Hallo Maren!
Vielen Dank für deine tolle Aktion, ein WGT-Tagebuch auf die Beine zu stellen, ich denke, das war genau die richtige Projektionsfläche, seinen WGT-Blues in Worte zu fassen. Ich danke auch an dieser Stelle den Autoren, die daraus dann eine ganz wunderbare Collage gezaubert haben. Großartig!
Da ich nicht viele Konzerte sehen konnte, konzentriere ich mich auf mein Highlight, das auch ganz wunderbar zu deinem Artikel passt. Ich schildere die Eindrücke von meinem Silke Bischoff Abend:
Der Auftritt der Band Silke Bischoff stand im Vorfeld des WGT in der Kritik, weil nach dem Tod von Sänger Felix Flaucher 2017 die Band nicht mehr das sein konnte, was sie einmal war. So erfuhr man Vorfeld dann von Veljanov und Sven Friedrich als Gastsänger, die zusammen mit Axel Kretschmann einen Auftritt planten, der von Anfang an als Hommage an Felix Flaucher ausgelegt war.
Axel Kretschmann, der sich zunächst im Streit um die Rechte am Bandnamen mit Felix Flaucher auseinanderging, hatte sich bereits vor eine Weile mit Flaucher versöhnt und auch die Erlebnisse auf dessen Beerdigung in seinem Song „The Graveyard“ verarbeitet. Mit diesem Auftritt, so mein Eindruck, wollte er dem verstorbenen Sänger öffentlich seine letzte Ehre erweisen.
Ich kämpfte mich also am Sonntagabend in die AGRA-Halle, um zu lauschen und zu sehen, was mich erwartete. Das Set begann vielversprechend und war dominiert von großflächigen Projektionen im Hintergrund, die den verstorbenen Felix Flaucher zeigten. Der Sound in der Halle war überraschend gut und so sah ich dem ersten Gastsänger, Veljanov, gespannt entgegen. Leider passten für mich Stimme und Sound überhaupt nicht zusammen, was nicht heißen soll, dass er nicht singen kann, sondern einfach für mich nicht zu den Songs von Silke Bischoff passt. Ich will das an dieser Stelle nicht vertiefen, denn das bleibt ja Geschmackssache.
Nachdem mich dann Veljanov fast „rausgesungen“ hat, gab allerdings Axel Kretschmann den Song „Graveyard“ zum besten, in dem er das Begräbnis von Felix Flaucher thematisiert. Das hat mich eingefangen. Da war es wieder, das „Silke-Bischoff-Feeling“! Und ja, bei sowas werde ich dann auch gleich immer emotional. Im Kopf schießen die Bilder wie Blitze vor mein visuelles Auge. Die Entführung der Silke Bischoff, die turbulenten 90er Jahre und der prägende Sound der Band, der Stempel, wir wären alles Sektenmitglieder, der sich vor allem in den Mordfällen von Sondershausen und Witten wiederfand, als die Presse uns zu potenziellen Mördern stilisierte. Die Tragik der Band-Trennung und letztendlich der viel zu frühe Tod von Felix Flaucher.
Als dann Sven Friedrich übernehmen sollte, war ich skeptisch, weil ich seine Musik nicht wirklich mag, allerdings schaffte er es auf ganz professionelle Weise, sich selbst und seinen Art FÜR die Songs zurückzunehmen und versprühte so einen ganz wunderbaren Vibe, den ich ihm gar nicht zugetraut habe. Ich bin ein bisschen froh, dass ich mich geirrt habe.
Ich blieb und sollte es nicht bereuen. Und ja, spätestens bei „Sometimes“ war es dann um mich geschehen. Nord-Süd-Kurs in voller Ausdehnung. Der sollte sich natürlich bis zum ikonischen „On The Other Side“ durchziehen. Nicht nur Schweißperlen tropften mir vom Gesicht, sondern auch Tränen über eine Zeit, die viel zu lange zurückliegt.
Meinen größten Respekt an Sven Friedrich, Axel Kretschmann, Ines Gorka und auch an Veljanov, sich für so eine tolle Hommage zusammengefunden zu haben. Mein WGT-Highlight. Für eine lange Zeit.
Die eindrucksvollen Video-Projektionen haben mich übrigens umgehauen und haben das „Erlebnis“ nur noch intensiver werden lassen. So schnell hat mich noch nicht zurück in die 90er gebeamt, als ich trotz vorübergehender Szene-Fremdheit die Silke Bischoff Alben rauf und runter gehört habe. Leider wird es wohl bei dieser einmaligen Sache bleiben. Schade. Vielleicht aber auch genau das, was Silke Bischoff zur Legende macht.