Interview mit „A Shrine to Failure“ – Zu schön um wahr zu sein?

Mit „Undone“ hat die Band „A Shrine to Failure“ ein Debütalbum in die Welt entlassen, das sich mehr als sehen respektive hören lassen kann. Fast zu schön, um wahr zu sein. Nicht nur vom Sound her, sondern auch inhaltlich glänzt die Band. Quasi aus dem Nichts ist hier ein Album entstanden, das sich nicht hinter aktuellen Produktionen etablierter Bands verstecken muss. Die Band selbst beschreibt ihren Sound mit den Worten „Somewhere between pop, wave and emotional ruin.“

Inzwischen beim Label Cold Transmission untergekommen, haben wir die Gelegenheit genutzt und bei Labelchef Andreas Herrmann eine Interviewanfrage gestellt. Es sollte nicht lange dauern, bis wir eine Mitteilung der Band erhielten. Wir waren uns schnell einig und wünschen Euch viel Spaß mit dem folgenden Interview.

Lasombra

Ihr seid bei einem Szene-Label untergekommen. Sehr ihr euch selbst als Teil der Schwarzen Szene?

Wir sehen uns, ehrlich gesagt, gar nicht als festen Teil einer Szene. Die Stimmung, der Stil – all das hat uns in der sogenannten schwarzen Szene immer wieder angesprochen, und wir waren auch oft auf entsprechenden Partys oder Konzerten unterwegs.

Aber genauso waren wir auf Hardcore-, Punk- oder Metal-Konzerten. Vielleicht entscheidet sich das bei uns jeden Morgen neu, je nachdem, welches Bandshirt wir anziehen oder welches Lied im Auto läuft. Vielleicht sind wir eben nie ganz drin in einer Szene oder manchmal völlig – und genauso passt das für uns.

Musikalisch sind wir mit den Sounds der 80er aufgewachsen: Wave, Pop, Rock. In den 90ern kamen neue Einflüsse hinzu, zum Beispiel Metal oder Punk in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen. Am Ende ist daraus ein Potpourri geworden, das keine Genregrenzen kennt.

Unsere eigene Musik ist geprägt von Post-Punk und Darkwave, weil wir diese Klangwelt und Ästhetik lieben und gleichzeitig das Gefühl hatten, dass uns darin etwas gefehlt hat.

Ihr wart und seid in vielen alternativen Szenen unterwegs. Waren Rebellion oder bewusste Selbstausgrenzung relevante Themen in euren Leben?

Rebellion im klassischen Sinne war für uns nie der zentrale Antrieb. Wir sind vielleicht mal angeeckt – klar, das passiert automatisch, wenn man aufwächst oder eigene Wege geht.

Aber was Themen wie Antifaschismus oder die kritische Auseinandersetzung mit Religion und Politik angeht, waren wir in einem Umfeld unterwegs, das das eher gefördert als unterdrückt hat.

Eine bewusste Selbstausgrenzung war für uns nie ein Thema. Wir haben uns nie aktiv von etwas abgewendet, um anders zu sein. Wir haben einfach das gemacht, was uns interessiert und was sich richtig angefühlt hat – egal, ob das irgendwo reingepasst hat oder nicht.

Gab es bezüglich eurer Szenezugehörigkeit Konflikte innerhalb der Familie?
Nein, da gab es keine Konflikte. Unsere Familie war da sehr offen und hat uns machen lassen. Solange man respektvoll mit anderen umgeht, waren der Stil oder die Musikrichtung nie ein Problem.

Welche Bedeutung hat Musik für euch? Wie nehmt ihr Musik wahr?

Musik ist für uns ein Teil von Identität – nicht auf eine feste Weise, sondern in vielen Facetten. Sie inspiriert unsere Haltung, prägt manchmal unsere Kleidung, unsere Einstellung oder auch den Weg, den wir gehen.

Gleichzeitig ist sie ein Ausdrucksmittel, mit dem wir Dinge greifbar machen, die sich mit Sprache allein nicht fassen lassen. Und sie schafft Gemeinschaft – zwischen uns, aber auch mit Menschen, die ähnliche Gefühle oder Gedanken teilen. Musik gibt Raum, ohne einzuengen.

Musik wirkt bei uns auf mehreren Ebenen. Manchmal ist es etwas Körperliches – zum Beispiel bekommt man Gänsehaut. Gleichzeitig arbeitet sie aber auch an der Stimmung, verstärkt Gefühle oder bringt neue hervor.

Oft entstehen dabei Bilder im Kopf, lose Szenen oder Stimmungen, die sich gar nicht so leicht in Worte fassen lassen. Wenn wir Musik hören, lassen wir uns gerne treiben und schauen, wohin sie uns führt.

Wie kam es zur Gründung von A Shrine to Failure? Worauf geht der Name zurück?

Im Fall von A Shrine to Failure war das kein lang geplanter Schritt, sondern eher ein Experiment, das in der Corona-Zeit entstanden ist. Es gab bereits bestehende Ideen, Texte, Fragmente – und plötzlich war Raum da, um all das in eine Form zu bringen. Es ging eher darum, etwas auszuprobieren, das schon länger in uns gearbeitet hat. Dass daraus etwas Eigenes und Ganzes wurde, hat sich erst im Prozess gezeigt.

Der Name ist uns beim Schreiben eines Textes begegnet und hat sofort gepasst. A Shrine to Failure klang genau nach dem, worum es uns ging. Er hat sich richtig angefühlt und ist geblieben.

Könnt Ihr euren kreativen Prozess beschreiben? Wie gestaltet ihr eure Zusammenarbeit?

Meistens beginnt es mit einem Thema, das uns begegnet, berührt oder einfach hängenbleibt. Das kann ein Gefühl, ein Bild oder ein Gedanke sein. Daraus formen wir dann Musik und Text – manchmal gleichzeitig, manchmal entwickelt sich erst das eine, dann das andere.

Wir arbeiten sehr organisch zusammen. Texte und Musik kommen meist aus einer Hand, aber die andere Hand hebt das Ganze oft auf ein höheres Level. Es ist kein klassisches Aufteilen von Aufgaben, sondern eher ein gegenseitiges Ergänzen.

Eure Texte empfinde ich ausgesprochen gut formuliert. Wie hat sich diese Begabung entwickelt?

Die Texte entstehen genauso. Mal steht eine Textidee am Anfang, mal sind es nur ein paar Töne, aus denen sich langsam ein Bild ergibt. Wir versuchen, Themen nicht direkt zu erklären, sondern eher verklausuliert zu erzählen – mit Lücken, damit andere etwas Eigenes darin finden können.

Wenn die Texte gut formuliert wirken, dann liegt das vielleicht genau daran: dass uns die Themen tragen – nicht ein Stilwille oder ein sprachliches Konzept, sondern der Wunsch, etwas fühlbar zu machen, ohne es festzunageln.

This isn’t about flesh, this isn’t about desire.

This is the stream you only hear when it’s quiet.

Wie schätzt Ihr den Einfluss von KI auf die Musikproduktion ein?

KI ist eine technologische Entwicklung, die sich – wie vieles zuvor – nicht aufhalten lässt. Genau wie das Internet, MP3 oder E-Books wird sie ihren Platz finden. Als Werkzeug kann sie sinnvoll sein.

Wie steht Ihr zu Social Media? Was muss man als Band tun, um Aufmerksamkeit zu bekommen?

Social Media hat überraschend gut für uns funktioniert: Man muss bereit sein, ein bisschen Geld in die Hand zu nehmen. Wir haben einen kleinen Betrag investiert, um einen Beitrag zu bewerben – und der ist regelrecht durch die Decke gegangen.

Grundsätzlich nutzen wir Social Media gerne, um unsere Geschichten visuell zu ergänzen und unseren Ideen eine zusätzliche Ebene zu geben. Es geht für uns weniger darum, ständig präsent zu sein, sondern gezielt Inhalte zu teilen, die zur Musik passen. Gerade über Instagram konnten wir uns mit unglaublich vielen wunderbaren Menschen vernetzen und in kurzer Zeit eine Reichweite aufbauen, die ohne die Plattform kaum möglich gewesen wäre.

Gleichzeitig ist es für uns ein schmaler Grat. Wir nutzen das, was wir verantworten können, und halten uns bewusst von Plattformen fern, die von einem Technofaschisten geführt oder von rechten Netzwerken dominiert werden. Sichtbarkeit ist wichtig – aber nicht um jeden Preis.

Im Vorgespräch habt ihr klargestellt, dass ihr als Personen vollständig im Hintergrund bleiben möchtet. Verfolgt ihr mit diesem Konzept ein bestimmtes Ziel?

Für uns steht die Erzählung im Mittelpunkt – nicht wir als Personen. Daran haben wir Freude: eine Atmosphäre, eine Geschichte, ein Gefühl aufzubauen, das für sich stehen kann. Greifbare Personen halten der Realität oft nicht stand. Stattdessen wollen wir etwas schaffen, das zum Träumen, zum Auseinandersetzen und Reflektieren anregt. Wie bei einem Buch, in dem man sich die Figuren selbst vorstellt, möchten wir nichts vorgeben, sondern Raum lassen für eigene Gedanken.

Gerade weil das Netz voll ist mit persönlichen Informationen, wollten wir einen Gegenpol schaffen – eine Erfahrung, die sich nicht sofort erklärt, sondern entwickelt, wenn man sich darauf einlässt.

Bedeutet das, dass es keine Live-Konzerte geben wird?

Das schließen wir nicht per se aus – aber wenn, dann in einer Form, die zu uns passt. Es müsste mit dem übereinstimmen, was A Shrine to Failure ausmacht: Atmosphäre, Tiefe, Distanz und Nähe gleichzeitig. Kein klassischer Auftritt, sondern eher ein Erlebnis, das zur Musik und zur Erzählung passt.

Wann dürfen wir mit neuem Material rechnen?

Im Moment steht erst einmal die Veröffentlichung unserer Musik als CD und Vinyl im Vordergrund. Das ist für uns ein riesiger Schritt in so kurzer Zeit. Wir wollen nichts erzwingen, nichts verwässern und uns schon gar nicht verbiegen. Deshalb nehmen wir uns die Zeit, die es braucht, und machen es so, wie wir selbst Freude daran haben.

Es gibt Überlegungen, vielleicht zum Ende des Jahres eine Single oder etwas später eine EP zu veröffentlichen, aber nichts ist bisher konkret. Wenn es so weit ist, fühlt es sich hoffentlich genauso richtig an wie alles bisher – und wir geben es über alle Kanäle bekannt.

Wollt Ihr den Lesern zum Abschluss noch etwas mitteilen?

Danke, dass ihr euch die Zeit nehmt, hinzuhören und zwischen den Zeilen zu lesen. Wenn unsere Musik euch etwas bedeutet, freut uns das sehr – und wenn ihr euch darin wiederfindet, ist das mehr, als wir erwarten können. A Shrine to Failure ist offen für alle, die etwas darin sehen oder hören wollen. Alles andere ergibt sich.

1998 in die Szene eingestiegen. Die folgenden Jahre habe ich intensiv Veranstaltungen und Konzerte besucht. 2017 habe ich eine Familie gegründet - keine Musik, keine Veranstaltungen, keine Konzerte, keine Festivals, keine eigenen Gedanken. Jetzt kehre ich endlich wieder zurück vor die Bühne.

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Maren
Maren(@maren)
Vor 1 Tag

„ Wenn unsere Musik euch etwas bedeutet, freut uns das sehr – und wenn ihr euch darin wiederfindet, ist das mehr, als wir erwarten können.“
Diesen Satz aus dem Interview finde ich besonders bemerkenswert. Das fasst für mich noch einmal die Herangehensweise der Band zusammen: Eigene Gedanken und Emotionen in Musik zu fassen, weil man Freude daran hat. Die Rezeption durch die Zuhörer kommt an zweiter Stelle.
Ja, das Album „Undone“ kann sich hören lassen. Das Intro zieht einen schon in die entsprechende Stimmung mit hinein. Es wird kalt und dystopisch. Mein persönlicher Favorit bis jetzt: „Reverie“. Und das „Outro“
am Ende vermittelt Geschlossenheit. Die Leere und Kälte bleibt und wird noch einmal verstärkt. Mich erinnert das ein bisschen an die Mundharmonika in „Spiel mir das Lied vom Tod“. Verlassene, öde Wüstenlandschaft.
Danke für das Interview und den Hinweis auf dieses hörenswerte Album von „A Shrine to Failure“.

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