WGT-Tagebuch: Graveyardqueens Samstag – Zwischen Kuriositäten und Musik, die berührt

Im Vorfeld des Wave-Gotik-Treffens 2025 haben sich auf Initiative von Maren einige Autoren dazu entschlossen, ihre Sichtweise auf das WGT in Artikeln festzuhalten. Herausgekommen ist das WGT-Tagebuch, das euch nun mitnimmt und das Treffen aus der Sicht von Graveyardqueen erleben lässt.

Als Maren auf mich zukam, ob ich mit ihr und den anderen Autoren einen WGT Rückblick erarbeiten möchte, war ich etwas skeptisch. Nicht etwa, weil ich die Idee schlecht fand, sondern weil ich nicht wusste, ob ich Zeit und Energie dafür hätte. Eine Woche später sitze ich schreibend auf dem Balkon. Und das dank Veljanov.

Der frühe Vogel fängt den Wurm

Die Nacht von Freitag zu Samstag war relativ kurz. Mit den ersten Sonnenstrahlen wurde ich munter und erstmals im Rahmen des WGT, war ich vor dem Mittag ausgehfertig. Mich trieb es in den Bahnhof, wo ich mir ein Frühstück gönnte und anschließend die diesjährige Ausstellung „Bestiarium“ besuchte. Über 40 Künstler aus, der ganzen Welt, zeigten dort ihre Kunst.

Da ich Freitag direkt nach Arbeit anreiste und nur das Nötigste in Leipzig mit hatte, suchte ich im Anschluss die Drogeriemärkte der Stadt auf. Dort deckte ich mich mit Haarspray, Lidschatten und Parfüm erst einmal ein. Allerdings musste ich die Zeit im Auge behalten, weil ich Nachmittag zum Veljanov Konzert, in die Kuppelhalle wollte. Mit meiner Ausbeute machte ich mich also auf ins Hotel, um kurz nach 14 Uhr mit der Linie 15 zum Volkspalast zu fahren.

Warten, warten, warten

Als ich ankam, waren schon einige Leute vor Ort. Den klassischen Goth mit toupierten Haaren suchte ich allerdings vergebens. Generell vernahm ich ein eher älteres, schlichteres Publikum.

Da ich keine Lust hatte zu stehen, drängelte ich mich Richtung Treppe vor und setzte mich. Naja gut… ich gebe es zu, ich wollte auch eine der ersten Personen am Einlass sein, damit ich später so weit wie möglich an die Bühne komme. Ab jetzt musste ich meine Zeit totschlagen.

Immer wieder ging die Türe auf und man hatte die Hoffnung, doch schon eher rein zu können. Die Security ließ uns aber bis zum bitteren Ende warten. 15 Uhr, als es begann zu nieseln und man um das gestylte Haar schon Sorge hatte, war es endlich so weit. Zielsicher suchte ich mir meinen Weg in die Kuppelhalle. Genau vor die Bühne.

Auf dieser befand sich bereits links ein Schlagzeug. Mittig ein Stuhl nebst Mikrofon. Und rechts war ein Keyboard aufgebaut. Ich nahm den Rucksack von den Schultern und setzte mich auf die Bühnenkante. Wieder hieß es irgendwie Zeit totschlagen.

Veljanov: Das geht tief

Als die Zeit reif war, erhob ich mich und vernahm kurz darauf Begeisterung im Publikum. Seitlich betrat Veljanov mit seinen Kollegen die Bühne. Auf ihren Gitarristen mussten sie, aus gesundheitlichen Gründen, allerdings verzichten. Veljanov nahm auf dem Stuhl Platz, die anderen beiden Herren an ihren Instrumenten.

Mit dem Stück Das Lied vom einsamen Mädchen eröffnete man das Konzert. Und da war es auf einmal wieder. Dieses Gefühl in mir. Von der Musik berührt. Wie jüngst beim Left For Pleasure Konzert, spürte ich wie meine Emotionen hochkochten. Kurz schluckte ich und fing mich wieder. Ich kann nicht genau sagen, was mich da ergriff. Ob der Text oder Veljanov seine dunkle, ruhige, aber auch eindringliche Stimme. In dem Moment war aber klar, Maren hat mich für ihr Vorhaben im Boot. Und ich war voller Neugier, was mich noch erwarten würde.

Neugier, die sich auszahlt

Ich muss gestehen, dass sowohl „Deine Lakaien“ als auch das Projekt Veljanov, bisher eher stiefmütterliche Aufmerksamkeit von mir bekommen haben. Allerdings war ich immer von seiner Erscheinung angetan, Solo-Pfade zu beschreiten. Sowohl die, mittlerweile leicht ergrauten, toupierten Haare als auch seine ruhige und geerdete Art. Umso überraschender war es für mich, wenn ihm hier und da mal ein Lächeln auf die Lippen kam. Wie er verriet, hatte er gar nicht damit gerechnet, dass so viele Leute erscheinen werden. Dies erfreute ihn sehr. Genauso wie der immer wiederkehrende, begeisterte Beifall der Zuschauer.

Veljanov wusste nicht nur, wie er Raum und Bühne für sich nutzen konnte, sondern auch wie er mit seinem gefühlvollen Gesang einen einfängt. Und so schaffte er es bei „Because Of You“ ein weiteres Mal mich zu berühren. In der Setlist wechselten sich deutschsprachige Lieder mit englischsprachigen ab. Mal wurde man zum träumen eingeladen. Mal zum tanzen. Auf dem Plan standen unter anderem „The Man With The Silver Gun und „Town By The River“. Aber auch das Deine Lakaien Lied „The Ride“ wurde dargeboten. Den Abschluss sollte dann mein Favorit „Fly Away“ machen. Und so ließ ich mich ein letztes Mal von Veljanov seiner Stimme verzaubern.

Als die Drei Künstler, sichtlich geschafft, anschließend die Bühne der Kuppelhalle verließen, gab das Publikum noch einmal alles. Es bedankte sich mit Jubel und tosenden Applaus. Und jeder hoffte und wartete, dass Veljanov und seine Bandkollegen noch einmal auf die Bühne zurückkommen. Und das taten sie. Mit dem Titel „The Game“ welches Veljanov mit Ernst Horn (Deine Lakaien) erarbeitet hatte, sollte der Nachmittag endgültig enden.

Moritzbastei: Lovataraxx, Diavol Strain und Balduvian Bears

Da dies an dem Tag das einzige Konzert im Volkspalast war, hieß es weiterziehen. Leider war das WGT Programm für den Samstag eher mau. Sodass ich nur die Wahl zwischen „The Whispers In The Shadow“ im Felsenkeller und Nachts „Night in Athen“ in der Moritzbastei hatte. Da ich im Vorfeld wusste, dass man sehr schlecht in die Moritzbastei reinkommt, beschloss ich den ganzen Abend dort zu verbringen.

Nach einem kurzen Abstecher ins Hotel machte ich mich auch rechtzeitig auf den Weg dahin. Tatsächlich schien ich dort die Erste zu sein, die reinwollte. Niemand außer mir stand vor dem Einlass. Und ich denke, ich brauche es nicht groß erwähnen, dass ich auch diese Zeit, des Wartens, wunderbar überbrückt habe.

Lovatraraxx konnten mich nicht überzeugen

Glücklich darüber, dass es endlich reinging, peilte ich sofort die Bühne an. Nach kurzer Überlegung entschied ich mich dann aber doch für einen Sitzplatz am Rand. Dort blieb ich auch das erste Konzert über.

Den Anfang machte die französische Band Lovatarrax, welche auch von Gallowdancer als WGT Tipp vorgestellt wurde. Die damalige Hörprobe konnte mich nicht überzeugen und so blieb es auch live.

Der Sound war mir zu experimentell und die Art des Gesangs sprach mich nicht an. Sowohl Gestik als auch Mimik der Sängerin riefen in mir immer wieder mal einen irritierenden Blick ins Gesicht. Seltsamerweise musste ich manchmal an den Duracell Hasen denken, dessen Batterie langsam zuneige geht. Dem Großteil des Publikums schien es allerdings zu gefallen. Die Kuriosität des Konzertes war dann für mich erreicht, als man eine Tüte süße Erdbeerschnüre aufriss, damit ins Publikum sprang und diese verteilte.

Ehrlich gesagt war ich nicht böse darüber, als das Konzert dann sein Ende gefunden hatte. Das Einzige, was nett anzusehen war, war deren Lichtshow. Es waren auf der Bühne zwei Leuchtröhren aufgebaut, die ihre Farbe wechselten. Zusätzlich stand ein kleiner Monitor, auf dem man verschiedene Videosequenzen sah. Diese wurden auch auf eine große Leinwand projiziert.

Diavol Strain: Schon eher nach meinem Geschmack

Als Nächstes stand Diavol Strain auf dem Plan. Die beiden Mädels aus Chile erweckten zufällig meine Neugier, als ich verzweifelt den WGT Samstag plante. Ich nutzte es aus, dass sich die ersten Reihen lichteten und suchte mir einen Platz vor der Bühne. Nach zügigem Umbau ging es dann auch schon los. Die Bühne verdunkelte sich und ein Intro setzte ein. Nach kurzem, mystischem Sound, griffen die Zwei in die Saiten.
Ab jetzt wurde es laut und wild. Sängerin Lau M ihren beschwörungsartigen Gesang konnte man leider nur schwer verstehen.

Frauenpower Mal 2

Eines muss man den beiden, die neben ihrer Europapremiere auch ihr 10-Jähriges Bestehen feierten, lassen, sie haben die Bühne ordentlich gerockt. Vor allem Ginger Blue war voll in ihrem Element. Immer wieder schüttelte sie ihr Haar wild umher. Und bei einem Stück griff sie energisch in die Saiten ihrer Gitarre, wodurch sie ein Riff erzeugte, wie ich es so noch nicht gehört habe.

Der Auftritt war durchgängig von Energie geladen und auch das Publikum war gut dabei. Die zwei jungen Frauen fanden großen Anklang, worüber sie sich sehr freuten. Auch ihr mit angereistes Team, welches seitlich, von der Bühne aus zusah, war begeistert.

Nach einer Stunde mussten sie dann die Bühne an die nächste Band abgeben.

Pleiten, Pech und Pannen

Nach zügigem Ab- und Aufbau standen dann die Jungs von Balduvian Bears , aus den USA, auf der Bühne. Auch sie waren eine der Bands, die auf dem WGT ihre Europapremiere hatten.

Im Vergleich zu Diavol Strain klangen sie eher seichter. Boten aber dennoch einen guten, Post Punk-artigen Sound, zu dem man tanzen konnte.

Nach dem dritten oder vierten Lied, beschloss ich, aufgrund der Länge und des noch bevorstehenden Night In Athen Konzertes, kurz für kleine Friedhofsköniginnen zu gehen. An dieser Stelle hatte ich allerdings nicht die Rechnung mit dem netten Herren von der Security gemacht. Als ich Richtung Ausgang steuerte, kam nur die Frage, ob ich rausgehe. Auf meine Antwort, dass ich nur mal aufs Klo müsste, bekam ich dann gesagt, dass ich mich anschließend wieder anstellen müsste. Da stand ich nun. Ohne lange zu überlegen, erwiderte ich nur „Dann habe ich halt Pech!“ und ging raus. Als ich auf dem Weg an der mega langen Schlange vorbeiging, war mir fast schon klar, dass ich mir das Anstellen sparen kann.

Zeit für Plan B

Zum Glück hatte schon einer der Dancefloors offen, sodass ich beschloss, dann eben tanzen zu gehen. Für das Hotel war es in dem Moment dann doch noch zu zeitig. Etwa bis Mitternacht tanzte ich mir noch die Füße wund, bis diese dann nicht mehr wollten. Und nach einem kurzen Abstecher auf das stattfindende Stadtfest zog ich mich mit einer Portion Pommes Schranke in mein Hotelzimmer zurück.

Auch so schön und entspannt der Samstag startet, sein Ausgang passte zu diesem, für mich, teilweise verkorksten WGT.

Seit über 20 Jahren als Schwarzkittel unterwegs und immer ihr Ding für sich machend. Mit Hang zu DIY, Trad-Goth, Goth-Rock, 80er Kram und alten Friedhöfen, auf denen die Zäune rostig sind und der Efeu sich seinen Weg gesucht hat. 🪦
Spontis versucht sie mit Reviews zu Konzerten oder auch Filmen und Musiktipps zu bereichern.

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Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Vor 6 Stunden

Ein schöner Bericht, ein bisschen hattest Du mir ja schon im Vorfeld erzählt… aber jetzt fügt sich das Puzzle „rund“ zusammen.
Diavol Strain hatte ich auch auf dem Radar, aber letzlich nicht mehr geschafft – schade, die klingen live echt toll! Sehr undergroundig und cool.
Veljanovs Stimme und Präzenz ist wirklich einzigartig (ich habe bislang nur einmal einen Auftritt von Deine Lakaien miterlebt, ist aber schon mächtig lange her).
Danke für die vielen Fotos vom Bestiarium. Das hatte ich völlig vergessen und hab nun noch paar Eindrücke davon bekommen.
Dein letzter Satz stimmt etwas nachdenklich, weil Du Dein WGT als teilweise verkorkst beschreibst – ich hoffe, am Ende hat das Positive in der Waagschale gewonnen?

Letzte Bearbeitung Vor 6 Stunden von Tanzfledermaus
Maren
Maren(@maren)
Vor 5 Stunden

Danke für diesen schönen Bericht, zumal Du meinen Tag beschreibst, wie er anfangs geplant war, den ich aber noch mal komplett umgeworfen habe! Natürlich freut es mich besonders, Deine Eindrücke von Veljanovs Auftritt zu lesen, umso mehr, da er es offensichtlich verstanden hat, Dich zu überzeugen. Wie ich jetzt Lovataraxx live gefunden hätte, ist natürlich ungewiss, aber bei Diavol Strain wäre ich vermutlich Deiner Meinung gewesen, denn sie kamen schon beim Reinhören zu Hause sehr energiegeladen rüber. Dass Du Pech hattest und nicht mehr zu Night in Athens kamst tut mir leid, ich habe auch schon woanders von der „netten“ Security in der Moritzbastei gehört. Danke auch für Deine Bilder vom Bestarium. Die Ausstellung hatte ich leider gar nicht auf dem Schirm.

Letzte Bearbeitung Vor 5 Stunden von Maren

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