In einem Podcast mit dem Titel „Darklands“ nehmen sich Thomas Thyssen und Henryk Gericke die 80er-Jahre zur Brust, die prägendste Zeit des Dark Wave. Tatsächlich hätte ich mich mit diesem Satz schon alles Wichtige gesagt, denn sowohl Thyssen (Musikjournalist, DJ) als auch Gericke (Autor, DJ) sind ausgewiesene musikalische Experten mit beruflichem Mitteilungsdrang und einer inhaltlicher Qualität, die ihresgleichen sucht. Aber das ist nur meine Einschätzung, urteilt selbst. Für Deutschlandfunk Kultur waren jedenfalls beide zusammen im Studio und haben den Dark Wave der 80er-Jahre musikalisch und subkulturell unter die Lupe genommen. Die Sendung ist jetzt in der Mediathek als Podcast verfügbar und wir in der Nacht von Samstag auf Sonntag, den 3. April 2022 um 00:05 bundesweit gesendet.
Dark Wave Projektionsfläche für Angst und Melancholie
Chapeau, Deutschlandfunk Kultur. In Zeichen medialer Reizüberflutung und dem daraus resultierenden Zeigefinger des Damokles über der „Skip“ Taste hat man es geschafft, mich an die Kopfhörer zu fesseln. Das kommt allerdings nicht von ungefähr, denn Margarete Wohlan vom DK hat nicht nur mit ihren beiden Protagonisten der Sendung ein perfekte Besetzung zum Thema versammeln können, selbst die Sprecherin der Sendung, Mona Mur, hat für eingeweihte Ohren schon ikonischen Status.
Inhaltlich geht es um die musikalische Entwicklung des Dark Wave, der in den 80er Jahren in einer Art Zeitgeist abbildete, was in der Welt und im damals noch geteilten Deutschland passierte. Dabei blieben erstmals Gefühle wie Angst, Melancholie und Hoffnungslosigkeit keine unausgesprochenen Gedanken, sondern bildeten sich in Form von Texten in der Musik ab. Dabei stellen Thyssen und Gericke in ihrer Sendung inhaltliche und musikalische Eigenheiten der Ost- und Westdeutschen Szene gegenüber und vergleichen, inwiefern sie sich glichen und wo sie sich unterschieden. Allerdings bleibt man nicht den 80er Jahren zurück, sondern befasst sich auch mit der Entwicklung der Szene in den 90er-Jahren und gibt interessante Einblicke, wie immer neue Einflüsse von Außen für einen Fortbestand der Gothic-Szene sorgten.
Mit dem Ende der deutschen Teilung und der Auflösung der Sowjetunion verlor sich die Gesellschaft in ein kollektives Happy-Rave Gefühl. Die Gothics waren der Gegenentwurf dazu und sorgten damit – so Thyssen und Gericke – für den Zenith der Gothic-Bewegung. Doch auch wenn sich danach alles zerfaserte und in immer neue Nischen auflöste, scheinen es im April 2022 wieder toxische Weltereignisse zu sein, die den beiden den Glauben abzuringen scheinen, dass „Gothic“ ein Wiedergeburt erfährt.
Wenn es eine Wechselbeziehung zwischen Cold-War und Cold-Wave gibt, können wir auf eventuell auf eine Renaissance der deutschsprachigen Gothic gefasst sein.
Bei der all der Lobhudelei bleibt lediglich ein Wermutstropfen zurück. In der Podcast-Version in der Mediathek sind lediglich einige Sekunden der jeweiligen Songs zu hören, nur in der „Live-Sendung“ im Radio werden die Lieder in voller Länge gespielt.
Ihr könnt aber auch der Liste hier folgen:
- Joy Division – Heart and Soul (Factory Records, 1980)
- Fehlfarben – Apokalypse (Welt-Rekord/EMI Electrola, 1980)
- II. Invasion – Lager (Sneaky Pete Records, 1987)
- Andreas Auslauf – Zivilisation (Major Label, 1987)
- DAF – Alle gegen alle (Virgin, 1981)
- HerTz – Der Arbeiter (Trümmerpogo Rec., 1984)
- Die Unbekannten – Don’t Tell Me Stories (Monogam Records, 1982)
- Neuntage – Wedding Anniversary (Self-Released, 1987)
- Killing Joke – Wardance (Malicious Damage, 1980)
- Deine Lakaien – Colour-ize (Self-Released, 1986)
- X-Mal Deutschland – Schwarze Welt (Zickzack Records, 1981)
- L’Ambassadeur des Ombres – It’s Over (Lover) (Self-Released, 1988)
- Corp Cruid – Sex Box Man (BleibBeil, 1988)