Es ist wieder Zeit für so einen Artikel. Wenn die Politik sich schon nicht um dieses Thema kümmert, müssen Blogger selbst darüber berichten, dass das Internet mittlerweile ein Minenfeld ist, in dem man nur noch versucht, Abmahnungen zu verhindern. Vorbei sind die Zeiten, in denen man einfach seine Gedanken, Erlebnisse und Tipps in einem „Online-Tagebuch“ teilen konnte. In einem professionalisierten und kommerzialisierten digitalen Umfeld wird jeder kleine Fehler zum finanziellen Desaster. Trotz aller Vorsicht hat es mich wieder getroffen. Diesmal soll ich fast 300 Euro zahlen.
Was diesmal geschah
In einer Wochenschau vor über acht (!) Jahren, im April 2014, habe ich über den Fotografen Chris Parker berichtet, der auf der Plattform „Behance“ Bilder seines Schaffens hochgeladen hatte, darunter auch das Bild von ein paar Punks, die vor den „Houses of Parliament“ in London posierten. Ich fand die Aufnahmen klasse und berichtete kurz über den Fotografen. Ich stellte natürlich ein Beispielbild dazu, damit man sich einen Eindruck machen konnte und das Besucher animieren sollte, das ganze Album zu bewundern.
Behance ist eine Plattform, bei der man als Kreativer eine Art Portfolio in Form von „Projekten“ erstellen kann. Sie dient dem Künstler dazu, seine Arbeiten vorzustellen und entdeckt zu werden. Sinn und Zweck ist es also, dass jemand auf das Profil aufmerksam wird und darüber berichtet. So wie ich es damals getan habe. Diese kostenlose Werbung für Chris Parker kommt mich nun teuer zu stehen.
Der Künstler hat offensichtlich im Verlauf der letzten Jahre sein Album mit den Punks bei Behance gelöscht. Die Bilder werden nun über den Stockfotografie-Giganten „Alamy“ verkauft. Das besagte Bild, das ich damals als kostenlose Werbung für den Fotografen verwendet hatte, kostet dort nun 40 Euro. Von dieser Entwicklung habe ich nichts gewusst, denn ich kann nicht die über 10.000 Fotos, die ich im Blog im Laufe der Jahre verwendet habe, ständig auf mögliche „Lizenz-Besitzerwechsel“ überprüfen.
Zahlung bequem per Portal
Spontis ist kein Business-Blog, wo man sowas vielleicht verlangen könnte. Es handelt sich um einen nicht-kommerziellen, privaten Blog, mit dem niemand Geld verdient – außer die Abmahnanwälte. Zur Erinnerung: Die letzten Abmahnungen beliefen sich auf rund 715 Euro und 1.400 Euro, eine weitere Nachlizenzierung kostete mich 400€. Diesmal habe ich sogar die bequeme Möglichkeit, auf einem eigens eingerichteten Portal, zu bezahlen. Immerhin kann ich mehrsprachig, superbequem und auf sechs verschiedenen Wegen 274,95 Euro überweisen. Offensichtlich schreibt die Plattform viele Abmahnungen – natürlich immer im Sinne der Künstler, oder wofür war das Urheberrecht nochmal?
Düstere Blog-Zukunft
Spinnen wir den Vorgang einmal weiter und malen schwarz, so wie es mir in die subkulturelle Wiege gelegt ist. Es kommen beängstigende Szenarien zustande. Was ist beispielsweise mit dem netten Fotografen den ich bei einem Festival kennenlerne und den ich frage, ob ich ein paar Bilder von ihm für einen Bericht benutzen darf? Was ist mit Spontis-Lesern, die mir ihre Bilder zur Verfügung stellen. Irgendwann könnten diese Fotos theoretisch auch bei einer Agentur landen, die extra ein Portal für Strafzahlungen eingerichtet hat – natürlich ohne Ausnahme – auch nicht bei nicht-kommerzieller Nutzung, die nur dazu dient, den Fotografen zu unterstützen.
Vermutlich wäre es dann mal wieder an der Zeit für so einen Artikel. Daran bin ich natürlich nicht interessiert, deshalb werde ich in Zukunft nicht mehr über Fotografen berichten und muss versuchen, für bereits verwendetes, angeblich „freies“ Material schriftliche Lizenzen zu bekommen, die ich dann im Falle eines Falle vorweisen kann.
Nur zur Erklärung: Ich achte bereits seit der ersten Abmahnung bei der Verwendung von Fotos akribisch auf die Nutzungsrechte. Doch selbst bei der Verwendung von Fotos, die über entsprechende Portale, wie beispielsweise unsplash.com zur freien Verwendung angeboten werden, können sich die Nutzungsrechte jederzeit ändern. Ob ich Bilder von Bands, Plattencovern oder Screenshots neuer Musikvideos auch besser lassen soll?
Ich empfinde es als hanebüchene Ungerechtigkeit, als Blogger, der nicht einen einzigen Cent mit seinem Content verdient und der viel Kohle vom 3-Schicht-Lohn als Schlosser investiert, um dieses kleine Universum am Laufen zu halten, so gelackmeiert am Ende der Nahrungskette zu stehen. Datenschutz, DSGVO, Cookie-Hinweise, Impressumspflicht, kostenpflichtige Erweiterungen und eine verfremdete Adressen gegen Trolle reichen nicht aus. Ja, ich weiß, jetzt heule ich rum. Ich profitiere ja auch von diesem Blog. Mir fällt es nur immer schwerer, daran zu glauben.