Es ist naheliegend zu denken, dass der im Februar erschienene Artikel zu Delta Komplex , der Anstoß gewesen sei, die bisher beste Konzertveranstaltung des Jahres zu besuchen. Tatsächlich war es aber eher der Zufall, der mich dahin brachte.
Beim stöbern möglicher Konzerte stieß ich darauf, dass Left For Pleasure am 23. Mai 2025 in Dresden einen Auftritt haben. Schon seit über einem Jahr schaute ich immer wieder, ob die beiden vielleicht gerade irgendwo in Leipzig spielen. Der Gig im Januar, mit Lebanon Hanover, war leider ausverkauft gewesen. Umso größer war die Freude, als ich dann auf das Konzert im Ostpol stieß. Dort waren sie als Vorband für Delta Komplex angekündigt.
Raus aus der Komfortzone
Nachdem ich mich näher mit der Musik des Hauptacts befasst hatte, war klar: „Da will und muss ich hin!“ Allerdings hatte die Sache einen Haken. Es war nicht Leipzig, sondern Dresden. Obwohl die Sächsische Hauptstadt für mich wesentlich näher gelegen ist, hat sie mich bisher nie gereizt. Da mir aber bewusst war, dass ich mich sehr ärgern würde, wenn ich diese Chance nicht nutze, hieß es: „Raus aus der Komfortzone!“
Als erstes checkte ich die Lage der Location und wo eventuell bezahlbare Unterkünfte in der Nähe wären. Danach wurde das Konto unter die Lupe genommen. Nachdem beides erfolgreich abgeschlossen war, musste nur noch die Karte gesichert werden.
Bitte eine große Portion positive Energie!
Der Tag X war erreicht und da dieser auch noch mein letzter Arbeitstag, in der alten Firma war, hatte ich etwas Aufheiterung nötig.
Nach Arbeit machte ich mich also nach Dresden auf. Als ich ankam suchte ich meine Unterkunft und checkte dort ein. Anders als gewohnt, ging das Konzert erst 21 Uhr los und war nur einen Katzensprung von meiner Herberge entfernt. Irgendwie habe ich es aber dann doch geschafft, die Zei tot zu schlagen.
Neue Eindrücke sammeln
Da ich die Location bisher nicht kannte, war ich natürlich gespannt was mich erwartet. Draußen standen einige Konzertgäste, so dass ich wusste: „Hier bin ich richtig!“ Brav die Karte vorgezeigt und ab rein mit mir.
Drinnen ließ ich den Blick durch einen kleinen Raum schweifen. Rechts von mir waren Sitzgelegenheiten, wo einige Leute Platz genommen hatten. Gerade aus ging es in einen Flur hinein. Daneben stand die Bar, wo ich nebenbei die Getränketafel durchging. Und links von mir ging es zu einer Sitzecke mit Tür. An dieser Tür stand „Privat!“. In meinem Kopf machte sich die Frage breit „Und wo finden jetzt die Konzerte statt?!?“
Erstmal einen kühlen Kopf bewahren!
Ich beschloss, mich erstmal an die Bar zu setzen und mir ein Getränk zu bestellen. Immerhin war es noch eine halbe Stunde bis Konzertbeginn. Nebenbei erkundigte ich mich, wo ich denn zu den Konzerten hin muss und bekam eine kurze Einweisung.
Mit dieser wichtigen Information und meinem Glas begab ich mich auf den Weg. Ich musste in den schmalen Flur hinein und dann die erste Tür Rechts.
Minimalistisch und Clubatmosphäre pur
Ich betrat ein winziges Zimmer, welches abgedunkelt war und ließ wieder meinen Blick schweifen. Rechts an der Wand standen einige Stühle. Gerade aus war das Technikpult aufgebaut. Linker Hand vernahm ich einen Ofen und die Bühne.
Nachdem ich mich orientiert hatte, suchte ich mir mein Plätzchen vor selbiger. Und wieder hieß es „Zeit tot schlagen“
Bisher war der Raum kaum gefüllt und auch Left For Pleasure ließen auf sich warten. Gegen Viertel 10 setzte auf der Bühne Nebel ein und kurz darauf betraten die zwei Hallenser die kleine Holzbühne. Inzwischen war das Zimmer auch gut gefüllt. Nachdem die beiden sich in Position gebracht hatten und im Hintergrund die Videosequenz startete, ertönte auch schon das erste Lied.
Seit langem wieder Glücksgefühle
Vortex machte den Anfang und unter meinen Füßen spürte ich den Beat wummern. Ich nahm die Akustik wahr. Sie war so ganz anders, als ich es von Konzerten kannte. Ich fühlte mich in der Musik drin. Von ihr komplett umhüllt. Und anders als gewohnt, standen die Leute nicht mit Handy in der Hand da, sondern begannen zu tanzen. Mir fielen die kargen Lichtverhältnisse auf. Auch wenn dies bedeutete, kein Bildmaterial sammeln zu können, so war ich dankbar dafür. Dankbar, dass ich mich ganz dem Auftritt hingeben konnte. Das erste Mal bekam ich einen Eindruck, was es heißt, bei einem kleinen Clubkonzert zu sein.
Und als das dritte Lied Vase gespielt wurde, spürte ich in mir meine Emotionen. Ich war innerlich berührt. Den Tränen fast nah. Aber diesmal nicht aus Erschöpfung, Trauer oder Herzschmerz, wie in dem letzten halben Jahr. Nein, es war weil ich glücklich war. Seit langem fühlte ich wieder etwas warmes und positives in mir.
Ein Club in Feierlaune
Die Stimmung auf und vor der Bühne war ausgelassen. Überall wurde getanzt und sich bewegt. Nach jedem Lied wurde laut applaudiert und gejubelt, was die Künstler auf der Bühne sichtlich freute. Und mir fiel auf, wie selbstsicher die Zwei auf der Bühne standen. Als ich „Left For Pleasure“ das erste und letzte Mal gesehen hatte, war das auf dem WGT 2023. Die beiden spielten damals im Felsenkeller und wirkten noch recht unsicher und verschüchtert. Es war schön zu sehen, wie sie in der Zwischenzeit gereift sind.
Neben Liedern wie Banish Sorrows und Blue Eyes, welche auf ihrem Erstlingswerk „Human Contract“ zu finden sind, gab es auch neuere Stück zu hören. Mal war es kraftvoll und energiegeladen. Dann wieder schwermütiger.
Und nach etwa einer Stunde abwechslungsreichem Programm, hieß es „Bühne frei für Delta Komplex!“.
Die Party geht ausgelassen weiter
Der Bühnenumbau ging schnell von statten und so stand Sängerin Minu mit Kollege Ollie zeitnah auf der Bühne. Die ersten Takte setzten ein und wieder spürte ich den Boden unter mir. Und wieder begann das Publikum zu tanzen. Wer dachte, dass schon bei Left For Pleasure die Hütte brannte, irrt. Jetzt ging es erst richtig los. Wild bewegten sich die Körper zu Stücken wie Metronome, Bitter Dripping oder meinem Favoriten Empty Souls. Aber an diesem Abend fühlte sich meine Seele alles andere als leer an. Ich war angekommen. Ganz bei mir und mit der Menge feiernd. Dazu ein zufriedenes Lächeln im Gesicht, was sich bis zum Ende des Konzertabends hielt. Aber auch den beiden Musikern sah man die Freude an. Minu tanzte ebenfalls immer wieder über die Bühne. Je nach Stück griff sie dann nach ihren farbig leuchtenden Drumsticks, um Ollie musikalisch zu unterstützen.
Ein erfolgreicher Abend für alle
Der kleine Raum glich inzwischen einem Hexenkessel, so warm war es drinnen geworden. Und an ein Ende war noch nicht zu denken. Nach den altbekannten Stücken ging man zu neueren über. Im Zusammenhang dessen erfuhr man, dass zum Beispiel die Verhältnisse im Iran als Quelle dienten. Denn dort würde seit Jahren für die Menschrechte gekämpft werden. Zum Beispiel die von Frauen. Und das man in dem Land inzwischen die Zweithöchste Hinrichtungsrate hätte. Bei einem anderen Lied war Minu nach der Darbietung sichtlich erleichtert und von den Konzertgästen umjubelt. Wie sie vorher verriet, wurde des entsprechende Stück erst ein Mal geprobt.
An diesem Abend zeigte sich auch die sprachliche Vielfältigkeit der Gruppe. Es wechselten sich Englische Texte mit Deutschen, aber auch Französischen ab. Nach einigen weiteren Liedern fand der Abend dann doch irgendwann sein Ende. Und vor dem begeisterten Publikum standen zwei geschaffte, aber auch glückliche Musiker.
Seit über 20 Jahren als Schwarzkittel unterwegs und immer ihr Ding für sich machend. Mit Hang zu DIY, Trad-Goth, Goth-Rock, 80er Kram und alten Friedhöfen, auf denen die Zäune rostig sind und der Efeu sich seinen Weg gesucht hat. 🪦
Spontis versucht sie mit Reviews zu Konzerten oder auch Filmen und Musiktipps zu bereichern.
Ein sehr emotionaler Konzertbesuch, zu dem Du uns mitnimmst! Das bringt der Text so gut zum Ausdruck, dass es gar keiner Bilder bedarf, um diesen Abend nachzuerleben. Für mich ist es immer so ein bisschen ein Spagat zwischen dem Versuch, ein paar brauchbare Bilder zu machen und sich trotzdem dabei nicht von der Musik ablenken zu lassen.
Es muss wirklich eine besondere Atmosphäre gewesen sein bei diesem Club- Konzert.
Left for Pleasure haben mich gerade mit Vortex voll erreicht. Toller Song und tolle Lyrics. Aber auch die anderen Songs, die Du verlinkt hast, zeigen, dass Du die richtigen Worte für Dein Konzerterlebnis gefunden hast. Vielen Dank für Deinen Bericht.
Ich kann das nachempfinden, weil es mir oftmals auch so geht, dass ich mich frage „Bekommst du überhaupt genug vom Konzert mit?“. Manchmal passiert es, dass ich noch während des Konzertes schon mit den Gedanken beim Artikel bin. Auf der anderen Seite macht es natürlich auch Spaß, für Spontis rasende Reporterin zu spielen. 😁
Das ist er, der Bericht, auf den ich schon gewartet habe. Bei mir war es tatsächlich umgekehrt. Ich war nach dem Artikel im Februar hier auf Spontis und der CD von DeltaKomplex auf deren Gig in Dresden aufmerksam geworden und hab gleich gebucht, wohl wissend, dass deren Konzert zwischen zwei Frühdiensten liegen würde und ich so relativ zeitnah nach dem Konzert in der Nacht wieder gen Leipzig würde aufbrechen müssen. Ich meinte, die Vorband „Left for Pleasure“ schon mal gehört zu haben und tatsächlich, im Rahmen des Reinhörens in die Bands zum WGT hatte ich dies tatsächlich und für gut befunden, selbst wenn ich sie damals aufgrund der Alternativen nicht live sah. So stellten sich also mehrere Premieren ein. Ich war das erste Mal in der kultigen Location des „Ostpol“ mit deftigem DDR-/Ostflair und Deutschpunk aus den Boxen. Hat mir echt gut gefallen. Irgendwie schade, dass es so lange gedauert hat, hier mal zu landen. Die zweite Premiere war nun also der Liveauftritt von „Left for Pleasure“ und dritte Premiere eben „DeltaKomplex“. Was soll ich sagen. Ich kann den Eindruck von
graveyardqueen nur unterstreichen. Der Funke zwischen dem Publikum in diesem kleinen huscheligen Raum mit Kachelofen und Left for Pleasure sprang sofort über. Der wavige Sound holte mich komplett ab und so wurde getanzt, obwohl die Temperatur im Raum gefühlt minütlich anstieg. Viel zu schnell verging die Zeit und nach kurzer Pause um ein bisschen zu aklimatisieren ging es mit DeltaKomplex weiter. Minas kraftvoller Gesang machte einfach Spaß und das Publikum, inklusive mir tanzte sich in Extase. Dass dabei
graveyardqueen direkt vor mir tanzte, habe ich tatsächlich erst beim bzw nach dem WGT erfahren und sie auf ein paar der Aufnahmen entdeckt, die ich gemacht habe. Auch wenn die Nacht sehr kurz war und ich nach dem Konzert gern noch mit Mina und Olli geschwatzt hätte, es hat sich gelohnt. Es war ein gelungener Abend in einer Location, in der ich gern noch weitere Konzerte erleben möchte.
Tatsächlich ging es mir ähnlich, dass ich es schade fand, nicht schon eher auf den Ostpol aufmerksam geworden zu sein. Und bei mir wird es bestimmt auch nicht das letzte Konzert gewesen sein. Wobei Leipzig in Sachen Konzerte vermutlich meine Nummer Eins bleiben wird, da mir dort einfach mehr geboten wird.
Lieben Dank für Deinen schönen Konzertbericht!
Seit ich vor ein paar Jahren Detla Komplex auch live erleben konnte, höre ich die Band relativ oft. Left For Pleasure ist mir allerdings noch unbekannt, höre sie mir aber gerade an.
Und? Wie ist deine abschließende Meinung zu Left For Pleasure?
Fügt sich passend in meine Playliste (etliches dank Dir) ein und wird jetzt öfter gehört werden. Ein Konzertbesuch könnte mir auch gefallen.
Schön zu lesen 🙂