„Dieser Junge nennt sich „Svartakat“, das ist der schwedischen Ausdruck für „schwarze Katze“. Ein Grufti will er nicht sein, weil Gruftis „out“ sind. Dafür gibt’s jetzt die Endzeit-Romantiker, und die sehen alle so aus wie er. Die Farben: Schwarz, Rot Violett, Weiß. Augenpartie, Wangen, Stirn sind mit Phantasiemustern auf weißem Grundton bemalt. Jeden Tag anders, je nach Laune.“
Wer aktiv Szeneforschung betreibt, wird früher oder später zu den Lücken kommen, die jeder etablierte Stil in seiner Vergangenheit aufzeigt. Eine dieser Lücken hinterlassen die Romantic-Goths, die sich mittlerweile in großer Zahl auf viktorianischen Picknicken herumtreiben und durch ihren Stil nicht nur die Augen der Fotografen auf sich ziehen.
Ein Artikel der Zeitschrift BRAVO Girl aus dem Jahr 1992 schlägt eine kleine Brücke zu den Wurzeln der Bewegung und überführt die Grufties und Waver in einen neuen Teilbereich, den man damals als Endzeit-Romantiker beschrieb. „Die Endzeit-Romantiker, die auch unter dem Namen „Gothic“ laufen (in Anlehnung an das Gotik-Zeitalter, das voller Mysterien war), legen großen Wert auf ihr Outfit. Nur das Aussehen zählt, die Phantasie im Stylen.“ Er vermag nicht, eine Wissenslücke zu füllen
Wahr ist, das die Gruftie- und Waverszene zu Beginn der 90er Jahre am Boden lag. Das änderte sich erst mit dem Mauerfall änderte, der jedoch ein paar Jahre brauchte um auch in einer Wiederbelebung der Szene zu münden. Doch es galt nicht, bewährtes zu wiederholen, sondern neues zu formen. Falsch ist, das Grufties, Endzeitromantiker oder Gothics mehr Drogen nehmen, als andere Szenen, meiner Erfahrung nach, sogar tendenziell weniger. „Dass Endzeitromantiker, Gruftis oder Gothics Drogen nehmen, ist nicht selten. Sie fliehen aus der Realität…“ Im Artikel heißt es weiter:
„…lehnen sich mit ihrem Outfit auf gegen die Banalität des Alltags. Musik, Gedichte, Malen – das ist ihre Welt. Angepasst sind sie selten. Wenn sie arbeiten, dann in kreativen Jobs und meist – logisch bei ihrem Aussehen – in irgendwelchen Szeneläden. In anderen deutschen Städten (außer Berlin, anm. d. Verf.) ist die Gruftie-Szene fast gar nicht mehr vorhanden! Ein vorgeschriebenes Outfit gibt es natürlich nicht bei den Endzeit-Romantikern, die daran glauben, dass wir Menschen unsere Welt zerstört haben und nun unwiderruflich dem Ende zuwanken, ohne es zu merken.“
Es fällt immer schwer, zwischen dem zu unterscheiden was Wahrheit ist und was aufgrund von Lesbarkeit, Spannung oder Unterhaltungswert eingeflochten wird. Vor allem für einen Außenstehenden scheint es kaum zu erfassen, wie Gothics wohl ihren Alltag meistern, was die Natur ihrer Lebenseinstellung ist und welche Werte und Ziele sie für ihr weiteres Leben hegen. Und je undurchsichtiger und komplexer die Szene selbst wird, desto schwieriger fällt es selbst den Mitgliedern, zu erklären woran man ist. Vielleicht erscheint es dem ein oder anderen deshalb so wichtig, in der vermeintlich klaren Vergangenheit nach Antworten für die Zukunft zu finden.
Und dennoch. Es gibt immer einen Punkt in jedem Artikel, dem ich uneingeschränkt zustimme: „Neben den Farben sind vor allem die Schuhe wichtig: Pikes, die spitzen Schnallenschuhe in Schwarz, oder aber „Doc Martin-Stiefel“ (sic!) – allerdings unbedingt mit schwarzen Schnürsenkeln. Die Gewänder sind meist kuttenartig und lang.“ Pikes, sind, waren und werden immer wichtig sein. Für mich jedenfalls.
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.
Muharr, den Artikel kenn ich.
Und das ist auch das Bild das ich Anfang der 90er kennengelernt habe – Grufties is wallenden Pannesamt-Fummeln in der Nürnberger Innenstadt. Meine ersten Wallefummel hab ich auch aus dem scheußlichen Zeug genäht, einige sind noch vorhanden und sind als Daheim-Gammelklamotte garnicht so unbequem :D
In Teilen ist der Bericht auch garnicht so gemein wie manch andere, da gibts weit schlimmere. Aber ich weigere mich auch gegen die Aussage, man würde überdurchschnittlich viele Drogen konsumieren. Ist aus meiner Erfahrung ebenso wenig der Fall wie Robert angemerkt hat. Realitätsflucht ist sicher ein Aspekt, aber kein zentraler. ich mags auch mal ab und an von den Alltagssorgen in eine Parallelwelt einzutauchen, aber da nehme ich Energie mit um mit dem ganzen Mist im realen Leben fertig zu werden, könnte ich das nicht wäre ich psychisch wohl schon völlig im Eimer. Punkt ist das pendeln zwischen Fakt und Fiktion. Wird letzteres der einzige Lebensinhalt, dann ist das ein enorm schlechtes Zeichen. Als Durchschnauf-Hilfe finde ich es gerechtfertigt und bei Weitem besser als seine inneren Spannungen an der Umwelt auszulassen. Hat für mich auch seinen Platz in der Subkultur, sofern diese nicht ausschließlich als Realitätsflucht benutzt wird, sondern auch mehr Substanz dahinter steckt.
Die Szene schillert zwischen Realitätsflucht als Refugium und Gesellschaftskritik. Ich wage zu behaupten das schwarze Seelen in gewisser Hinsicht sensibel sind und auch ihre Zuflucht brauchen, wo die Aussenwelt mal für ein paar Stunden oder Tage nicht hin kommt. Ständig gegen Windmühlen zu kämpfen schlaucht.
Von daher verstehe ich den „Vorwurf“ der Realitätsflucht durchaus, man muss das nur im richtigen Kontext sehen. Es klammert nicht aus daß man kritisch auf die Dinge blickt die die Menschheit verzapft, versucht sein persönlich-mögliches zu tun und wenns nur darin besteht nicht auszuklammern was in der Welt vorgeht für die Traumwelt. Denn das drückt manchmal so weit runter daß man die mal kurz wegschieben muss, Selbstschutz eben. Mal Luft holen und dann weitermachen. Gegen den Strom schwimmen kann anstrengend sein – auch heute noch. Für mich ist da ein wenig Realitätsflucht legitim, solang es nicht der einzige Inhalt der Szene-Zugehörigkeit ist. Nur ist der Aspekt damals wie heute willkommene Oberflächlichkeit für einen drögen „Report“ über die Szene. Heute sind wir halt alle Langweiler die am Wochenende und zum WGT mal die Sau rauslassen. Tiefer geht keine Doku. Würde das Flachzangen-Publikum auch überfordern. Gelegentlich mal ein paat halbgare Phrasen. Reicht aus ….
Endlich mal ein Klischee, das auf mich zutrifft. :D Ich gehe quasi ständig bekifft durchs Leben, und ja, das ist durchaus als Flucht gedacht. (Aber wenn ich ergänze, dass das eine ärztliche Maßnahme gegen chronische Pein ist, klingt es schon wieder total langweilig.)
Ansonsten mein unqualifizierter und spontaner Kommentar: Wer Goth oder „Endzeitromantiker“ sein oder gerade nicht sein will, weil irgendetwas „in“ oder „out“ ist, hat den Sinn der Sache irgendwie nicht so ganz verstanden.
@Rosa Chalybeia: Ich gestehe, ich habe früher auch Pannésamt verarbeitet, mein allererstes Kleid war daraus. Heute greife ich allerdings zum teuren Baumwollsamt, der fühlt sich so toll an und hat einen wundervollen Schimmer. – Jetzt, wo ich’s überlege, sind überdurchschnittlich viele meiner Werke aus Samt, scheint ein Fetisch zu sein. ;) Dass davon widerrum ein großer Teil kuttenartig geraten ist, liegt an meiner Eigenschaft als Fangirl, Cosplay und LARPer.
Womit wir beim Thema Realitätsflucht wären, über das ich Bände füllen könnte, aber für heute lasse ich es mal gut sein.
*g* ja. Baumwollsamt ist für mich auch beinahe ein Fetisch :D – als ich aus der letzten Wohnung ausgezogen bin war um die Möbel rum verteilt lauter schwarzer Staub den man beim normalen Putzen nie weggesaugt bekommen hat – vom Samt nähen :D
Ich muss auch gestehen, ich war gerade ums Eck zwei-drei notwendige Dinge besorgen in einem meiner uralten Pannesamtfummel :D – man ist da so schnell reingeschlüpft :D
»Endzeit-Romantiker« Gab oder gibt es diesen Begriff wirklich im Szene-Jagon oder war das nur wieder eine verzerrte Medienreflexion der Dinge.
Denn lässt man sich den Begriff auf der Zunge sowie im Hirn zergehen, so wird dieser mehr als blödsinnig.
Wie soll das definiert werden? Romantiker der / in einer Endzeit? Die Endzeit der Romantik? Oder gar eine Romantisierung einer Endzeit? Alles wirkt auf mich recht verquert, da sich Endzeit und Romantik von ihrer Assoziation her und dem damit verbundenen Klangbild alles andere als harmonisch vereinen lassen.
Wenn der Endzeit-Romantiker wirklich so in den Mund genommen wurde, so kommt dieses in meiner Liste der albernen Bezeichnungen gleich vor die ausgeschriebene Form des EBM.
[…]oder aber »Doc Martin-Stiefel« (sic!) — allerdings unbedingt mit schwarzen Schnürsenkeln.[…]
Womit den sonst. Nach meiner Erfahrung werden sämtliche Ledertreter standardmäßig mit schwarzen Schnürsenkeln geliefert. Und ich glaube nicht, dass Anfang 90 der Industriezweig für Schuhverschnürung schon sämtliche Farben für die nötige 170cm Mindestlänge auf den Markt geworfen hatte.
Zumal, wenn man den Schwarzkitteln einmal auf die Füße schaut, sich kaum jemand in die Individualität schnürt. Ich will nur hoffen, dass ich mit meiner Farbe keinen Trend heraufbeschwöre, sonst müsste ich mir in Auslebung des Individualfetischs etwas Neues einfallen lassen ;)
Vielleicht haben auch alle nur Angst vor bunten Schnürsenkeln, weil sich da ja um einige Farben noch immer haarsträubende Gerüchte ranken. Angeblich verraten die Farben die politische Gesinnung :-O
@ Guldhan: Die Sache mit den Schnürsenkeln war tatsächlich bereits in den 80ern Thema, wobei das wohl letztlich den Medien zuzuschreiben war und tatsächlich nie tiefgreifende Bedeutung hatte für Leute, die Doc´s trugen. Wobei ich mich auch an einige Menschen erinnere, die ganz gezielt ihre Schnürsenkelfarbe wählten und auch irgendwie auf eine bestimmte Art und Weise schnürten. Hier gibts nen interessanten Artikel dazu:
https://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/jugendkulturen-in-deutschland/36318/mediale-sinnstiftung
Auch der Begriff „Endzeitromantiker“ ist mir noch geläufig. Das kam irgendwann Anfang der 90er auf, als Bands wie Goethes Erben oder Sopor Aeternus bekannt wurden. Ich bin mir gar nicht mehr wirklich sicher, ob der Begriff selbst nicht anfangs zynisch verwendet wurde, jedenfalls waren die Endzeitromantiker wohl die am stärksten philosophisch und literarisch interessierten Menschen der Szene, sie setzten sich sehr stark mit dem Tod auseinander und romantisierten diesen.
Zu Katrin:
Ja, dass mit den Schnürbändern kann dahingehend zum Interpretationswahn führen. Bis dahin, dass jemand ganz Unbedachtes plötzlich Flagge zeigt; ohne es eben zu wissen bzw. zu wollen.
Dennoch. Dahingehend nur auf die Schuhe zu glotzen erachte ich nach wie vor als sinnentladen. Da gerade dadurch auch viele neutrale Gestaltungsziele vorbelastet werden. Ohne die eigentlich triviale Art der Schnürung nun überbewerten zu wollen.
[…]Das kam irgendwann Anfang der 90er auf, als Bands wie Goethes Erben oder Sopor Aeternus bekannt wurden[…]
Das soll doch nicht etwa bedeuten, dass auch ich nun ein Stück Endzeit-Romantik in mir trage. Oh Elend, und der Tag hätte so schön werden können.
Zu ASRianerin:
Durchaus möglich. Wobei so mancher Vollblut-Schwarze aufgrund seines restlichen Erscheinungsbildes nicht wirklich Angst haben muss, durch beispielsweise weiße Schnürsenkel als NPD-Regionalabgeordneter angesehen zu werden.
Da zu derartigen Synapsensprüngen nur eine handvoll BILD-Verwirrte fähig wären.
Wobei ich gestehen muss, dass gerade jenes Vorurteil mich von eben solcher farblosen Schnürung abhält. Da mein Auftreten für viele sowieso schon einen braunen Schatten nach sich zieht. Und da ich nicht auf Gewaltbereitschaft stehe, will ich nicht zu infameren Assoziationen provozieren.
@Katrin: Das ist ein guter Artikel, der im Prinzip der Konsens aus dem ist, was ich davon halte der Presse ihre Sinnbilder abzunehmen. Leider müssen wir damit leben, was Zeitungen und miese Autoren in die Welt setzen. Ich denke manchmal an den berühmten Kampf gegen die Windmühlen, jedoch ist die mediale Berichterstattung der „Feind“ und nicht etwa die Vorurteile in den Köpfen der Gesellschaft, das nur die Symptome.
Nun gut, von zwei Seiten gegenargumentiert. Somit verwerfe ich meinen Glauben hinsichtlich der Schnürfarben der frühen Neuziger.
„Leider müssen wir damit leben, was Zeitungen und miese Autoren in die Welt setzen. Ich denke manchmal an den berühmten Kampf gegen die Windmühlen, jedoch ist die mediale Berichterstattung der »Feind« und nicht etwa die Vorurteile in den Köpfen der Gesellschaft, das nur die Symptome.“
@Robert: Die Frage ist doch letztlich, wie man mit den Medien umgeht. Also _man_ im Sinne von _Du_ oder _Ich_. Das kann nur jeder für sich selbst beantworten und eben seine Schlüsse daraus ziehen. „Wie könnte die Macht der Presse bestehen, wenn wir sie einfach ignorierten? Und wie wenig Anstrengung hätte uns das zu kosten!“ (Richard Wagner; 1813 – 1883)… und ich möchte hinzufügen: und wie einsam wären wir? Der eigene Maßstab führt doch letztlich jeden zu dem, was er _Wahrheit_ nennt. Eigene Wahrnehmung manifestiert sich zu einem Bild, welches als Realität empfunden wird. Ich verteufle die Medien nicht, sonst wäre ich nicht hier. Meine Realität (ungleich Wahrheit) lasse ich mir trotzdem nicht nehmen. Ich beurteile, bewerte. Ich halte die Medien nicht für mies. Nicht grundsätzlich jedenfalls. Die Motivation ist es, die man immer irgendwie hinterfragen und im Auge behalten sollte. Ob dann letztlich die eigene Wahrnehmung mit einer Berichterstattung übereinstimmt oder nicht, ist da eher zweitrangig.
In unserer Umgebung trugen Skins Anfang der 90´er weiße Schnürsenkel in ihren Docs und unterschieden sich darin von anderen Kultürchen. Die Frage wäre jetzt nur, ob das aufgrund von Halbwissen oder irrtümlicher Adaption eingeschleppt wurde, quasi verselbstständigt, wie so vieles…
@Katrin: Wagner war ein weiser Mann, aber auch ein hoffnungsloser Idealist, jedenfalls auf dieses Zitat bezogen. Denn das würde nur funktionieren, wenn alle am gleichen Ende der Leine ziehen würden, aber leider ist dem nicht so. Von der Wahrnehmung zum Verstand und zur eigene Wahrheit ist ein weiter Weg, den nicht jeder gehen kann. Ich für meinen Teil bemühe mich, zu helfen, dem ein oder anderen den Weg dorthin zu erleichtern. Sicher, mitunter ist das sehr engstirnig, weil ich ihn ja subjektiv zu _meiner_ Wahrheit lenke. Es geht aber vielmehr darum zu zeigen, wie man Dinge noch sehen kann. Ich muss nicht nur für mich selbst hinter die Dinge schauen, beurteilen und bewerten, sondern ich muss (um meinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden) auch anderen Menschen helfen einen Blick zu riskieren.
Ignoranz, Ablehnung und Intoleranz sind wichtig und nicht so schlecht wie sich anhören, doch es ist besser, weiterzudenken und das, was einem als wertvoll erscheint, weiterzuführen.
Ein sehr wichtiger Artikel. Er hat bei mir viele Lücken geschlossen. Danke dafür.
Danke für die vielen spannenden Artikel, manchmal von vor so langer Zeit :)
Ich habe noch nie etwas geschrieben, bin aber schon seit gut einem Jahr fleißige Leserin von Spontis. Danke für all die liebevoll recherchierten Artikel!
Endzeit-Romantiker, eine interessante Gattung. Wobei ich sagen muss, ich finde diesen Artikel, an den Standards der damaligen Zeit gemessen, gar nicht so schlecht. Wie das damals mit Drogen war, kann ich nicht beurteilen. 1992 war ich gerade mal 3 Jahre alt. kann aber nur zustimmen dass (illegale) Drogen in meiner Umgebung so ziemlich keinen Platz haben.
Und na ja, das Thema Schnürsenkel… zumindest in meinem Umfeld hat die Farbe weiß doch meist einen unangenehmen Beigeschmack, aber bei den anderen sieht es doch ganz entspannt aus.
Ach ja, eigentlich finde ich die Berichterstattung heute ja schlimmer…jemand den kurzen „Bericht“ *hust* vom Mera Luna am Montag bei taff gesehen? …ohne Worte…
Ach, das ist doch der Artikel, den ich Dir gestern geschickt habe… ;-) Den guten Svarta hab ich im Sommer 1992 kennen gelernt, als ich wieder nach Berlin zog. Das war zwar nicht allzu lange nach dem Artikel, aber damals war er schon kein Grufti/Endzeitromantiker mehr, sondern „nur noch“ Punk. Schade, die Kreativität in Sachen Styling gab er damit etwas auf. Ein etwas schräger Geselle, lustig aber auch ein bißchen überdreht.
Hab ihn schon ewig nicht mehr gesehen, seit Mitte der 90er nicht mehr. Was wohl aus ihm geworden ist? Den Begriff „Endzeitromantiker“ hab ich aber bis auf diesen Artikel nie zuvor und nie danach wieder gelesen oder gehört. War vielleicht eine Wortschöpfung von ihm – wäre ihm zuzutrauen ;-)
Von (angeblichem) Drogenkonsum bei ihm und anderen Zeitgenossen weiß ich nichts, hab nur mitbekommen, dass in der Clique damals Unmengen an Alkohol konsumiert wurden. Eine Freundin (die dem Alkohol zwar auch nicht abgeneigt war) und ich (die gar keinen Alkohol mag) fanden das recht bald zu anstrengend, außerdem war mit den „Jungs“ kaum noch was anzufangen. Es hieß dann schonmal „Wir frühstücken erstmal mit einem Bier“. Selbst betitelten sie uns als die „Sternhagelbrüder- und Schwesternschaft“. Ich denke, das sagt alles. Für mich als einzige Nüchterne war es natürlich noch krasser. Aber besagte Freundin hatte auch bald die Nase voll. Wir schleppten die „Jungs“ manchmal mit zu Ausstellungen, in Museen usw. in der Hoffnung, am Wochenende was Konstruktives zu machen. Als es aber immer schlimmer wurde mit dem Alkohol, sagten wir uns los und zogen fortan alleine und mit anderen Leuten rum.
Pannesamt… oh ja. Da hatte ich auch einige Klamotten draus, zum Teil selbstgenäht. Das meiste hab ich wieder ausgemistet, weil ich mich doch mehr im Waver-Look zuhause fühle.
@Tanzfledermaus: So schließt sich der Kreis, vielleicht wird er ja auf diesen Artikel aufmerksam. So unwahrscheinlich ist das mitunter gar nicht. In der Vergangenheit gab es schon öfter die Begegnung der 3. Art mit „alten“ Bekannten.
Zum Drogenkonsum habe ich ein andere Wahrnehmung. Drogen werden konsumiert, in der schwarzen Szene. Es gibt jedoch offenbar (so musste ich feststellen) regionale Unterschiede, wo und was konsumiert wird. Soweit ich das beurteilen kann, gibt es in den Tanztempeln unserer Region einen moderaten Alkoholkonsum und recht wenig Drogen. „Aufälle“ habe ich hier recht wenige gesehen. Anders bei Festivals wie dem Mera Luna, Amphi oder dem Blackfield, die locken offensichtlich ein deutlich „Rauschfreudigere“ Klientel an. Gerade auf dem Mera Luna oder dem Amphi ist mir das einige Male bitter aufgestoßen, wenn sich ein „Grufti“ neben mir oral entleert hat. Dafür habe ich kein Verständnis. Wenn Alkohol, dann „kenne Dein Limit“ oder am besten gar nicht ;)
Endzeitromantiker
Allgemein
Relativ kurzlebige Subsubkultur die auch im Ruhrgebiet in den frühen 1990ern zugegen war. So zwischen 1991 und 1994 gab es eine Reihe von Anhängern im Ruhrgebiet zwischen Duisburg und Bochum. Danach war hier von der Gruppe fast nichts mehr zu sehen, obwohl sich einige modische Elemente vorübergehend bis dauerhaft in der Szene festsetzten. Ganz amüsant daran war, dass die Gruppe der klassischen Goths, diese neue Strömung sehr argwöhnisch beäugte und als übermäßig theatrale Kinder wertete. Im Nachgang endete die Szene vielleicht auch, weil die Protagonisten der NDT sich zunehmend umorientierten. Jedenfalls wurden bei vielen der Anhänger aus meinem Umfeld alsbald ein anderer Look, andere Musik und andere Inhalte bestimmend. Die einen gingen mehr in die Punk-Schiene, andere eher in eine Gothic bis Post-Industrial-Richtung und ein paar vereinzelte zeitweise in den Neofolk. Ich kannte grob gewürfelt 15 Personen, die entsprechend auftraten und sich selbst manchmal als Endzeitromantiker bezeichneten, wobei ich heute nicht sagen könnte wie ernst wer diese Bezeichnung nahm.
Musik
Die Musik der Subsubströmung bestand vornehmlich aus den theatralischen frühen NDT-Kram von Das Ich, Goethes Erben, Lacrimosa, Relatives Menschsein und Sopor Aeternus aber auch aus manch düsterer Neoklassik von In the Nursery, Dead Can Dance oder Love Is Colder Than Death.
Mode
Insgesamt schlug sich die Vorliebe zu diesen Interpreten auch modisch auf die Subszene und von da aus auf die gesamte Szene nieder. Der Look war geprägt von schlabberigen Samt- und Brokatgewändern. Sowie durch den Hang zu reichhaltig ornamentierter Schminke auf weißem Grund, was man heute noch in vielen anderen Substörmungen sieht, vorher aber kaum vorhanden war, und ging damals gefühlt besonders auf Anna-Varney Cantodea zurück.
Drogen
Die Drogen der Gruppe waren (hier zumindest) meist bewusstseinserweiterndes Zeug: Meskalin, Absinth, LSD, psychotrope Pilze, Engelstrompeten und sowas, meist nur Pilze. Wobei ich keine Drogenwracks unter den Leuten ausgemacht habe. Diejenigen die was zu sich nahmen, taten dies meist kontrolliert in einem begrenzten Rahmen und nicht willkürlich. Es hatte häufig einen (pseudo-)psychologischen Hintergrund und fand nur selten im Rahmen von Veranstaltungen wie den üblichen Clubabenden statt.
Kunst und Literatur
In dieser Subszene las man Baudelaire, de Sade, Expressionisten, Surrealisten oder Symbolisten. Der Hang zu entsprechender Kunst schloss sich dieser Vorliebe für spezifische Literatur an. Mir sind damals allerdings kaum Interessenten an philosophischen oder okkulten Schriften begegnet, was ich aus heutiger Sicht, bei der Grundeinstellung fast schon erwarten würde. Hingegen war das Interesse an psychoanalytischen Schriften, und an den Grenzbereichen zwischen Esoterik und Psychologie wie Traumdeutung, Tarot etc. sehr verbreitet.
Verweis
Einen kurzen darstellenden Abriss zu der Bezeichnung gibt es auch in Die Gothics. Weiss wie Schnee, Rot wie Blut und Schwarz wie Ebenholz von Walraff und Farin aus dem Jahr 2001. Allerdings verquicke ich hier die Informationen mit eigenen Erfahrungen, als jemand der sich damals zwar nicht zu dieser Strömung zählte, aber dennoch den Kontakt pflegte und sich vereinzelt mit den musikalischen und literarischen Vorlieben anfreunden konnte.