Vier Jahrzehnte nach ihrem größten Hit kehren Nichts mit neuem Album zurück – und klingen erstaunlich lebendig. „Nichts ist wieder zurück aus dem Nichts“, wenn mir dieses Wortspiel erlaubt ist. Die Band, die mit „Radio“ 1981 einen Punk-Hit schufen, mit dem sie sogar beim WDR auftrat, und mit „Tango 2000“ im kollektiven Gedächtnis der frühen deutschen Gothic- und Waver-Szene landete, hat ein neues Album veröffentlicht. Nicht mit einer aufgewärmten Wiederholung ihrer größten Erfolge, sondern mit einem neuen Album, das mit „Tiefschwarz“ gleich dort kokettiert, wo sie möglicherweise ihre meisten Fans haben.
Damals, 1983, standen die Zeichen auf Untergang, denn bereits ein Jahr nach ihrem größten Hit „Tango 2000“ stieg Gitarrist Meikel Clauss aus, nach einem dritten, aber recht schwachen Album löste sich die Band auf. Hinterlassen haben sie einen Evergreen, der seine Punk-Attitüde im Grunde verbirgt und seit über 40 Jahren ausgewachsene Gruftis über die Tanzfläche scheucht. Mich hat der Song so beeinflusst, dass ich der Band bereits 2008 einen Artikel widmete. Seine musikalische Karriere hing Clauss an den Nagel und er entschied sich, Heilpraktiker zu werden.
Ein erstes Comeback 2011 mit dem Album „Zeichen auf Sturm“ und Sabine Kohlmetz als Sängerin blieb verhalten – jetzt, 14 Jahre später, wagt die Band mit neuer Sängerin Nina H. einen echten Neustart. Als Goth-Punkrockerin bei „The Nerves“ und als Mittelalter-Dämonin bei „Totentanz Strumpfsockig“ hat sie ihren bisherigen Lebenslauf erstaunlich abwechslungsreich gestaltet.
Mehr Informationen zur Band findet ihr natürlich auch auf ihrer Homepage.
Mit ihr feilte, hämmerte und klöppelte die Band ein erstaunlich frisches und vielseitiges Album zusammen, das nun mit „Tiefschwarz“ in den virtuellen Plattenläden steht. Hören wir rein, vielleicht kann der Sound ja an alte Erfolge anknüpfen.
Der Opener „Maschine oder Mensch“ hämmert die Grundfrage gleich ins Trommelfell: Sind wir noch Individuen oder schon Zahnräder im Getriebe? Mechanisch treibend und melodisch eingängig, streuen Nichts noch einen Hauch textliche Wut in den Unterton, „Mauern, Masken, Maschinen“ spinnt den Faden im Übrigen weiter und lässt KI, Beton und Uniformität aufeinandertreffen – Punk trifft Zukunftsangst.
„Dystopia“ ist der Urlaubsprospekt für alle, die lieber nach Holiday in Cambodia als nach Malle fliegen. Bassig, grantige Riffs und ein gelungener Soundtrack für graue Zeiten. Und weil’s nicht nur Weltuntergang geben darf, explodiert „Nitroglycerin“ als kleine Liebesbombe: drahtiger Bass, funkelnde Gitarren, Herzklopfen und Erinnerungen „Hey!“ inklusive.
„Kugel durch den Kopf“ klingt martialisch, tanzt aber quirlig um die eigene Schwermut herum, unterstützt von männlichem Background-Gejohle – ein makaberer Chor, der seltsam gute Laune macht. „Schattenwelt“ wiederum setzt auf kompromisslosen Hard-Pop, während „Alien“ störrische Elektronik in die Punk-DNA der Band injiziert.
Etwas leiser wird es bei „Und nichts tun“, einer Ballade mit klarer Referenz zum frühen „Schwarze Gedanken“ – ein kurzer Moment der Empathie, bevor „Geist“ mit hämischer Rachefantasie die Stimmung wieder kippt. Abgeschlossen wird das Album mit dem Titeltrack „Tiefschwarz“, der die düstere Palette noch einmal komplett aufzieht: melancholisch, ungeschönt, kompromisslos.
Nichts Tiefschwarz – Fazit
Nach intensiven Sessions und Detailarbeit hat die Band „Tiefschwarz“ in Eigenregie komponiert und produziert, wobei sie eng mit Cargo Records zusammenarbeitete, um die künstlerische Freiheit zu wahren und trotzdem professionelle Distribution zu sichern.
Tiefschwarz ist kein laues Revival und keine nostalgische Pflichtübung. Nichts klingen 2025 wacher, bissiger und musikalisch geschliffener, als man es einer Band mit dieser Historie vielleicht zutrauen würde. Die Platte überrascht mit Energie, Spielfreude und handwerklicher Sorgfalt – produziert in Eigenregie und trotzdem mit professioneller Wucht.
Ob der Sound heute noch ein großes Publikum findet, darf man allerdings bezweifeln. Dafür ist das Album zu ehrlich, zu sperrig und zu weit weg vom glattgebügelten Retro-Goth-Pop, der häufig auf Festivals läuft und nicht elektronisch genug, um auf Tanzfläche einzuschlagen. Aber gerade das macht es stark: Es klingt nach Leidenschaft, nicht nach Kalkül.
Für mich ist „Tiefschwarz“ ein sehr gelungenes Comebacks einer deutschen Punk- und Wave-Band der Düsseldorfer „Ursuppe“ – kompromisslos, mutig und eigenwillig. Als Fortsetzung der Reaktivierung seit 2009 und dem Album 2011 ist „Tiefschwarz“ das überzeugendste Lebenszeichen der Band seit Jahren – kein Sprung ins Nichts, sondern ein Schritt nach vorn.

Nichts Tourdaten:
- 01.11.2025 – Dresden: Chemiefabrik · Tickets
- 21.11.2025 – Karlsruhe: Alte Hackerei · Tickets
- 22.11.2025 – Düsseldorf: Ratinger Hof · Tickets
- 28.11.2025 – Kamen: Freizeitzentrum Lüner Höhe · VVK per E-Mail (fz-tickets@web.de)
- 29.11.2025 – Berlin: Clash · Ticketshop (Clash)
- 30.11.2025 – Südlohn: Olle Hues · Termine/Tickets (TixForGigs)
- 05.12.2025 – Köln: Sonic Ballroom · Tickets
- 06.12.2025 – München: Glockenbachwerkstatt · Tickets
- 11.12.2025 – Hannover: Subkultur · Tickets
- 12.12.2025 – Münster: Rare Guitar · Tickets
- 19.12.2025 – Essen: Freak Show · Tickets
Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.




Das klingt spannend und freut mich sehr. Habe letztens erst auf dem Flohmarkt „Made in Eile“ auf Vinyl gekauft,das Album fehlte mir noch… Und dann spielen Nichts auch noch quasi um die Ecke in der Subkultur. Vielen Dank für den Bericht,das wäre mir glatt wieder durchgeflutscht.😅
Konnte Nichts erst im Dezember 24 im Kulturwerk (ehm Kick, ehm X) erleben. Die sind schon herausragend gut live. Schön das es Neues auf die Ohren gibt.