Im April 2022 erschien mir „Die Tödin“ vor Augen. Eine junge Künstlerin, die mit ihrem ersten Lied „Ich bin schon tot“ gleich klargemacht hat, was man von ihr erwarten kann. Der Text beinhaltet eine stark überzeichnete Form von dem, was die Szene über die Jahre an Klischees und Vorurteilen gesammelt hat. Sie verpackt das in einem unfassbar coolen Sound, der so vereinnahmend klingt, dass das Ganze eine unfassbar authentische Attitüde bekommt. Auch wenn es lebensmüde erscheint, in diesem Artikel stellen wir uns der Tödin und finden in einem Interview letztendlich heraus, was sie dazu zu sagen hat. Vorausgesetzt, wir überleben.
Trve Darkwave from Gelsenkirchen
„I like Sterben / I like Patchouli / I like die Death / I like Kreuze / And Kreuzigungen / I like Blut“ Die stumpfe Aneinanderreihung ikonischer Identifikationsmerkmale der Gothic-Szene ist bereits ein Genuss für sich, der von der minimalistischen, pulsierenden und düster-rhythmischen Soundmaschine nur noch unterstrichen wird. Schon hier zweifelt das innere Barometer der Authentizität: Meint sie das ernst oder ist das ein Scherz?
Auch nachfolgende Werke unterstreichen ihren Drang, sich möglichst gruftig und klischeehaft auszudrücken. In der jüngsten Veröffentlichung „Verderben“ singt sie: „Ich sitze da / Und starre an die Wand / Starre in das Nichts“ – In der heutigen Zeit schon eine gesungene Abkehr von der Gesellschaft, die seit Jahren immer stärker darauf getrimmt ist, maximal viel zu erleben. Leere als Luxus. So stecken in den Songs von „Die Tödin“ immer viel von dem, was man sich möglicherweise heimlich als perfekte, gruftige Atmosphäre vorstellt. Gleichzeitig eine klare Abgrenzung von dem, was die „Angepassten Spießerschweine“ 2025 von Menschen erwarten zu scheinen.
Auch ästhetisch geht die Tödin spannende Wege, spielt mit Corpsepainting, das man eher aus dem Black Metal kennt, und gibt sich auch Live die größte Mühe, mit Kerzen und Räucherstäbchen eine gruftige Stimmungsgrundlage zu schaffen. Die aktuellen Bilder, die wir hier ganz exklusiv zeigen können, führen diesen Stil nahtlos fort.
Und jetzt mal ehrlich, liebe Leser. Es tut gut, wenn endlich mal jemand auf der Bühne herausschreit, wie Gothics sich fühlen oder fühlen sollten. Nach Jahrzehnten der Aufklärung, Relativierung und Entkräftung der Dinge, die uns einst zu eben diesen Gruftis gemacht haben, tut das gut. Läuft runter wie Öl. Sorgt für diese angenehme Stück Abgrenzung, die wir seit einigen Jahren wieder suchen. Oder?
Das Wagnis: Interview mit „Die Tödin“
Ich freue mich, den weiblichen Tod interviewen zu können. Wie bist du eigentlich zum Musik machen gekommen?
Ich hatte lange Zeit leider keine Berührungspunkte mit dem Musikmachen, dafür war ich aber schon seit meiner Kindheit eine leidenschaftliche Musikhörerin. Musik war gleichzeitig meine Flucht vor der Welt und trotzdem auch etwas, das mich im echten Leben stark gemacht hat. Vor 8 Jahren habe ich dann ein paar elektronische Musiker kennengelernt und bin dadurch zum Musikmachen gekommen. Einer von ihnen hatte eine Groovebox dabei, erklärte mir die und lieh sie mir eine Woche aus. Besagte Woche saß ich jeden Tag für mehrere Stunden an dem Gerät und war überrascht, wie intuitiv und kreativ der ganze Prozess war. Das lag mir einfach. Habe mir dann, statt meinen Führerschein zu machen, einen Laptop und ein Audio Interface zugelegt und zu dem Zeitpunkt noch mit Ableton Live Lite gestartet. Zum Glück war YouTube schon voll von Tutorials zum Thema Producing und Sounddesign. Hab dann einfach rumprobiert. Über die Zeit habe ich mir noch etwas Klavierspielen und Musiktheorie angeeignet.
In einer Beschreibung habe ich gelesen „Trve Darkwave from Gelsenkirchen“? Wie würdest du „Trve Darkwave“ beschreiben?
Mein Slogan ist eine Anspielung an “trve norwegian black metal” und soll eigentlich ein Witz sein. Wobei ich trotz der starken Selbstironie schon auch wirklich ernste Themen behandle. Die Musik entsteht aus echter Not und ich bin sehr aufrichtig in meiner Wortwahl. Ich möchte in dieser oberflächlichen, falschen Welt etwas Authentisches da lassen und auch eine Seite beleuchten, die sonst öffentlich eher ungesehen bleibt. “trve darkwave” ist weiterhin ein Indiz für meine sehr pessimistische und misanthrope Weltanschauung.
Kommen wir zu „Gelsenkirchen“ in deiner Beschreibung. Deine Songs handeln weder von einem berühmten Fußballclub noch von der Stempel „ärmsten Stadt Deutschlands“ Wie hat Gelsenkirchen trotzdem auf deine Musik Einfluss genommen?
Ich denke, Gelsenkirchen als Stadt ist gezeichnet von Perspektivlosigkeit und einer gewissen Tristesse, es hat einen schrecklichen Ruf und ist irgendwie trashig. Die Tödin passt hier gut hin. Wirklich geprägt haben mich die vielen Stunden in der (industrialisierten) Natur und auf den Friedhöfen, die Rauheit der Stadt und das Gefühl der (irgendwie gewollten) Isolierung. Die Ranzigkeit meiner alten Wohnung, auf der mit Sicherheit ein Fluch lag, hat mich bestimmt auch geprägt.

Irgendwann im April 2022 hast du den Titel „Ich bin schon tot“ herausgebracht, in dem du gleich klarstellst, was dir gefällt. „I like Sterben / I like Patchouli / I like die Death / I like Kreuze / And Kreuzigungen“ Würdest du dich als Grufti mit szenegerechtem Interessengebiet beschreiben oder wie siehst du dich selbst?
Ich bezeichne mich selbst als Grufti, fühle mich aber nicht unbedingt als Teil der Szene. Das liegt daran, dass ich schon immer eher eine Einzelgängerin war und Schwierigkeiten hatte, wirklich Gleichgesinnte zu finden. Dafür habe in der Tat sehr szenebezogenen Interessen. Das Wichtigste ist für mich natürlich die Musik. Ansonsten prägen meine Interessen einen Hang für alles Düstere und Okkulte, eine schwarz gestrichene Wohnung und meine Leidenschaft für ausgedehnte Friedhofsspaziergänge. Mein Denken und Fühlen ist gezeichnet von starker Melancholie und Weltschmerz, außerdem denke ich sehr viel über den Tod und Vergänglichkeit nach, was wohl das Klischee schlechthin sein dürfte. In meinen Augen bietet Goth gerade als Person mit Weltschmerz und psychischen Erkrankungen sehr viel Nährboden um sich wohlzufühlen und auszudrücken. Wahres Gruftitum kann man aus meiner Sicht durchaus für sich alleine ausleben und ich finde es auch legitim, wenn jede Person Goth für sich selbst ein bisschen anders definiert.
Deine Text sind rau und provokativ – vielleicht überzeichnet und überspitzt – aber stets eindrucksvoll direkt. In einem Song thematisierst du DSBM (Depressive Suicidal Black Metal) Womöglich brauchst du selbst eine Therapie oder eine Beratung, aber ich glaube, du hast dein Ventil schon gefunden. Wieviel von Dir steckt in der Tödin und ihren Texten?
Ich würde sagen, die Tödin ist ein gewisser Aspekt meiner Persönlichkeit, welchen ich schamlos zur Schau stelle. Somit ist die Tödin zu 100% echt, ich als Person habe aber weit mehr Facetten als nur die Tödin zu sein. Sowie meine Texte bin auch ich geplagt von einer Extremität im Denken und Fühlen und einer starken Selbstironie, die ich zur Kompensation brauche. Ich finde es gut, ein wenig peinlich zu sein und das nicht schlimm zu finden. Quasi als Gegentrend zum perfekt inszenierten hippen schein-alternativen Dasein.
Weiterhin fühle ich mich oft zerrissen und bin von Ambivalenzen geplagt, die nur schwer aushaltbar sind. Meine Texte sind, glaube ich, für manche auch schwer aushaltbar auf die eine oder andere Weise, so wie ich mein Inneres oft schwer aushalten kann.
Und ja, die Tödin ist definitiv ein Ventil. Ich brauche die Tödin, um in dieser Gesellschaft überleben zu können. Im Alltag ist nicht viel Platz, um sich verletzlich zu zeigen. Vieles bleibt unsichtbar. Und gerade weil vieles hinter verschlossenen Türen stattfindet, ist die Tödin so extrem. Doch auch wenn ich ein gutes Ventil gefunden habe, schließt das eine Therapie oder sonstige Hilfen definitiv nicht aus. In meinen Augen kommt man ab einer gewissen Tiefe der Probleme nicht um professionelle Hilfe herum.
Wir müssen einfach über deinen Song „Angepasste Spießerschweine“ sprechen. Was macht den Mensch zu einem angepassten Spießerschwein?
Diese Frage wurde mir tatsächlich schon oft nach Konzerten gestellt. Vielleicht erstmal, was ich nicht meine: Für mich ist man kein angepasstes Spießerschwein, nur weil man in irgendeiner Weise ein geregeltes Leben führt und sich nach ein wenig Glück und Sicherheit sehnt. Vielmehr hat ein angepasstes Spießerschwein für mich ein dem Mainstream entsprechendes Mindset, das eine gewisse Engstirnigkeit und Intoleranz gegen alternative Lebensentwürfe und nicht der Norm entsprechende Menschen an den Tag legt. Es definiert sich über Leistung, Status und Konsum. Das angepasste Spießerschwein ist oberflächlich, engstirnig und intolerant. Es sieht auf die Schwächeren herab, um sich besser zu fühlen. Das angepasste Spießerschwein ist ein unreflektiertes Arschloch. Aber auch scheinbar alternative Menschen können für mich ein angepasstes Spießerschwein sein, solange sie auf Mackertum und Pseudo-Coolness setzen, scheinbar uncoole dabei ausschließen und dabei eigentlich noch in der frühen Pubertät hängen geblieben sind. Nur weil man Teil einer Subkultur ist, macht einen das nicht frei davon, sich als etwas Besseres zu fühlen und an Oberflächlichkeiten festzuhalten.
Ich bin fasziniert von deinem wilden Mix aus Xmal Deutschland der frühen Jahre, dem besten von Malaria! und Anne Clark auf Steroiden, wie machst du Musik und ist die Tödin eine One-Woman-Show?
Die Songs sind von mir alleine zuhause produziert. Ich arbeite aktuell sehr minimalistisch mit Ableton, einem Mikrofon und einem Midi Controller. Meine Arbeitsweise ist intuitiv. Meistens fange ich mit einer Bassline und einem Beat an und arbeite mich dann weiter vor. Zuletzt kommen die Vocals, die Texte entstehen meist spontan und werden dann ausgearbeitet. Manchmal aber auch nicht. Der erste Take ist meist der beste. Die Tödin ist auch eine one-woman-show, allerdings habe ich für Live-Shows mittlerweile schwarze.leere als treuen Begleiter und Gehilfen an meiner Seite, der mir den Rücken freihält und mich in der Vor- und Nachbereitung meiner Shows unterstützt.
Deine Ästhetik rundet das Bild, das deine Musik hinterlässt, ab. Schwarz-Weiße Fotos, Corpsepainting mit Black-Metal-Anleihen und auf der Bühne arbeitest du mit Kerzen, Räucherstäbchen und Altären. Deine wilde körperliche Performance wirkt echt, authentisch und ungefiltert. Die Freiheit nimmst du dadurch, dass du Live nur deine Stimme benutzt. Verleiht das deinen Tracks noch mehr notwendige Authentizität? Wie siehst du das?
Ja, in meinen Augen macht es die Tracks authentischer. Ich habe mich recht früh dazu entschieden, die Instrumentals alle als Playback abzuspielen, damit ich maximale Bewegungsfreiheit habe. Das ist für mich die richtige Entscheidung. Ich möchte performen, meinen Schmerz darstellen, meinen Charakter zeigen, meine innere Zerrissenheit und Besessenheit ausdrücken und auch ein wenig albern sein. Ohne die Performance würde ein ganz wichtiger Aspekt meines Projektes unsichtbar bleiben, nämlich der, dass die Texte einen Ursprung haben und kein Fantasieprodukt sind.
Du hast inzwischen viele Bühnen aller namhafter Szene-Events bespielt. Ich habe das Gefühl, deine Art der Musik ist in der Szene längst überfällig. Wie ist deine Sicht auf die Gothic-Szene?
Ich denke, die Gothic-Szene ist in erster Linie sehr vielfältig und groß. Es gibt Bereiche, die ich sehr interessant finde und es gibt Bereiche, über die ich nichts als schlechte Gedanken hegen kann. Ehrlich gesagt finde ich es auch erschreckend, wie viel Mainstream und “angepasste Spießerschweine” in gewissen Bereichen vertreten sind. Aber nicht mein Bier.
Ich habe auch viele tolle Leute getroffen und es gibt natürlich auch undergroundige Bereiche. Eigentlich möchte ich mir auch keine abschließende Meinung über die Szene bilden.
Die physischen Tonträger des Erstlingswerks „Selected Singles“ ist natürlich schon ausverkauft. Hast du weitere in Planung?
Es wird mit Sicherheit weitere Releases geben, sowohl physisch als auch digital, allerdings gibt es hierzu noch keine konkreten Planungen.
Eure Begegnung mit „Die Tödin“? Riskant, aber möglich.
Termine:
- 12. September 2025 Lieber Tot Festival im Aeden Berlin
- 27. September 2025 PMK Innsbruck
- 17. Oktober 2025 Zinober-Festival Essen
- 29. November 2025 Ballroom Apocalypse Leipzig
- 27. Dezember 2025 Fall of Man Festival Backstage München
- 02. Januar 2026 Kulttempel Oberhausen

Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.
Ich muss sagen, dass ich bisher nicht so wirklich was mit der Tödin anfangen konnte – wirkte auf mich zu klischeehaft-plakativ, auch in der Verbindung mit dem Corpse Painting.
Das Interview finde ich allerdings sehr interessant und lässt ihr kreatives Output für mich in einem anderen Licht erscheinen. Werde mich also mit diesem Hintergrundwissen nochmal etwas näher damit und mit ihr beschäftigen.
Zwar hab ich selbst nie Musik komponiert, aber in Zeiten, wo ich emotional sehr aufgewühlt oder sehr nachdenklich bis hin zu misanthropisch war, habe ich früher sehr viele Texte geschrieben. Weniger Gedichte als Gedanken, aber diese sind, rückwirkend betrachtet, zum Teil auch ganz schön krass gewesen…
In der Selbstfindung bzw. Verarbeitung von heftigen Erfahrungen/Emotionen kann es durchaus hilfreich sein, das in Worte zu fassen, das kann ich also bestätigen. Ist ein gutes Ventil. Allerdings würde ich mich nicht trauen, mit meinen in Texte gebrachten sehr persönlichen Gedanken völlig fremden Menschen gegenüber zu treten und sogar dazu zu performen. Da gehört schon eine Menge Mut dazu, sein Inneres vor anderen so nach außen zu kehren.
Danke für das Interview! Mich hatte Die Tödin von ersten Hören an abgeholt, schließlich heißt es in „Ich bin schon tot“ auch: „I like Peter Murphy“, das tue ich als Bauhausmensch natürlich auch.
Ich habe die Tödin dieses Jahr auf dem Gothic Pogo, in Begleitung von Mirjam und Graphiel sehen können. Geplant war es nicht, aber es ergab sich so. Ich kannte noch die Diskussion um ihre Person, aus einem anderen Spontis Beitrag und daher war ich natürlich gespannt, was mich erwarten wird. Soweit ich mich erinnere war damals ihre Bühnenshow etwas umstritten. Aber ich hätte sie mir tatsächlich schlimmer vorgestellt. Im Nachhinein, unteranderem beim Spontis Treffen, gab’s innerhalb einer kleinen Runde auch nochmal ein Gespräch über sie, wo es drum ging, wie viel sie in ihren Texten von sich selber verarbeitet und was überspitzt bzw. eher fiktiv ist. Ich denke auf jeden Fall polarisiert sie.
Was die Musik betrifft, ist es jetzt nichts was bei mir laufen würde, aber das Konzert als Erlebnis bereue ich nicht und es war durchaus Mal interessant, dem beizuwohnen.
Als ich letztes Jahr im Dezember die Nachricht auf FB las: „Die Tödin ist sehr schwach und wird sich eine Weile zur Ruhe legen.“, war ich ehrlich etwas besorgt. Wie
graveyardqueen ja gesagt hat, stellt sich die Frage wieviel von ihr selbst in den Texten steckt. Danke @Robert, dass Du diese Frage in diesem großartigen, tief gehenden Interview gestellt hast. Irgendwie liegt die Vermutung ja auch nahe, dass man solche Texte nicht schreiben kann, wenn man auf rosaroten Wolken durch die Welt schwebt. Ich finde schlichtweg genial, wie sie es versteht, in diese düsteren Texte dennoch (Selbst)Ironie zu packen und wie sie das ganze dann ausdrucksstark durch ihre äußere Erscheinung und ihren Dunkeltanz auf der Bühne zelebriert.
Ich muss sagen, dass sie mich, seit ich sie letztes Jahr im Februar live von der ersten Reihe aus im Konzert erleben durfte, nicht mehr los gelassen hat. Schockverliebt! Deswegen war ich auch total erleichtert, als ich mitbekommen habe, dass sie sich offensichtlich wieder erholt hat und live auftritt. Und ich bin glücklich, die „Selected Singles“ auf Vinyl zu besitzen. Außerhalb dieser Sammlung liebe ich auch sehr: „Die Geister, die ich rief“, das – ebenfalls mit viel Ironie – von einer Geisterbeschwörung handelt aber in Wahrheit ganz existenzielle Fragen angeht wie Einsamkeit, Außenseitertum und die „Bürde des Seins“. Und „Wild“, der Song trifft mein Endzeitgefühl auch sehr oft und ich finde es befreiend, ihn anzuhören und dazu zu tanzen, und wenn es nur im Wohnzimmer ist.
Ja, ich gebe Dir recht, die Tödin kann zur Abgrenzung verhelfen aber sie mir auch schon zu mehr Verbundenheit mit jemandem geholfen.
So, ich hab mir jetzt nochmal einige Songs von ihr angehört. Werde leider immer noch nicht warm damit – bis auf „Wild“ und „im Schatten“ ist es mir einfach zu krass und schräg zugleich… zieht mich zum Teil auch einfach zu sehr runter. Könnte ich mir gerade nicht vorstellen, dass ich so ein Konzert genießen könnte…
Auch wenn mir so rein musikalisch nicht alle ihre Songs gefallen (manche aber auch sehr gut – „living that DSBM life“ z.B. ist imho klasse), fand ich es immer gerade cool dass sie so mit gruftigen Klischees spielt, sich vermeintlich geradezu darin suhlt (bis hin zu Grabkerzen auf der Bühne). Und live is die Frau echt ein Erlebnis muss ich sagen (durfte sie mal in München erleben, müsste Anfang letzten Jahres gewesen sein) – So energiegeladen und authentisch, man spürt einfach instinktiv dass das nicht „nur Show“ ist sondern sie da auch einiges rauslässt das in ihr steckt (Dinge die ich durchaus auch nachfühlen kann), alleine wie sie bei „Dissonanz des Lebens“ wie ein Derwisch inmitten des Publikums getanzt hat… und das Interview hat mir diesen subjektiven Eindruck jetzt nachträglich 100% bestätigt. Meiner Meinung nach eine tolle Künstlerin welche diese Bezeichnung auch wirklich verdient – Einen Live-Auftritt der Tödin würde ich mir sofort wieder ansehen. Und Selbstironie emfinde ich grundsätzlich als Eigenschaft immer sympathisch (die hier beschriebene Weltsicht und Misanthropie sowieso…).
Danke für das tolle und sehr persönliche Interview!
Das unterschreibe ich persönlich mal zu 100% lieber Robert – Dieses ständige „Wir Goths sind eigentlich ganz lieb und harmlos und lebenslustig und lachen ja auch ganz viel blablah…“ hab ich über die Jahre irgendwie gefühlt etwas zu oft gehört (just my 2 cents). ;)
Zunächst einmal ein riesengroßes Dankeschön für dieses Interview, lieber Robert. Wirklich Lesenswert.
Ich muss sagen, dass mich die Tödin ebenfalls unglaublich abgeholt hat. Ich war zusammen mit graveyardqueen und Mirjam beim Gothic Pogo auf dem Konzert der Tödin und war echt beeindruckt. Selten habe ich ein Konzert trotz dass wir in der hinteren Reihe standen so energiegeladen erlebt.
Gerade dass bei ihr nicht alles bloß Show ist, sondern echte Erfahrung durchscheint, versetzt das Ganze für mich in ein spannendes – wenn auch zwiespältiges – Verhältnis. Einerseits sprüht ein Konzert von ihr vor Energie, anderseits wird einem auch die kalte Realität ungeschönt um die Ohren gehauen. Wenn sie beispielsweise in ihrem Song Dissonanz des Lebens die Abwärtsspirale bei einer starken psychischen Erkrankung beschreibt, nachdem sie die (nachweislich) unterirdische Versorgung durch entsprechende Therapieplätze angreift, dann geht das bei mir übelst unter die Haut. Eben weil es bei der Tödin nicht ausschließlich Show und Spielerei ist, sondern sich auch auf einen gewissen Erfahrungswert zurückführen lässt.
Genau das. Ich gehe sogar soweit, dass die Tödin für mich eine Künstlerin ist, die das Wort Gothic mit seiner eigentlichen Essenz erfüllt. Nicht im Sinne des Musik-Genres Gothic-Rock versteht sich. Wohl aber mit dem Wort Gothic im Sinne einer Grundstimmung: Düster, bedrückend, aussichtslos. – Etwas wovon sich manch anderer Teil der schwarzen Szene gern eine Scheibe abschneiden dürfte.
Gut gesagt – In der Hinsicht ist die Tödin einfach „authentisch-gruftig“ durch und durch… Kann man in DIESEM(!) Ausmaß sicherlich jetzt nicht von jedem Künstler sagen (die werte Anna-Varney würde mir da spontan jetzt als weiteres Beispiel einfallen).
…dann eine kleine Empfehlung vom Profi:
Es kann dich nichts mehr runterziehen… wenn du bereits ganz unten bist! ^^ – „Folgt mir für weitere praktische Tipps!“ ;)
Aber meinen schlechten schwarzen Humor mal beseite gelassen: Es überrascht mich immer ein wenig sowas zu lesen (ebenso wenn Tanzfledermaus schreibt „zieht mich zum Teil auch einfach zu sehr runter“), da sieht man mal wieder wie unterschiedlich man selbst hier, innerhalb der Nische in einer Nische, teilweise doch noch ticken kann (was aber ja wohlgemerkt nichts schlechtes ist).
„Es kann dich nichts mehr runterziehen… wenn du bereits ganz unten bist! ^“
Genau das! Und in genau solchen Situationen empfinde ich gerade die Tödin gerade als extrem heilsam! Heftige Zustände bedürfen bei mir eben heftiger Medizin. Und ja, sie verhilft mir auch zur inneren Abgrenzung, wenn ich von einer sehr stinomäßigen Situation nicht ausweichen konnte. Genau in so einer Situation ist aber die Verbindung zu jemand anderem ( szenefremd, aber durchaus mit dunklen Vibes) noch enger geworden. Ich habe aus Versehen einen Song von der Tödin angeklickt und die Reaktion darauf war positiv.
Dahingegen hatte ich einer Freundin, die mir eine Kassette mit einem krassen Mix aus Black Metal und Goethes Erben geschenkt hatte, vorgeschlagen, mit mir zum Konzert zu gehen. Aber ihr ist die Tödin zu runterziehend. Das ist aber auch völlig in Ordnung. Ist ja gut, wenn nicht alle gleich ticken, die gemeinsamen Schnittmengen liegen dann halt wo anders. Ich genieße den Absturz auch lieber alleine, als dass ich das jemandem zumute, für den es zu krass wird.
Übrigens Anna Varneys „Saltatio Crudelitatis“ ist jüngst auch unter meine persönlichen Gifte gewandert ;).
Geht mir ebenso… cool dass ich nicht der einzige bin.
Das ist aber auch irgendwie ein wenig lustig, wenn man bedenkt was die Erben teilweise früher für Songs gemacht haben (man denke mal an „Ich möcht nicht länger“, „Das Ende“, „Himmelgrau“ etc.)… oO
Kennt deine Freundin möglicherweise nur deren spätere Songs? ^^
Ich persönlich hoffe jedenfalls sehr dass „Gevatterin Tödin“ auch mal wieder in München aufschlägt irgendwann…
„Kennt deine Freundin möglicherweise nur deren spätere Songs? ^^“
Nein, auf der Kassette war „Das Ende“ mit drauf und „Rot Blau Violett Grün Gelb“, was finde ich auch unter die Haut geht. Deswegen hatte ich ja auch gedacht, dass sie vielleicht mitkommen würde. Sie hat mir auch erklärt wieso nicht, was ich verstehe. Aber genau deswegen würde es halt dann bei mir heißen.
Wie auch immer, auch ich hoffe wieder auf eine Gelegenheit, die Gevatterin zu sehen,wo es zeitlich passt und räumlich so, dass es einigermaßen machbar ist. Du hast ja die Chance am 27.12. in München, wenn Du ein paar andere Bands in Kauf nehmen magst. :).
Oh, na dann…
Ja, dieses 2-Tages-Festival in München im Backstage… davon hatte ich schon vor dem Interview hier mal gelesen und es mir wg. der Tödin schon mal online angeguckt… und dann aber gleich wieder vergessen/gedanklich „gestrichen“ (ja tatsächlich, hatte ich gar nicht mehr im Kopf) weil die Tödin halt leider die einzige wäre die mich da interessiert (der Rest ist nicht meins, das Line-Up mir generell auch zu Metal-lastig), und sie verkaufen leider auch nur 2-Tages-Tickets.
Das letzte mal hab ich die Gevatterin an einem Abend im Müchner Feierwerk gesehen (ein gruftiges Event („Katzenclub“), damals zus. mit Isla Ola, das war in der Kombination natürlich einfach wundervoll) – Ich hoffe einfach sie tritt in meiner Gegend nochmal alleine ODER im Rahmen eines eingermaßen gruftigen Events auf. :)
Vielleicht ist hier eine Erklärung meinerseits hilfreich, denn runter zieht mich die Musik der Tödin ebenfalls nicht. Ich für meinen Teil habe gelernt mitzufühlen, ohne mir die Probleme anderer Menschen direkt zu eigen zu machen. Die Verzweiflung in einem Song wie eben Dissonanz des Lebens kann ich total fühlen und mich auch entsprechend positionieren, was beispielsweise die Kritik an unserem gesundheitlichen Versorgungssystem betrifft. Dennoch übernehme ich die Verzweiflung nicht – Andernfalls könnte ich vermutlich kein zweites Konzert der Tödin genießen. Ich hoffe ja auch darauf, dass sie sich mal zu uns in die Gegend verirrt. Laut Aussage eines Veranstalters mit dem ich gelegentlich plaudere stehen die Chancen dafür auch gar nicht so schlecht. 😎
Ja, Anna-Varney von Sopor Aeternus ist ein guter Vergleich. Hat meine Schwester früher sehr viel gehört, als sie noch extrem gruftig unterwegs war und es ihr auch psychisch überhaupt nicht gut ging. Vielleicht komm ich auch deshalb nicht so gut mit solchen Texten in Songs klar (vor allem auf deutsch, wo man schwerer drüber hinweg hören kann), weil ich da immer an diese Zeit erinnert werde, die meine Schwester mit einem – zum Glück misslungenen – Suizidversuch „toppte“.
Ich kann mich da schwerer von abgrenzen, wenn ich mitbekomme, dass jemand wirkliches Leid erlebt. Für manch einen ist es Therapie, das rauszulassen (wie bei der Tödin), aber es berührt mich trotzdem unangenehm.
Sopor hör ich tatsächlich auch immer insbesondere dann wenn es mir gerade besonders mies geht, so nach dem Motto „Hello darkness, my old friend…“ (das von der lieben Maren erwähnte „Saltatio Crudelitatis“ gehört zu den wenigen Sopor-Songs die ich absolut immer hören könnte, aber für viele andere muss man echt in der – besonders düsteren – Stimmung sein)
Sopor, Tödin, Lebanon und zwischendurch paar alte Nummern von Das Ich ist gerade einfach eine ganz passende Mischung irgendwie.
Das mit deiner Schwester ist absolut nachvollziehbar, an so etwas will man jetzt beim Musikhören natürlich später nicht erinnert werden :( (und Musik ist einfach nunmal verdammt gut darin Erinnerungen wachzurufen, im Guten wie im Schlechten). Es freut mich auch sehr (für sie und für dich!) dass es ihr heute wohl offenbar besser geht als damals.
Einen „therapeutischen Effekt“ hat wirklich düstere Musik mit Texten irgendwo zwischen depressiv und aggressiv halt ggf. dann es einen selbst betrifft (ist zumindest so mein Empfinden), wenn man sich verstanden fühlt und da etwas rauslassen kann…
Wenn es um Dritte geht… ist das finde ich durchaus was anderes, darum verstehe ich dein Unbehagen (in dem speziellen Kontext sowieso) – Es gibt auch so einiges wo es meines Erachtens als empathischer Mensch einen riesigen Unterschied macht ob es sich um das eigene Leid oder das eines anderen Menschen dreht, ich bin ja z.B. auch ein großer Freund von klassischem Galgenhumor (der Selbstironie der Tödin ja durchaus artverwandt), aber dieser bezieht sich per Definition ja auch immer auf einen selbst und das eigene Leid, das eigene Scheitern… und kann einem genau darum manchmal helfen mit dem ganzen Mist irgendwie umzugehen (und ist etwas völlig anderes als wenn jemand exakt diesselben Witze über eine andere Person machen würde)).
Einen therapeutischen Effekt düsterer Musik beobachte ich sonst bei mir auch, aber da ist es dann vorrangig die Musik, mehr als die Texte, die mich spiegelt und auffängt.
Z.B. „The same deep Water as you“ von Cure hat mich mal besonders gut abgeholt. Für solche Stimmungen habe ich einen speziellen „Viva Melancholia“- bzw. sogar „voll finster!“-Musik-Mix…
Zum finster!-Mix gehören z.B.
„Flowers“ von Girls under Glass
„Black Flower“ von Still Patient?
„New Day“ von Cure
„And into Earth shall we return“ von The Garden of Delight
„Dynamite“ von Pink Turns Blue
„Tears of Liberation“ von Love Like Blood
Und die klingen alle alles andere als lebensbejahend.
Ah ok, verstehe… bei mir ist es beides, wobei es manchmal „etwas derber/direkter“ (so wie die Tödin) sein muss und manchmal auch nicht…
Danke für die vielen Anspieltipps (auch wenn sie jetzt wohl nicht primär als solche gemeint waren), die Bands kenn ich natürlich aber spontan gerade nicht alle Songs (zumindest nicht den Namen nach), werd ich mir mal (auch in der Kombination) anhören…
PS: Das ist das erste mal dass jemand in so einem Gespräch mal „Still Patient?“ erwähnt, das freut mich irgendwie immer sehr :) <3 (ihr „Shadow of the Empire“ war einer meiner Lieblingssongs als Kind damals, noch bevor ich die Wörter „Dark Wave“ oder „Gothic“ überhaupt auch nur jemals gehört hatte, seitdem hat die Band einen Platz in meinem Herzen (und ich hab mir später alle Alben bis zur (ersten) Auflösung gekauft…).
Ja, Still Patient? waren früher richtig klasse, bevor sie auf die härtere Schiene gewechselt sind. Ich hab die auf der Fahrt zu meinem ersten WGT, 1993, im Auto von Freunden das erste Mal gehört und war sofort hin und weg… Vor wenigen Jahren haben sie beim WGT gespielt, ich war ganz glückselig, die doch auch mal live erleben zu dürfen.
Ach wie cooool… 8)
Die neuen Sachen (nach einer Reunion glaub ich) haben mir dann auch nicht mehr so gefallen, war ok aber nix besonderes in meinen Augen („Dark Rock“ hab ich es damals instinktiv genannt, trifft es ganz gut glaub ich), aber ihre früheren Dark Wave-Sachen waren einfach richtig richtig gut (und die herrlich bizarre Textzeile „cutting your head off makes your body lose weight“ werd ich wsl. niemals vergessen… XD ).
Deine Gründe, warum Du die Tödin nicht hören willst, kann ich absolut nachvollziehen. Und ich kann wie Durante auch nur sagen, dass ich froh bin, dass es für Dich und Deine Schwester gut ausgegangen ist. Bei meiner Freundin liegt der Grund, warum sie nicht mit aufs Konzert wollte ähnlich.
Dass Dich das Leid anderer berührt, finde ich absolut sympathisch. Für mich zeugt Empathielosigkeit auch von Gleichgültigkeit und Scheuklappen.Das lässt für mich auf Oberflächlichkeit schließen und da wären wir wieder bei den angepassten Spießerschweinen.
Für mich hat es da Graphiel sehr gut auf den Punkt gebracht:
„Ich für meinen Teil habe gelernt mitzufühlen, ohne mir die Probleme anderer Menschen direkt zu eigen zu machen.“
Ich fühle stark mit, ich kämpfe stark dagegen nicht mitzuheulen, aber es wird dennoch nicht zu meinem eigenen Problem. Das funktioniert meistens (z.B. im Job). Bei Menschen die mir sehr nahe stehen, sieht das Ganze dann noch mal anders aus.
Ja, definitiv!
(Erfreulicherweise habe ich das tatsächlich bei fast allen Spontis die ich mal wirklich etwas näher kennengelernt habe festgestellt. :) )
Ich schätze das ist letztendlich eine ziemlich gesunde Einstellung… (und was den letzten Satz betrifft: Das dürfte wohl vielen so gehen… und das ist vermutlich auch gut so (auch wenn es natürlich definitiv nicht immer leicht ist :( )
Vielen Dank für dieses großartige Interview…..
es hat so einige Fragen , die ich mir auch schon gestellt habe , beantwortet.
Ich durfte die Toedin schon einige Male live sehen und bin immer wieder begeistert von Ihrer fesselnden Performance.
Die Musik ist genau meins …