Abzocke mit Fotos – Warum Bloggen 2022 ein teures Hobby ist

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Es ist wieder Zeit für so einen Artikel. Wenn die Politik sich schon nicht um dieses Thema kümmert, müssen Blogger selbst darüber berichten, dass das Internet mittlerweile ein Minenfeld ist, in dem man nur noch versucht, Abmahnungen zu verhindern. Vorbei sind die Zeiten, in denen man einfach seine Gedanken, Erlebnisse und Tipps in einem „Online-Tagebuch“ teilen konnte. In einem professionalisierten und kommerzialisierten digitalen Umfeld wird jeder kleine Fehler zum finanziellen Desaster. Trotz aller Vorsicht hat es mich wieder getroffen. Diesmal soll ich fast 300 Euro zahlen.

Was diesmal geschah

In einer Wochenschau vor über acht (!) Jahren, im April 2014, habe ich über den Fotografen Chris Parker berichtet, der auf der Plattform „Behance“ Bilder seines Schaffens hochgeladen hatte, darunter auch das Bild von ein paar Punks, die vor den „Houses of Parliament“ in London posierten. Ich fand die Aufnahmen klasse und berichtete kurz über den Fotografen. Ich stellte natürlich ein Beispielbild dazu, damit man sich einen Eindruck machen konnte und das Besucher animieren sollte, das ganze Album zu bewundern.

Behance ist eine Plattform, bei der man als Kreativer eine Art Portfolio in Form von „Projekten“ erstellen kann. Sie dient dem Künstler dazu, seine Arbeiten vorzustellen und entdeckt zu werden. Sinn und Zweck ist es also, dass jemand auf das Profil aufmerksam wird und darüber berichtet. So wie ich es damals getan habe. Diese kostenlose Werbung für Chris Parker kommt mich nun teuer zu stehen.

Der Künstler hat offensichtlich im Verlauf der letzten Jahre sein Album mit den Punks bei Behance gelöscht. Die Bilder werden nun über den Stockfotografie-Giganten „Alamy“ verkauft. Das besagte Bild, das ich damals als kostenlose Werbung für den Fotografen verwendet hatte, kostet dort nun 40 Euro. Von dieser Entwicklung habe ich nichts gewusst, denn ich kann nicht die über 10.000 Fotos, die ich im Blog im Laufe der Jahre verwendet habe, ständig auf mögliche „Lizenz-Besitzerwechsel“ überprüfen.

Zahlung bequem per Portal

Spontis ist kein Business-Blog, wo man sowas vielleicht verlangen könnte. Es handelt sich um einen nicht-kommerziellen, privaten Blog, mit dem niemand Geld verdient – außer die Abmahnanwälte. Zur Erinnerung: Die letzten Abmahnungen beliefen sich auf rund 715 Euro und 1.400 Euro, eine weitere Nachlizenzierung kostete mich 400€. Diesmal habe ich sogar die bequeme Möglichkeit, auf einem eigens eingerichteten Portal, zu bezahlen. Immerhin kann ich mehrsprachig, superbequem und auf sechs verschiedenen Wegen 274,95 Euro überweisen. Offensichtlich schreibt die Plattform viele Abmahnungen – natürlich immer im Sinne der Künstler, oder wofür war das Urheberrecht nochmal?

Düstere Blog-Zukunft

Spinnen wir den Vorgang einmal weiter und malen schwarz, so wie es mir in die subkulturelle Wiege gelegt ist. Es kommen beängstigende Szenarien zustande. Was ist beispielsweise mit dem netten Fotografen den ich bei einem Festival kennenlerne und den ich frage, ob ich ein paar Bilder von ihm für einen Bericht benutzen darf? Was ist mit Spontis-Lesern, die mir ihre Bilder zur Verfügung stellen. Irgendwann könnten diese Fotos theoretisch auch bei einer Agentur landen, die extra ein Portal für Strafzahlungen eingerichtet hat – natürlich ohne Ausnahme – auch nicht bei nicht-kommerzieller Nutzung, die nur dazu dient, den Fotografen zu unterstützen.

Vermutlich wäre es dann mal wieder an der Zeit für so einen Artikel. Daran bin ich natürlich nicht interessiert, deshalb werde ich in Zukunft nicht mehr über Fotografen berichten und muss versuchen, für bereits verwendetes, angeblich „freies“ Material schriftliche Lizenzen zu bekommen, die ich dann im Falle eines Falle vorweisen kann.

Nur zur Erklärung: Ich achte bereits seit der ersten Abmahnung bei der Verwendung von Fotos akribisch auf die Nutzungsrechte. Doch selbst bei der Verwendung von Fotos, die über entsprechende Portale, wie beispielsweise unsplash.com zur freien Verwendung angeboten werden, können sich die Nutzungsrechte jederzeit ändern. Ob ich Bilder von Bands, Plattencovern oder Screenshots neuer Musikvideos auch besser lassen soll?

Ich empfinde es als hanebüchene Ungerechtigkeit, als Blogger, der nicht einen einzigen Cent mit seinem Content verdient und der viel Kohle vom 3-Schicht-Lohn als Schlosser investiert, um dieses kleine Universum am Laufen zu halten, so gelackmeiert am Ende der Nahrungskette zu stehen. Datenschutz, DSGVO, Cookie-Hinweise, Impressumspflicht, kostenpflichtige Erweiterungen und eine verfremdete Adressen gegen Trolle reichen nicht aus. Ja, ich weiß, jetzt heule ich rum. Ich profitiere ja auch von diesem Blog. Mir fällt es nur immer schwerer, daran zu glauben.

Kurztipp: M’era Luna 2022 Streams bei ARTE und NDR

Obwohl das M’era Luna Festival dieses Jahr stattfindet, wollen NDR und ARTE Concert wieder einige Konzerte auf den Bildschirm und später in die Mediatheken bringen. Das hilft zum einen dabei, keine verwackelten und krachenden Handy-Videos als Andenken an einen Bühnenauftritt anzufertigen, zum anderen hilft es den Daheimgebliebenen, ein bisschen Festival nach Hause zu holen. Deshalb: Handys wegstecken, Konzert genießen und später einfach in die Mediatheken gucken. Leider sind nicht alle Künstler im Livestream zu sehen, die Sisters of Mercy sind beispielsweise nicht zu sehen.

Rund 25.000 Gäste erwartet das Flughafen-Festival in Hildesheim, die stark überarbeitete Seite des Festivals wird sehr aktive geführt und erlaubt zahlreiche Einblicke in die Entstehung des Festivals. Auch auf Kanälen wie Instagram geht es lebhaft zu mit einem eigenen „M’era Luna TV“. Tagespässe gibt es für 65€ (Samstag) und 75€ (Sonntag), für ein Wochenendticket werden 113,75€ fällig.

Die Videos bei ARTE werde auch nach Ende des Festivals für etwa 90 Tage online bleiben. Genug Zeit also, sich im Nachgang noch einmal auf sich wirken zu lassen oder für den Heimgebrauch abzuspeichern.

Samstag 6. August 2022

  • 16:35 QNTAL
  • 17:15 Schattenmann
  • 17:55 Ost+Front
  • 18:35 Lacrimas Profundere
  • 19:15 The Lord of the Lost Ensemble
  • 20:00 The Mission
  • 21:00 Nitzer Ebb
  • 22:15 Blutengel

Sonntag 7. August 2022

  • 16:50 The Beauty of Gemina
  • 17:30 Feuerschwanz
  • 18:10 Combichrist
  • 18:55 VNV Nation Classical
  • 19:45 Schandmaul
  • 22:00 Eisbrecher
  • 23:15 ASP ft. TLBM

Gruft-Orakel August 2022: Der Wiedergänger wird in die Ecke gedrängt

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Die Sonne brennt erbarmungslos durch die Ritzen in der Hütte des Wiedergängers, das schwarze Dach und die schlechte Isolierung treibt die Temperaturen im Innern auf kritische 45 Grad. Eigentlich ein Wetter zum Sterben, aber dieses Glück bleibt dem Wiedergänger ja rein mythologisch verwehrt. Im Grunde könnte man sich jetzt immerhin irgendwo verkriechen, um der Hitze zu entkommen, aber dank Alana Abendroths Gruft-Orakel muss er sich wieder in sein viel zu enges Korsett quetschen, das seit Corona auch nicht wirklich besser passt als vorher. Von wegen „ihm gefällt das„! Er flucht leise auf die Erzählerin, die diese Geschichte schreibt. Könnte der Wiedergänger nicht eiswürfelgefüllte Badewannen mögen? Oder vielleicht klimatisierte Särge? Ach, ich soll in den Schrank? Na klasse. Der Wiedergänger fühlt sich in die Ecke, oder auch den Schrank gedrängt.

Nachruf: Star Treks „Lt. Uhura“ Schauspielerin Nichelle Nichols gestorben

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Ich muss fünf Jahre alt gewesen sein, als ich Nichelle Nichols in der ersten Folge von „Star Trek“, die Ende der 70er-Jahre irgendwo als Wiederholung gezeigt wurde, kennenlernte und letztendlich zum Trekkie wurde. „TOS“, wie Eingeweihte die „Originale“ nennen, sind für mich mit dem Geschmack von Dany + Sahne verbunden. Weil ich in den Sommermonaten nicht so viel Lust hatte im Schrebergarten meinen Eltern bei der Gartenarbeit zuzusehen, habe ich damals viele Nachmittage bei meiner Oma verbracht, die mich für eine knappe Stunde auf Opas Sessel vor dem Fernseher verfrachtete und mir stets einen dieser Puddings reichte, die ich genüsslich auslöffelte. Natürlich erst die Sahne und dann den Pudding. Bloß nicht umrühren! So kam ich verteilt auf einige Wochen und Monate in den Genuss, die Enterprise und ihre Besatzung kennenzulernen. Ich glaube, ich fand Lt. Uhura, vor allem wegen ihres stylischen Kopfhörers im linken Ohr und der typischen Handbewegung, die sie machte, wenn ein Funkspruch hereinkam, so unglaublich spannend.

Die Frau, die ich damals so spannend, in den ersten Star-Trek Filmen so großartig und auf einer Star-Trek-Convention so sympathisch fand, ist am 30. Juli 2022 im Alter von 89 Jahren gestorben. Ihr Sohn schrieb in ihrem offiziellen Instagram-Account: „Ihr Licht jedoch wird, wie die alten Galaxien, die jetzt zum ersten Mal zu sehen sind , uns und zukünftigen Generationen erhalten bleiben, um sich daran zu erfreuen, davon zu lernen und sich inspirieren zu lassen.“ Erst im Laufe der Jahre wurde mir bewusst, wie groß und wie einflussreich ihr Rolle gewesen ist.

https://www.instagram.com/p/Cgr7rqPvRJ7/

Mit der Schauspielerin Nichelle Nichols in der Rolle von Lieutenant Uhura brach die Serie „Star Trek“ zwischen 1966 und 1969 mit dem Rollenbild von schwarzen Frauen im Fernsehen. Gleichberechtigt und als Mitglied der Brückenbesatzung erschien es wie selbstverständlich, dass Uhuhra Funksprüche auffing, Kanäle öffnete oder im Mittelpunkt einzelner Episoden stand. Für viele Menschen ein Hoffnungsschimmer, dass die damals frisch aufgehobene Rassentrennung nun endlich gelebt wurde. 1968 küsste sie in ihrer Rollen William Shatner alias Captain Kirk – der erste Kuss zwischen einer Schwarzen und einem Weißen in der US-Fernsehgeschichte.

1978 warb sie für die NASA um neue Rekruten für das Raumfahrtprogramm und sprach damit vor allem junge schwarze Frauen an, sich für die Raumfahrt zu interessieren. Viele NASA-Mitarbeiter nennen Nichelle Nichols als Inspiration für ihre Tätigkeit bei der NASA.

Beabsichtigt hatte Nichelle Nichols ihre Rolle als Ikone der schwarzen Community nie, Martin Luther King Jr. ist es zu verdanken, dass sie 1967 auch für die zweite Staffel der Serie zu Verfügung zu stehen. 2008 erzählte sie in einem Interview von der Begegnung mit dem amerikanischen Bürgerrechtler. „Als ich ihm sagte, dass ich meine Kollegen vermissen würde und die Serie verlassen wollte, sagte er: ‚Das können sie nicht tun! Sie haben das Gesicht des Fernsehens für immer verändert. Zum ersten Mal sieht uns die Welt so, wie wir in der Welt gesehen werden sollten.‚“ Sie blieb und stand auch für spätere Star-Trek Filme vor der Kamera. Zusammen mit Gene Roddenberry und einigen der folgenden Serien aus dem Star-Trek Universum hat man mir gezeigt, wie eine „bessere“ Menschheit in der Zukunft aussehen könnte.

Ich denke an die Destination Star Trek zurück, wie die freundliche alte Lady an ihrem Tisch begeisterten Fans fleißig Autogramme schrieb, an das Foto, auf dem sie unterschrieben hatte und das ich kurz für jemanden halten durfte und an den Geschmack von Dany + Sahne auf meiner Zunge, der mich an unsere erste Begegnung erinnert. Als Lieutenant Uhura mit grünen Ohrringen und einer Hand am Ohr. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt auf dem Weg in neue Galaxien, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat…

Wochenschau: Ein klaffendes Sommerloch voller Dunkelheit

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Das Sommerloch erreicht seine größte Ausdehnung. Während die einen ihren Urlaub beenden, beginnt man anderenorts erst damit, die Koffer zu packen. Auch die Gruftis befinden sich im Konzertfieber oder Festival-Dauerstress, bereisen ferne Länder oder lassen auf andere Weise die schwarze Seele von der Liane baumeln (Gruß an die Nerds in der Wildnis!). Kalkweiß geschminkte Gesichter stehen im Wettkampf mit sonnengebräunter Haut, eine Unachtsamkeit bei der Gesichtsverschönerung um die natürliche Bräune abzudecken und schon sieht man aus wie ein Gothic-Pandabär auf der Suche nach der nächsten Bambusstaude. Sowieso endet die edle und todesähnliche Ästhetik an Hals, Armen und Händen, wenn man nicht im Ganzkörperoutfit schwitzen möchte. Der Sommer ist nicht die richtige Saison für unsere Subkultur, ehrlich nicht. Ein inhaltliches Loch können wir derzeit allerdings nicht vermelden, Planet Gothic ist dank gefülltem Veranstaltungskalender in einer aufgeregten Taumelbewegung und auch viele Beobachter fühlen sich berufen, wieder über die Szene zu berichten.

40 Jahre Gothic-Bewegung: Als die Dunkelheit zum Trend wurde | TAZ

Besondere Beachtung verdient sich einer der Eingangs erwähnten Beobachter, Oliver Tepel von der TAZ, der die Eröffnung des Batcave-Clubs in London am 21. Juli 1982 zum Anlass nimmt, sich über die Gothic-Bewegung zu ergießen. Komprimiert, aber völlig zutreffend, fasst er zusammen, was seit 1982 passiert ist und wo die Szene heute steht. Allerdings wird er der Szene durch ihre simple Degradierung zu einer „aus einem Clubtrend entstandenen Gothic-Bewegung“ aus meiner Sicht nicht gerecht. Völlig falsch ist das zwar nicht, doch Gothic war neben einem immer wiederkehrenden Trend der Popkultur auf den Tanzflächen der Nation auch eine Form von gelebtem Gefühl, abseits von Clubs, Konzerten und aktuellen Selfie-Eskapaden. Die Bewegung hat sich nicht nur musikalisch weiterentwickelt, sondern auch inhaltlich.

Zwangsläufig, will ich meinen, denn nach einer Dekade „Trend“ diesem immer noch hinterherzulaufen ist möglicherweise ein Armutszeugnis der eigenen Auffassungsgabe und der fehlenden Motivation, über den Tellerrand hinaus zu blicken. Am langen Ende bleibe ich mit Oliver Tepel bei einer Ansicht: „Man könnte denken, seine Identifikationskraft habe Gothic als Clubkultur zugunsten einer Lebenseinstellung zerstört, doch vielleicht stimmt genau das Gegenteil: 40 Jahre Lebenswelt voller Stilwandel und immer noch verlästert von den Hütern des feinen Geschmacks, dieser Triumph war keiner anderen Bewegung des Popzeitalters beschert.

Die daraus resultierende Abgrenzung ist ein essentieller Bestandteil der Szene. Früher als Grabschänder gefürchtet, heute als Sexy Gothic-Engel im Gummioutfit „verlästert“.

Die Szene trotzt seit 40 Jahren dem gebetsmühlenartig angedichteten „Tod“. Sie schlägt sich wacker gegen die Vereinnahmungen durch Modedesigner und Gesellschaft, die in schwarzen, mittelalterlichen oder blutverschmierten Klamotten eine Form der Fremd- und Selbstinszenierung feiern. Die Szene trotz einer Berichterstattung, die stets versucht, zu simplifizieren oder skandalisieren, worum es sich im Gothic-Universum drehen kann. Ja, da hat er recht, wir „trotzen“ mit stoischer Gelassenheit, augenscheinlicher Arroganz und feiner Selbstironie dem popkulturellen Streben nach Stil.

Seine Identifikationskraft hat Gothic noch lange nicht verloren, als „dunkle Clubkultur“ bietet es seit 40 Jahren jedem einen äußerlichen Zugang zum einem ausgefallenen Outfit mit dem „verruchten Gefühl der Subkultur“ auf nebelgeschwängerten Tanzflächen bei cooler Musik. Gothic bietet aber auch die Möglichkeit den Wochenendgrufti spannende Flausen in den Kopf zu setzen, um daraus eine Lebenseinstellung wachsen zu lassen. Gründe die Welt traurig, melancholisch oder resigniert zu betrachten, bieten diese Zeiten haufenweise.

Last but not Least: Danke für einen sehr spannenden und anregenden Artikel über die Szene, der – wie man offensichtlich an meinen Ausführungen erkennen kann – zum Nachdenken anregt. Es ist selten geworden, dass differenzierte Sichtweisen und Perspektiven über die Szene das Tageslicht erblicken. Gerne mehr davon.

„Fällt aus“ statt „Sold Out“: Was man über das Konzertjahr 2022 wissen sollte | Musikexpress

Sehr spannender Artikel über das aktuelle Jahr, das zwischen Konzert-Wahnsinn und tief empfundener Skepsis Veranstalter und Künstler vor ganz neue Herausforderungen stellt. „Nein, wenn man genau hinsieht, dann wird schnell klar: Wir erleben hier nicht den Status von vor der Pandemie. Dieses ganze „Volle Hütte überall“-Gefühl, was sicher nicht nur mich beim Aufenthalt in den Sozialen Medien befällt, ist lediglich eine Suggestion, ein Ausschnitt, der nicht wiedergibt, was gerade für ganz viele Künstler*innen eine bittere Pille darstellt. Fakt ist vielmehr: Wer keinen unmittelbaren Hype oder das ganz große Standing hat, geht bei dem (vermeintlichen) Event-Bock des Publikums leer aus. Viele Venues bleiben dieser Tage leer, den allermeisten Acts dürften bei den Ticketverkäufen mitunter die Hälfte, wenn nicht mehr, fehlen. Auch diverse gut besetzte Festivals, die nicht gerade „Rock Am Ring“ sind, werden abgesagt.“ Ein schwindender Markt, befeuert durch Corona, gestiegene Preise und ein Überangebot an Bands, Festivals und Veranstaltungen tun sich gegenseitig nicht gut.

12.500 Gothics feiern auf Amphi-Festival: So mischen Promis in der „Schwarzen Szene“ mit | RTL

Das Amphi-Festival ist zurück! Auch in Köln hat man sich wieder schwarze Farbe in den Tanzbrunnen geschüttet und ein aufregendes Line-Up zusammengestellt! Ich hoffe, jetzt haben einige schwarze Seelen gezuckt, denn bis auf die üblichen Verdächtigen, die gefühlt auf jedem schwarzen Festival auftreten, war nur vereinzelt gesät spannende Bands zu finden. Dafür hat sich RTL den „Promis in der schwarzen“ Szene gewidmet – Nino de Angelo, Joachim Witt und Alexander Wesselsky und kommt zu dem Ergebnis: „Schlagersänger, Auto-Checker, Mittelalter-Fans, Cybergothics. Die „Schwarze Szene“ ist eine große Gemeinschaft, bestehend aus unterschiedlichen Charakteren mit vielen Interessen. Das repräsentieren nicht nur die drei erwähnten Promis, sondern auch die Fans, die am Wochenende beim Amphi Festival feiern. Alle miteinander, ohne Vorurteile.“ Verdammt, ich will meine Vorurteile zurück!

Black Friday: A Return to the World’s Biggest Goth Festival | It’s Black Friday

Frau Freitag war nach Pandemie und der Geburt ihres ersten Kindes wieder einmal auf dem Wave-Gotik-Treffen zu Gast und bringt einen persönlichen Rückblick mit. Der ist logischerweise geprägt von Baby-Content, denn die kleine Freitag ist wirklich überall dabei und dürfte maßgeblich den Tagesablauf bestimmt haben. Bei so einer frühkindlichen Prägung gibt es nur zwei Möglichkeiten für ihre spätere Entwicklung. Entweder, sie tritt als „Born-Goth“ in Mutters spitze Fußstapfen oder rebelliert als Jugendliche und ärgert Black Friday dann mit dem genauen Gegenteil. Wobei wir noch definieren müssten, was das genaue Gegenteil ist.

Dr. Martens jetzt im Style von „Goonies“, „Lost Boys“ und „Beetlejuice“ | Dr. Martens

Wieder einmal eine Verwurstung von Film zu Schuh-Designs, so wie es Vans bereits vor einer Weile gemacht haben. Diesmal widmen sich die ehrwürdigen Dr. Martens dem Thema 80er und greifen die Filme „Goonies“, „Lost Boys“ und „Beetlejuice“ in Form von Schuhen auf. Offensichtlich hat man beim Rechteinhaber „Warner Bros.“ Gefallen daran gefunden, alte Kult-Filme auf Schuhe drucken zu lassen. Ich bin gespannt, wann H&M mit T-Shirts glänzen aus der Reihe glänzen wird. Die Schuhe, die es als Halbschuh und als Stiefel gibt, liegen zwischen 169 und 199 €. Und ja, ich steh auf so einen Kram :)

Sommerloch-Gothic-Hitzetipps!

Kommen wir zurück zum Sommer und verteilen ein paar „Tipps“ für ein pfiffigeres schwarzes Leben bei brütender Hitze und stechender Sonne. Anothermag schiebt es auf die richtige Klamottenwahl und rät, auf Ärmel zu verzichten und sich Löcher in die Kleidung zu schnippeln. „How to Survive the Heatwave as Goth“ dürft ihr auch gerne nicht anklicken. Viel spannender macht es Neutrogena, die bringen einfach eine Sonnecreme mit Lichtschutzfaktor 250 heraus: „We want our customer base to know that no matter what skin tone or subculture you are we view you as worthy of being safe from the sun’s harmful UV rays. After many failed attempts we were able to perfect our newest formula which is an SPF 250 and able to withstand the harsh demands of goths,” stated Neutrogena scientist Leif Forstfodd.“ Den ganzen – nicht ganz ernst gemeinten Artikel findet ihr bei The Hard Times. Aber eigentlich wollte ich nur zu diesem Video überleiten:

Goth-Stories: Als „The Cure“ 1981 Robert Palmer mit einem 9-minütigen Lied ärgerten

Eine charmante Video-Anekdote aus der Zeit, in der „The Cure“ noch keine Band der „Rock and Roll Hall of Fame“ waren und als Vorband deutlich bekannterer Bands spielten, ist die Geschichte mit der extra langen Live-Version von „A Forest“, die sie im Juli 1981 beim Werchter-Festival in Belgien präsentierten, um Robert Palmer, der damals als nächstes auftreten sollte, zu ärgern.

Der Ärger begann im Grunde schon im Vorfeld, denn der Zeitplan des Festivals war typischerweise völlig durcheinandergeraten. Nervosität machte sich hinter der Bühne breit, offenbar wurde der Robert Palmer, der als nächster auftreten sollte, ungeduldig. Und weil der nicht irgendwer war und die Headliner „Dire Straits“ ebenfalls in den Startlöchern standen, sollten es „The Cure“ ausbaden. 12 Lieder hatten „The Cure“ bereits gespielt, als die Roadies von Robert Palmer letztendlich damit drohten, den Stecker zu ziehen, wenn Robert Smith nicht endlich fertig werden würde. Ein letztes Lied blieb der Band allerdings noch.

Nachdem Smith den letzten Song mit den Worten ankündigte, „because everybody wants to see Robert Palmer“ wurde schnell deutlich, dass die Band sich Zeit lassen würde. Während einer improvisierten, ziemlich großartigen und 9-minütigen Version von „The Forest“ schien es Smith sichtlich zu genießen, die neu erfundene Textzeile „such a long end“ wieder und wieder in Mikrophon zu hauchen.

Als The Cure nach einen nahezu orgastischem Ende den Song endlich zum Abschluss brachten, ließ es sich Bassist Simon Gallup nicht nehmen, im vorbeigehen „Fuck Robert Palmer, Fuck Rock’n’Roll!“ ins Mikrophon zu brüllen, bevor man die Bühne verließ. Nicht belegte Gerüchte behaupten, die Roadies waren in der Umbau-Phase dann so sauer, das sie die Instrumente der Band kurzerhand von der Bühne schmissen.

Zum neuen Album, das hoffentlich bald erscheinen wird, haben sich die Gothic-Ikonen von „The Cure“ einen strammen Tourplan zurechtgeklöppelt, bei dem sich jedoch keine Rücksicht auf nachfolgende Bands nehmen müssen, sondern nur auf den zunehmenden Verfall der Bandmitglieder. Ab Oktober bereist der Fürst der Finsternis den europäischen Kontinent, um mit seiner Band und neuem Material – das bis dahin hoffentlich erschienen ist – die besuchten Länder in Dunkelheit zu hüllen. Über das kommende Album „Songs Of A Lost World“, sagt Robert Smith gegenüber dem Rolling-Stone: „Die neuen Songs haben „nicht sehr viel Leichtes an sich“, würden sich eher nach den Dark-Wave-Tracks aus „Disintegration“ von 1989 anhören, als nach den poppigeren Titeln von „The Head On The Door“. Mit diesem „schonungslosen“ Konzept würde die Band „den Großteil unseres Publikums ansprechen“, so Smith.

Wir bleiben gespannt und sind neugierig, ob Euch die neue Sommerloch-Rubrik „Goth-Stories“ gefällt und ihr weitere Geschichten aus der Vergangenheit hören wollt, in der wir auch von Hintergründen berühmter Gothic-Hymen erzählen wollen. Vielleicht habt ihr ja auch selber Anregungen dazu? Nutzt das Kontaktformular und erzählt davon.

Rückblick: 1. Fledermaustreffen Burg Vondern in Oberhausen

In eindrucksvoller Kulisse fand vom 8. Juli bis zum 10. Juli 2022  das erste Fledermaustreffen in Oberhausen statt. Seit dem Wegfall des „Blackfield“ ist der Festival-Sommer im Ruhrgebiet trotz zahlreicher schwarzer Partys und einer aktiven Community ein eher ausgetrocknetes Flussbett. Das Fledermaustreffen auf der Burg Vondern in Oberhausen ist angetreten, diese Dürre zu beenden. Wir waren (leider nur) am Samstag dabei, um die Location, die Musik und die Besucher in Augenschein zu nehmen. Dank Ray Montag können wir auch mit zahlreichen Bildern glänzen, um Euch einen Eindruck zu vermitteln.

Die Anfahrt zur Burg gestaltete sich unproblematisch, das Ruhrgebiet glänzt mit unzähligen Möglichkeiten einen Ort zu erreichen. Nach einem kurzen Fußweg erreichten wir den gepflasterten Weg zur Burg, die sofort den Eindruck verwischte, zwischen Gleisanlagen und Autobahnanschlussstellen mitten in Oberhausen zu sein. Wir schlängelten uns an einige verwirrten Naherholgungs-Radfahrern vorbei und erreichten den Eingang, der nur noch durch eine Zugbrücke hätte abgerundet werden können.

Am Eingang trafen wir gleich auf Nina Horst vom Minicave-Festival, die auch hier einige Zügel in der Hand hatte, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Dank meiner eindrucksvollen Tanzperformance „Überrascht mich!“ konnte ich sogar so eine Seifenblasen-Pustemaschine einsacken. Ha!

Um 14:00 konnten wir uns pünktlich zu Lesung von Klaus Märkert und Myk Jung im Gewölbekeller einfinden und wurden umgehend von den Texten, der sympathischen Art und dem tollen Zusammenspiel der beiden abgeholt. Die Teilnehmerzahl im Gewölbekeller verdoppelte sich lustigerweise nach ein paar Minuten, als es draußen zu einem kurzen Regenschauer kam. Gruftis sind eben doch nicht wasserdicht.

Klaus Märkert und Myk Jung im Gewölbekeller Fledermaustreffen
Klaus Märkert und Myk Jung bei der Lesung im Gewölbekeller der Burg Vondern Oberhausen.

Während Kurs Valüt das Publikum bei inzwischen wieder brillantem Wetter beschallten, wurde für deren Aktion „Musicans Defend Ukraine“ gesammelt. Am Ende landeten knapp 700€ im Sammelbehälter. Nina Horst dazu: „Ach ja, und dann habt ihr mich wirklich zu Tränen gerührt, mit euren größzügigen Spenden […] Es sind unglaubliche (knapp) 700,-€ zusammen gekommen. Wir finden das überwältigend!

Zugegebener Maßen haben wir bei den Auftritten von Te/DIS und The House Of Usher das Treffen in den Vordergrund gestellt und weniger der Musik Beachtung geschenkt. Unter anderem haben wir der „Händlermeile“ Beachtung geschenkt und nicht schlecht gestaunt, in welchen Räumlichkeiten die ihre Ware feilboten konnten. Die Burg Vondern hat unglaublich schöne Zimmer zur Verfügung gestellt. Es wirkt schon edel, wenn Klamotten in mittelalterlich-adligem Ambiente durchstöbert. Vor lauter Andacht habe ich gleich angefangen, leiser zu sprechen. Beron – Fashion & Accessoires, Young Bat Design, Batcave Design und selbst die Platteninstitution Kernkrach haben sich offensichtlich wohlgefühlt, wir hoffen sehr, es hat sich auch finanziell gelohnt.

Still Patient? haben uns dann musikalisch wieder vor die Bühne gelockt und durch Spielfreude geglänzt, ich glaube, die Leute auf der Bühne hat sichtlich Freude daran, Live auftreten zu können. Besondere Grüße gehen an dieser Stelle @fabienne_elea, die ich im Publikum mit dem Spontis-Beutel entdeckte. Den hat sie zu ihrer Handtasche gemacht und das Logo der Internetseite unfassbar erhaben, majestätisch und würdevoll präsentiert. Ich habe ihr gleich eine neue Tasche geschenkt, nur für den Fall eines Defektes.

New Days Delay haben dann erwartungsgemäß für Unruhe in den Beinen gesorgt und sind einfach durch ihren Electro-Punk-Sound einfach mal die Menge gefegt. Glücklicherweise hatte sich die Sängerin von einem kleinen Zwischenfall beim WGT in Leipzig erholt und konnte durch überzeugendes Energiepotential eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass sie wieder auf den Beinen war. Übrigens finden sich auf dem Youtube-Kanal „Cyberpagan“ ein paar Live-Mitschnitte, falls sich jemand einen bewegten Eindruck verschaffen will.

Frank the Baptist begleitete uns dann im Hintergrund bei Gesprächen mit meinem Briefkasten-Entleerer Svartur Nott, Mängelexemplar und Heiko Bender (Kinder der Nacht 2 soll bald (!) erscheinen) und sorgte auch bei ein Pommes vom bereitgestellten Imbiss für angemessene Unterhaltung weiterer Gespräche. Während man bereits die Bühne demontierte, fanden sich zahlreiche Besucher auf der Tanzfläche zur After-Show-Party ein, während andere in ihrem Mitteilungsbedürfnis nachgingen. Ich habe selbst das Tanzbein geschwungen, bevor sich meine Entscheidung rächte, neue Docs anzuziehen. (Die Gerüchte stimmen, macht das nicht!)

Fazit zum 1. Fledermaustreffen in Oberhausen

Das Fledermaustreffen dürfte als voller Erfolg gewertet werden. Die Location und die beteiligten Menschen in der Organisation waren eingespielt, familiär und freundlich. Jeder hat das Gefühl ausleben dürfen, zu Hause zu sein. Die verschiedenen Bereiche der Burg wurde wirklich gut genutzt und konnten den Fokus auf „Treffen“ richtig gut unterstreichen. Natürlich hätten es noch mehr Besucher sein dürfen, gerade im Ruhrgebiet ist die Dichte der Festivals dieser Art ja nicht so prickelnd, aber es ist klar, dass sich so ein Event auch erst mal herumsprechen muss.

Musikalisch hat man eine schöne Mischung zwischen Goth-Rock und Elektronik angerührt, die auch im zeitlichen Ablauf zu harmonieren schien. Alle Bands und Künstler hatten Lust dabei zu sein, viele von Ihnen mischten sich auch bei Auftritten der „Kollegen“ unter die anwesenden Gäste.

Dass man gleich von Beginn an auch die „kulturelle Seite“ der Szene mit Lesungen aufgriff, finde ich großartig, durch die Lesung von Klaus Märkert und Myk Jung wurde überdeutlich, wie wichtig der inhaltliche Teil für eine Subkultur sein können.

Die Kombination von Minicave-Team, Burg Vondern und dem Team um Hagen Hoffmann hat super gepasst, leider ist aktuell noch nicht klar, ob das zweite Fledermaustreffen 2023 wieder an Ort und Stelle durchgeführt werden kann. Momentan scheint das der Terminplan der Burg nicht herzugeben. Allerdings zeigten sich die Veranstalter entschlossen, das Treffen fortzuführen. Das erscheint auch bitternötig, denn die Ruhrpott-Szene dürstet nach Events mit Herzblut und Nähe, so wie dem Fledermaustreffen.

So jetzt aber zu den Bilder von Ray Montag. Auf Facebook findet ihr noch weitere Bilder vom Treffen. Ein dickes Dankeschön für die tollen Aufnahmen!

Unter Null Festival am 15. und 16. Juli 2022 im AJZ Bielefeld

Das Unter Null Kollektiv ist angetreten, der Stadt, die es Legenden zu Folge gar nicht geben soll, elektronisches Leben einzuhauchen. Am 15. und 16. Juli 2022 findet im AJZ Bielefeld das Unter Null Festival statt, diesmal sogar an zwei Tagen, weil sie nach zwei Jahren Pandemie „ganz dringend etwas aufzuholen haben„. Dieses Gefühl unterstreicht das Kollektiv mit einem eindrucksvollen Line-Up angesagter europäischer Acts. Ben Bloodygrave ist mit seinem brandneuen EBM-Projekt „Transhuman Rebirth“ am Start, ich bin gespannt, wie es beim Publikum ankommt.

Darüber hinaus präsentiert Marcel Störmer vom Unter Null Kollektiv auf Facebook eine Einzelvorstellung der auftretenden Bands, die durchaus sehenswert sind. Jedenfalls für Boomer :)

Selbstverständlich gibt es auch nach den Konzerten angemessene Beschallung von den Decks mit DJs aus Paris, Berlin und Nürnberg. Die Tagestickets kosten 10€. Es wird darum gebeten, sich vor dem Besuch auf Corona zu testen und bei Krankheitssymptomen zu Hause zu bleiben. Vor Ort soll es ebenfalls Möglichkeiten geben, sie auf Corona zu testen.

Programm:

Freitag, 15. Juli 2022

Samstag, 16. Juli 2022

Spontis wünscht allen Beteiligten und Besuchern viel Spaß, wir können leider nicht dabei sein. Bleibt gesund!

Formel Goth: Huch! Eine satanisch-elektronische Orgie in Düsseldorf?

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Herausstechen ist zu einer schwierigen Disziplin geworden. 2022 hat jede Band die Möglichkeit, sich selbst zu vermarkten. War es in den Vergangenheit scheinbar elitären Musikredaktionen vorbehalten, neue Bands und Musik zu verbreiten, kann das heute jeder selbst bewerkstelligen. Das ist toll, aber auch gleichzeitig unfassbar anstrengend. Cancel Culture, Political Correctness und Wokeness sind die neuen Tretminen der Selbstvermarktung und das Klebeband auf den Mündern kritischer Auseinandersetzungen. Wie also herausstechen, ohne jemanden oder irgendwas zu verletzen? Und wie will man auf sich aufmerksam machen, ohne jemanden oder irgendwas zu pieksen? Ich entziehe mich einer Beantwortung dieser Frage und versuche bei der Formel Goth authentisch zu bleiben. Erlaubt ist, was mich piekst :)

Twin Temple – Let’s Have A Satanic Orgy!

Bevor ich jetzt wieder eine Schublade suche, in die ich „Twin Temple“ einsortieren könnte, bleibe ich bei der passenderen Selbstwahrnehmung der Band, die ihren Stil als „Satanic Doo-Wop“ definiert. Die beiden habe ihrer Bandbeschreibung nach eins zum anderen gebracht: „We’ve always loved rock ‘n’ roll, especially from the golden era of American music, but we’re also Satanists and study the Occult. We both practice magick. It was just a crazy idea– ‘Why can’t you love Roy Orbison and hail Satan at the same time?’“ Das fast schon putzige Video im englischen Original ist übrigens nur für Erwachsene, wie uns Youtube versichert, allerdings zeigt uns die spanische Version, dass das völlig unbegründet ist:

Punktò – Ne Daiktai

Gut, ich bin kein Feingeist und fühle mich durch allzu blumige und überschwängliche Lobeshymnen auf Bands oder Künstler, womit sie von Labels oder Agenturen oft beworben werden, meistens abgeschreckt. Auf jeden Fall war ich skeptisch, ob Jonas Sarkus die Ankündigung seines Projektes „Punktò“ wirklich erfüllen könne. „Das ironische und mystische Bild hat keine Zeitrahmen: Alles passiert jetzt, auch wenn es vor einem halben Jahrhundert hätte passieren können. In diesem eklektischen Akt sehen wir Konflikte dreier verschiedener Organismen, die immer materieller werden. Drei Körper, die immer versuchen, aus dem Zusammenbruch ihrer Beziehungen herauszukommen, aber keine Chance haben, es zu schaffen. Schließlich werden sie zu Monumenten ihrer eigenen Eitelkeit.“ Okay, darf ich das Stück auch einfach gut finden, ohne gleich in Worthülsen zu ertrinken? Tolles, phantasievolles Video, ein fast eingängiger Song mit spannenden Stilbrüchen.

Lefki Symphonia – Me Mia Kravgi/With A Scream

Die aus Athen stammende Post-Punk Band „Lefki Symphonia“ existiert bereits seit 1984 und sollte 1988 die erste griechische Band sein, die mit einem Video bei MTV zu sehen war. Jetzt, nach fast 40 Jahren Bandgeschichte spielen Theodoros Dimitriou (Gesang), Kostas Mihalos (Gitarre), Diogenis Chatzistefanidis (Bass) und Vangelis Tsimplakis (Schlagzeug) immer noch zusammen und wagen sich mit einem neuen Album wieder ins Rampenlicht. Kann man sich gut anhören, haut mich aber auch nicht vom Stuhl. Absolut solide Post-Punk Musik, in der man die Erfahrung der Band heraushört, allerdings fehlt es ein wenig an spannender Frische.

Mängelexemplar – Hej Hej Hej

Da soll noch irgendjemand behaupten, aus Düsseldorf komme keine spannende Musik mehr und die guten Sachen kommen aus Amerika. So ein Unfug! Auch wenn die Band Mängelexemplar genau das in ihrem jüngsten Video „Hej Hej Hej“ selbst behauptet, so dürfte auch dem letzten Hörer nach kurzer Anspielzeit auffallen, dass hier ein ironischer Unterton durch den Raum wabert. Knapp 40 Jahre nach Ratinger Hof, Neuer deutscher Welle, Kraftwerk und Fehlfarben sind die Fußstapfen riesig, die eine Düsseldorfer Synth-Wave-Formation vorfinden, wenn sie selbst im neuen Ratinger Hof auf der Bühne stehen. In einer Mischung aus Unverfrorenheit, Leidenschaft und Tatendrang stellen sich die zwei, die sich bei eine Flasche Wein kennenlernten, dieser Herausforderung und machen einfach. Dabei transportieren sie auf charmante Weise die Düsseldorfer Gene in ein neues Zeitalter. Mit frischen und zeitgemäßen Texten für die eingängige Musik und in sogar 3D/VR für das experimentierfreudige Auge. Das nenne ich mal zeitgemäß!

Ebenfalls im Briefkasten landete „Crows on Wires – Not up„, was mich aber zu dieser fortgeschrittenen Stunde des Musikhörens überhaupt nicht abholt und auch sonst eher dahinplätschert ohne einen Eindruck zu hinterlassen. Auch das Video unterstreicht den Song leider nicht.

Ganz frisch wollte „Antiage – Insania“ noch ein Video einschicken, dass ich mir ebenfalls angesehen habe. Bedauerlicherweise nicht mein Geschmack. Ich finde es zu poppig, zu gefällig und das Arrangement eher unvorteilhaft.

Xenogender: Unbeschreibliche Geschlechtsidentität ohne Bezugspunkte

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Im September 2021 fand auf der griechischen Halbinsel Methana, das erste Cyber-Mittelalter-Festival Narthex statt, das ein Publikum aus rund zehn Ländern anlockte, die sich als „posthumane Wesen der Zukunft“ inszenierten und zu Rave-Beats in ihrer Form der Selbstdarstellung feierten. ARTE war dabei und titelte „Xenogenders: Queere Kobolde und Cyber-Nymphen„, um einen Blick hinter die teilweise leuchtend-bunte Fassade zu werfen. Ich bin immer noch dabei die ganzen Begrifflichkeiten auf die Reihe zu bekommen und hänge schon eine ganze Weile an der Wortkombination „Cyber-Mittelalter-Festival“ fest.

Bei der ersten Betrachtung entdecke ich wild gekleidete Menschen, die in Interviews für mich schwer zu greifenden Selbstwahrnehmungen offenbaren und die zu elektronischen Klängen auf eine griechischen Insel tanzen. Allerdings bleibt es nicht bei der auf den ersten Blick oberflächlicher Kostümierung oder einer Geschlechtsidentität ohne klassische Bezugspunkte, sondern die Bewegung richtet sich auch gegen „einen überdominanten Cyberfeudalismus„, bei dem die High-Tech Konzerne des Silicon Valley als Großfürsten gelten, die ihr Nutzer*Innen wie Leibeigene im Mittelalter behandelt. Das erfahre ich in der kurzen Doku von ARTE Tracks.

Allerdings ertrinke ich in einer Flut von neuen Begriffen und Attitüden, die ich erst einmal einzuordnen versuche. Ich bin mir nicht sicher, ob es mir gelungen ist.

Was ist Xenogender überhaupt?

Menschen, die sich mit „Xenogender“ identifizieren, lassen sich nicht in den klassischen Konzepten von Männlichkeit, Weiblichkeit oder Geschlechtslosigkeit beschreiben. Um ihr Geschlechtsempfinden zu beschreiben, nutzen sie Gegenstände, Tiere, Farben, Symbole oder auch Pflanzen zu Selbstbeschreibung und entziehen sich damit jeder Einordnung in binäre Schubladen. Wie das Queer-Lexikon offenbart, scheinen Xenogender eine Randgruppe in der Randgruppe zu sein und sorgen für viel Diskussionsstoff in der queeren Community. Ich bin sehr fasziniert, wie sich junge Menschen mittlerweile abgrenzen, um sich in ihrem kleinen Mikrokosmos zu verwirklichen, zu finden und zu entwickeln. Zugegeben „Xenogender“ ist jetzt nicht leicht nachzuvollziehen, wenn man wie ich in einer Gesellschaft aufgewachsen ist, in der noch heißt diskutiert wurde, ob sich Jungs überhaupt schminken sollten.

Grundsätzlich finde ich es aber toll, in einer Gesellschaft zu leben, die sich der Identitätssuche und Selbstbestimmung immer weiter öffnet. Was sich in den letzten Jahren an Wahrnehmung entwickelt hat, darf durchaus als wegweisend betrachtet werden, erst jüngst wurde ein neues Selbstbestimmungsgesetz erlassen: „Jeder Mensch in Deutschland soll sein Geschlecht und seinen Vornamen künftig selbst festlegen und in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern können.“ Sicherlich geht es vielen Menschen nicht schnell genug, aber das Thema ist durchaus komplex und vielschichtig. Ich bleibe sehr gespannt, wie die Reise weitergeht.