2002: Die letzte Walpurgisnacht – Schwarzbraunes Leipziger Allerlei

Das 10. Wave-Gotik-Treffen ist Geschichte. Trotz tagelangen Dauerregens ließen es sich 17.000 schwarze Seelen nicht nehmen, 167 Bands auf 20 Bühnen in der gesamten Stadt zu geniessen.” So hieß es in der Abschlußpresseerklärung der Veranstalter des Wave-Gotik-Treffens (kurz WGT), welches sich 2001 zum 10. Mal zu Pfingsten in Leipzig jährte. Dennoch war es angesichts des nach wie vor betriebenen „Kulturkampfes“ neurechter Strategen in der Gothic- und Dark-Wave-Szene kein freudiges Jubiläum, sondern eher ein weiterer Auslöser von Besorgnis über die Entwicklungen innerhalb unserer Szene.

Es ist für uns auch wichtig in den nächsten Jahren da in vorne herein schon solche Sachen auszuschließen. Wir wollen solche Leute gar nicht haben. Ehrlich. Die bereichern die Szene 0, die bringen uns nicht mehr Einnahmen dadurch und die Konzerte laufen auch nicht besser dadurch und ich denke auch nicht, daß in irgendeiner Art und Weise die jemand vermissen würde.“ (Sven Borges, Veranstalter WGT)

Seit Anfang der 90er Jahre intellektuelle Vordenker der sogenannten „Neuen Rechten“ einen „Kulturkampf“ in der schwarzen Szene ausgerufen haben, sind wir zunehmend an die Präsenz rechten bis rechtsextremen Gedankenguts in unserer Szene „gewöhnt“ worden – sei es in Form von Werbeanzeigen, von Plattencovern, Texten, Interviewaussagen, Fanzines, Verlagen oder Künstlern, die solches Gedankengut von innen oder außen in die Szene hineintragen. Auch mußten wir lernen, daß es in der rechtsextremen Szene von der rechts „intellektuellen“ Junge Freiheit (kurz JF) bis in die Reihen der NPD üblich geworden ist, die lange „vermisste“ rechte “Subkultur” zu suchen (und teilweise leider auch zu finden), da sie bemerkt haben, daß der baseballkeulenschwingende Nazi-Skinhead auf der Straße nicht ausreicht, um höhergestellte gesellschaftliche Positionen einzunehmen und einen Machtwechsel zu bewirken. Warum das so ist, wie dieser rechte “Kulturkampf” angefangen und sich entwickelt hat, worin wir Gefahren sehen und warum, all das haben wir an anderer Stelle bereits ausführlich berichtet. Als Lesetip für Interessierte möchten wir hier nur auf den Text “Der rechte Kulturkampf: Von braunen Schreibtischen in die Schwarze Szene” in unserer nach wie vor aktuellen Broschüre “Die Geister, die ich rief…” (Ausgabe 2, Juni 2000, 84 Seiten) sowie auf verschiedene weitere Texte dort und auf unserer Homepage hinweisen.

Wenn wir nun im Folgenden von Neurechten in unserer Schwarzen Szene schreiben, so muß nochmal für Außenstehende erwähnt werden, daß nicht die ganze Szene rechts ist, sondern es sich nur um einen Teil handelt und Verallgemeinerungen hier vollkommen fehl am Platz sind. So haben sich einige KünstlerInnen, DJs, Magazine usw. mittlerweile von den rechten Tendenzen in der schwarzen Szene distanziert (s. a. Aufruf am Ende dieser Broschüre). Außerdem ist zu beachten, daß es auch eine sehr große Grauzone von Bands, Labels etc. gibt, die zwar nicht direkt an der rechten Unterwanderung der Szene beteiligt sind, sich jedoch durch ihre angewandte Ästhetik und fehlende Abgrenzungen im Manövrierwasser der Neurechten bewegen.

Und nach wie vor finden diese Strategien statt und nirgendwo sind sie so unübersehbar, wie auf dem alljährlichen WGT in Leipzig. Dieses haben wir auch zum 10. WGT 2001 erlebt, welches wir nun im Folgenden aus unserer Sicht schildern möchten.

Das 10.Wave-Gotik-Treffen 2001

Nach dem Konkurs des ehemaligen Veranstalters Michael Brunner im Jahre 2000 hatte sich die Chemnitzer Konzertagentur In Move des Treffens angenommen und eigens dafür die “Treffen & Festspielgesellschaft für Mitteldeutschland mbH” gegründet. Hierbei stellt sich unweigerlich die Frage, wo für die Veranstalter der Osten Deutschlands beginnt, wenn Leipzig in Mitteldeutschland liegt. Diese implizierte Grenzverschiebung hat wahrscheinlich auch Mirko Junker und Ellen Kositza von der JF erfreut, die bereits zum 8. WGT 1999 in der Ausgabe 23/99 vom „musikalischen Großereignis“ in „Mitteldeutschland“ berichtet haben.

Also wenn ich zum Beispiel jetzt für eine Band, die ich gebucht hab, irgendwie fünf E-Mails krieg, wo mir die Leute immer dasselbe schicken, daß die Band auf keinen Fall spielen sollte, weil die das und das in rechte oder linke Richtung machen, dann heißt das für mich noch lange nicht, daß das Fakt ist. Also so sehen wir das. Und wir haben alles geprüft, wir haben uns mit der Stadt in Verbindung gesetzt und wir haben alle Bands über die Stadt prüfen lassen. Das war eine Auflage von der Stadt und wir wollten uns auch Absichern. Und wenn von städtischer Seite das alles abgesegnet ist, so daß es da 0 Beanstandung gibt, dann weiß ich nicht, was man über die Gesetze noch mehr machen kann.“ (Sven Borges, Veranstalter WGT)

Scheinbar sind aber auch der Stadt Leipzig nicht alle Informationen bekannt gewesen, denn aus der anfänglichen Hoffnung, der neue Veranstalter würde die Unterwanderungsversuche der „Neuen“ Rechten unterbinden, denen Michael Brunner immer Platz auf dem ehemaligen Treffen gegeben hatte, wurde beim Durchlesen der angekündigten Bands Enttäuschung, die später beim Betreten des Marktes in der agra-Halle sogar noch anwuchs. Auch 2001 waren wieder einmal die vordersten „Kulturkämpfer“ anwesend.

Der VAWS (Verlag und Agentur Werner Symanek)

So gab es unter anderem einen Stand, der zu großen Teilen das Verlagsprogramm des VAWS (Verlag und Agentur Werner Symanek) ausliegen hatte, eines Verlages, der im Verfassungsschutzbericht unter rechtsextreme Verlage, Vertriebe, Publikationen steht. Zwar gab es auf diesem Stand nicht das ultrarechte Kampfblatt „Unabhängige Nachrichten“, welches dieselbe Postanschrift und Bankverbindung wie der VAWS hat, sondern neben diversen Dark-Wave-Samplern von anderen nicht rechten Vertrieben, auch den aus dem VAWS-Verlagsprogramm stammenden Leni Riefenstahl Sampler sowie den Josef Thorak Sampler zu Ehren des Nazi-Bildhauses, auf denen sich auch zum Teil rechte Bands befinden. Dass der Stand nicht das gesamte Programm des VAWS auf dem WGT verkauft hat, ist leicht zu erklären, denn kaum ein Gothic wird sich wohl für Videos wie zum Beispiel „V 2 – Hitlers Wunderwaffe“ interessieren. Dennoch wird durch den Verkauf der Dark-Wave-Sampler die eigentliche Propaganda für den VAWS finanziert. Des Weiteren war auf diesem Stand auch Josef Maria Klumb, der schon des Öfteren vergeblich versucht hat zu verhindern, ein Antisemit genannt zu werden und bot dort sein Mach- und Krachwerk sowie seine mehr oder weniger lyrischen Ergüsse dar.

Wir wissen schon ganz genau was wir uns für Leute ins Boot holen, auch künstlermäßig. Und wenn da einer dabei ist, der auch wirklich nur umstritten ist und umstritten nachweislich, wie Herr Klumb zum Beispiel und Von Thronstahl, das wäre für uns gar kein Thema gewesen.“ (Sven Borges, Veranstalter WGT)

Die Eis & Licht „Familie“

So werden sie wohl auch bei der Standvergabe ganz genau gewußt haben, wer Stephan Pockrand ist; Herausgeber des Fanzines Zinnober (ehemals Sigill, für die “konservative Kulturavantgarde Europas”) und Besitzer des Dresdener Labels Eis & Licht, die in der Messehalle sowie am Samstag auf der Parkbühne mit einem Stand anwesend war. Der Verkaufsstand in der agra-Halle war ein Gemeinschaftsstand mit der Loki-Foundation und Prophecy Productions.

„Wir haben darauf geachtet, daß keinerlei Propaganda oder sonstiges rechts- wie linksradikales in die Halle reinkommt. Wir haben das kontrolliert und ich habe vorhin auch einen Anruf bekommen von Monaco (XtraX Fashion, die Verf.), wir waren dort und wir haben dort auch ein paar Stände angeguckt, wir haben das überprüft. Es war nichts zu finden. Also so’ne CD’s wie Folksturm mit “F” geschrieben und Holocaust und so was, die sind geprüft worden, das sind keine indizierten Sachen und da können wir einfach nichts dagegen machen. Auf dem Stand steht nen Typ, der sieht ganz normal aus und hat nen Che Guevara T-Shirt an. … Eis & Licht hieß der Stand. … Wir wollen eins nicht, wir wollen auf keinen Fall, das ein Treffen wie das oder ein Kulturfestival für irgendwelche politischen Zwecke als Plattform genutzt wird. Links wie rechtsradikal. Es ist uns ganz wichtig, weil es soll ein Treffen sein und es soll nicht überpolitisiert werden das ganze. Wir verwahren uns dagegen das irgendwelche rechten Ideologien, ob seitens in Form von Bands, oder seitens von Infomaterial hier auf dem Treffen unter die Leute gebracht werden.“ (Sven Borges, Veranstalter WGT)

Es ist nichts neues, daß nicht jeder Nazi eine Glatze hat, dazu eine grüne Bomberjacke mit “Ich bin stolz, Deutscher zu sein” – Aufnäher und Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln trägt. Sicherlich mag es verwirrend sein, wenn ein rechter Verleger wie Stephan Pockrandt von Eis & Licht ein Che Guevara T-Shirt trägt. Doch wie viele Nazis sehen „ganz normal aus“? Hätten die Veranstalter sich mit Geschichte und Labelprogramm von Eis & Licht befasst, wäre ihnen unweigerlich aufgefallen, daß Stephan Pockrandts Zeitschriften “Sigill” und aktuell “Zinnober” von Werbeanzeigen rechtsextremer Verlage bis hin zu mit der NPD-Zeitung “Deutsche Stimme” identischen Autoren so einiges zu bieten hat, um am rechten Rand aufzufallen. Der dabei praktizierte Eindeutschungswahn (Fernbild, Weltnetz, Schriftleitung) würde den Veranstaltern des WGT wohl nicht auffallen, ist er doch seit Jahren fester Bestandtteil auch des Wave-Gotik-Treffens selbst. Das Sigill, welches anfänglich als recht harmloses Musik-Fanzine 1993 mit den Schwerpunkten Neo-Folk, Industrial und Noise begonnen hatte, wandte sich mit der Zeit immer mehr zu rechtsextrem denkenden Bands wie z. B. Death In June, Blood Axis, Allerseelen etc. und auch zu konservativen oder faschistischen Ideologen wie z. B. Ernst Jünger, Yukio Mishima und Julius Evola. “Wir tragen ein Licht im Dunkel der Nacht, Wir tragen ein Licht, vom Glauben entfacht: Sigill – The New Hope For The European Youth!” (Sigill Nr. 4) Und auch das Zinnober ist eine konsequente Weiterführung des Sigills. Beide Magazine waren nicht nur auf dem Eis & Licht Stand in der agra-Messehalle erhältlich sondern auch noch an verschiedenen anderen.

Die Loki-Foundation

Die Loki-Foundation mit Postfachadresse in Leipzig hat zum Beispiel die Band Turbund Sturmwerk in ihrem Vertrieb, die sich auf die “Nationalbolschewisten” der Weimarer Republik sowie auf die “Nationalrevolutionäre” beziehen. Natürlich befinden sich auch die Platten von A. Berge alias Dagda Mor, einem Mitbegründer der Loki-Foundation im Vertriebsprogramm. Dagda Mor äußern sich z. B. im Black Magazin Nr. 11 über die längst überfälligen Entschädigungszahlungen an die NS-Zwangsarbeiter wie folgt: “Den Juden steckt man immer mehr Geld in die Tasche, da die sonst zu heulen anfangen. Jetzt will man sogar allen Opfern des Hitlerismus im gesamten Ostblock Entschädigung zahlen. Da werd` ich doch wirr im Kopf!”

Prophecy Production

Die in Zeltingen-Rachtig ansässige Firma Prophecy Productions hatte im Frühjahr 2000 den Vertrieb der Gruppe Orplid aus Halle von Eis & Licht übernommen. Orplid werden gerade in neurechten Kreisen aufgrund ihrer Texte, die der Landser-Lyrik ähneln, in der letzten Zeit ziemlich gehyped. Prophecy Productions veröffentlichte auch im Februar d. J. die deutsche Übersetzung des Buches “Lords Of Chaos” des us-amerikanischen Holocaust Befürworters Michael Moynihan, Kopf der Gruppe Blood Axis. In diesem Buch kommt u. a. auch der NS-Black-Metal-Sänger Hendrik Möbius der Gruppe Absurd zu Wort, der 1993 durch den grausamen Mord an seinem Mitschüler Sandro Beyer zu traurigem „Ruhm“ gelangt ist. Und selbst das Zillo, welches mit der Entlassung von Peter Boßdorf ein positives Zeichen gesetzt hatte, bewarb das Buch in der Ausgabe 11/01 im redaktionellen News-Teil.

Der Arun-Verlag

Zu guter Letzt, um die „Familie“ komplett zu machen, lag natürlich auch auf dem Gemeinschaftsstand der aktuelle Katalog des Arun-Verlages aus. Der Besitzer des Verlages und Inhaber des Gaia-Versands Stefan Björn Ulbrich hatte seine Laufbahn bei der inzwischen verbotenen Wicking-Jugend begonnen und vertreibt unter anderem Bücher von Julius Evola, einem Berater Mussolinis. Evola ist inzwischen zu einer Leitfigur der „Neuen“ Rechten geworden und im Arun-Verlag erschien auch Evolas Buch “Cavalcare la Tigre” 1997 erstmalig in deutscher Sprache.

Die Leute wissen doch auch wie weit sie gehen können. Die wissen doch ganz genau wo die Grenze ist. Wie weit darf ich gehen, ohne das es verboten wird. So, und wir sind ja auch an die Gesetze in Deutschland gebunden und sobald wir über diese Gesetze hinaus handeln, sagen die; „Warum macht Ihr das? Dann seid ihr linksradikal.“, oder sonstwas. Und wir wollen uns keinerlei Ruf zu Schulden kommen lassen, daß wir in irgendeiner Richtung gedrängt werden, weil wir wollen was für die Szene machen und das ist uns das wichtigste.“ (Sven Borges, Veranstalter WGT)

Gegen die deutschen Gesetze verstößt der Sampler “Cavalcare la Tigre” zu Ehren von Julius Evola zwar nicht, der von Eis & Licht herausgegeben worden ist. Dennoch befinden sich auf dieser CD neben den bereits erwähnten Bands Orplid und Von Thronstahl auch die italienische Gruppe Camerata Mediolanense, die letztes Jahr auf dem WGT mit Northgate (ihr eigenes Nebenprojekt) als Vorband am Samstag auf der Parkbühne gespielt haben. Des Weiteren hat die ungarische Band Scivias am Pfingstsonntag im Haus Leipzig ihren Auftritt bestritten.

Camerata Mediolanense

Camerata Mediolanense, die bereits 1999 auf dem WGT spielten und damals schon von der JF als “kultureller Höhepunkt” betitelt wurden, veröffentlichen genauso wie Scivias ihre Platten inzwischen bei Eis & Licht. Durch Interviewaussagen von Camerata Mediolanense wie z. B. “… leider hält der hektische Rhythmus, der unser Leben bestimmt, sowie der Verlust von Individualität die Menschen unseres Landes davon ab sich ihres kulturellen Erbes bewußt zu werden.” ist es nicht gerade sehr verwunderlich, daß die JF aufgrund dieser Klage gegen die Moderne die Gruppe für rechte Kreise forciert. So schreibt Ulli Baumgarten in der JF 26/99 “Ebenfalls Teil einer von US-amerikanischen Moden unabhängigen, europäischen Gegenkultur sind die Italiener der Camerate Mediolanense. … Aufgrund der Stilvielfalt wirkt die CD (“Madrigali”, die Verf.) zuerst etwas zerfahren, bis man dann auf einmal “Madrigal” als Gesamtheit und Gesamtkunstwerk zu verstehen beginnt. Was sich hier darbietet – und in der Tat unvergänglich ist -, ist die europäische Kultur, die eben – genau wie diese CD – vielseitig und vielschichtiger ist und sich gerade dadurch den Plattheiten und Monotonie des American way of life nicht nur entziehen, sondern zu diesem gar keine Beziehung besitzt, noch nicht einmal die des Gegensatzes.” Im Jahre 2000 spielten Camerata Mediolanense bei der Sommeruniversität der Synergies Européennes. Die Synergies Européennes „stehen für eine Renaissance der nationalrevolutionären Ideologie im Rechtsextremismus.“ (VSB 1998) In der Ausgabe Nr. 9 der Zeitschrift “Blood & Honour – Division Deutschland“ beendeten Camerata Mediolanense ein Interview mit dem Satz „Wir hoffen, dass ihr (gemeint sind die Leser der Zeitschrift, die Verf.) die Gelegenheit habt an einem der nächsten “Camerata Mediolanense” Konzerte teilnehmen zu können.” Der Hamburger Mailorderverand “Glasnost” hat nach dem Verbot 2000 der Nazi-Skinhead Organisation “Blood & Honour” als einzige darauf reagiert und Camerata Mediolanense aus dem Vertriebsprogramm genommen mit der folgenden Begründung: „Zwar können wir in der wunderschönen Musik von Camerata Mediolanense keine faschistischen Aussagen feststellen, aber mit einer Band, die mit einer Nazi-Organisation kollaboriert und deren Anhänger öffentlich zu ihren Konzerten einlädt, möchten wir nichts zu tun haben.“ Aber nicht nur in Skinhead Magazinen wird für Camerata Mediolanense geworben, auch in Gothic Nr. 35 wo „jeder Auftritt der Mailänder Formation einen Besuch wert ist. Die hierbei zum Ausdruck kommende Verinnerlichung steht einer theatralischen Präsentation gegenüber, welche vom wagnerischen Wort-Ton-Darama beeinflußt wird und sich nahtlos zu einem bezauberndem Ganzen fügt.” Was uniformierte Sänger mit in großen Teilen gleichaussehendem Publikum noch mit “Gothic” zu tun haben, wird wohl ein Redaktionsgeheimnis bleiben.

Wir achten zum Beispiel darauf, dass wir, wenn wir solche Bands haben, wo wir genau wissen, daß sie ne bestimmte Szene auch mit ansprechen, daß die nicht überbesetzt werden auf einem Festival.“ (Sven Borges, Veranstalter WGT)

Scivias

Die ungarische Band Scivias beschäftigt sich häufig mit dem japanischen Schriftsteller Yukio Mishima (1925-1970), der aufgrund seines Traditionsbewußtseins, Ästhetizismus und seines extremen Nationalismus auch in neurechten Kreisen an stetiger Beliebtheit gewinnt. So äußern sich Scivias in einem Interview im Frühjahr 2000 mit Stephan Pockrand (Eis & Licht, Zinnober) über Mishima wie folgt: “Wir wollten dem Tatenokai ein Denkmal setzen, wir haben unsere Ehrfurcht vor Mishimas politischen Taten, seinem tapferen Tod und dem Japanischen Reich gezeigt. Mishimas Leben ist ein schönes Beispiel wie ein Kshatriya (Gotteskrieger, die Verf.) leben soll, wir halten es für einen Weg, den man gehen kann.” So beschäftigt sich auch die auf Eis & Licht erschiene CD “… and you will fear death not” “thematisch … um den Verfall des letzten Imperiums: Japan” (O-Ton Eis & Licht). Und auch die Exekution der SA durch die SS wurde von Scivias für eine Performance genutzt. “Die Erlebnisse der “Nacht der langen Messer” haben wir nur als Symbol benutzt, wie wir auch während des Konzertes darauf hingewiesen haben, daß am 30. Juni 1934 eine weltliche politische, militärische Kraft von einer anderen weltlichen politischen, militärischen Kraft besiegt wurde, diese war nur klüger als ihr Vorgänger.” Inwieweit diese “Klugheit” der SS dem Massenmord an Millionen von Menschen genutzt hat, bleibt hier Auslegungssache. Alexander Rády von Scivias organisierte auch auf der “Indo-European Sacrifice Tour 1998” das Konzert der Gruppe Blood Axis in Budapest.

Die Frage, die dahinter steckt ist ja dann doch eher eine komplexere. … Ob wir im nächsten Jahr den Symanek (Besitzer des VAWS, die Verf.) wieder drauflassen würden, obwohl er nicht gegen die Gesetze hier verstößt? … Können wir Gott spielen? Können wir sagen, du gefällst uns politisch und du nicht? Dich lassen wir drauf und du nicht? Wir können doch einfach nur sagen in diesem Land wird ne Menge Geld dafür ausgegeben, daß es Leute gibt, die die Verfassung, die dieses Landes hat, schützen. Die heißen sogar Verfassungsschutz. Und das sind ne Menge Leute, die beschäftigen sich intensiv mit der Materie und die stellen für uns sicher, daß Elemente, die diese Verfassung gefährden, an die wir glauben ich alle im großen und ganzen glauben, diese bürgerlichen Grundrechte, das die von anderen extremen Gruppierungen nicht gefährdet werden. Und diese Leute bestimmen dann für uns, wen sie zu bekämpfen haben und wen sie auf den Index setzen und bing und bing und bing. … Ich kann doch diesen Leuten einfach nur glauben. Und ganz gewiß wird auf diesem Treffen niemals ne Band spielen, Künstler auftreten, nen Aussteller sein, von dem der Verfassungsschutz sagt, wir bekämpfen ihn, weil er diese Demokratie wissentlich gefährdet. Und wir müssen doch aber den Leuten glauben. Und wenn die nicht verboten sind, sind sie nicht verboten. Wären sie Faschisten, wären sie doch verboten in diesem Land.“ (Peter Matzke, Pressesprecher WGT)

Nun ist es so, daß längst nicht alle Faschisten in diesem Lande “verboten” sind, wie man u. a. an den beinahe wöchentlich stattfindenden Nazi-Aufmärschen oder den wiederholten regionalen Wahlerfolgen von NPD, DVU und anderen rechtsextremen Parteien problemlos erkennen kann. Nach der Logik von Peter Matzke wäre also auch der Parteivorsitzende der NPD ein willkommener Gast auf dem WGT, solange die Partei noch nicht verboten ist. Dies entspricht einer Einladung an sämtliche Rechtsextremen, deren Organisationen – aus welchen Gründen auch immer – noch legal und deren Bücher und Tonträger nicht auf dem Index stehen. Ein Veranstalterteam, welches keinerlei Interesse daran zeigt, sich mit dem Problem des rechtsextremen „Kulturkampfes“ in der Dark Wave-Szene überhaupt nur zu befassen, war und wird nicht in der Lage sein, zu verhindern, daß das Wave-Gotik-Treffen auch in Zukunft als Vertriebsplatz für rechtsextreme Ideologien und Produkte fungiert. Sie schädigen damit den Charakter der Veranstaltung nachhaltig, da dieses auf dem WGT verbreitete Gedankengut sich mit der vielbeschworenen Toleranz, Gewaltlosigkeit und Weltoffenheit der Szene nicht vereinbaren lässt.

Das 11.Wave-Gotik-Treffen 2002

Dennoch werden wir auch 2002 erleben müssen, daß “In Move” und die “Treffen und Festspielgesellschaft für Mitteldeutschland mbH” Rechtsextreme als selbstverständlichen Teil der schwarzen Szene akzeptiert und einlädt. Was die Messe-Stände betrifft, ist davon auszugehen, daß wieder allerlei “Kulturkämpfer” ihre Produkte vor einem für sie ungewöhnlich großen Publikum verkaufen und bewerben können.

Das rechtsextreme Unternehmen VAWS (Verlag & Agentur Werner Symanek) war in den letzten Jahren Dauergast vor Ort und es gibt keinen Anlass davon auszugehen, daß dies nicht erneut der Fall sein wird. Der Verlag ist in der schwarzen Szene durch Werbeanzeigen auch in kommerziellen Musik-Magazinen (zuletzt: Gothic-Magazin, Ausgabe 33, 2001) bekannt geworden. „Über seinen Verlag VAWS vertreibt er (gemeint ist Werner Symanek, die Verf.) unter anderem die Publikation ‚Unabhängige Nachrichten‘ (UN), mit deren hauptverantwortlichen Herausgebern er eng zusammenarbeitet (…) Bei der Staatsanwaltschaft in Mainz ist seit Jahren ein Ermittlungsverfahren unter anderem wegen des Verdachtes der Volksverhetzung gegen Herausgeber, Mitarbeiter und Vertreiber der UN anhängig (…) Im Zuge des Ermittlungsverfahrens schätzte die Staatsanwaltschaft Mainz die UN-Nachrichten als ein ‚rassistisches und rechtsextremistisches Blatt ein“ (aus dem Eintrag im aktuellen Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2000, Abteilung Rechtsextremismus; veröffentlicht 2001). Vorgelegt wurde dieser Bericht von genau dem Verfassungsschutz, dem die Veranstalter doch angeblich „einfach nur glauben“.

Auch das rechte Musik-Label “Eis und Licht” wird wohl wieder mit einem Stand und ihrer “kulturkämpferischen” Zeitschrift “Zinnober” sowie Tonträgern aus dem braunen Segment vertreten sein. Definitiv wird “Neuvölkische Musik vom feinsten” (die NPD-Zeitung “Deutsche Stimme”, Ausgabe 8 / 99 über die Jenaer Band “Forseti”) von den “Eis und Licht” – Bands “Forseti” und “Sonne Hagal” auf das Festival getragen.

Die Duldung solcher oder vergleichbarer Stände seitens der Veranstalter des Wave-Gotik-Treffens ist bereits ein Schritt zur Verwirklichung der Pläne des rechtsextremen “Kulturkampfes”, sich als selbstverständlichen Teil der schwarzen Szene zu stilisieren. Dies wird noch dadurch verstärkt, daß auch für das WGT 2002 eine Reihe rechtsextremer Künstler eingeladen sind, die das entsprechende Publikum anziehen werden, was von Seiten der Veranstalter ja auch eingeräumt wird (siehe Zitat Sven Borges).

Kirlian Camera & Stalingrad

So wird die Band „Kirlian Camera“ um den Frontmann Angelo Bergamini auf der Bühne stehen, der zum Beispiel für seine Stücke eine Rede des rumänischen Faschistenführers Corneliu Zelea Codreanu verwendet, „um seine Legion zu ehren“ (Bergamini im rechten Magazin Sigill, Nr. 12, 1996/97). Sein Projekt „Stalingrad“ ist ebenfalls für das Treffen angekündigt. Dieses beteiligte sich 1998 an einer CD des oben genannten VAWS zu Ehren des Nazi-Bildhauers Josef Thorak und erst letztes Jahr an einer CD unter dem Titel „Za dom Spremni“. Diese CD soll die Gründung des Unabhängigen Kroatiens am 10.04.1941 unter faschistischem Vorzeichen ehren. Ermöglicht wurde dieses Kroatien durch den Einmarsch deutscher NS-Truppen in Zagreb, gegründet wurde es von der faschistischen Ustascha-Bewegung Kroatiens. Und dieses faschistische Kroatien unterhielt eigene Konzentrationslager, in denen Hunderttausende SerbInnen und JüdInnen ermordet wurden. Eine „verlorene Heimat“ für Herrn Bergamini? Willkommen in Leipzig!

Belborn

Eingeladen und angekündigt für das WGT 2002 war zunächst auch “Belborn”. Dann verschwand der Name von der Liste der auftretenden Künstler, so daß man gespannt sein darf, ob den Veranstaltern wenigstens ein Licht aufgegangen ist und Belborn wirklich nicht auftreten. Das Neo-Folk-Projekt betitelt sich nach eigenen Angaben nach einer “Wortkreation aus dem heidnischen Gott BEL und dem deutschen Wort BORN, wie Lebensborn” (Lichttaufe, Neofolk Netz-Seite, März 2001). Hier ist der Name dann auch Programm: so liest man in der Band gerne Bücher von Ernst Jünger und Julius Evola, einem Berater des italienischen Faschisten Mussolini, steht auf Leni Riefenstahl, wettert gegen “den oberflächlichen amerikanischen Lebensstil” und fühlt sich überhaupt “hauptsächlich als DEUTSCHE” (Fluxeuropa, Englisches Netz-Magazin, März 2002).

Doch damit nicht genug: Sie beteiligten sich an einem Sampler zu Ehren der faschistischen “Eisernen Garden” Rumäniens und befanden sich dabei in “guter Gesellschaft” mit dem Projekt “Von Thronstahl” des Antisemiten Josef Klumb und anderen einschlägigen Kameraden des rechtsextremen Rands der schwarzen Szene: Blood Axis, Ain Soph, Scivias, Changes und Egoades, einem Projekt des ehemaligen Herausgebers des faschistischen “Musik”-Magazins “Europakreuz”, Marco E. Thiel. Ein damaliger Autor des “Europakreuz” namens Torsten Bunk, ehemals Mitglied der mittlerweile verbotenen Nationalistischen Front (NF) und deren Kandidat für die Bremer Bürgerschaftswahl 1991, wusste schon in Ausgabe 17 (12 / 1996) allerhand Wissenswertes über die „Eisernen Garden“ zu berichten: „Fester Bestandteil dieser Aktivitäten war die direkte Aktion gegen das Judentum. Schon am 09. Dezember 1927 veranstalteten die Legionäre am Rande einer Studentenversammlung in Oradea ihren ersten Pogrom. Sie zerstörten und entweihten fünf Synagogen der Stadt. Kurz darauf kam es auch in Klausenburg / Cluj zu Ausschreitungen, von denen acht Synagogen betroffen waren. (…) Die Legionäre gaben nicht klein bei, sondern liquidierten den Ministerpräsidenten Ion Gheorge Duca auf dem Bahnhof von Sinaia. (…) Nach Vorbild der SS entstand zusätzlich zur staatlichen Ordnungsmacht eine Legionärspolizei. Die Legionäre errichteten eine Terrorherrschaft gegen politische Gegner und Juden. (…) Es kam zu schweren Pogromen in Bukarest, wo 127 Juden ermordet wurden.“

Natürlich wollen Belborn nicht in eine politische Schublade gesteckt werden, weshalb ihre Linkliste auch rechtsextreme Musikprojekte wie Allerseelen, Von Thronstahl, Waldteufel (Heimliches Deutschland) und Blood Axis sowie rechte / rechtsextreme Labels und Vertriebe wie Eis und Licht oder VAWS weiter empfiehlt. Man weiß also, wo man steht (s. www.belborn.de).

Darkwood

Die ebenfalls für das Wave-Gotik-Treffen 2002 angekündigte Neofolk-Band “Darkwood” kommt aus Leipzig. Es verwundert nicht, daß der Herausgeber des heidnisch-faschistischen Magazins “Zinnober” (früher: “Sigill”), Stephan Pockrandt, es bedauert, daß “Darkwood” ihre CDs “leider nicht auf Eis & Licht veröffentlicht” (Sigill 19, Herbst 1999) haben. Ihre Platten tragen nicht nur Titel wie “Heimat und Jugend” oder “In The Fields”. “Darkwood” positionieren sich ebenfalls weit rechts als große Fans des erwähnten Faschistenführers Codreanu und seiner “Eisernen Garden”. So beteiligten sie sich im November 2001mit ihrem Song “Mord und Lüge” wie auch Belborn an der Doppel-CD namens “Codreanu – Eine Erinnerung an den Kampf”, herausgegeben von Mitgliedern der in Rumänien wiedergegründeten “Eisernen Garden”. Die CD “is dedicated to the life & struggle of Corneliu Zelea Codreanu”. Dessen Kampf war – wie erwähnt – eindeutig und von einem tiefen Antisemitismus geprägt. Vertrieben wird das ganze von der faschistischen Website „Neue Europäische Kultur“ („dedicated to pan-European theories and Euro-centric feelings. It is strongly connected to the ‚Garda de Fier‘- the ‚Iron Guard‘ – a mystical-martial faith movement founded by Corneliu Zelea Codreanu in spring 1930“).

Was diese „mystisch-martialische Glaubensbewegung“ zu „heroes of a secret Europa“ (alle Zitate:) macht? Vielleicht die für unsere schwarze Szene so bekannte friedliche, tolerante und weltoffene Massakrierung politisch und religiös Andersdenkender? Wahrscheinlich.

Thomas Fritzsche fiel im Kulturkampf-Blatt “Zinnober” folgendes zu Darkwoods “Heimat und Jugend” ein:

Irgendwo da draußen ist der Feind, die Fratze seines Antlitz kann man erahnen, doch zu hören ist nur der dumpfe Kanonenschlag der Artillerie. Die Soldaten trauern, die Soldaten kämpfen, die Soldaten marschieren.“ (Zinnober Ausgabe 1, Winter 00 / 01). Ja wohin marschieren sie denn bloß? Nach Leipzig?

Beinahe nebensächlich erscheint da die verfremdete Wolfsangel-Rune auf Darkwoods Homepage – ehemals Symbol der Adjutanten der Hitler-Jugend.

Kommen diese Faschisten-Verehrer in friedlicher Absicht? Wohl kaum. In ihrem Titel „Wittekind“ singen sie:

Ich will den Gott nicht, der den Frieden gibt, (…), denn ich bin Herr, vor meiner Faust zerstiebt alles, was seine falsche Milde schont! Ich will den Gott im grünen Eichenkleid, ich will den Gott, der dumpf im Donner schreit (…), Und will den Eisgott, der die Sonne würgt, ich will den Gott, der Blitzes Peitsche schwingt, der meines heil’gen Waldes Sturmlied singt!“

Willkommen in Leipzig, beim 11. Wave-Gotik-Treffen 2002, wo all die erwähnten toleranten, friedlichen und weltoffenen “Geister” von den Veranstaltern “In Move” und der “Treffen & Festspielgesellschaft für Mitteldeutschland mbH” geladen sind, eine Sause zu feiern und dafür auch noch bezahlt werden. Wenn das kein Fest wird – Viel Spaß!