Im August 1998 verschickte der Verlag + Agentur Werner Symanek (VAWS, mehr Infos zum VAWS in den Artikeln aus dem AIB und dem bremer kassiber, ebenfalls in diesem Archiv) eine Werbedrucksache, auf der sich u. a. der folgende Hinweis fand:
„Auf dem Wave-Gothic-Treffen in Leipzig haben wir die Formation Feindflug aus Chemnitz kennen gelernt. Die uns überreichte CD war so genial, dass in zwei Wochen die erste Maxi dieser Electro-Industrial Formation bei VAWS erscheint. Mehr über die stählernen und tanzbaren Tracks auf dem beiliegenden Flyer.“
Auf ebendiesem Flyer stand:
FEINDFLUG
NEUE DEUTSCHE HÄRTE
DAS ELECTRO-INDUSTRIAL-PROJEKT PRÄSENTIERT AUF SEINER ERSTEN MAXI-CD “I./ST.G.3” SOUNDGEWITTER DER SONDERKLASSE. TANZBARE UND INTELLIGENT AUFGEBAUTE TRACKS WERDEN VON BRACHIALER KRAFT DURCHZOGEN. FEINDFLUG GEHÖRT SICHERLICH ZU DEN FORMATIONEN, DIE SCHNELL DIE CLUBS DER NATION EROBERN KANN.
VÖ: 15.08.98
In der vom VAWS herausgegebenen Werbedrucksache “Propaganda Medien-Informationsdienst Ausg. No. 1 / Herbst `98” wurde der folgende Text abgedruckt. Der gleiche Text befand sich in leicht gekürzter Fassung im “VAWS Report Dezember 1998”:
“VAWS 204 – Maxi-CD – Feindflug – “I./St.G.3”
Propeller an! Die “Neue Deutsche Härte” hebt ab
Keine Bange! Feindflug rüsten nicht zum Blitzkrieg. Im Sturzflug entlädt sich ihr Soundgewitter höchstens über den Köpfen der X-Over-Massen. Erst einmal überrascht die Flugschau “I./St.G.3” und gefällt. Ähnlich prächtig wie :Wumpscut:, Terminal Choice, Funker Vogt oder Noise Unit setzt das Electro-Industrial-Projekt aus Chemnitz so mit den fünf Tracks ihres Debüt kurzerhand zur zügigen Zwischenlandung in den Underground-Clubs der Szene an. Damit: Feindflug-Operation Erstschlag geglückt.”
Im Vorfeld des Wave-Gotik-Treffens Pfingsten 1999 gaben die Grufties gegen Rechts Bremen dem Journalisten Kolja Mensing von der taz ein Interview. Auszüge aus dem Interview wurden in einem Artikel mit dem Titel „Ein kleines Weltkriegssample“ in der taz vom 26. 5. 1999 (S. 13) abgedruckt. Bezüglich Feindflug stand dort:
Feindflug zum Beispiel kommen aus dem Umfeld der Zeitschrift Sigill und sie lassen sich von einem Versand vertreiben, der auch eindeutig rechtsradikale Bücher vertreibt”, erklärt DJ Kersten. Der Verlag heißt VAWS, „Verlag und Agentur Werner Symanek“
Aufgrund dieser Aussage schrieb Gerald S., Freund und offizielles Sprachrohr von Feindflug und Betreiber von Black Rain, dem heutigen Label von Feindflug, eine Gegendarstellung, die auszugsweise in der taz vom 3. Juni 1999 abgedruckt wurde. Wir dokumentieren im Folgenden die ungekürzte Version, die wir von Gerald S. erhielten:
Chemnitz, 27.05.99 Liebe taz-Redaktion,
mit verständlichem Interesse habe ich heute den Artikel von Kolja Mensing bezüglich rechter Tendenzen auf dem 8.Wave Gotik Treffen gelesen. Leider sehe ich meinen/unseren Standpunkt im Bezug auf das Projekt Feindflug in diesem Zusammenhang nur ungenügend dargestellt bzw. in Teilen missverstanden.
Nirgendwo eine Zeile meiner Aussage, dass es in der Gotik-Szene schon immer sowohl Linke als auch Rechte gab, dies jedoch nur in Grauabstufungen und Minderheiten. Seit elf Jahren gehöre ich dieser sogenannten Gotik-Szene an, da werde ich wohl wissen, wovon ich rede!!! Früher war die „schwarze“ Szene reichlich uninteressant für die Medien (auch für die taz), seit jedoch einige Sachen sogar im Musikfernsehen laufen, stürzt man sich auf einzelne Aspekte, die eine Schlagzeile werden sollen, diesen Rahmen jedoch in keiner Weise ausfüllen.
Auch unsere ansatzweise zitierte Erklärung, hätte ich gerne vollständiger gelesen, da noch einige interessante Sätze folgen, die durchaus einen weiteren (im Sinne von weit) Blick eröffnet hätten. Ausgesprochenen Wert legen wir zum Beispiel auch auf die Aussagen „Use your brain and think about it!“ sowie „Bezüge des Themas zum aktuellen Zeitgeschen ergeben sich jeden Tag neu…“ usw. Hier sollte man seinen Blick ruhig mal nach Bosnien und in den Kosovo richten. Als persönlich in den kroatisch/bosnisch/serbischen Konflikt Involvierter (und damals übrigens jahrelanger taz-Abonent), mußte ich meine eigene „Schwarz/weiß“-Denkerei über jede der dort ansässigen Volksgruppen zwangsläufig über den Haufen werfen, da sich angesichts dieser Tragödie in Europa, jegliche Denkweise in diesen Schienen sich als ungeeignet erweist. Welche Denkweise soll denn dieser Artikel manifestieren?
da regt sich eigenartigerweise KEINER auf. Steht übrigens in jedem Plattenladen!)
Ich möchte also hier nochmals zu Protokoll geben, daß die Musiker von Feindflug und ich keinerlei faschistoides Gedankengut vertreten und auch nicht propagieren (Wie kommt denn DJ Kersten auf die Geschichte, wir wären aus dem Sigill-Umfeld? Dies ist einfach falsch!).
Die Leute in den ersten Reihen waren übrigens alles alte Fans, die jedes der Lieder ,unter der Dusche nachsingen könnten“, ohne vermeintliche Rechtsradikalität dahinter zu sehen. Im Nachhinein auf dem Zeltplatz auf solche Sachen angesprochen, äußerten sie ihr Unverständnis über eine derartige mögliche Sichtweise anderer. Hier auch mal die O-Ton-Aussage des Musikers Felix zu besagtem Konzert: „Ich habe noch kein Konzert erlebt, wo Electro-Fans, Gothics, Bunthaarige, Metaller und Kurzhaarige so friedlich nebeneinander gestanden und auch getanzt haben.“ Da wirft sich doch glatt die Frage auf, ob die Bildunterschrift bei dem Foto auch für den danebenstehenden Punk gilt?
welcher echte Gothic nennt sich eigentlich freiwillig Grufti?) und Alfred Schobert vor, eine friedliche Form der Auseinandersetzung, nämlich die Diskussion, zu diesem Thema nicht genutzt zu haben, mit der fadenscheinigen Begründung sich nicht mit bestimmten Leuten an den Tisch zu setzen. Was soll denn das? Man muß doch miteinander reden! Wie sollen denn festgefahrene Meinungen/Ansichten aufgebrochen werden, wenn Niemand miteinander redet, sich alle nur die Köpfe einschlagen und alle möglichen Leute zur „persona non grata erklärt werden
Ich werfe der taz im Bezug auf dieses Thema definitiv keinen „Scheckheft-Journalismus“ vor, wie bei anderen Blättern üblich, gebe aber zu bedenken, daß in diesem Artikel durchaus einige Hintergrundinformationen fehlen. Bei näherem Befassen mit der Band Kirlian Camera, würde man nämlich z. B. auf den interessanten Umstand stoßen, daß zwei der Mitglieder in Italien der linksradikalen Szene angehören. Wer weiterhin vor einiger Zeit das Kirlian Camera-Konzert in Dresden erlebt hat, der konnte dabei auf der Bühne eine braunhäutige Schönheit erblicken, welche ein afrikanisches Volkslied sang! Wie paßt denn das nun in’s Bild? Da sollte man doch schon ein bißchen differenzieren!!!!!!!!!!
Was ist denn nun das Gotik-Treffen? Ein Treffen von Links- und/oder Rechtsradikalen? Oder wie? Oder was? Oder wurden vielleicht sogar ein paar Gothics gesichtet unter den 15000 Leuten … ? … und vielleicht etwa noch solche, die sich nicht in das Schema von rechts und links pressen lassen? So schafft man Feindbilder! Gewollt oder ungewollt?! Traurig, traurig!
Gerald S.
P.S.: Zu einem Abdruck dieser Zeilen wird es wohl sicherlich von Eurer Seite nicht kommen … ? Als alter taz-Leser hätte ich schon mit ein bißchen mehr fairer Berichterstattung gerechnet…
Unser Vorwurf, Feindflug kämen aus dem Umfeld der Zeitschrift Sigill, entstand aufgrund von personellen Verbindungen zwischen den Zeitschriften Sigill, Zeitenwende, Hagal, Codex und dem Chemnitzer Veranstalter und Fanzine Equinoxe. Die Einordnung von Feindflug in dieses Umfeld erwies sich jedoch nach genauerer Recherche als vorschnell und nicht belegbar. Vor dem Auftritt von Feindflug auf dem Wave-Gotik-Treffen Pfingsten 1999 im Werk 2 in Leipzig wurde die folgende Erklärung verlesen und verteilt. Auszüge aus dieser Erklärung befinden sich auch auf dem Cover der CD “Vierte Version” (1999):
Excerpt:
Das Projekt Feindflug entstand vor rund zwei Jahren. Der Name Feindflug war eigentlich nicht als Bandname, sondern als Projekttitel gedacht, welcher auch ermöglichen sollte, dass andere Themen dann wieder unter einem anderen Titel erscheinen können (… Überlegungen gehen bis hin zum Komplex Stalin oder religiöser Fanatismus). Der Schriftzug des Projektnamens ist übrigens in einer amerikanischen Frakturschrift dargestellt und nicht in altdeutschen Lettern, wie uninformierte Vorverurteiler behaupten.
Jede Form der Verherrlichung/Verharmlosung des Zweiten Weltkrieges widerspricht der Intention dieses Projektes. Es will vielmehr deutlich machen, dass gerade diese Epoche der Geschichte, den Beginn einer neuen technologischen Kriegsführung darstellt, in der das Individuum zum millionenfachen Opfer wurde/wird.
Hier wird nicht mit irgendetwas kokettiert, sondern das Album des Projektes ist ein Zyklus zu Aufstieg/Motiven/Handlungen/Untergang der Nazis von 1933-1945. In diesem Sinne müssen auch Musik/Samples/Bilder/usw. unbedingt als thematische Symbiose betrachtet werden. Bezüge des Themas zum aktuellen Zeitgeschehen ergeben sich jeden Tag neu…
Das Projekt vertritt definitiv kein faschistoides Gedankengut! Oder würde es sonst Titel geben, wie „Stukas im Visier“ bzw. „Kahle Bedrohung“?! Die Mühe, auch mal etwas zu hinterfragen, muss man sich schon selbst machen…
Use your brain and think about it! Use your brain and think about it!
Aufgrund der durch die Äußerungen von Feindflug / Black Rain veränderten Einschätzung, beschlossen wir, mit Feindflug in Diskussion zu treten. Daraufhin entstand der folgende Briefwechsel:
Bremen, 19. 8. 99
Hallo!
Aus gegebenem Anlaß wenden wir uns hiermit an euch in der Hoffnung, daß dadurch einige Dinge geklärt werden können, die in den letzten Monaten möglicherweise zu Mißverständnissen geführt haben.
Wir begrüßen es, daß ihr klar und deutlich zu den Vorwürfen gegen euch Stellung genommen habt, und nicht wie einige andere Bands lediglich schwammige Aussagen zum Thema macht. Falls wir uns in unserer Einschätzung geirrt haben sollten, werden wir uns bemühen, das öffentlich richtigzustellen. Wir müssen allerdings feststellen, daß ihr möglichen Mißverständnissen in der Vergangenheit nicht gerade aus dem Wege gegangen seid. Deshalb bleiben für uns einige Fragen offen, über die wir mit euch gerne diskutieren würden. Betrachtet dies als einen Versuch „uns Mühe zu geben euer Projekt kritisch zu hinterfragen“.
Doch zunächst zu eurer Kritik an uns:
Die von uns in der taz vom 27. 5. 99 aufgestellte Behauptung, ihr kämet aus dem Sigill-Umfeld, ist zwar nicht völlig aus der Luft gegriffen, es ist jedoch richtig, daß die mehr oder weniger lockeren personellen Verbindungen zwischen Sigill, Hagal, Zeitenwende, Codex und Equinoxe nicht zwingend auf eine Übereinstimmung der politischen Ansichten schließen lassen. Interessieren würde uns aber, wie ihr zu den genannten Druckwerken und den in ihnen vertretenen Ansichten steht.
Zum Vorwurf wir hätten „eine friedliche Form der Auseinandersetzung, nämlich die Diskussion zu diesem Thema, nicht genutzt”, ist zu sagen, daß die Gründe für die Absage natürlich etwas komplexer waren, als sie in der bundesweit verbreiteten Presseerklärung des Zillo wiedergegeben wurden. Wesentliche Bedeutung hatte dabei die Kurzfristigkeit der Einladung und der damit verbundene Zwang sich ohne ausreichende Diskussionen untereinander quasi sofort entscheiden zu müssen. Joe Asmodo hat diesbezüglich in einem Gespräch mit uns organisatorische Fehler eingestanden. Hauptargument für die Absage war die Tatsache, daß die Belege für Josef Klumbs Engagement in rechtsradikalen Organisationen und Medien so umfassend sind, daß uns eine Diskussion mit ihm über die Frage „wie man Unterwanderungstendenzen in der Szene begegnen kann“ absurd erscheint. Nichtsdestotrotz halten wir die Diskussion für dringend notwendig und wir würden auch im Falle einer neuen sich bietenden Gelegenheit daran teilnehmen. Nochmal scharf entgegentreten wollen wir aber dem von verschiedenen Seiten – nicht von euch – geäußerten Vorwurf „Ärger in Aussicht gestellt“ zu haben oder gar die Veranstaltung sprengen zu wollen. Das ist schlicht und ergreifend nicht wahr. Wir recherchieren, schreiben Briefe und Artikel, geben Interviews, etc. – sonst nix!!! Zu eurer Information legen wir noch unsere Antwort auf die Presseerklärungen von Ecki Stieg und Zillo bei.
Bei eurer Anspielung auf den Namen „Grufties gegen Rechts“ wollen wir es bei dem Hinweis auf schlechten Stil belassen. Ihr schlagt damit übrigens in die gleiche Kerbe wie das Sigill (Nr. 18, S. 1), die mangels stichhaltiger inhaltlicher Kritik auf polemische Bemerkungen wie „Linke, die gern Grufties wären“ zurückgreifen. Zufall??? Wie kommt ihr dazu euch die Definitionsmacht darüber anzumaßen, wer ein “echter Gothic” ist und wer nicht? Wir können euch versichern, daß wir uns gut auskennen, und daß wir auch in Zukunft differenzierte inhaltliche Auseinandersetzungen polemischen Bemerkungen vorziehen werden.
Zu Kirlian Camera ist zu sagen, daß es tatsächlich einige Fakten gibt, die nicht in ein eindimensionales Bild passen. Neben den von euch genannten lassen beispielsweise auch einige Interviewzitate aus dem Zillo (7-8/98, S. 102) eher fortschrittliche Ansichten vermuten. Demgegenüber stehen jedoch andere Fakten: Angelo Bergaminis Hitler-Gruß (Neonazi-Variante) wird von mehreren Zeugen unabhängig voneinander auf zwei Konzerten (Berlin 2. 5. 98 und Neuruppin) bestätigt. Im Zillo (7-8/99, S. 51) sagt er selbst “Im August letzten Jahres traten wir in Berlin auf, und ich muß ehrlicherweise zugeben, daß ich auf eine ähnliche Weise agiert habe, um einfach den schlechten Glauben von einigen Leuten zu testen. Da habe ich das Publikum mit ausgestrecktem Arm begrüßt”. Die Samples einer Rede des Führers der faschistischen rumänischen Eisernen Garden, Corneliu Zelea Codreanu, im Stück „U-Bahn V2 Heiligenstadt“ lassen sich ebensowenig wegdiskutieren, wie Bergaminis Aussage er wolle Codreanus Legion ehren (Sigill 12, S. 30). Auch seine Teilnahme am Thorak-Sampler des VAWS mit seinem Projekt Stalingrad trägt nicht unbedingt zur Entlastung bei. Soviel zur Differenzierung.
Wir gehören mit Sicherheit nicht zu denjenigen, die aufgrund der bloßen Tatsache eines Hitler-Samples in Panik geraten. Dazu gibt es viel zu viele Beispiele in der Musik, wo unter Verwendung derartiger Mittel eine kritische inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema Faschismus stattfindet, die gelegentlich durchaus über das durchschnittliche Maß in der Gesellschaft hinausgeht. Sollte das bei euch so sein, fänden wir das sehr gut. Allein vom Hörverständnis erschließt sich das jedoch nicht, und auch euer CD-Booklet gibt nicht viel her. Wir wären sehr daran interessiert mehr über Hintergründe und Intention des Projektes zu erfahren. Warum habt ihr den Projekttitel Feindflug gewählt?
Wir begrüßen es, daß ihr von VAWS zu Black Rain gewechselt seid, weil euch „bei VAWS sofort der Fascho-Stempel aufgedrückt wurde und ihr das nicht wollt“ (Zitat eurer Plattenverkäuferin nach dem Auftritt im Werk II in Leipzig, Pfingsten 99). Uns würde aber interessieren warum ihr überhaupt eine CD bei VAWS veröffentlicht habt. Wußtet ihr zum Zeitpunkt der Veröffentlichung über Verlagsprogramm und -politik des VAWS bescheid, und wenn nicht, wie war eure Reaktion nachdem ihr informiert wart? Was haltet ihr von der Art und Weise mit der der VAWS mit euch Werbung gemacht hat (z. B. “Feindflug – Operation Erstschlag geglückt”, Propaganda 1, Herbst 98)?
An eurer Bühnenshow in Leipzig fanden wir nichts auszusetzen, interessieren würde uns aber wie ihr die helle Begeisterung eines Teils eurer Fans über den Sample „seit 5:00 Uhr wird zurückgeschossen“ einschätzt. Wenn ihr es mit euren Beteuerungen ernst meint, solltet ihr ein wachsames Auge auf bestimmte Fans haben.
Wieso wird eure MCD “I./St. G. 3” vom Versand der Deutschen Stimme vertrieben und wie ist eure Meinung bzw. Reaktion auf die Aussage ihr wärt “endlich eine nationale Alternative zu Wumpscut und Konsorten” (Deutsche Stimme 8/99)?
In der Hoffnung bald Näheres zu erfahren
Mit freundlichen Grüßen
Grufties gegen Rechts Bremen
Bremen, 28. 10. 1999
Moin ihr!
Wir warten ja immer noch sehnlichst auf Antworten auf unsere vielen Fragen. Bekommen wir die noch? Und wo wir gerade dabei sind, haben wir noch eine neue Frage:
Im neuen VAWS-Prospekt werden unter der Überschrift “VAWS-Veröffentlichungen Sommer 1999” zwei CDs aus dem Hause Black Rain angeboten. Ein Sampler mit u. a. Feindflug und Cyborg Attack und eine wiederveröffentlichte Scheibe von 97 namens “Feindflug (vierte Version)”. Wie ist das denn jetzt mit den Beziehungen zum VAWS und der von euch so viel beschworenen politischen Unabhängigkeit, bzw. dem “Korsett von Rechts und Links” in das ihr euch nicht pressen lassen wollt?
Gruß
Grufties gegen Rechts
Brief von Gerald, Freund von Feindflug und „Betreiber“ von Black Rain
Chemnitz, 26.09.1999
Hallo Leute,
nach gut einem Monat finde ich nun endlich mal die Zeit, um auf Euer Schreiben zu reagieren, geplant hatte ich dies eigentlich schon länger. Ich bin übrigens Gerald, Freund und „offizielles Sprachrohr“ von Feindflug und (falls dieser Ausdruck zutreffend ist) der Betreiber von Black Rain. Erst einmal muß ich zu Protokoll geben, daß ich fast angenehm überrascht war, ein Statement von Euch zu erhalten. Kommen wir gleich zu einigen Kernpunkten:
1.“Grufties“: Ich kann mich aus meiner Jugendzeit in der DDR noch gut daran erinnern, daß dieser Ausdruck von Leuten außerhalb dieser Szene (falls man überhaupt von Szene sprechen kann) eher als Schimpfwort gebraucht wurde. Auch die Zeit nach der Wende läßt mich mit dieser Ausdrucksforrn nicht ganz zufrieden sein. Schon allein deshalb gehe ich mit dieser Bezeichnung äußerst sparsam um…. Mmmmmhhh, „Definitionsmacht anmaßen“ kann man das ja nicht gerade nennen, allerdings bin ich schon fast 12 Jahre dabei, da kann ich schon mal ein Statement abgeben. Wie sicherlich schon bekannt, sind auch mir stichhaltige Argumente lieber! Vor einiger Zeit habe ich mal diesen Brief auf Eurer Internetseite gelesen, allerdings dem Schreiber Schreibfehler vorzuwerfen und gleichzeitig in der Antwort selber weiche fabrizieren (gesamt mit doppel M ist nicht gerade toll. Na ja, vergessen wir`s.
2. „Form der Auseinandersetzung nicht genutzt“: Bedarf es da großer Diskussionen/Abklärungen? Man wird doch wohl seine Meinung zu jedem Zeitpunkt vertreten können? Egal, welche politischen Ansichten Josef Klumb privat vertritt (das Astan-Interview fand ich übrigens gut), wo kommen diese musikalisch in einer Art und Weise zum Vorschein, daß damit andere Leute „geködert“ werden? Um Himmels Willen wo??? Es wäre sicherlich keine „absurde“ Diskussion geworden, eher eine interessante.
3.“Sigill, Zeitenwende, Codex/Equinoxe, Hagal“: Hierzu muß ich ausführen, daß mich Felix und Banane nach dem Artikel in der taz entsetzt fragten, was denn das Sigill wäre…. Das man hier in Chemnitz Equinuxe kennt ist wohl klar (ist ja auch von hier). Mein letztesExemplar ist allerdings zwei Jahre alt. Beide Musiker kennen die anderen Veröffentlichungennicht! Mir persönlich ist noch das Sigill bekannt, da meine Frau selbiges liest. Hierzu mußich mich der Meinung eines Freundes anschließen, daß man unter den Voraussetzungen „Ichbin gut 20 Jahre alt, habe einige Goethe-Bände zu Hause und bin nun deutsche Kultur Avantgarde“ nicht gerade umwerfend dasteht, wenn man gleichzeitig doch auch schonbekanntes „Scheuklappendenken“ aufweist…. Allerdings finde selbst ich die knappe Hälfte des Magazins gut geschrieben… den Rest aber nicht! Hagal und Zeitenwende sind mirunbekannt. Übrigens dürfte aufgefallen sein daß keinerlei rechtes Magazin bisher in irgendeiner Weise größeres Interesse für Feindflug gezeigt hat! Kann es sein, das rechteKreise viel eher die Intention des Projektes hinterschauen und noch viel eher Probleme damithaben, als die linke Seite?
4.“Kirlian Camera“: … dies ist ein weites Feld! Mich würde aber speziell mal interessieren, warum ausgerechnet das Konzert in Bremen nicht stattgefunden hat? Wenn Ihr`s nicht verhindert habt, so wißt Ihr doch sicherlich wer?! So ’ne Stadt ist doch ein Dorf. Übrigens, ein guter Freund von uns (links und schwul), lacht sich nur toll wenn er solchen „Geigel“ über Kirlian Camera hört…“Teilname am Thorak-Sampler mit dem Projekt Stalingrad“: Hierzu muß ich als alter Zonie mal noch was hart anmerken! Es gibt zahlreiche Künstler, die egal unter welchem System, Erfolg gehabt hätten! Dies war auch in der DDR so!!! Siehe Werner Tübbke usw.; Zu einer solchen Art von Künstlern zähle ich auch Leni Riefenstahl und Thorak. Beide wären ebenfalls in der DDR zu Ruhm gelangt und Tühbke usw. umgedreht genauso! Gerade diese zwei CD-Veröffentlichungen aus dem Hause Vaws dürften wohl die am wenigsten anstößigen sein….
So, hier weiter am 17.11.99
5. „Wir gehören mit Sicherheit nicht zu denjenigen die aufgrund der blosen Tatsache eines Hitlersamples…“Hierzu bitte auch mal die zwei beiliegenden kompletten Interviews durchlesen. Ich denkeMal, damit dürfte ziemlich viel erklärt sein. Warum soll unser Booklet + Tonmaterialeigentlich nicht ausreiche, um den Hörer einen richtigen Anstoß zu geben. Ich zitiere hiernoch einmal gerne den Satz: „Wozu ist denn dann noch der Hörer da?!“ Wir haben gerademal zwei Titel mit Hitlersamples, wovon einer auch noch„Größenwahn“ heißt und derzweite, unter dem Titel „Feindflug“ im Zyklus „Feindflug“ den Beginn des Zweiten Weltkrieges symbolisiert… und alle Welt zieht sich daran hoch, ohne dies auch nur imgeringsten mit dem restlichen Material in Kontext zu setzen.
6.“Projektitel Feindflug“. Wie schon angesprochen handelt es sich hier um einen Projekttitel und eigentlich keinen Bandnamen… siehe auch Infoblatt! Allerdings hat sich dieser Name ziemlich eingebrannt und wird eventuell bestehen bleiben.
7. „…warum Ihr überhaupt eine. CD bei Vaws veröffentlicht habt“. Siehe Interview PointBlack! Auch die Veröffentlichung der beiden auf meinem Label ist dem Umstand geschuldet,daß bei anderen Firmen irgendwelche Einflußnahmen auf Cover usw. vonstatten gehenwürden Dies ist für Feindflug nicht akzeptabel!Wir kannten und kennen auch heute nicht das komplette Verlagsprogramm von Vaws, daßdie Firma etwas umstritten ist, hatten wir gehört. (Kennt Ihr komplette Programm? Habt Ihr schon einmal mit Werner Symanek persönlich gesprochen?) Der Wind, der uns allerdings danach ins Gesicht blies (und uns wohl inzwischen auch ohne diese MCD ereilt hätte), läßt sehr einfache Schlüsse auf die geistige Kapazität unseres Volkes; zu: einfach nur dumm; das Gehirn nur zum rumtragen!“Operation Erstschlag“: …na ja, gerade noch erträglich! Als unangenehmer empfanden wir die Hinstellung als wäre dies unser Debütwerk, obwohl es schon das Album gab.Nun ja, jetzt sind sie halt bei Black Rain und machen immer noch diese fruchtbare Mugge!
8.“Bühnenshow in Leipzig/seit 5:45 …“: Tja, ich hatte im Vorfeld schon den FF`s abgeraten, diesen Titel zu spielen (der Artikel in der taz, über welchen ich nach diesem langen persönlichen Gespräch mehr als enttäuscht war, nicht zuletzt auch wegen inhaltlicher Ungereimtheiten, gab mir dann auch recht). Sie ließen sich allerdings unter dem Gesichtspunkt der künstlerischen Freiheit nicht davon abbringen. An dieser Stelle muß ich mal die Leute aus den ersten Reihen in Schutz nehmen. Das waren alles alte Fans der ersten Stunde, die Ihre Leute endlich mal auf einer größeren Bühne sehen konnten. Klar, daß diese sämtliche Samples kannten. Das Stück- Feindflug wird allerdings als Konsequenz auf keinem der seltenen FF-Aufkritte mehr zu hören sein!Sicherlich habt Ihr Euch auch die Leute im Werk II angeschaut; war doch absolut harmlos! Und wie mir Anne erzählte, dürftet ja ausgerechnet Ihr die Typen mit den Tarnklamotten + kurzen Haaren“ gewesen sein! Ist das Tarnung oder echt? Wenn’s echt ist, ist das dann Verharmlosung?
9.“Deutsche Stimme: Wir müssen zugeben, daß uns ein Vertrieb der MCD über die „Deutsche Stimme“, bis zu Eurem Schreiben, nicht bekannt war und diese Journal ebenfalls nicht. Auf die diesbezügliche Anfrage bei Vaws gab es nur eine schwammige Antwort. Der Satz „nationale Alternative“ ist tüchtiges Stammtischniveau.
So, jetzt mal noch etwas allgemeines. im Zusammenhang mit den Diskussionen um unser Projekt kursieren die wildesten Gerüchte, Faxe usw. So wurde z.B. eine Seite aus dem vor einem Jahr veröffentlichten Thorak-Sampler umhergeschickt, auf welcher das Projekt Source Direct unter anderem auch Feindflug grüßt (übrigens ein Projekt, welches ursprünglich mal aus Chemnitz stammte). Diese Seite kursiert mit dem Kommentar, es würde sich um eine Seite des neuesten. Vaws-Samplers handeln, auf welcher Werner Symanek Feindflug grüßt. So ein Schwachsinn! Weiterhin kursieren Faxe, welche besagen, daß das Projekt keine Erklärungen/Statements zu seinen Veröffentlichungen abgibt. Ich kann mich nicht des Eindruckes erwehren, daß Ihr an einer solchen Informationspolitik nicht ganz unschuldig seid, insbesondere im Vorfeld der Herbstnächte auf Burg Querfurt
Mal noch was persönliches: Ich stamme übrigens ursprünglich aus dem linken Lager, meine Frau sogar aus dem linksradikalen/militanten Flügel. Interessanterweise haben wir keine Drehung um 180 Grad vollführt, sondern uns nur von Verhaltensweisen getrennt die eine Kommunikation /einen Austausch mit Menschen aus vielen verschiedenen Richtungen nicht zuläßt. Ich bin z. B. definitiv der Meinung, daß weder die linke, noch die rechte Seite in irgendeiner Form Antworten auf die uns bevorstehenden Entwicklungen bieten können! Keine!
Seit Jahren schon bin ich absoluter Musikliebhaber. Die Gründung meines Labels war ein notwendiger Ausdruck meiner Unzufriedenheit mit der verkommenen (durch die Industrie zerstörten) Musikkultur innerhalb einer Szene, deren fester Bestandteil ich bin! Ich werde niemals mit meinen Veröffentlichungen politische Aussagen treffen! Die privaten politischen Ansichten der Künstler stehen für mich nicht zur Debatte (unter unseren Künstlern befinden sich übrigens auch PDS-Wähler). Auch werde ich weder zu einem linken, noch zu einem rechten Label mutieren
Ich weiß, daß ich hier sicherlich den einen oder anderen Punkt vergessen habe, allerdings ist es schon wieder 4:20 Uhr und ich muß hier einfach mal abbrechen! Bis in Kürze!
P.S.: Bevor es hier wieder die wildesten Spekulationen gibt: Der gute Mann auf dem Cover der MCD) ist Prof. Hugo Junkers, einer der größten deutschen Konstrukteure / Flugpioniere. Ihm ist diese CD inoffiziell gewidmet. Leider wissen nur die wenigsten, daß Junkers zeitlebens ein überzeugter Pazifist war und 1933 von den Nazis zwangsenteignet wurde, um seine Flugzeugwerke für die Luftrüstung nutzen zu können. Gleichzeitig wurde er aus Dessau ausgewiesen. Seines Lebenswerkes beraubt, starb Junkers an seinem 76. Geburtstag 1935 in seinem Münchner „Exil“. Die berüchtigte Stuka entstand übrigens schon nicht mehr unter seiner Federführung…
Bremen, 5. 1. 2000
Hallo Gerald!
Dank für deinen ausführlichen Brief und die umfangreichen Infos. Schön, daß es endlich zu dieser Diskussion gekommen ist. In einigen Punkten sehen wir jedoch noch weiteren Diskussionsbedarf. Wir wollen versuchen, der Reihe nach auf deine Antworten und Fragen einzugehen:
Zu 1.:
Mit der Selbstbezeichnung „Grufties“ sind nicht alle von uns glücklich. Einigen wäre beispielsweise der Begriff „Gothics“ lieber. Andererseits sind wir auch nicht die einzigen, die diese Selbstbezeichnung – durchaus mit einem Schuß Selbstironie – verwenden. Schau doch z. B. mal bei der schönen Homepage des Gruftielands (www.gruftieland.de) vorbei.
Es ist auch nicht unsere Art, auf den Schreibfehlern anderer Leute rumzureiten, denn davon machen wir selbst genügend. Aber wir konnten uns nicht verkneifen, die Verfasser des Drohbriefes, die ihr „germanisches Kulturerbe“ in den Himmel loben, aber keinen grammatikalisch richtigen Satz schreiben können, etwas zynisch auf den eklatanten Widerspruch hinzuweisen. Das „gesammt mit Doppel-M“ ist übrigens ein Zitat aus dem Drohbrief. Diese beiden Punkte sind aber nicht weiter von Bedeutung, also Schwamm drüber.
Zu 2.:
Josef Klumbs Interviewaussagen sind voll von Versatzstücken neurechter Ideologie – insbesondere auch das Astan-Interview (Nr. 1, Winter 1995/1996, S. 16-19). Wenn du dich näher mit den Publikationen der Neuen Rechten (z. B. „Elemente“, „Criticon“, „DESG inform“, „Sleipnir“, „Hagal“, etc.) befassen würdest, könntest du feststellen, daß seine Ausführungen mit dort veröffentlichten Ansichten, Argumentationen und Formulierungen häufig deckungsgleich sind.
Unseres Erachtens lassen sich die „privaten politischen Ansichten“ eines Musikers nicht von der Musik trennen. Wer in der Öffentlichkeit steht, übt auch eine Wirkung auf die öffentliche Meinung aus und muß sich der Kritik stellen.
Die unterschiedlichen Positionen bezüglich der Podiumsdiskussion in Leipzig kannst du den verschiedenen veröffentlichten Presseerklärungen (Zillo 7-8/99; unsere Homepage: www.geister-bremen.de) entnehmen, deshalb hier nichts weiter dazu. Vielleicht wäre es aus Gründen des guten Rufes besser gewesen nicht abzusagen, aber wer konnte damals schon ahnen, daß uns bloß wegen unserer Absage die Schuld für das Ausfallen der Diskussion in die Schuhe geschoben werden würde. Hinterher ist man halt immer schlauer als vorher.
Zu 3.:
Wir wollen dir gar nicht darin widersprechen, daß das Sigill „gut geschrieben“ ist. Es ist definitiv nicht mit plumpen Nazi-Skin-Fanzines vergleichbar. Aber gerade darin liegt unseres Erachtens eine Gefahr. Das Sigill beruft sich ausdrücklich auf die „Konservative Revolution“ in der Weimarer Republik (z. B. auf einem Flyer, der auf dem Wave-Gotik-Treffen 99 verteilt wurde). Die Konservativen Revolutionäre waren wesentlich daran beteiligt, daß im Deutschland der 20er Jahre ein gesellschaftliches Klima entstehen konnte, daß die Entstehung des Dritten Reiches überhaupt erst möglich machte. Das Sigill berichtet regelmäßig glorifizierend über Konservative Revolutionäre (z. B. Alfred Schuler, Ernst Jünger, Carl Schmitt) ebenso wie über Faschisten oder diesen nahestehende Persönlichkeiten (z. B. Julius Evola, Corneliu Codrianu, Knut Hamsun).
Zu 4.:
Das Kirlian Camera Konzert in Bremen wurde vom Veranstalter (Björn vom Club Noir) abgesagt, nachdem es beim Konzert in Berlin zu Angriffen von rechten Kirlian Camera-Fans auf den Tourbus der Vorgruppe Attrition gekommen war. Unsere einzige Aktivität bezüglich des Konzertes bestand in der Veröffentlichung von zwei kurzen Presseerklärungen, die du im Archiv unserer Homepage nachlesen kannst. Der Satz „Wir können Angelo Bergamini … nicht von dem Verdacht freisprechen, die … genannten Mittel in wohlwollender bzw. verherrlichender Weise einzusetzen“ faßt unsere Position gut zusammen. Umso überraschter waren wir im Orkus 11/99 Björns Presseerklärung zu lesen, in der wir plötzlich wieder „die Sicherheit aller Beteiligten gefährdet“ hätten. Bullshit! Unseren Leserbrief ans Orkus legen wir dir bei.
Zu 5.:
Als wir das taz-Interview gaben, war die „Vierte Version“ und die „Im Visier“ noch nicht raus. Wir kannten lediglich die beim VAWS erschienene „I./St. G.3“ (wofür steht eigentlich die Abkürzung?). Deren Cover gibt keine weiteren Informationen und die Ästhetik weckte nicht nur bei uns unangenehme Assoziationen (s. z. B. Point Black 6/99). Eure Erklärungen veränderten das Bild und haben ja schließlich auch zu diesem Briefwechsel geführt.
Zu 7. & 10.:
Sehr unbefriedigend finden wir eure Position zum VAWS. Es fällt uns außerordentlich schwer zu glauben, daß ihr so unbedarft und ahnungslos seid, wie ihr vorgebt. Es gehört doch eigentlich dazu, sich über seine Geschäftspartner zu informieren, oder nicht? Da wir euch aber nichts unterstellen wollen, werden wir uns bemühen dieses Informationsdefizit mit dem beiliegenden Original-VAWS-Material auszugleichen. Wir sind gespannt auf eure Bewertung.
Wenn du Ausgrenzungspolitik nicht unterstützen willst, – was wir sehr begrüßen – ist es eine logische Konsequenz, diejenigen zu boykottieren, die Ausgrenzung betreiben. Das sind nicht wir, sondern z. B. Leute wie Werner Symanek, die rassistische Propaganda drucken und vertreiben. Seine Politik beschreibt Symanek sehr unverblümt im beiliegenden Leserbrief an das Subline. Wenn Symanek Leni Riefenstahl und Josef Thorak hypt, dann gehört das ebenso zum beschriebenen politischen Konzept, wie die Vereinnahmung von Bands für seine Zwecke. Ihr seid da nicht die Ersten, aber diejenigen welche sich bisher am meisten haben einspannen lassen.
Zu 8.:
Nun ja, so ganz überzeugend finden wir die „alten Fans der ersten Stunde“ nicht. Kam auf jeden Fall sehr komisch rüber, der frenetische Applaus zu den Worten „Seit 5:00 Uhr wird zurückgeschossen“…
Zu 9. & 3.:
Deiner Ansicht, daß „keinerlei rechtes Magazin bisher … Interesse für Feindflug gezeigt hat“, müssen wir leider widersprechen. Sowohl im Rock Nord (7/99, S. 10-13) als auch in der Deutschen Stimme (8/99, S. 14) werdet ihr positiv bewertet. In der Jungen Freiheit (4. 6. 99, S. 20) werdet ihr erwähnt. Und der Vertrieb eurer CD in der NPD-Parteizeitung „Deutsche Stimme“ sollte euch ernsthaft zu denken geben. Es würde eurer Glaubwürdigkeit durchaus zuträglich sein, wenn ihr derartigen Vereinnahmungsversuchen von rechts ebenso vehement entgegentreten würdet, wie z. B. der Kritik von unserer Seite.
Zu 10.:
Von den Diskussionen um euren Auftritt bei den Herbstnächten haben wir erst durch eure Presseerklärung vom 31. 8. 99 erfahren. Seit Pfingsten 99 haben wir zu Feindflug keinerlei Äußerungen mehr gemacht, weil wir die laufende Diskussion abwarten wollten. Im Gegenteil, wir haben sogar mehrfach darauf hingewiesen, daß die Diskussion um und mit Feindflug nicht abgeschlossen ist.
Wir denken, daß es auch in eurem Interesse ist, wenn diese Diskussion öffentlich geführt wird, und werden den bisherigen Briefwechsel in den nächsten Wochen im Archiv unserer Homepage dokumentieren. Schaut mal rein, ob das so o. k. ist.
Bis zum näxten Brief.
Grüße aus Bremen!
Grufties gegen Rechts
Ein informatives Interview befindet sich im Point Black (Nr. 6, April – Juni 1999):
Was tut man, wenn man plötzlich Post von einer Band bekommt, die einem bisher nur aus diversen Kurzartikeln mit der Warnung „Vorsicht Nazis“ und zum Boykott im Kopf geblieben ist? Was tut man, wenn die Musik dieser Band einfach mitreißend ist und zu gefallen weiß? Man könnte gar nichts über sie schreiben und sich damit in Ignoranz üben, man könnte wie die Masse unhinterfragt die Gerüchte mit weiteren bösen Worten schüren oder man könnte der Band ein paar Fragen stellen…
Nicht glauben wollend, daß jemand so dummdreist und offensichtlich rechtsradikales Gedankengut veröffentlicht, wählte ich den letzteren Weg und meine, damit keinen Fehler begangen zu haben, zumal Sätze wie „Use Your Brain And Fight Against Facism Influences“ im CD–Booklet wohl schon eine eindeutige Sprache sprechen. Mir scheinen FEINDFLUG einen eigenen Weg gefunden zu haben, um ein leider trauriges Kapitel deutscher Geschichte zu beleuchten… ! Doch lest selbst… und riskiert mal ein Ohr. Wer stampfenden, rhythmisch tanzbaren Industrial-Electro-Sound mag und sich dazu noch an Samples erfreuen kann, der bekommt hier die Vollbedienung!
Zur Bandgeschichte weiß mir Felix zunächst folgendes zu erzählen:
Das Elektro-Industrial-Projekt Feindflug, bestehend aus Banane (Samples) und Felix (restliche Geräusche), existiert nunmehr seit 2 Jahren. Banane, damals als DJ unterwegs, hatte irgendwann mal keine Lust mehr, dem Publikum „nur“ Musik aus der Konserve zu bieten, und ich hatte das nötige Equipment, seine Vorstellungen von tanzbarer Industrial-Musik zu realisieren, Nico, unser damals Dritter im Bunde, trennte sich allerdings nach kurzer Zeit,aufgrund musikalischer Differenzen, von uns, unterstützte unsaber weiterhin bei den Liveauftritten. Warum gibt es Feindflug? Tja, lang ist’s her, für die Meisten schon zu lange. Feindflug existiert deshalb, damit sich die Leute, die unsere Musik hören und die in unserem Booklet blättern, das Maul zerreißen, denn das beweist, daß sie sich Gedanken machen und ihnen nicht alles gleichgültig ist. Natürlich gibt es uns auch weil wir es mögen, Musik zumachen, ganz nebenbei…!
Daß FEINDFLUG nicht gerade unumstritten sind steht wohl außer Frage und Felix ist sich der herrschenden Kritik scheinbar zweifelsohne bewusst! Auch ich finde den Projektnamen recht ungewöhnlich und frage deshalb, warum es zu diesem Bandnamen kam und spreche dabei auch den Schriftzug an:
Feindflug war von Anfang an nicht als Name einer Band, sondern vielmehr als Überschrift einer Abhandlung gedacht, einer Abhandlung über eine Epoche der deutschen Geschichte (inzwischen ist daraus der Bandname geworden..). Übrigens werden wir häufig auf den „altdeutschen“ Schriftzug auf unseren Covers angesprochen. Nur die wenigsten wissen, daß es sich hierbei ausgerechnet uni eine AMERIKANISCHE Frakturschrift (American TextBT) handelt, die in jedem Schreibprogramm vorkommt.
Um es vorsichtig auszudrücken, konfrontiere ich FEINDFLUG damit, daß das gesamte Artwork um FEINDFLUG und Songtitel wie „Lagerhaft“, „lm Auftrag Der Ehre“ und „Stukas Im Visier“ definitiv Anlaß zum Nachdenken geben:
Du sagst, es gibt Anlaß zum Nachdenken, toll, das zeigt doch, daß wir erreicht haben, was wir wollten – die Leute nachdenklich zu machen. Leider kratzten jedoch viele nur an der Oberfläche, d.h. sie sehen uns aufgrund anrüchiger Fotos im Booklet und diverser Sprach-Sarnples als verbohrte Nazis. Nun, wir sind weder verbohrt, noch sind wir Nazis, denn wenn wir das wären, hieße einer unserer Titel wahrscheinlich auch nicht „Stukas im Visier“, sondern „Im Visier der Stukas“.
FEINDFLUG arbeitet in ihren Stücken ausschließlich mit markanten Samples, die immer wieder interessiert aufhorchen lassen. Dabei muß ich betonen, daß die meisten gar nicht faschistisch gedeutet werden müssen, mit bösem Willen aber teilweise so ausgelegt werden können und wohl von einigen auch viel zu schnell so interpretiert werden. Woher die diversen Samples stammen, möchte ich da doch gerne wissen und auch, warum es keinerlei Gesang in und Texte zu den Stücken gibt:
Die Samples sind vorwiegend aus Filmen zusammengestückelt. Es gibt doch da diese Schulbibliotheken, wo Videodokumentationen für den Geschichtsunterricht im Regal…! Wieso eigentlich kein Text? Soviel ich weiß, ist auf der letzten Seite im Booklet des Albums eine umfassende Aussage abgedruckt. Die kann man dann zu Hause wahlweise selbst bei jedem Titel dazusingen. Nein Quatsch, es wird sicherlich in Zukunft das eineoder andere Stück mit Gesang zu hören sein, aber auf gar keinen Fall alles. Wir mögen einfach die Instrumentalmusik. Außerdem sind wir bei der Auswahl der Stimme sehr kritisch damit Feindflug nicht als ein Plagiat im großen Topf der Veröffentlichungen endet.
FEINDFLUG sehen ihr Schaffen als eine Art Dokumentation eines geschichtlichen Kapitels. Gerne hätte ich an dieser Stelle noch etwas mehr zu der Bedeutung und dem konkreten Hintergedanken einzelner Stücke erfahren, doch Felix merkte dazu nur an:
…der Zyklus ist eigentlich nur komplett erfaßbar/verarbeitbar…!
FEINDFLUG veröffentlichten 1997 ihr erstes Album in relativ kleiner Stückzahl in Eigenregie. 1998 kam dann eine Single-Auskopplung mit 5 Stücken offiziell auf dem nicht unumstrittenen Label VAWS auf den Markt, was Gegnern wiederum nur weiteren Anlaß zur Skepsis bietet Warum nun gerade Über VAWS und nicht Über ein anderes Label veröffentlichten:
Um ehrlich zu sein, VAWS war das einzige Label, was ernsthaftes Interesse an Feindflug hatte. Viele andere Labels fanden zwar das Klangmaterial toll, bestanden aber auf einer Änderung des Namens, der Titelnamen und der Bilder im Booklet, also fast allem was eine CD ausmacht, Da wir keine Lust auf eine purpurrote Sonnenblume oder was auch immer, auf dem Cover usw. hatten, haben wir die MCD-Auskopplung bei VAWS herausgebracht. Das eigentliche Album ist ja vorher schon in limitierter Auflage bei uns selbst erschienen. Die MCD ist genauso realisiert worden, wie wir es uns vorgestellt hatten. Das man nun versucht, uns in der Öffentlichkeit als Nazis hinzustellen, finden wir bedauerlich.
Die Musik von FEINDFLUG ist sehr eingängig und höchst tanzbar, die Samples lockern den rhythmischen Krach gelungen auf, was doch eigentlich fast nach einem Erfolgsrezept für eine Band zur heutigen Zeit klingt. Längst hätten FEINDFLUG die Tanzflächen dieses Landes erobern können, denke ich! Vermutlich trägt die Umstrittenheit aufgrund des ganzen optischen Beiwerks dazu bei, daß FEINDFLUG bisher scheinbar mehr berüchtigt als berühmtgeworden sind, ich unterstelle Felix, daß sie sich mit dieser etwas übertriebenen Provokation selbst Steine in den Weg legen! Oder nutzen FEINDFLUG die Kritik und das entstehende Gerede gewollt als Form der Werbung?:
Unsere Musik ist weniger als Provokation gedacht, auch kokettieren wir nicht damit, nein, sie stellt vielmehr eine Art „Gehirnrüttler“ dar. Die Leute werden aufgefordert, sich mal eigene Gedanken über ein durchaus ernstes Thema zu machen. Bisher hat dieses Konzept recht gut, funktioniert. Das wir häufig Kritik dafür ernten, das ist doch ein gutes Zeichen. Es beweist uns, daß sich Leute damit auseinandersetzen. Gezielt als Werbung nutzen wir das Ganze nicht, es ist eher so, daß die meisten Leute erst die Musik gehört, und später auch das Cover gesehen haben. Ich finde auch, man sollte das ganze „Drumherum“ nicht überbewerten. Was immer noch primär zählt, ist doch die Musik und meiner Meinung nach mögen uns die Leute auch deswegen, sonst hätten sie sich wohl einen Bildband übers 3. Reich gekauft und nicht eine unserer CDs.
Nun ja, wäre die Musik schlecht gewesen, hätte ich auch keinerlei weiteres Interesse daran gehabt, das Schaffen der Band zu hinterfragen. Für die Zukunft haben Banane und Felix folgendes geplant:
Es wird wahrscheinlich in Kürze den einen oder anderen Samplerbeitrag geben, z.B. auf der nächsten „Creation“ Compilation. Auch wird demnächst bei Black Rain unser Album in einer leicht veränderten Form wieder aufgelegt, da von der Erstauflage nur noch Restexemplare vorhanden sind. Da müssen dann auch „Nichtchemnitzer“ nicht auf den Genuß verzichten, sich die letzte (!!!) Minute der Scheibe in Ruhe reinzuziehen (versteckter Hinweis auf das Abschluß-Sample).
Ein sicherlich weiser Entschluß. Das erwähnte Sample schließt die CD „1O. August 1940“ nach dem letzten Stück „Vergeltung“, das einzig und allein aus Samples mit grauenhaftem Kriegs- und Leidgeschrei besteht, mit den Worten: „Verdammt noch mal, das hätte nie passieren dürfen!“ Eine an sich schwer mißverständliche Anspielung, finde ich…! Was FEINDFLUG nun auf CD ausmacht., ist wohl hinreichend erörtert, doch kann man FEINDFLUG auch live erleben und was erwartet einen in diesem Falle?:
Ja, es hat schon Auftritte gegeben. Wir haben mit TERMINAL CHOICE und einmal im Rahmen eines Newcomer-Festivals mit den beiden inovativen Elektro-Industrial Bands DAVA-,N-TAGE und WARSAW PACT aus unserer Gegend gespielt. Ach ja, mit den Jungs von der BAKTERIELLEN INFEKTION hatten wir auch schon das Vergnügen. Für die Zukunft ist erst einmal das diesjährige Wave-Gotik-Treffen in Leipzig geplant. Das Konzept für unsere Show steht noch nicht fest, aber wir hoffen wieder auf die tatkräftige Unterstützung von Beam. Er ist ein langjähriger Bekannter, der Spaß daran hat, sich live die Seele aus dem Leib zu trommeln. Vielleicht wird es auch im Herbst das eine oder andere Konzert geben.
Die letzten Worte wollte ich dann Felix noch frei überlassen:
Ja, ich möchte den Lesern noch eine uralte Weisheit meines Großvaters mit auf den Weg geben: „Verurteile nie einen Menschen, von dem Du nicht mehr weißt, als das, was in seinem CD-Layout zu sehen ist!“ Gut, es war nicht mein Großvater, aber ich finde, alles in allem, ein weiser Ausspruch…
Marco MarcoAuf der Maxi-CD “Im Visier” (1999) befindet sich der folgende Text:
“Es ist ein weiter Weg zu mehr Menschlichkeit – und oft scheint es, als wäre das Ziel heute ferner als je zuvor. Würden wir allerdings die Hoffnung aufgeben, so liefe die Menschheit Gefahr, im Chaos ihrer grausamen Instinkte zu versinken.”
Index (frames laden)