Hallöchen, das ist doch wirklich Darrin Huss, der Sänger von Psyche, der da gleich am Eingang neben den Mädels an der Kasse steht. Da gibt’s Fotos mit den Fans, die nach und nach eintrudeln, ein Schwätzchen über das Tourleben und natürlich Merch. Den verkauft der Chef hier noch selbst. Der Renner ist das Shirt mit dem weißen Psyche-Schriftzug auf schwarzem Stoff. Das Logo hat es verdient, in den Kanon der bekannten Szene-Kult-Shirts aufgenommen zu werden. In einer Reihe mit dem Radiowellen-Logo von Joy Division, den zerfließenden Alien-Sex-Fiend-Buchstaben, der Depeche-Mode-Rose vom Violator-Album und dem Neubauten-Männchen.
Doch irgendwie sind Psyche trotz ihrer mittlerweile 43-jährigen Bandgeschichte und einer äußerst umfangreichen Diskografie immer etwas unter dem Radar geflogen. Und mit ihnen das T-Shirt. Vielleicht standen andere Synthiepop-Bands im Weg, so dass der ganz große kommerzielle Erfolg ausblieb. Vielleicht ist das Business auch einfach ungerecht. Als Kult-Band darf man Psyche aber dennoch guten Gewissens bezeichnen. Darrin Huss trägt an diesem lauen Sommerabend übrigens ein Shirt von The Cramps. Der Mann hat Geschmack.
Psyche in Bielefeld: Wohnzimmeratmosphäre und Würstchen vorm Club
Zu Gast sind Psyche in der Bielefelder Cantine. Ein kleiner Club, der versteckt in einem Hinterhof liegt, und der aus gegebenen Anlass heute zur Pilgerstätte für Synthiepop-Fans aus der weiteren Umgebung wird. In der Cantine herrscht stets eine intime Wohnzimmerkonzert-Atmosphäre. Die Bands auf der Bühne sind dem Publikum buchstäblich zum Greifen nah, und der Sound ist in einer angenehmen Lautstärke perfekt ausgesteuert. Tatsächlich stehen an der Wand ein paar Sofas zum Reinfletzen – wie in einem Wohnzimmer. Nebenbei: Der Weg zur Theke ist nicht weit. Wer schon mal versucht hat, sich während eines Depeche-Mode-Konzerts ein Bier zu organisieren, weiß auch das zu schätzen. Vor der Tür gibt’s Würstchen vom Grill, drinnen können die Lokalmatadore von [D]Cyte mit ihrem tanzbaren Electro-Pop überzeugen.
Sänger Darrin Huss und Tastenmann Stefan Rabura liefern im Anschluss ein abwechslungsreiches Set, wobei vor allem die Hits – und die gibt es durchaus reichlich – vom Publikum dankbar aufgenommen werden. Da ist natürlich „Goodbye Horses“ – im Original von Q Lazzarus aus dem Spielfilm „Das Schweigen der Lämmer“. Ihre Cover-Version veröffentlichten Psyche 1996, und eine ganze Generation von Gruftis schwebte dazu vor Ergriffenheit entrückt über die Tanzflächen. Der Song ist bis heute in beiden Versionen ein Party-Garant – wir sprechen hier natürlich von Partys der etwas düsteren Art, schon klar. Auch in der Cantine verfehlt der melancholische Gassenhauer mit Gänsehautgarantie seine Wirkung nicht.
Gar nicht so melancholisch präsentiert sich an diesem Abend Darrin Huss. Eher im Gegenteil. Der Sänger ist in bester Plauderlaune, wendet sich zwischen den Liedern immer wieder schelmisch grinsend an seine Zuhörer. Die müssen auch lachen, als Huss über „diese ganzen 80er-Combos“ sinniert, die immer noch die Bühnen unsicher machen. Um schließlich festzustellen, dass Psyche ja irgendwie auch dazugehören.
Psyche in Bielefeld: Hits, Cover und eine Szene-Ikone mit Spielfreude
„Unveiling the Secret“ darf an diesem Abend selbstverständlich nicht fehlen. Der Electro-Kracher aus dem Jahr 1986 hat sich zum Evergreen gemausert. Ein echtes Synthpop-Juwel, das es mit Soft Cells „Tainted Love“ oder „Blue Monday“ von New Order aufnehmen kann. Der Song stammt noch von der Originalbesetzung von Psyche. Ursprünglich bestand die kanadische Band aus Darrin Huss und seinem Bruder Stephen, der das Keyboard bediente. Doch Stephen Huss erkrankte an Schizophrenie. Sein Bruder arbeitete weiter mit Gast-Keyboardern. 1989 entschloss sich Darrin, in Deutschland zu bleiben. Eine gute Entscheidung, denn vor allem in Europa kommt der Psyche-Sound an. Heute lebt er an der Ostseeküste.
In der Cantine kreisen inzwischen weiße Lichtkegel um den Sänger, der zu „The Saint Became a Lush“ mit den Armen rudert. Auch dieser Song stammt aus der Anfangszeit der Band und ist bis heute ein steter Begleiter des Psyche-Liveprogramms. Der Instrumental-Teil des Stücks ist lang, er dauert bestimmt drei Minuten. Dann erst setzt endlich der Gesang ein. Eine unverwechselbare kraftvolle Stimme, die man wohl aus zig Tausenden heraushören kann. Mal düster-grollend, mal verheißungsvoll wie bei „Eternal“ und ziemlich häufig mit einer heiser-rauchigen Note.
Nun gibt es einige Bands, die mit der Zeit eine ambivalente Haltung zu ihren Klassikern haben und sie gar nicht mehr so gerne auf die Bühne bringen. Metallica etwa, die „Enter Sandmann“ nicht mehr spielen möchten, oder Radiohead, die keine Lust mehr hatten auf „Creep“. Anders Psyche. „Wir spielen alle unsere Lieder gerne. Ich bin von Anfang an stolz auf die Songs und bin es noch heute“, ließ Darrin Huss unlängst in einem Interview mit dem YouTube-Channel Nightshade-TV wissen. Dass das mehr als ein Lippenbekenntnis ist, beweist er bei diesem Konzert in Bielefeld. Der Musiker hat sichtlich Spaß auf der Bühne. Psyche, das sollte man dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, überzeugen aber auch mit ihren aktuellen Outputs.
Nach einem unterhaltsamen Set, in dem sich ruhige Stücke mit tanzbaren Krachern abwechseln, bedankt sich Darrin Husss noch sehr charmant bei den Veranstaltern, lobt grinsend das lokale Bier und wechselt wieder an den Merch-Stand. Am 12. Dezember spielen Ductape, The Calm Grey und Horreur Cosmique in der Bielefelder Cantine, und man darf auf ein ähnlich intimes Konzerterlebnis hoffen.






Ein schöner Bericht über einen sehr sympatischen Künstler! 43 Jahre sind echt ne lange Zeit… und trotzdem noch Spielfreude und keine Songs, die sie selbst nicht mehr bringen mögen. davon können sich etliche Band ne Scheibe abschneiden!
„Eternal“ und „The Saint became a Lush“ begleiten mich nun auch schon seit über 30 Jahren in schwarzen Clubs, ich hab sie auch immer noch nicht „über“, im Gegensatz zu manch anderen Hits diverser Bands.
Ich hab Psyche vor genau 20 Jahren beim „Trashcave-Festival“ in Berlin gesehen und war auch ganz begeistert, wie spielfreudig sie waren und wie herzlich der Umgang mit dem Publikum. Beim WGT hab ich dieses Jahr auf sie verzichten müssen, aber ich wäre vermutlich eh nicht mehr in die Moritzbastei hinein gekommen ;-)
Am 16.08. live bei uns in der Sputnikhalle Münster mit Isla Ola und zwei weiteren Bands! Freue mich tierisch drauf, Darrin ist der Beste und als ich Psyche zuletzt live gesehen hatte (beim Dark Skies over Witten) war es bombe!
Ich hatte vor etwas mehr als 15 Jahren mal kurzzeitig Kontakt mit Darrin Huss via Facebook (glaube ich) nachdem ich Psyche auf der Bühne erleben durfte, und kann nur sagen, dass er einer der nettesten und angenehmsten Menschen ist, die ich je kennen zu lernen das Vergnügen hatte.
Ich kann jedem nur empfehlen, die Konzerte zu besuchen und, wenn sich die Gelegenheit ergibt, ein wenig mit ihm zu plaudern.