Während andernorts bedauerlicherweise die schwarzen Veranstaltungen dem Rotstift anheimfallen, erfreut sich der Raum Bielefeld und Umgebung nach wie vor eines breiten Angebots besonders schöner und undergroundiger Veranstaltungen. So stand auch das Festival „Unter Null 2025“, das im Bielefelder AJZ stattfand, fest auf meinem Veranstaltungskalender. Dieses Jahr nicht mit meiner Exfreundin, dafür aber kurzfristig noch mit der werten Tanzfledermaus.
Was mir im AJZ besonders gut gefällt, ist diese ungebügelte, alternativ-undergroundige Atmosphäre autonomer Zentren, die mich sehr an das Werk 2 in Leipzig erinnert. Keine glatt und auf Hochglanz polierten Wände, kein auf Massentourismus getrimmter Vorzeigepalast, sondern der schlichte, leicht abgeranzte, aber umso familiärere Flair, den ich mit autonomen Zentren in Verbindung bringe.
Da mir das diesjährige Lineup nahezu komplett fremd war, habe ich mir im Vorfeld nur einige kurze Eindrücke per YouTube eingeholt und mich ansonsten einfach mal überraschen lassen.
Unter Null 2025 – Tag 1 (Freitag)
Der erste Festivalabend begann für mich um etwa 19 Uhr am Einlass. Mit einem Eintrittspreis von 15 bis 20 Euro pro Tagesticket, so wie einem durchschnittlichen Getränkepreis von 2,50€ (inklusive Pfand!), entpuppte sich das Festival als eine mehr als nur günstige Veranstaltung, das ich an dieser Stelle mal lobend erwähnen möchte.
Zwischen 20:00 und 20:30 Uhr, also passend zum ersten Act traf Tanzfledermaus ein und wir konnten uns einen passenden Platz suchen. Der Opener in Form der in Hamburg gegründeten Band Schulverweis konnte mich in meinem Vorfeld-Check noch nicht wirklich überzeugen, doch live lieferten sie dann mit Songs wie „Graveyard“ und „Your Skin“ eine doch überraschend gute Figur ab.
Nach einer kurzen Pause und einem Spontis-Minitreffen mit dem lieben Franky Future ging es dann direkt weiter mit dem Soloprojekt „Equinoxious“ des mexikanischen Künstlers Rogelio Serrano. Wer lateinamerikanischer Synthklänge mag, wird hier sicherlich auf seine Kosten kommen und auch die ausgelassene Tanzstimmung des Publikums bestätigte, dass das Team des „Unter Null“ bei ihrer Wahl alles richtig gemacht hatte.
Den dritten und finalen Act des ersten Tages bildete nun des deutsch-italienischen Projekts „Ruhr„, der das Publikum mit weiteren durchaus tanzbaren Synthpunk-Klängen zu überzeugen wusste. Dadaistisch-politische Texte kombiniert mit energiegeladenen Klängen bildeten in meinen Augen und Ohren genau den richtigen Mix. Als meinen persönlichen Favoriten möchte ich an dieser Stelle mal den Song „Terrorista“ hervorheben, der für mich durchaus Potenzial zu einem Ohrwurm besitzt.
Zum Abschluss des Abends führten uns dann die Djs „Katja Kajal“, „Ben Bloodygrave“ und „Goto Hell“ durch die ebenso gelungene Aftershowparty. Allerdings musste man schon ein wenig Geduld und ruhige Nerven mitbringen, denn auch im AJZ blieb man nicht gänzlich von Besuchern verschont, die es aus irgendeinem Grund für richtig befanden einfach nur regungslos auf der Tanzfläche herumzustehen und den tanzenden Leuten so den ohnehin begehrten Platz zum Tanzen zu rauben.
Unter Null 2025 – Tag 2 (Samstag)
Am Samstag öffnete das AJZ bereits eine Stunde früher, denn schließlich waren für den Tag insgesamt 3 Acts + Aftershowparty angesetzt. Den Start vollzogen Gris Futuro, aus Mexico City. Bestehend aus dem Duo Egle Naujokaityte und Rogelio Serrano, welcher bereits am Vortag mit Equinoxious auftrat und welche mit (wie ich finde) gut hör- und tanzbaren Songs wie Hide & See (En Vivo) oder Juodi Žirgai das Publikum auf weitere wohlige Synthwaveklänge einstimmten. Wenn ich ehrlich sein darf, so haben Gris Futuro mir persönlich teils sogar besser gefallen, als das Soloprojekt Equinoxious, vom Vortag. Alles in allem war es als Opener auf alle Fälle ein gutes Konzert und für mich selbst durchaus ein Highlight des Abends.
Nach einer kurzen Trink- und Toilettenpause, sowie einigen tollen Gesprächen mit lieb gewonnenen Bekanntschaften ging es dann ab 20:15 Uhr mit der Schweizer Band „Plaque Pits„, allerdings aus gesundheitlichen Gründen dieses Mal nur in Solobesetzung. Die Musik beschreibt die Band auf ihrer Bandcampseite als „Disco-Dirges für das Anthropozän“, was meiner unmaßgeblichen Meinung nach schon ziemlich gut zutrifft. Cold Wave und eine einschneidende Stimme treffen auf einen aufgeheizten Planeten und erschaffen auf diese Weise mit Songs wie dem gleichnamigen „Plaque Pits“ eine absolut tanzbare Dystopie, die ins Ohr geht. Für mich mein zweites Highlight an dem Abend.
Auf den dritten Act in Form von „Eddie Dark“ hatte ich mich im Vorfeld eigentlich am meisten gefreut, doch leider erwies er sich für mich am Ende des Tages als der überraschende Tiefpunkt. Zwar kann ich absolut nicht abstreiten, dass er eine wirklich energiegeladene Show anlieferte, doch waren mir viele Stücke aus seiner mitgebrachten Setlist dann doch erheblich zu technoid, als dass sie mich hätten mitreißen können. Des Weiteren schien es ihm ein besonders großes Bedürfnis gewesen zu sein, die Nebelmaschine so stark aufzudrehen, dass meine Handykamera den Dienst verweigerte und mir lediglich eine rot beleuchtete Nebelwand präsentierte. Ich bitte daher um Verzeihung, dass ich keine Bilder anbieten kann. Letzten Endes habe ich für mich dann entschieden, den Rest dieses Acts zu überspringen und auf das Finale zu warten.
Als letzten Act des Abends gab es nun das Künstlerduo Matthias Schuster & Trautonia Capra. Ich muss gestehen, dass mir beide bis dahin namentlich noch völlig unbekannt waren, doch scheinen sie für die deutsche Synth-Geschichte mit Projekten wie „Bal Paré„, „Geisterfahrer„, „Das Institut„, oder „Capra“ durchaus einen Namen in der deutschen Synthszene zu besitzen. Wer hierzu mehr Informationen bereitstellen kann, darf sich herzlich dazu eingeladen fühlen, sie in den Kommentaren mit mir zu teilen.
Mir persönlich hat die kleine Führung durch Schusters und Capras Musikgeschichte, die ein Freund von mir als eine Mischung aus Kraftwerk und den Einstürzenden Neubauten beschrieb, jedenfalls durchaus gefallen, auch wenn viele Stücke sehr experimentell und daher weniger tanzbar schienen. Ob ich langfristig regelmäßige Konzerte davon bräuchte, kann ich abschließend gar nicht sagen, aber ich würde dem ganzen durchaus noch ein zweites Mal beiwohnen. Spannend war der Auftritt von Schuster und Capra definitiv.
Im Anschluss an das Konzert ging es dann ein weiteres Mal zur Aftershowparty auf die Tanzfläche. Hier geleiteten uns nun Mara Mortem, Fil Noir, Testbild und Sharleen Voyage am DJ Pult durch die restliche Nacht. Am zweiten Abend war noch immer recht viel los, sodass man auch hier wieder viel Geduld mitbringen musste, um sich seine kleine Fläche auf der Tanzfläche zu sichern.
Wer zwischen den Konzerten noch ein wenig Ruhe und künstlerische Luft genießen wollte, konnte an beiden Festivaltagen übrigens auch noch einen Abstecher in eines der Nebenzimmer machen, um sich die Gruppenausstellung „Transdimensionales Picknick“ anzusehen. Hier stellten Künstler aus Münster und Düsseldorf ihre Werke zur Schau. Da mir dieses mal jedoch nicht der Sinn nach Ausstellungen stand, habe ich es dieses jahr allerdings bei den Konzerten und Partys belassen. Vielleicht bietet sich ja nächstes Jahr eine neue Gelegenheit? Ich freue mich jedenfalls schon jetzt wieder darauf, wenn im AJZ Bielefeld zum Unter Null Festival 2026 geladen wird.
Seit den frühen 2000ern Teil der schwarzen Szene – Zu Anfang eher im metallischen Umfeld, seit seinem Revival fest im Post-Punk, Deathrock, sowie verschiedenen Wave-Spielarten unterwegs. Interessiert sich sehr für die Szenegeschichte und deren Entwicklungen und versucht den Spirit der 80er in Ehren zu halten. Sieht sich ein wenig als Mittler der Generationen: Fest verwurzelt im traditionellen Goth, doch interessiert genug um die Türen nach draußen offen zu halten. - Nicht alles, was schwarz ist, ist Gothic und nicht alles was Gothic ist, ist nur ein Musikstil.
Lieben Dank für Deinen Festivalbericht, merke ich mir für 2026 vor. Stimmt Bielefeld und Umgebung hat erstaunlich viel schwarzes Angebot. Letztens war ich im Movie, Du ja auch ;-).
Ein schöner Bericht über ein schönes, gelungenes Event in angenehmem Ambiente. Der Weg von Berlin nach Bielefeld hat sich für mich auf jeden Fall gelohnt. Es war lustig, am Freitag am Berliner Hauptbahnhof zahlreiche Party-People aus den Zügen strömen zu sehen, die alle in die Party-Hauptstadt Berlin wollten – und sich selbst für ein Event in eine deutlich kleinere Stadt zu begeben (was viele Berliner aufgrund des Überangebots vor der eigenen Haustür eher selten machen). Da musste ich sehr schmunzeln.
Ich hatte mir alle Bands bzw. Künstler im Vorfeld ausführlich angehört und für mich bewertet. Bei Schulverweis und Eddi Dark ging es mir genauso wie Dir, dass sie live einen ganz anderen Eindruck hinterlassen haben – die ersteren durchaus positiv, letzterer hat mich ziemlich enttäuscht und durch die brachialen Beats regelrecht nach draußen vertrieben. Und von Matthias Schuster & Co hatte ich nur sehr avantgardistische Sachen im Internet gefunden, das war live auch deutlich ansprechender als erwartet (auch interessant seine sympatischen Anekdoten/Erklärungen zwischendurch). Insofern waren es 7 Auftritte (3 am Freitag, 4 am Samstag), wovon mir nur einer nicht gefallen hat – ein echt guter Schnitt! Und das für absolut faire Preise. Ich hab während der Konzerte auch kaum stillgestanden sondern viel mitzappeln müssen.
Tja, bei den Aftershow-Partys… das Rumstehen/Unterhalten mitten auf der Tanzfläche und immer-wieder-quer-durch-die-Tanzfläche-latschen einiger Leute ist wirklich nervtötend. Wenn man gerade auf seinem abgesteckten Platz so schön im Flow am Tanzen ist, alles um sich herum vergisst, und dann grätscht da so ein Trottel (oder gleich mehrere) dazwischen und reißt einen völlig aus dem Film – oder man läuft sogar Gefahr, umzuknicken oder zu stolpern (hatte ich einige Male, weil man bekanntlich hinten keine Augen hat)… Manche sind da echt merkbefreit, z.T. selbst wenn man ne Ansage macht.