diese Zeilen aufsaugt.

Hier ist er. Der verlorene Sohn der Musiktipps. Dark Wave Geheimtipps alias Marcs „Formel Goth“ – endlich befreit aus dem Kerker meiner Vergesslichkeit.

Vague Phonique – The Commander

Vague Phonique, das sind Valerio (Keyboards), Matthias (Gitarre) und Katharina (Gesang). Ende 2023 in Stuttgart gegründet und bei dem altehrwürdigen Label Danse Macabre unter Vertrag. Bisher gab es zwei als Doppel-Single ausgelegte Veröffentlichungen zum Download, unter anderem bei Bandcamp. The Commander gehört zusammen mit End Stage zur zweiten Charge und steht der Ersten, mit Prionen und The last Man bestückt, qualitativ in nichts nach. Die vier Songs laden mit ihrem melancholischen Sound zum Träumen ein. Gerade ist die Formation live ein wenig umtriebig und beispielsweise am 28.06.2025 in Karlsruhe als Support für Derrière le Miroir zu sehen. In diesem Sinne: Don’t let the bastards grind you down!

Dancing Plague – Days of Heaven

Der Frontmann des Ein-Mann-Projektes aus Portland, U. S. A. hört auf den Namen Connor Knowles und beglückt uns seit 2016 mit seiner Musik. Leider, oder zum Glück, erst Anfang 2024 durch das Stück Desire von der 2019er EP Sulker auf den Mann aufmerksam geworden. Auch der neueste Streich Days of Heaven schlägt in eine ähnliche Kerbe. Treibender Sound, perkussive Drums und tolle Stimme.

Hinfort – No Way Out

Hinfort ist ebenfalls ein Solo-Projekt – diesmal aus Köln. Der erste Song wurde im Oktober veröffentlicht. Schöner Dark Wave aus Deutschland. Bei einer Laufzeit von zweieinhalb Minuten kommt keine Langeweile auf. Wer ein Interview mit Flo, dem Menschen hinter „Hinfort“ lesen möchte, wird hier fündig.

Bonus weil alt: Delta Komplex – Metronome

Am Morgen des 18.09.2024 beförderte der Facebook-Algorithmus eine Anzeige in meinen News-Feed: In zwei Tagen sollten zwei Bands im Club unseres Vertrauens spielen. The Foreign Resort und Delta Komplex. Letztere waren mir bis dahin vollkommen unbekannt. Also Songs gegoogelt, Videos angeschaut und direkt in helle Aufregung verfallen. Bis dann gegen Nachmittag die bittersüße Erkenntnis einschlug: Die Kinder waren über das kommende Wochenende ausquartiert und der Freitagabend bereits mit meiner Frau verplant. Also statt Delta Komplex im Rind gab es Alien Romulus im CineStar. An dieser Stelle den Track Metronome stellvertretend für das ganze Album (Veils) – das man vollständig durchhören kann, ohne dass es Ausfälle oder Lückenfüller gibt. Hier wisst ihr schon beim Opener, woran ihr seid. Weitere Anspieltipps: Bitter Dripping und Empty Souls.

1998 in die Szene eingestiegen. Die folgenden Jahre habe ich intensiv Veranstaltungen und Konzerte besucht. 2017 habe ich eine Familie gegründet - keine Musik, keine Veranstaltungen, keine Konzerte, keine Festivals, keine eigenen Gedanken. Jetzt kehre ich endlich wieder zurück vor die Bühne.

Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.

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