Wie wir voller Vorfreude bereits berichtet haben, gibt es seit Anfang Mai den zweiten Band der „Dead Classics“ von Uwe Roesch mit dem Titel „Schwarzmaler“ käuflich zu erwerben. Es wird Zeit, den zeichnerischen „Vater“ von DEAD einmal näher vorzustellen. Glücklicherweise haben wir mit Uwe bereits für das Spontis-Magazin 2022 gesprochen und uns entschlossen, das Interview von damals nochmals online zu veröffentlichen.
Wie bist du zum Comic-Zeichnen gekommen?
Uwe Roesch: Gezeichnet und rumgekritzelt habe ich eigentlich schon immer. Kein weißes Blatt Papier war sicher vor mir. Das war dann aber eher für private Zwecke – Geburtstage und so. Bis mein Kumpel Ritchie aus Berlin seinerzeit auf die Idee kam, ein eigenes Comicmagazin herauszubringen. Er fragte mich, ob ich Lust hätte, mitzumachen. Ja, hatte ich. So entstanden 1989 und 1990 zwei Ausgaben von „Comic-Mag – das Comic-Magazin aus Ost-Berlin“. Darin ging es um Punk, Bier und Rock ‘n‘ Roll. Das kam ganz gut an, und ich wurde immer mal wieder gefragt, ob es denn nicht mal wieder was Neues von mir gäbe und dass ich unbedingt weitermachen solle.
Ein paar Veröffentlichungen gab’s dann noch in verschiedenen Publikationen und im halleschen Stadtmagazin „Halle anders“. Nachdem damit nach einem Jahr Schluss war, verschickte ich ein paar Comics an verschiedene Magazine. Naja – „Rufen Sie uns nicht an – wir rufen SIE an!“… Aber da ich die Zeichnerei ja nie zum Broterwerb betrieb, war das nicht so schlimm.
Wie wurde dann die Idee zu „DEAD“ geboren?
Uwe Roesch: Durch Zufall fiel mir 1995 bei einem Freund das „Zillo“ in die Hände, das er abonniert hatte. Bis dahin kannte ich das Magazin überhaupt nicht. Er erzählte mir, dass es im Zillo früher schon mal Comics gegeben hatte und ich es doch einfach mal da versuchen solle. Also tütete ich ein paar Zeichnungen ein (ja, damals ging alles noch per Post) und schickte sie hin. Easy Ettler, der damalige Herausgeber, war durchaus interessiert, fand aber die Sachen etwas zu punkig für ein Gothic-/Alternative-Magazin. Es sollte eher in die Gruft-Ecke gehen. Ja, das war dann die Geburtsstunde von DEAD. Später kam dann die Band „Three Little Pigs“ dazu, damit’s nicht zu einseitig wird.
Woher nimmst du die Inspiration zu „DEADs“ Geschichten?
Uwe Roesch: Naja, man geht ja mit offenen Augen durchs Leben, geht auf Konzerte, Festivals, das WGT und so weiter, und irgendwo im Hinterkopf sammeln sich Eindrücke und Erlebtes an. Zudem ist die Schwarze Szene mit allerhand Klischees behaftet, die ich gerne heranziehe. Aber ich muss zugeben, dass nur sehr wenige der DEAD-Ideen aus direkt Erlebtem resultieren. So wie der „Bilderbuch“-Gothic auf dem Festival, der mit der Rolle Klopapier in der Hand würdevoll Richtung Dixi schreitet. Das hat schon was Kurioses, finde ich. Aber letztendlich sind die meisten Ideen ein Ergebnis zahlloser Denkstunden am Schreibtisch.
Würdest du dich selbst als „Grufti“ bezeichnen?
Uwe Roesch: Nein, nicht im klassischen Sinne. Aber mit 58 Jahren zähle ich wahrscheinlich für manche schon wieder dazu, haha! Nein, ernsthaft: Meine jugendkulturelle und musikalische Sozialisation fand mit Bands wie Black Sabbath, Motörhead, Sex Pistols, Discharge usw. statt, also mit Schwermetall und Punkrock. Später gab es dann durch Bands wie Paradise Lost und Type O Negative auch Berührungspunkte zur Schwarzen Szene. Bei meiner Leidenschaft für härtere Düstermugge ist es auch bis zum heutigen Tag geblieben.
Also: „Grufti“ nein, aber ich fühle mich der Szene verbunden. Ich bin eher in einer verfallenen Burgruine als in Belantis anzutreffen, mag lieber Moll als Dur, und in meinem Kleiderschrank dominiert nach wie vor ein fröhliches Schwarz.
DEAD ist in der Szene sehr beliebt. Woran liegt das?
Uwe Roesch: DEAD ist einfach ein cooler, lässiger Typ, der sich mit alltäglichen und nicht alltäglichen Problemen als Grufti rumschlagen muss, die wahrscheinlich die meisten kennen und der eigentlich einfach nur in Ruhe gelassen werden will. Ich denke, viele erkennen sich und ihre Sichtweise in ihm wieder, und vielleicht auch die Reaktionen der Umwelt auf sie.
Außerdem besitzt DEAD einen subtilen, bisweilen sarkastischen Humor, der aber nie derb ist, niemanden verletzt, gemein oder fies gegenüber anderen ist – außer natürlich, derjenige hat’s eindeutig nicht anders verdient :) Abgesehen davon gibt es einfach nicht so viele Cartoons mit einem Grufti als Hauptfigur, die dann auch noch lustig sind!
Seit er 1995 zum ersten Mal im Zillo erschien, erzählt DEAD aus dem Szene-Leben. Wie hat sich die seit dieser Zeit in deiner Wahrnehmung verändert?
Uwe Roesch: Hmm, schwer zu sagen. Mein letzter Besuch auf dem WGT ist schon ein paar Jährchen her, und ich stehe da nicht mehr so wirklich im Stoff. Durch den Orkus halte ich mich ein bisschen auf dem Laufenden.
Ich habe mich ja immer gerne der gängigen Szene-Klischees bedient – und die haben sich in den Jahren eigentlich nicht großartig geändert. Ich habe aber den Eindruck, als teile sich die Szene in die „Alt-Gruftis“, die von Anbeginn dabei sind, also seit den 80er/90er Jahren, und diesen Lifestyle für sich zur Weltanschauung gemacht haben, und die „Mode-Gruftis“ und Mitläufer, für die das Ganze eine schicke Abwechslung vom Alltag ist, die die Musik und die Mode geil finden. Was ja auch an sich nichts Schlechtes ist – die meisten Jugendbewegungen und –trends definieren sich über Musik und Mode.
Aber ich finde, die Vermarktung und Kommerzialisierung hat gegenüber den 90er Jahren schon sehr zugenommen. Sein Gruft-Outfit kann man komplett im Internet bestellen, Gothicbands treten beim Eurovision Song Contest auf, das WGT wird langsam irgendwie zu einer Art Volksfest. Vieles hat für mich mit der ursprünglichen Szene, die sich ja damals aus der Punk- und New-Wave-Bewegung herausgebildet hat, nicht mehr viel zu tun. Viele der heutigen Bands wirken auf mich gekünstelt, irgendwie kalkuliert. Aber das ist nur mein persönlicher Eindruck.
Wie sieht die Zukunft von DEAD aus?
Naja, zunächst wird DEAD weiterhin seinen festen Platz im Orkus-Magazin haben. Es gibt immer mal wieder Veröffentlichungen, wie zuletzt zum Beispiel im Magazin „Drunter+Drüber“ oder im Buch „#nichtgesellschaftsfähig – Tod, Verlust, Trauer und das Leben“, das ich übrigens sehr empfehlen kann. Das sind dann allerdings alles alte Cartoons aus der Zeit von 1995 bis 2018. Neue DEAD-Cartoons wird’s wohl erst mal nicht geben. Es ist einfach so, dass mir zum einen die Zeit fehlt, zum anderen auch die Inspiration, da ich schon zu lange „draußen“ bin, und nicht zuletzt scheinen mir alle guten Ideen schon erdacht.
DEAD lebt eben in der Vergangenheit – genau wie ich, haha.
Es gibt aber immer noch viele Nachfragen, auch nach alten DEAD-Heften und Merchandise, was mich total freut und stolz macht. Das ist schon cool, dass sich trotz der Unterpräsenz in den letzten Jahren noch so viele Leute an DEAD erinnern und ihm die Treue halten. Dafür bin ich sehr dankbar!
Geplant habe ich auf jeden Fall, die alten „DEAD & More“-Hefte nochmal neu auflegen zu lassen, eventuell auch einen zweiten Sammelband wie den „Erdarbeiten – DEAD Classics 1“ von 2016. Mal wieder ein paar T-Shirts und Kaffeetassen könnte ich mir auch vorstellen.
Dann gibt es ja auch noch ein bisschen unveröffentlichtes Material, das auf die Menschheit losgelassen werden möchte. Ich würde das ja gerne wieder mit dem Orkus zusammen machen – schon wegen der Vertriebsmöglichkeiten. Mal sehen, ob daraus etwas wird. Ansonsten bleibt immer noch DIY.
Anm. d. Red.: Er sollte Recht behalten, denn der zweite Band von „DEAD Classics“ ist Anfang Mai 2025 erschienen und beim Orkus zu bestellen. Mehr über den liebenswürdigen Grufti aus der Nachbarschaft erfahrt ich auch auf seiner eigenen Homepage, die unter dead-comics.de zu erreichen ist.
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.