Bestattungsgesetz Rheinland-Pfalz: Abschied ohne Friedhofszwang – Freiheit für die letzte Ruhe

Das neue Bestattungsgesetz Rheinland-Pfalz, hat sich mit seiner jüngsten Reform einen Platz auf dem Treppchen der deutschen Gesetzesinnovationen gesichert – und zwar ganz oben. Ab Oktober 2025 gilt hier das bundesweit liberalste Bestattungsrecht. Was bislang nur mit bürokratischem Spagat oder gar Auslandsaufenthalt möglich war, wird nun zur legalen Option: Die Asche Verstorbener darf künftig nicht nur auf dem Friedhof ruhen, sondern auch im eigenen Wohnzimmer, im Fluss oder als funkelnder Diamant am Finger der Hinterbliebenen. Ich finde diese Entwicklung spannend und finde das Grund genug, für einen genauen Blick.

Was sieht das neue Gesetz konkret vor?

Das neue Bestattungsgesetz in Rheinland-Pfalz hebt den sogenannten Friedhofszwang für Totenasche auf, der bislang bundesweit galt und die Beisetzung der Asche Verstorbener ausschließlich auf Friedhöfen oder im Rahmen einer Seebestattung erlaubte. Dieser Friedhofszwang ist gesetzlich verankert, etwa in § 1 des Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen Nordrhein-Westfalen: „Das dauerhaft versiegelte Behältnis mit der Totenasche ist auf einem Friedhof oder auf See beizusetzen„.

Auch die Rechtsprechung bestätigt diese strikte Regelung: Das Verwaltungsgericht Bremen urteilte 2024, dass „die Entscheidungsfreiheit eines Totenfürsorgeberechtigten grundsätzlich durch das geltende Friedhofs- und Bestattungsrecht mit gesetzlich angeordnetem Friedhofszwang eingeschränkt“ ist. Die Asche eines Verstorbenen dürfe nicht einfach herausgegeben oder privat verwahrt werden, da das postmortale Persönlichkeitsrecht und die Totenruhe einen würdigen Umgang mit den sterblichen Überresten verlangen.

Mit der Reform in Rheinland-Pfalz wird dieser Friedhofszwang für Totenasche nun durchbrochen. Das Gesetz schafft die Möglichkeit, dass die Asche – bei entsprechendem Willen des Verstorbenen – auch außerhalb öffentlicher Friedhöfe verwahrt, verstreut oder in anderer Form genutzt werden kann.

Welche neuen und alternativen Bestattungsformen sind möglich?

Die Reform des Bestattungsgesetzes in Rheinland-Pfalz ist ein echter Meilenstein – und die Liste der neuen Bestattungsformen liest sich wie ein Katalog für den letzten großen Auftritt. Wer sich nicht mit dem klassischen Friedhofsbesuch und Grabstein zufriedengeben will, kann künftig aus einer Vielzahl von Alternativen wählen, die den Abschied so individuell machen wie das Leben selbst.

  • Bei der Flussbestattung: Hier wird die Asche des Verstorbenen in einen der vier großen Flüsse des Bundeslandes – Rhein, Mosel, Lahn oder Saar – übergeben. Das Wasser trägt die Erinnerung an den Verstorbenen davon, und der Abschied bekommt einen Hauch von Freiheit und Weite. Diese Form war bisher nur als Seebestattung auf Nord- oder Ostsee möglich, nun aber fließt der letzte Gruß mitten durch Rheinland-Pfalz.
  • Die Urne zu Hause ist ein Novum in Deutschland. Angehörige dürfen die Asche ihrer Liebsten künftig in den eigenen vier Wänden aufbewahren – ob auf dem Kaminsims, im Bücherregal oder als stiller Begleiter im Wohnzimmer. Das Gesetz erlaubt es, die Urne nicht nur zu Hause zu verwahren, sondern auch auf dem eigenen Grundstück zu bestatten oder die Asche dort zu verstreuen.
  • Ein echtes Highlight ist die Diamantbestattung. Hier wird ein Teil der Asche unter hohem Druck und bei großer Hitze zu einem synthetischen Diamanten gepresst. Das Ergebnis: ein funkelndes Erinnerungsstück, das man als Ring, Anhänger oder Brosche tragen kann. Was in der Schweiz schon lange möglich ist, wird dann auch in Rheinland-Pfalz legal.
  • Die Tuchbestattung ist eine weitere Neuerung. Die Sargpflicht wird abgeschafft, und die Beisetzung im Leichentuch, wie sie im Islam üblich ist, steht nun allen offen. Wer sich eine schlichte, naturnahe und kulturell geprägte Bestattung wünscht, kann sich künftig auch ohne Holzsarg verabschieden[2].
  • Ascheverstreuung im privaten Bereich ist ebenfalls erlaubt. Die Asche kann im eigenen Garten, auf dem Lieblingsplatz oder an einem anderen privaten Ort verstreut werden. Das schafft eine ganz persönliche Verbindung zwischen dem Verstorbenen und den Orten, die ihm im Leben wichtig waren.
  • Eine weitere Innovation ist die Teilung der Asche. Die bisherige Unteilbarkeit wird aufgehoben, sodass Angehörige einen Teil der Asche für Erinnerungsstücke wie Schmuck, Kunstobjekte oder andere Andenken verwenden können. So bleibt ein Stück des geliebten Menschen immer in greifbarer Nähe, während die andere Hälfte in der Urne auf dem Kaminsims ruht.
  • Besonders zukunftsweisend ist die Reerdigung (Humusbestattung). Hierbei wird der Körper innerhalb von etwa 40 Tagen in Erde umgewandelt – ein ökologischer Kreislauf, der die Rückkehr zur Natur symbolisiert und Ressourcen schont. Diese Form der Bestattung ist nicht nur nachhaltig, sondern auch ein Statement für Umweltschutz und neue Wege im Umgang mit dem Tod.

Was sind die Voraussetzungen für diese neuen Möglichkeiten?

Die Liste zeigt: Das Bestattungsgesetz Rheinland-Pfalz eröffnet den Hinterbliebenen so viele Optionen wie kein anderes Bundesland – vom Diamanten bis zur Flussbestattung. Doch die neuen Freiheiten sind an klare Bedingungen geknüpft. Zentrale Voraussetzung: Der Verstorbene muss zu Lebzeiten schriftlich festgelegt haben, welche Bestattungsform er wünscht. Damit soll verhindert werden, dass Angehörige aus Kostengründen oder Überforderung zu alternativen Formen greifen, die nicht im Sinne des Verstorbenen sind. Zudem gilt das neue Recht ausschließlich für Einwohnerinnen und Einwohner von Rheinland-Pfalz – ein „Bestattungstourismus“ aus anderen Bundesländern ist ausgeschlossen. Ohne eine solche Willenserklärung bleibt es beim klassischen Friedhof als Bestattungsform.

Muss die Bestattungskultur in Deutschland moderner werden?

Die Frage, ob die Bestattungskultur in Deutschland moderner werden muss, wird derzeit so kontrovers diskutiert wie selten zuvor. Das neue Bestattungsgesetz Rheinland-Pfalz ist Stein des Anstoßes.

Ein Bestatter spricht für die Reformation aus: „Die Bestattungskultur müsse sich in allen Bundesländern mehr nach den Wünschen der Menschen und den Lebensbedingungen der Hinterbliebenen richten. Die Abkehr in Rheinland-Pfalz von der Friedhofspflicht entspreche den Bedürfnissen von vielen“. Die Nachfrage nach alternativen Bestattungsformen wie Baumbestattung oder Flussbestattung steige deutlich, und viele Familien wünschten sich unkomplizierte Prozesse und mehr Individualität beim letzten Abschied.

Auch die Politik sah Handlungsbedarf. Die rheinland-pfälzische Landesregierung betont: „Wir wollen neue Wege im Umgang mit dem Tod gehen und den Menschen mehr Selbstbestimmung ermöglichen.“ Die Reform des Bestattungsgesetzes sei eine Antwort auf die veränderten Bedürfnisse der Gesellschaft und ein Schritt hin zu mehr Vielfalt und Freiheit bei der Gestaltung von Bestattungen.

Kritik kommt, wie zu erwarten war, von kirchlichen Institutionen. Kirchenrat Wolfgang Schumacher von der evangelischen Kirche hat eine klare Meinung. Er hält „den dringenden Bedarf einer ‚grundlegenden und breit angelegten Diskussion und Überarbeitung‘ des Gesetzentwurfs“ fest und kritisiert, dass „Moderne mit Zeitgeist verwechselt“ werde. Um trauerkulturell auf der Höhe der Zeit zu sein, bedürfe es „statt eines Verwaltungsentwurfs einer breiten Diskussion und Teilhabe bei der Erarbeitung der neuen Regeln“.

Auch die Katholische Kirche äußert sich kritisch: In einer Stellungnahme heißt es, die neuen Bestattungsformen ließen „grundlegende Aspekte des christlichen Totengedenkens vermissen“ und es bestehe „das Risiko einer möglichen Beschädigung der gemeinsamen Trauerkultur“.

So stehen Fürsprache und Kritik nebeneinander: Während Bestatter und Politik für mehr Individualität und Selbstbestimmung plädieren, mahnen religiöse Vertreter zur Besonnenheit und zum Erhalt würdevoller Traditionen. Die Bestattungskultur in Deutschland befindet sich damit in einem spannenden Wandel – zwischen dem Wunsch nach Individualität und der Suche nach einem respektvollen, gemeinschaftlichen Abschied.

Und überhaupt: Welche Orte der Ästhetik, der Ruhe und des wohlig gruseligen Friedhofgefühls besuche Gruftis dann in 30 Jahren?

Wizard of Goth – sanft, diplomatisch, optimistisch! Der perfekte Moderator. Außerdem großer “Depeche Mode”-Fan und überzeugter Pikes-Träger. Beschäftigt sich eigentlich mit allen Facetten der schwarzen Szene, mögen sie auch noch so absurd erscheinen. Er interessiert sich für allen Formen von Jugend- und Subkultur. Heiße Eisen sind seine Leidenschaft und als Ideen-Finder hat er immer neue Sachen im Kopf.

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Kommentare

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Victor von Void
Victor von Void(@vivovo)
Vor 1 Monat

Auch das (sic!) Katholische Kirche äußert sich kritisch: […] die neuen Bestattungsformen ließen „grundlegende Aspekte des christlichen Totengedenkens vermissen“ und es bestehe „das Risiko einer möglichen Beschädigung der gemeinsamen Trauerkultur“.

In einem Land, in dem annähernd die Hälfte der Menschen keiner christlichen Konfession angehört (und dabei reden wir größtenteils von Menschen, die höchstens noch für die eigenen Hochzeit eine Kirche betreten und mit Sicherheit zuletzt für Konfirmation gebetet haben) und in dem es andere Religionen mit anderen Bestattungsformen in bedeutenden Anteilen gibt, ist es schon ein starkes Stück, darauf zu bestehen, dass das christliche Totengedenken ausschlaggebend ist.

Mal ganz abgesehen davon, dass sich auch unsere moderne Lebensweise und die klassischen Bestattungsformen oft nicht mehr gut vereinen lassen. Mag sein, dass man früher regelmäßig zum Friedhof gehen und sich um ein Grab kümmern konnte, weil die regionale Mobilität gering war.
Heute wohnen aber viele Menschen nicht mehr ihr Leben lang an einem Ort, da sind Bestattungsformen ohne Grabstelle weitaus sinnvoller. Und vielleicht möchte Oma ihren Ehemann auch noch bei sich haben, wenn sie den Weg zum Friedhof nicht mehr schafft.

Für mich war die Reform daher schon lange überfällig.

Letzte Bearbeitung Vor 1 Monat von Victor von Void
Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Antwort an  Victor von Void
Vor 1 Monat

Zustimmung in allen Punkten!

Maren
Maren(@maren)
Vor 1 Monat

„Das Wasser trägt die Erinnerung an den Verstorbenen davon, und der Abschied bekommt einen Hauch von Freiheit und Weite.“
Diesen Gedanken finde ich auch sehr schön und kann mich damit persönlich sehr gut anfreunden, dass meine Asche vom Rhein weggetragen wird. Denn für mich heißt Tod auch Freiheit von der Verpflichtung für andere Menschen existieren zu müssen. Deswegen möchte ich auch nicht, dass meine Asche noch irgendwo im Wohnzimmer eingesperrt ist oder als Schmuckstück an irgendjemanden gebunden ist.
Ich weiß, dass das jetzt missverstanden werden kann. Deshalb: Ich lebe gerne und es gibt auch Menschen, die mir wichtig sind und wo mich der Gedanke schmerzt, sie irgendwann zu verlassen. Trotzdem, irgendwann gehen zu dürfen, finde ich irgendwie beruhigend.
Ich denke aber auch, dass die Bestattungsform, die ein Mensch für sich wählt, nicht im Widerspruch zu einer würdevollen Abschiedsfeier für denjenigen durch seine Hinterbliebenen steht. Auch dafür lassen sich geeignete Orte und ein passender Rahmen finden. Den Ort kann man auch so wählen, dass andere ihn als Ort der Erinnerung zum Trauern aufsuchen können.

Natürlich hoffe ich trotzdem, dass die Friedhöfe als Rückzugsorte für uns erhalten bleiben. Gerade was Rheinland-Pfalz angeht, bin ich da aber eher zuversichtlich. Hier wird nichts so schnell abgerissen, man wartet, bis es von selbst verfällt. Außerdem muss der Wunsch zu einer anderen Bestattungsform von demjenigen zu Lebzeiten festgelegt werden. Ich glaube nicht, dass die Mehrheit dies tun wird.

Letzte Bearbeitung Vor 1 Monat von Maren
Durante
Durante(@durante)
Vor 1 Monat

Hm… grundsätzlich stimme ich meine „Vorrednern“ Victor, Tanzfeldermaus und Maren zu – Eine Modernisierung/Reform war überfällig und in gewisse Dinge hat sich z.B. irgendeine „organisierte Kirche“ einfach nicht mehr einzumischen.
Ein kleines „Aber“ das bei mir hier mitschwingt: Ich befürchte dass das Konzept „Friedhof“ irgendwann mehr und mehr verschwinden könnte (sehr langfristig), und der Gedanke „unseren“ Rückzugs- und Ruheort eventuell zu verlieren (von ein paar ganz alten denkmalgeschützten Friedhöfen in Großstädten mal abgesehen) stimmt mich auch traurig 😕… aber gut, selbst wenn werde ich selbst das vermutlich nicht mehr erleben (wie Maren gesagt hat, für die meisten wird sich wsl. praktisch erstmal nicht viel ändern – Und hier unten in Bayern dauert sowas eh noch mal mindestens 50 Jahre länger 😂).

Maren
Maren(@maren)
Antwort an  Durante
Vor 1 Monat

Deine Befürchtung, dass das Konzept Friedhof irgendwann verschwindet, will ich gar nicht klein reden. Und ja, der Gedanke macht mich auch traurig. Daher halte ich ja auch unter anderem den Tag des Friedhofs dieses Wochenende für wichtig. Aber so wie Du auf das traditionsbewusste Bayern setzt, so hoffe ich eben auf die Pfälzer. Man ist pragmatisch, aber gleichzeitig entspannt. Wer nicht auf dem Friedhof liegen will, der muss das auch nicht, aber das ist kein Grund, denselben vorschnell abzureißen. Man geht hier davon aus, dass für die Mehrheit der Friedhof die letzte Ruhestätte sein wird. Und ganz ehrlich, ich frage mich, ob die Friedhöfe tatsächlich verschwinden, bevor wir nicht mehr sind. Beim derzeitigen Zustand der Welt könnte man sogar auf den Gedanken kommen, dass sie nicht vor dem Ende unseres Planeten verschwinden.

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