1999: Die Katastrophe der Phrasen – Ein kleines Intermezzo von Grufties gegen Rechts

Sicherlich werden die meisten von Euch schon einmal etwas über die Initiative Grufties gegen Rechts gehört haben. Wir befürchten allerdings, daß sich viele durch die zum Teil diffamierende Berichterstattung einiger Medien (u.a. Zillo und KulturSpiegel) insbesondere nach dem Wave-Gotik-Treffen ‘99 in Leipzig ein völlig falsches Bild von unseren Aktivitäten, Methoden und Zielen machen. Daher wollen wir die Gelegenheit nutzen, uns noch einmal vorzustellen.

Die Initiative Grufties gegen Rechts / Music For A New Society wurde im Mai 1998 von einer Handvoll befreundeter Gothics aus Bremen gegründet. Anlässe waren eine zunehmende Genervtheit durch rechtslastige und antisemitische Äußerungen von bestimmten Musikern, die Präsenz rechtsextremer Fanzines, Verlage und Funktionäre auf Festivals und Konzerten sowie ein in unseren Augen völlig unkritischer Umgang weiter Teile der Musikpresse mit rechtsextremen Vereinnahmungsversuchen. All diese Probleme existieren schon seit Jahren, führten jedoch abgesehen von wenigen löblichen Ausnahmen selten zu einer kritischen Diskussion. In Bremen hielt sich zu diesem Zeitpunkt neben ein paar rechten Mitläufern auch mindestens ein organisierter Neonazi in unseren Discos auf, der auch schon in Zusammenhang mit einem versuchten Mordanschlag vor Gericht gestanden hat. Wir wollten damals ein Signal setzen und verfaßten einen Aufruf, rechtslastige Zeitschriften, Verlage und Bands zu boykottieren. Die unterzeichnenden DJs erklärten, darauf zu verzichten solche Bands aufzulegen, um ihnen nicht noch eine weitere Öffentlichkeit zu geben.

Unsere Ziele dabei sind zu verhindern, daß rechtsextremes Gedankengut dort, wo wir uns bewegen Verbreitung finden kann, daß Rechtsextremisten durch den Verkauf von Tonträgern und Merchandising-Material Geld für ihre politische Propaganda zufließt und ganz grundsätzlich die vielbeschworene Toleranz und Offenheit der schwarzen Szene von Leuten kaputtgemacht wird, die die schwarze Szene für ihre menschenverachtenden Ideologien gewinnen wollen.

Dieser Schritt verursachte auch schon in Bremen ziemlichen Wirbel und einige Mißverständnisse. Doch die lokalen Reaktionen waren insgesamt so erfreulich und ermutigend, daß sie uns davon überzeugten, den Aufruf bundesweit zu verbreiten. Dies zumal wir wußten, daß die Situation in manchen Regionen noch viel problematischer ist. So entstand die Broschüre „Die Geister, die ich rief…“, die wir erstmals beim Wave-Gotik-Treffen, Pfingsten 1998 in Leipzig verteilten. Nun bekamen wir bundesweite Resonanz. Viele Leute schrieben uns damals, daß sie schon lange auf ein solches Signal gewartet hätten und froh seien, daß endlich aus der Szene selbst heraus etwas Kritisches zum Thema gesagt und geschrieben würde. Einige schrieben gar, sie seien so genervt von der Präsenz Rechtsextremer in der Szene, daß sie überlegten, sich aus ihr zurückzuziehen (was wir ihnen glücklicherweise ausreden konnten). In Berlin begann eine neu gegründete Grufties gegen Rechts – Gruppe, ihre Arbeit mit Informationsveranstaltungen, Soli-Konzerten und Parties aufzunehmen. Beim Zillo-Festival im August 98 in Hildesheim verteilten wir eine erweiterte, 2. Auflage der „Geister-Broschüre“, wie wir sie inzwischen liebevoll nennen. Die Gesamtauflage beträgt inzwischen 12.000 Stück (ohne die Nachdrucke, die in anderen Städten davon gezogen worden sind, um sie weiterzuverbreiten).

Schon damals gab es Situationen, in der wir mit der unerwartet großen Resonanz ,die wir bekamen, überfordert waren. Da wir ehrenamtliche Gruppen sind, die aus Menschen bestehen, die arbeiten, studieren oder zur Schule gehen müssen, versanken wir häufig in den Anforderungen, mit denen wir konfrontiert waren. Allein die Beantwortung der Briefe und Anfragen, die wir erhielten, überschritt manchmal unseren zeitlichen und finanziellen Rahmen (wir hätten nie gedacht, daß sogar Portokosten ein Problem werden könnten!). Trotzdem war jeder Brief auch ein Anstoß zum Weitermachen, und wir haben uns über all die Glückwünsche, informativen Briefe, konstruktiven Kritiken, Spenden, persönlichen Gedanken und Bestellungen über die Maßen gefreut.

LOVELY BLACK GREETINGS TO EVERYONE OF YOU!

Plötzlich interessierten sich auch immer mehr Medien für uns. Wir machten dabei sehr unterschiedliche Erfahrungen mit JournalistInnen und Radiostationen, erfreuliche und weniger erfreuliche. Mit dem Erfolg wuchs auch der Druck auf uns: immer öfter hatten wir den Eindruck, unsere Gruppen würden von außen zu einer Art Generalinstanz gemacht, die über alles und jeden Bescheid wissen müssen, – von der erwartet wird, das Problem im Alleingang zu lösen. Um so wichtiger war, daß immer mehr Menschen in anderen Städten selbst aktiv wurden und uns damit viel Arbeit abnahmen: in Rostock, Stuttgart, Eberswalde, Hamburg, Mannheim, Chemnitz, München, Würzburg, Karlsruhe, Hannover…Wir bekamen immer mehr Material zugeschickt und mußten feststellen, daß das Ausmaß des rechtsextremen „Kulturkampfes“ viel größer ist, als wir selbst zu Beginn erwartet hatten. Doch die Aktenordner mit rechtsorientierten Fanzines, CD-Booklets usw. werden nicht nur dicker und dicker, sondern wollen auch gelesen und ausgewertet werden. Daher kommt es auch, daß sich die Veröffentlichung der inhaltlich völlig neuen Broschüre „Die Geister, die ich rief…II“ seit Monaten verzögert.

Wir wollen nicht, wie schon so viele vor uns, Gerüchte und Oberflächlichkeiten verbreiten, sondern genau belegbare Informationen und fundierte Kritik als Beitrag zur Meinungsbildung, Diskussion und Aktion innerhalb (und auch außerhalb) der Szene. Dies erfordert viel Zeit und Geduld.

Nicht vergessen wollen wir aber unsere Freude über das, was wir seit Mai 1998 erleben konnten: Gut besuchte Vortragsveranstaltungen mit fruchtbaren, konstruktiven und dennoch kontroversen Diskussionen in Berlin, Bremen, Rostock, Wismar, Greifswald, Neubrandenburg, in Hannover. (In einigen süddeutschen Städten in Planung). Nette Soli-Parties. Gute Radiobeiträge, u.a. in Chemnitz, Hamburg, Bremen und Nürnberg. Eine viel differenziertere und fundiertere Berichterstattung in einigen Antifa-Zeitschriften als dies früher der Fall war. Bundesweite und sogar internationale Kontakte mit Gothics und Wave & Industrial-Künstlern wie den Einstürzenden Neubauten, Deine Lakaien, den ISECS oder Dirk Ivens (Sonar, Dive; ex – The Klinik), die inzwischen alle zu den UnterzeichnerInnen unseres Aufrufes zählen. Wir wissen von Mark Burgess (ex-The Chameleons), Das Ich, Goethes Erben, Love Like Blood, Lacrimosa, den Hybrids und vielen anderen, daß sie unsere Initiative schätzen, wir haben Infostände bei Konzerten gemacht und selbst welche organisiert.

ENDLICH findet eine Diskussion zum Thema in der Szene statt und ENDLICH wird nach langen Jahren wieder niveauvoll über die Inhalte der Ästhetik, Musik und Szene diskutiert. Wir sind der Meinung, daß dies der schwarzen Szene nutzen wird und sie in jeglicher Hinsicht vorwärtsbringen kann. Der manchmal gegen uns erhobene Vorwurf, wir würden mit unseren Aktivitäten „die Szene kaputtmachen“, ist haltlos. Nach all dem, was in den letzten Monaten in Bewegung geraten ist, sind wir der festen Überzeugung, daß der Prozeß, den wir angestoßen haben und an dem immer mehr Gothics aktiv teilnehmen, zu einer Wiederbelebung der Szene führt.

Und wer hätte sich das nicht gewünscht?

Für eine blühende Wave-, Gothic-, Electro-, EBM- und Industrial-Szene ohne menschenverachtende Rechtsextremisten und konservative Spießer! Bitte beteiligt Euch, kritisiert, schreibt Briefe, e-mails, Gedichte und Geschichten, informiert uns und andere, stellt was eigenes auf die Beine, macht Musik, gründet Bands und Fanzines -macht music for a new society!

Ein kleiner Exkurs zum ”Kulturkampf”

In den frühen 90er Jahren begannen Teile der sogenannten „Neuen Rechten“, einer Strömung innerhalb des europäischen Rechtsextremismus, darüber nachzudenken, wie Teile der Gesellschaft mit Hilfe der „Kultur“ für die Ideen der „Neuen Rechten“ angesprochen werden könnten. Den Rechten war aufgefallen, daß zu den immer mehr oder weniger links orientierten Alternativ-, Sub- und Popkulturen kein rechtes Spiegelbild existierte. Da sie – mit Ausnahme der Nazi-Skin-Szene – keine eigene (Sub-) Kultur vorzuweisen hatten, suchten sie in den existierenden Alternativkulturen nach Szenen, die in ihren Augen Anknüpfungspunkte für ihre Propaganda boten und meinten, in der schwarzen Szene fündig zu werden. Neben bestimmten ästhetischen und musikalischen Stilmitteln waren dies auch bestimmte Bands, die mit rechtem Gedankengut mindestens kokettierten. Seit Jahren sind wir nun mittlerweile damit konfrontiert, daß es eine Vielzahl von Bandneugründungen mit deutlich rechter Orientierung gibt und Rechtsextremisten sich auf Festivals und Konzerten propagandistisch betätigen. Auf dem Wave-Gotik-Treffen in Leipzig gab es neben unorganisierten Rechten in Uniform-Outfit eine ganze Reihe von Ständen mit rechten Zeitschriften wie Sigill, Hagal / Zeitenwende und Bücher und andere Produkte aus rechtsextremen Verlagen wie dem VAWS, dem Arun- und dem Grabert-Verlag. Mitarbeiter der rechtsextremen Wochenzeitung Junge Freiheit wurden auf dem Festival ebenso gesehen wie militante Neonazis wie Katharina Handschuh und Christian Worch, ein Nazi-Funktionär, der u.a. bei den tagelangen Pogromen vor der Ausländerunterkunft Rostock-Lichtenhagen 1992 mitmischte.

In vielen Städten tummeln sich Rechtsextreme in unseren Discos. Auch das Tragen von ”Blood & Honour”-T-Shirts und Nazi-Emblemen hat sich mittlerweile mancherorts als schick etabliert.

(Ausführliche Informationen zu den Hintergründen und Strategien des rechtsextremen ”Kulturkampfes” insbesondere in der Dark Wave-Szene sind auf unserer Homepage nachzulesen).

Pfingsten 1999: Irrlichter in Leipzig

Ankuendigung zur Podiumsdiskussion - Zillo Maerz 1999Warum wir nicht mit Josef Klumb diskutieren und Ecki Stiegs Klumb-Einladung zur Zillo-Podiumsdiskussion beim Wave-Gotik-Treffen für einen Skandal halten:

Im März dieses Jahres wurde im Zillo eine Podiumsdiskussion zum Thema „Eine braune Flut?“ auf dem Wave-Gotik-Treffen in Leipzig zu Pfingsten 1999 angekündigt. Eingeladen waren Campino, Joachim Witt, ein Vertreter von Rammstein und Gabi Delgado (DAF). Diskutiert werden sollte sowohl über ästhetische Stilmittel bei Witt und Rammstein als auch darüber, „wie man Unterwanderungstendenzen in der Szene begegnen kann„. Da wir keinem der Podiumsteilnehmer unterstellen, Interesse an einer rechtsextremen Unterwanderung zu haben oder sie selbst zu praktizieren, nahmen wir diese Ankündigung mit Freude und Interesse zur Kenntnis. Zudem hatten wir damals den Eindruck, daß es dem Zillo unter Joe Asmodo ernst damit ist, den rechten Unterwanderungs- und Vereinnahmungsversuchen entgegenzutreten. Anfang April 1999 erfuhren wir telefonisch, daß – nach Beschwerden des rechtsextremen VAWS-Verlages – Ecki Stieg nachträglich auch noch Josef Klumb (Forthcoming Fire, ex-Weissglut) eingeladen hatte. Diese Nachricht konnten wir damals nicht glauben, auch wenn sich später herausstellen sollte, daß sie zutraf. Unglaublich war die Einladung für uns aus folgenden Gründen:

> Josef Klumb ist seit Jahren in den organisierten Rechtsextremismus verstrickt und einer der aktivsten rechten „Künstler“ innerhalb der Dark Wave-Szene: Wie kann man mit einem „Unterwanderer“ darüber diskutieren wollen, „wie man Unterwanderungstendenzen in der Szene begegnen kann“?

Josef Klumb ist seit Jahren Mitarbeiter von VAWS (Verlag & Agentur Werner Symanek), einem Verlag und Vertrieb, der im NRW-Verfassungsschutzbericht im Bereich Rechtsextremismus einen eigenen Eintrag hat. VAWS verbreitet ein riesiges Sortiment rechtsextremer Videos wie „Auf den Spuren Ostpreußens“ oder „Die Waffen-SS: Hitlers Elitetruppe“, Bücher über Nazi-Kunst und juristische Tips vom rechtsextremen Deutschen Rechtsbüro für „wackere Streiter für die ‚Nationale Sache'“ (O-Ton VAWS), verschwörungstheoretische und antisemitische Bücher, Dark Wave-CDs rechtsorientierter Bands wie Klumbs Forthcoming Fire und Turbund Sturmwerk sowie – wenn es der „nationalen Sache“ dienlich ist, auch Bücher aus linken Verlagen wie den „Kleinen Abhörratgeber“.

Auch die seit 1969 erscheinenden Unabhängigen Nachrichten (UN) der ultrarechten Unabhängigen Freundeskreise (UFK) werden vom VAWS verbreitet. Mitglieder des den UFK nahestehenden Freundeskreises „Freiheit für Deutschland“ wurden 1994 wegen terroristischer Straftaten verurteilt (bis hin zum versuchten Bombenattentat auf Simon Wiesenthal), immer wieder laufen Verfahren wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß. Zwei ehemalige SS-Offiziere waren bis zu ihrem Tod Redakteure der UN. Über Artikel etwa zum 8. Mai 1945 mit Titeln wie „Alliierter Massenmord am Deutschen Volk“ (UN 3/95) braucht man sich also genauso wenig wundern wie über übelste antisemitische, frauenfeindliche und rassistische Hetze, Nationalismus und Militarismus.

Es steht zu vermuten, daß VAWS Teile der Gelder für die Herstellung der kostenlos zur Agitation verbreiteten UN durch die Erlöse aus dem Verkauf seiner sonstigen Produkte erzielt. Produkte, die auch unpolitisch sein können: so vertreibt VAWS auch Techno-CDs oder ködert unwissende Kunden mit einem „Profile Bizarre- Wandkalender 1999“, der Fotos von 13 nicht-rechten, dafür aber umso prominenteren Independent-Bands enthält. Jene Bands (darunter die Einstürzenden Neubauten, Lacrimosa, Subway To Sally, Think About Mutation, der Fan-Club der Krupps und Such A Surge) waren ziemlich entsetzt, als sie von uns erfahren haben, wer sich hinter dem Kürzel VAWS verbirgt und versuchten (leider erfolglos) die Verbreitung des Kalenders zu stoppen. VAWS verbreitet Aufkleber mit revanchistischen Motiven wie „Deutschland ist größer als die Bundesrepublik“, veranstaltet Hetzkampagnen gegen Ignatz Bubis (Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland) und beteiligt sich auch agitatorisch in Wahlkämpfen.

Josef Klumbs Mitarbeit bei VAWS beschränkte sich keineswegs auf das Päckchenpacken für 12 DM die Stunde, weil er gerade arbeitslos war und einen Job brauchte, wie er in einem Rock Hard-Interview (1/99) mal wieder selbstmitleidig log. So schrieb er das Vorwort zum ersten Band eines VAWS-Buches mit dem irreführenden Titel „Deutschland muß vernichtet werden“, welches „die weltweit angelegten Pläne zur endgültigen und totalen Vernichtung Deutschlands“ enthüllen soll. „Eine in ihrer Quellenvielfalt bestechende Dokumentation über die real existierenden Strategien“. Na dann – prost!

Weniger lustig finden wir, dass Klumb für VAWS zwei Dark Wave-CDs zusammengestellt hat, an denen eine große Zahl rechtsorientierter Bands beteiligt war und die den Nazi-Kulturikonen Leni Riefenstahl und Josef Thorak gewidmet waren. Nicht alle der vertretenen Bands sind allerdings mit rechten Ab- und Ansichten auf den Samplern gelandet. U.a. haben sich zum Beispiel PP?, Jack or Jive und Vaticans Children von ihrer Teilnahme distanziert.

Auf der Frankfurter Buchmesse 1997 verteilte Klumb eine gegen die Wehrmachts-Ausstellung gerichtete Sonderausgabe der Unabhängigen Nachrichten, im Sommer 1998 betreute er den VAWS-Stand beim Zillo-Festival und Pfingsten 1999 verkaufte er VAWS-Produkte beim Wave-Gotik-Treffen in Leipzig.

Dass er die von ihm verpackten Bücher offensichtlich mit Interesse gelesen hat, lässt sich seit Jahren an seinen in Interviews vom Stapel gelassenen Äußerungen erkennen, die sich meist wie eine Mischung aus VAWS-Propaganda und Jan Udo Holeys (alias Jan van Helsings) antisemitischen Verschwörungstheorien lesen. Die wirre, keinen geraden Satz zustandebringende Sprache Josef Klumbs ersparen wir Euch an dieser Stelle freundlicherweise (wer es nicht lassen kann, könnte es mal mit dem Interview in Gothic Nr. 23 (Sommer 1995) versuchen, welches aufgrund der „radikalen und totalitären Züge“ von Klumbs Geschwafel Zweifel in der Redaktion aufkommen ließen, ob „der Beitrag veröffentlicht werden sollte“ oder in Astan Nr.1 nachlesen).

Klumb hat sich auch wiederholt von der rechtsextremen „neurechten“ Wochenzeitung Junge Freiheit interviewen lassen (zuletzt im Februar diesen Jahres) und schrieb mehrmals Beiträge für die Holocaust-leugnende, „nationalrevolutionäre“ Berliner Zeitschrift Sleipnir. In einem Brief an den Herausgeber dieses Blattes spekulierte er, ob sein Kritiker Alfred Schobert vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) Jude sei: „Schätze, er ist ein Mitarbeiter der ADL, – der Hund“ (ADL = Anti-Defamation-League, ein jüdische Organisation, die sich gegen rassistische und antisemitische Diskriminierung engagiert) (s. Jungle World Nr. 11 / 99). Allein diese – sowohl Ecki Stieg als auch dem Zillo im Vorfeld bekannten – Tatsachen hätten dazu führen müssen, auf eine Teilnahme Klumbs zu verzichten.

  • Josef Klumb verbreitet seit Jahren in Interviews Verschwörungstheorien mit antisemitischem Hintergrund (s.o.). Er geht dabei soweit, den Juden die Schuld am Holocaust zu geben, eine politische Positionierung, die für sich schon volksverhetzenden Charakter hat! Da Verschwörungstheorien grundsätzlich niemals eine Beweislast auf sich nehmen, läßt sich über sie nicht sachlich diskutieren. Die antisemitischen Töne, die er dabei verbreitet, halten wir indes für gefährlich und diskriminierend.

Wer hätte Lust gehabt, sich einen widerlichen Schwachsinn wie folgenden anzuhören (und jetzt dürft Ihr doch noch einen Original-Klumb in der für ihn üblichen abenteuerlichen Syntax und Rechtschreibung lesen): „Man befasse sich mit dem 1ten und dem 2ten Weltkrieg mal aus okkulter Sicht. (…) Aus geheimen Quellen wissen wir, wie stark das NAZI REGIME weit vor der Machtergreifung von zionistischer Seite mit finanziert wurde, die Gelder, welche über die IG FARBEN der SS zuflossen, kamen auch nicht von irgendwoher.“ und an anderer Stelle: „…die Herrschaft der NAZIS (war) eine der geschicktesten Inszenierung der weltgeschichte überhaupt (…) Ich weis leider wie sehr gewisse bruderschaften an diesem fiasko beteiligt waren, die keine kosten und mühen scheuten, dies hier zu inszenieren, und gleichzeitig nach dem Ende des Spukes auch noch gericht halten durften. Wer weis schon wie tief der angebliche Nazijäger SIMON WIESENTHAL in früher ZEIT mit der GESTAPO kollaborierte.“ (beide Zitate aus seinem Brief an das Bingener Jugendzentrum vom 13.Oktober 1995)

  • Josef Klumb hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt in diffamierender Art und Weise über Kritiker geäußert (s.o.), hat einige von ihnen körperlich angegriffen und öffentlich Drohungen verbreitet.
  • Am Abend des 27.1.1988 greift Klumb im Bingener Jugendzentrum seine Freundin zunächst verbal, dann auch mehrmals tätlich an. Mitarbeiter des JUZ versuchen den Streit zu schlichten. Dabei kommt es zu einem Handgemenge. Klumb zertrümmert daraufhin vier Fensterscheiben, beschädigt ein Motorrad und entleert einen Feuerlöscher im Raum. Das JUZ reagiert mit Hausverbot. Da das JUZ die Zerstörungen gegenüber der Stadt rechtfertigen musste, blieb dem Verein keine andere Wahl als Anzeige wegen Sachbeschädigung gegen Klumb zu stellen. Daraufhin greift Klumb den 1. Vorsitzenden des Vereins JUZ Bingen e.V. auf offener Straße tätlich an.
  • In dem bereits zitierten Brief von 1995 an das Bingener Jugendzentrum verkündete er: „Was ich hier offenbare tue ich mit Verlaub meiner Kampfgenossen und BRÜDER. IHR wisst mitunter nichts damit anzufangen, aber ich weis sehr wohl wie gut ihr daran tut, trotz eventueller Unverständnis mich niemals in eine SITUATION zu NÖTIGEN in welcher ich mich gezwungen sehe ZEICHEN SETZEN ZU MÜSSEN. ICH befinde mich in einem HEILIGEN KRIEG, UND WER ZWISCHEN DIE FRONTEN GERÄT indem er aus unverständnis mir zu nahe kommt oder meinem Umfeld beschwört sich ein GEWALT herauf die ich nicht zu verantworten habe, und die sich entlädt ohne Spuren zu hinterlassen„. Neben diesem wohl als Drohung zu verstehenden Gestammel äußert sich Klumb auch zum Thema Diskussionsbereitschaft: „Wer mich kennt weis das mit mir nicht zu diskutieren ist, das hab ich nicht nötig„.
  • Im Juli 1997 tauchten Josef Klumb und sein Bruder Bernhard (begleitet u.a. von zwei Autoren der rechtsextremen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ und Bandanhang) bei einer Veranstaltung von Alfred Schobert in Mainz auf und zettelten eine Schlägerei an.
  • Die Kritik an den rechtsextremen Tätigkeiten und Äußerungen Josef Klumbs hatte nach Jahren der Deckung und Verteidigung durch Teile der Musikpresse – dank eines Artikels im Spiegel und anschließenden Prozesses – endlich dazu geführt, dass sich seine Plattenfirma Sony-Epic und seine Band Weissglut Anfang des Jahres 1999, also vor der Zillo-Einladung, von ihm getrennt haben. Die entsprechende Presseerklärung formulierte es relativ blumig:”Josef Klumb wurde mehrfach vorgeworfen, rechtsradikales Gedankengut zu vertreten. Diese Anschuldigungen (…) konnten von ihm nicht eindeutig entkräftet werden. Daher haben sich Weissglut entschieden, nicht mehr mit Klumb zusammenzuarbeiten.”

Und Ecki Stieg verschafft ihm danach wieder ein Podium!

Josef Klumb hatte gegen den Spiegel wegen des Nazi-Vorwurfes geklagt, doch nachdem ihn das Landgericht Hamburg mit den dem Gericht vorliegenden Dokumenten konfrontierte, nahm er am 17. Dezember 98 seinen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wegen Verleumdung zurück. Das Gericht stellte das Verfahren ein.

Wie kommt Ecki Stieg auf die absurde Idee, Klumb zu einem Zeitpunkt, an dem er endlich über seine Nazi-Aktivitäten gestolpert und aus der Öffentlichkeit verschwunden ist, wieder ein Forum zu bieten? Qualifiziert man sich zur Teilnahme an einer Podiumsdiskussion des Zillo dadurch, daß man sich immer wieder durch volksverhetzende und antisemitische Äußerungen in Erinnerung ruft? Wie kam Ecki Stieg auf die Idee, die Grufties gegen Rechts würden sich an dieser Akzeptanzbeschaffungsmaßnahme für einen Rechtsextremisten beteiligen? Dies ist umso unverständlicher, als die zentrale Parole unseres seit einem Jahr kursierenden Aufrufes „Die Geister, die ich rief…“ lautet: „Kein Raum für Nazi-Propaganda – egal ob im Konzertsaal, in Fanzines, auf Festivals oder auf dem Plattenteller!“ Wieso lädt er Josef Klumb nachträglich, immerhin aber fast zwei Monate, die Grufties gegen Rechts und Alfred Schobert hingegen erst eine Woche vor Veranstaltungsbeginn ein? Wie kommt er auf die Idee, die Absagen von Grufties gegen Rechts und Alfred Schobert für das Scheitern der Diskussion verantwortlich zu machen (siehe Presseerklärung von Ecki Stieg in Zillo 7-8 / 99), wo doch mit Ausnahme Joachim Witts alle ursprünglichen Diskussionsteilnehmer (Campino, Gabi Delgado, der Vertreter von Rammstein) im Vorfeld ihre Teilnahme abgesagt haben? Wir können es nicht anders sehen, als daß wir (und noch mehr Alfred Schobert) zum Sündenbock für Ecki Stiegs katastrophale Fehleinschätzungen gemacht wurden. Die Presseerklärungen vom Zillo, Stieg und Witt strotzen vor Halbwahrheiten, Mißverständnissen und groben Böswilligkeiten. Wahr daran ist eigentlich nur eines: wir wollten nicht mit Josef Klumb diskutieren. Und wir stehen nach wie vor zu dieser Entscheidung. Das einzige, was bei einer solchen Diskussion von Interesse wäre, ist, wie ein ehemaliger Punk sich so gnadenlos an die braunen Ideen eines rechtsextremen Verlegers und eines antisemitischen Verschwörungstheoretikers verkaufen konnte. Doch diese Frage ist keine für eine öffentliche Podiumsdiskussion, sondern eine, die sich Herr Klumb einmal an einem ruhigen Abend in seinem Zimmer überlegen sollte.

Wir jedenfalls haben ihm nichts mehr zu sagen.

(Zum zeitlichen und organisatorischen Ablauf der Planungen zur Podiumsdiskussion ist eine Stellungnahme und Chronologie hier nachzulesen.)

„Unwirkliche“ Faschos, „Mißverständnisse“ und „Hetzkampagnen”

Über den Umgang mit Rechtsextremisten in der Dark Wave-Szene

Im Zuge unserer Beschäftigung mit der Problematik rechter Strömungen in der Dark Wave – Szene sind wir häufig auf Artikel, Statements und Argumentationsmuster zum Thema gestoßen, die bei uns Kopfschütteln und manchmal Wut auslösten. Einige wiederkehrende Mechanismen wollen wir hier anhand aktueller und exemplarischer Beispiele darlegen und kritisieren.

Morddrohungen und Paketbomben

Einen der größten Kracher leisteten sich die DJs Gothic Spice und M’Urmel, beide Redakteure des Berliner Fanzines Dark Sign in einem „Offenen Brief an alle Printmedien“, der u.a. im Dark Sign veröffentlicht wurde (der offene Brief und unsere aufführliche Antwort „Über echte, unechte, wahre, wirkliche und unwirkliche Faschos“ können auf unserer Homepage nachgelesen werden). Im Zuge ihrer Kritik an Leuten, die voreilig Bands in die rechte Ecke stecken, verlassen sie schnell den Boden der Tatsachen und ticken gegen Ende des Briefes völlig aus: „Wenn jene Hetzkampagnen so weitergehen, müssen auch wir bald mit Boykott und im Extremfall sogar Morddrohungen und Paketbomben rechnen, da jeder von uns bestimmt einen Riesenstapel ZILLOs zu Hause liegen hat…“ und fragen am Ende: „Wird demnächst jeder vergast, der ein falsches Wort sagt, welches von jenen ANTIFA-Saubermännern als rechtsradikal ausgelegt wird?“.

Auch wenn man es bei der Feststellung belassen könnte, daß die Autoren mit dem letzten Satz nur ihre eigenen Vernichtungsphantasien an den Tag legen, so sind solche Sätze durchaus symptomatisch für eine bestimmte Denkrichtung in Teilen unserer Szene. Aus der Vielzahl von Artikeln und Statements zum Thema rechter Tendenzen in der Dark Wave – Szene schnappt man sich einen besonders schlecht recherchierten oder über das Ziel hinausschießenden, um ihn zum Anlaß zu nehmen, die Problematik grundsätzlich zu bestreiten. Einerseits wird betont, daß man natürlich gegen rechts ist, andererseits wird auf konkrete Kritik an tatsächlich rechtsextremen Bands nicht eingegangen. Statt dessen wird phantasiert und man unterstellt Kritikern an den Haaren herbeigezogene Dinge, also genau das, was vorher an den Kritikern bemängelt wurde. So hat es in der langen Geschichte der antifaschistischen Bewegung (zu der wir uns übrigens NICHT zählen) niemals Paketbomben gegeben. Faschisten hingegen haben diese hinterhältige und oftmals tödliche „Waffe“ immer wieder eingesetzt. Auch Morddrohungen gehören ins Reich des Rechtsextremismus. „Vergast“ wurden in der deutschen Geschichte auch nur einmal Menschen und wir brauchen hoffentlich nicht zu erwähnen, wann und von wem. Die Unterstellung, Kritiker rechtsextremer Bands folgten totalitären Denkmustern und mörderischen Aktionsformen, wird nicht nur von den beiden DJs vertreten. Gerade die kritisierten Bands selbst nutzen diese unhaltbare These, um von ihren eigenen rechten Aktivitäten abzulenken. Dies gilt für Douglas Pearce von Death In June, der Kritiker unverhohlen mit Faschisten vergleicht, ebenso wie für Kadmon von Allerseelen oder Michael Moynihan von Blood Axis.

Leiden und Wissenschaft

Noch typischer als dieser Mechanismus ist die Behauptung, es würde sich um ein bloßes Interpretationsproblem handeln. So werden rassistische oder antisemitische Äußerungen lediglich rechtsradikal „ausgelegt“. Diesen Mechanismus kann man auch im Zillo immer wieder beobachten. In der aktuellen Ausgabe (7-8/99) interviewt Dirk Hoffmann Angelo Bergamini von Kirlian Camera eine Seite lang darüber, ob er ein Konzert mit dem Hitlergruß beendet hat oder nicht. Erstaunlich an dem Interview ist neben den sich windenden Aussagen Bergaminis auch, daß zwei nicht zu leugnende Vorwürfe gegen Kirlian Camera keine Erwähnung finden: Die Beteiligung Bergaminis am Riefenstahl-Sampler des rechtsextremen VAWS-Verlages (siehe Kasten zu Josef Klumb) und die Ehrung des rumänischen Faschisten und Antisemiten Corneliu Zelea Codreanu, Gründer der Legion Erzengel Michael (1927) und Führer der Eisernen Garde (ab 1930), mit dem Stück „U-Bahn V.2 ‚Heiligenstadt'“ auf ihrer CD „Todesengel. The Fall of Life“. Beide Kritikpunkte sind Tatsachen, die sich nicht leugnen lassen. Im rechten Fanzine Sigill verkündete Bergamini zum Thema Codreanu: „Ich nahm den Song im Februar 1989 mit einem Teil von Codreanus Rede auf. Zu dieser Zeit suchte ich solches Material, um seine Legion zu ehren“. Diese Legion hatte selbst nach den Worten des politisch rechtsaußen positionierten Ernst Nolte „nur eine Hauptintention, den Kampf gegen das Judentum und alles, was ihr als ‚jüdisch‘ galt.“ Das war die Grundlage und Motivation, auf der die Legion ihren Terror verbreitete und Bergamini ehrt sie. Vielleicht war Dirk Hoffmann dieses Thema zu kompliziert für die „Independent-Bravo“, dann sollte die Zeitschrift aber gänzlich darauf verzichten, solche Bands zu interviewen oder über die Problematik zu schreiben (das wäre der Umgang von Zeitschriften wie Orkus) und sie schon gar nicht auf das Zillo-Festival einladen.

Statt über unleugbare Tatsachen wird lieber über die Art und Weise diskutiert, wie man Bergaminis gestreckten Arm (um es mal vorsichtig auszudrücken) auslegen könnte.

Dirk Hoffmanns fürchterliche Neo-Folk-Stories (Zillo 3-8 /99) sind ebenfalls geprägt von diesem Umgang. Obwohl er auf eine Vielzahl von konkret belegbaren Vorwürfen eingeht (zum Teil erstmals in der langen Zillo-Geschichte), die eigentlich völlig ausreichen würden um zu zeigen, daß Leute wie Michael Moynihan, Kadmon oder Douglas Pearce sehr wohl rechtsextremistisch orientiert sind, verlagert er diese Tatsachen auf ein bloßes Interpretations- und Meinungsproblem. Am Ende stehen dann die Äußerungen von Antisemiten wie Moynihan, SS-Ahnenerbe-Bewunderern wie Kadmon oder SA-Verehrern wie Douglas Pearce neben Zitaten von uns und es wird der Eindruck erweckt, Dirk Hoffmann wisse selbst nicht so genau, wem er jetzt glauben solle. Doch ums Glauben geht es auch gar nicht. Es geht um Tatsachen. Und wenn die Tatsachen besagen, daß Leute rechtsextreme Einstellungen vertreten, dann wäre die sich anschließende Fragestellung, wie man damit umgeht. Dirk Hoffmanns „Meinerei“ und „Glauberei“ aber dringt soweit gar nicht vor.

Provokationen und die wundersame Wandlung von Tatsachen in Meinungen

DJ M’Urmel geht in seinem recht langen Verriß der ersten Auflage unserer Broschüre „Die Geister, die ich rief…“ (in Dark Sign 7-8/98), die ihm „schwer auf den Sender“ geht, lieber hauptsächlich auf Formalitäten und den Comic (!) auf der Rückseite ein, um gegen Ende von „nach rechts tendierenden Meinungen“ bestimmter Künstler zu sprechen bzw. zu behaupten, die Bands wollten nur „mit solchen Inhalten provozieren“. Wer nach dem Lesen unserer immerhin 16 seitigen Broschüre immer noch der Meinung ist, die beschriebenen Bands, Verlage und Zeitschriften würden nur provozieren wollen, hat den Inhalt nicht verstanden. Folgerichtig arbeitet der DJ lieber mit Unterstellungen:

Wahrscheinlich meinen die Herren Herausgeber auch, daß Bands wie LAIBACH rechtes Gedankengut aufweisen. So etwas kann nur passieren, wenn man als Journalist nicht in der Lage ist, zu recherchieren.“ Halten wir uns fest: „wahrscheinlich meinen die Herren Herausgeber“ (zu denen übrigens ein erfreulich großer Anteil von Damen gehört), „daß Bands wie LAIBACH rechtes Gedankengut aufweisen„. Tatsache ist (was er wahrscheinlich nie vermuten würde), daß wir niemals behauptet oder gar geschrieben haben, „daß Bands wie LAIBACH rechtes Gedankengut aufweisen„. Wenn es ihn interessieren würde, hätte er gar erfahren können, „daß die Herren Herausgeber“ (im übrigen gilt das auch für unsere Damen) nicht einmal denken, „daß Bands wie LAIBACH rechtes Gedankengut aufweisen.“ Und das obwohl und da würde er uns sicherlich Recht geben die Gedanken auch bei uns frei sind.

Erst meint der DJ verkünden zu müssen, was er darüber zu wissen vermutet, was wir meinen, anschließend zieht er Bilanz: „So etwas kann nur passieren, wenn man als Journalist nicht in der Lage ist, zu recherchieren„. Genau! Aber was ist eigentlich passiert?

Auf seine Recherchen, die er vermutlich mit der Glaskugel betreibt (das meinen wir jetzt nur, behaupten würden wir so etwas nie!), geben wir nicht soviel. Einen Ratschlag kann er allerdings haben. Und der ist auch noch von ihm selbst: „Auch Herausgeber von Fanzines haben eine gewisse journalistische Verantwortung, die aber hier völlig außer acht gelassen wurde„.

Genau das meinen wir auch!

Vielleicht sollte er sich mal mit Dirk Hoffmann treffen, um sich darüber auszutauschen, wie aus Tatsachen Meinungen und aus Meinungen Tatsachen werden?

Wissen und Leidenschaft

Die jüdische Philosophin Hannah Arendt beschrieb diese deutsche Neigung zur „Verwandlung der Realität in bloße Möglichkeit“ als einen Aspekt von Realitätsflucht. Hannah Arendt war während des Nationalsozialismus zunächst nach Frankreich, später in die USA emigriert. Sie war Beobachterin des Eichmann-Prozesses und prägte den Begriff „Die Banalität des Bösen“ (in: H. Arendt – Eichmann in Jerusalem). Über ihren Deutschland-Besuch im Jahre 1950 stellte sie fest:

Der wohl hervorstechendste und auch erschreckendste Aspekt der deutschen Realitätsflucht liegt jedoch in der Haltung, mit Tatsachen umzugehen, als handle es sich um bloße Meinungen. Beispielsweise kommt als Antwort auf die Frage, wer den Krieg begonnen habe – ein keineswegs heiß umstrittenes Thema – eine überraschende Vielfalt von Meinungen zutage. (…) auf allen Gebieten gibt es unter dem Vorwand, daß jeder das Recht auf eine eigene Meinung habe, eine Art Gentlemen’s Agreement, dem zufolge jeder das Recht auf Unwissenheit besitzt – und dahinter verbirgt sich die stillschweigende Annahme, daß es auf Meinungen nun wirklich nicht ankommt. Dies ist in der Tat ein ernstes Problem, nicht allein, weil Auseinandersetzungen dadurch oftmals so hoffnungslos werden (man schleppt ja normalerweise nicht immer Nachschlagewerke mit sich herum), sondern vor allem, weil der Durchschnittsdeutsche ganz ernsthaft glaubt, dieser allgemeine Wettstreit, dieser nihilistische Relativismus gegenüber Tatsachen sei das Wesen der Demokratie“ (Hannah Arendt: Zur Zeit. Politische Essays. Berlin: Rotbuch 1986, S. 47, Hervorhebungen in kursiv von uns).

Treffender können die Mechanismen von Dirk Hoffmann und den Berliner DJs nicht beschrieben werden.

Ein wahres Juwel in Sachen Umgang mit Tatsachen ist hingegen die Presseerklärung Ecki Stiegs zur Streichung des Programmpunktes „Eine braune Flut?“ bei der Zillo Podiumsdiskussion in Leipzig (nachzulesen in Zillo 7-8/99).

Zeichensprachen und faschistoide Methoden (revisited)

Ecki Stieg spricht von „beängstigenden Entwicklungen (…) bereits im Vorfeld der Planungen„. Er will damit nicht sagen, daß die z.T. beängstigenden Entwicklungen in Sachen Präsenz Rechtsextremer in unserer Szene ihn auf die Idee brachten, eine Diskussion zum Thema zu planen, sondern daß, bevor er überhaupt angefangen hat zu planen, Entwicklungen eingesetzt haben, von denen er „entsetzt“ war. Welche Entwicklungen dies gewesen sein könnten, darüber läßt er die Leser im unklaren, was auch besser für ihn ist. Die Entwicklungen, auf die er sich bezieht, beschränkten sich im Übrigen auf Briefwechsel und Telefonate mit Grufties gegen Rechts sowie Alfred Schobert, an dessen Ende zwei mehr oder weniger freundliche Absagen zur Teilnahme an der Diskussion standen.

Für Ecki Stieg gipfelten die Entwicklungen hingegen „in den Beleidigungen und den unverhohlenen Droh- und Einschüchterungsgebärden von Alfred Schobert“. Ein Schuldiger steht also bereits im ersten Satz seines langen Statements fest:

Alfred Schobert, der einer der ersten war, der sich gleichermaßen kritisch wie fundiert mit der Materie auseinandergesetzt und seine Thesen und Recherchen in zahlreichen Veranstaltungen in der Gothic Szene zur Diskussion gestellt hat.

Doch es gibt weitere Schuldige, die etablierten Medien nämlich: „Der Vorwurf der etablierten Medien, die Szene sei von rechtsradikalen Kräften unterwandert“ ist einer, den er nie erheben würde. Auch würde er das Zillo, dessen Redakteur er ist, selbstverständlich nie zu den etablierten Medien zählen. Ob er Zeitschriften wie die Junge Welt, die Jungle World, die SPEX oder unsere Broschüre zu den etablierten Medien zählt, ist uns leider nicht bekannt. Dort (und auch anderswo) hätte er in den vergangenen Jahren einiges darüber lesen können, was der Szene in Sachen Unterwanderung vorgeworfen wird (und auch, was nicht). Aber er liest anscheinend lieber den SPIEGEL, um sich darüber beklagen zu können, daß „die kaum nachvollziehbare Kritik an den Produktionen von Witt oder Rammstein (…) sehr schnell deutlich werden (ließ), daß viele Kritiker die ästhetische und künstlerische Zeichensprache falsch auslegten oder ganz einfach nicht verstanden„. Im zweiten Absatz seines Statements hat er die Problematik rechtsextremer Unterwanderungs- und Vereinnahmungsversuche dort, wo er sie haben will: bei Witt und Rammstein. Da kann er nämlich schön einfach sagen, daß „viele Kritiker die ästhetische und künstlerische Zeichensprache falsch auslegten“, womit er die Problematik schon zu Beginn seines Statements auf ein Auslegungsproblem reduziert hat. Nicht dumm, der Mann!

Dann zitiert er aus der tatsächlich „kaum nachvollziehbaren“ Äußerung eines Nachrichtensenders zum Littleton-Massaker (er hätte auch die dpa-Meldung zum Thema Gothics nehmen können, die war noch lustiger) und bezeichnet sie als „falsch“ und „diffamierend“ – wer wollte ihm widersprechen?

Im Gegensatz zu dem Nachrichtensender NTV ist Ecki Stieg natürlich gut informiert, obwohl er sich keineswegs „als ‚Papst‘ oder ‚Guru‘ dieser Szene“ sehen will. Immerhin meint er aber, die Szene paternalistisch in Schutz nehmen zu müssen:

Dem Vorwurf, es würde sich hierbei (gemeint ist die Gothic-Szene) um eine unkritische, am politischen Geschehen uninteressierte Szene handeln, kann ich keinesfalls zustimmen.“ Damit hat Stieg das Problem abermals verlagert, von dem „die Genregrenzen sprengenden Erfolg solcher Künstler wie Rammstein oder Joachim Witt“ zu den etablierten Medien, schließlich auf die gesamte Szene. Ein Vorwurf gegen die schwarze Szene, den er natürlich so nicht stehen lassen kann (wir übrigens auch nicht, – für Alfred Schobert gilt das gleiche, wie jeder nachlesen kann, der sich die Mühe macht, seine Texte zu lesen). Dabei geht er soweit zu behaupten, unsere Szene würde sich „mit politischen und gesellschaftlichen Fragen weitaus mehr auseinander(setzen), als dies in einer anderen Jugendkultur der 90er Jahre zu beobachten ist“. Das halten wir nun doch für ein bißchen übertrieben und selbstgefällig, liest sich aber nett und geht runter wie Öl.

Dann spricht er – immerhin sind wir jetzt in der Mitte des Textes angelangt – doch noch von Unterwanderungsversuchen. Doch die kommen nicht nur von rechts. Sondern, natürlich, auch von links. Die „von außen als ‚unpolitisch‘ gewertete Attitüde (der Gothic-Szene) hat in der Vergangenheit immer wieder linke und rechte Kräfte auf den Plan gerufen, diese Szene zu infiltrieren oder zu unterwandern.“ Was allerdings kein Problem ist, da „dies nicht einmal im Ansatz geschafft wurde“. „Im Rahmen des Zillo-Podiums wäre es mir darum gegangen„, schreibt Stieg weiter, „diese Mißverständnisse aufzuklären„. Ein feiner Diskussionsleiter ist das, dem es darum geht, seine Meinung (!) zu verbreiten, in dem er über „Mißverständnisse“ aufklärt. Wozu er die anderen Gäste, deren Statements er moderieren sollte, dann überhaupt eingeladen hat, ist unklar. Ebenso fraglich ist, wie er überhaupt auf die Idee kam, darüber diskutieren zu wollen, „wie man Unterwanderungstendenzen in der Szene begegnen kann„, wo diese Tendenzen doch „nicht einmal im Ansatz“ vorhanden sind und ohnehin lediglich auf „Mißverständnissen“ beruhen. Vielleicht weil er „der Gegenseite“ ermöglichen wollte, „berechtigte Kritik zu üben“. Mit der Gegenseite sind wohl wir (bzw. Alfred Schobert) gemeint. Da wir aus unserer Gegnerschaft zu Leuten wie Josef Klumb keinen Hehl machen, Ecki Stieg uns aber als Gegenseite bezeichnet, könnten wir unterstellen, Stieg sähe sich auf der anderen Seite, nämlich auf der von Josef Klumb. Stieg jedenfalls meinte es gut mit uns und wollte den Grufties gegen Rechts (oder Alfred Schobert) ermöglichen, „ihre Vorwürfe direkt zu adressieren“. Schöne Scheiße das. Wenn wir unsere Vorwürfe an jeden pissigen Kleinstadtnazi direkt adressieren müßten, wären wir leider bis ans Ende unserer Tage damit beschäftigt, mit irgendwelchen kleinkarierten Rassisten zu diskutieren und ihnen unsere Vorwürfe um die Ohren zu schlagen. Schön ist das nicht, was Ecki uns da ermöglicht hätte.

Daß Josef Klumb in und außerhalb der Szene sehr umstritten ist, war mir durchaus bewußt„. Weniger bewußt war ihm jedoch, daß es nicht nett ist, Leute wie Campino, Gabi Delgado, Joachim Witt oder einen Rammstein-Vertreter podiumstechnisch mit einem organisierten Neonazi an einen Tisch zu setzen. Da fühlt sich der ein oder andere vielleicht doch in eine Ecke gedrängt, in die er nicht hingehört. Zwar gibt Ecki Stieg auch zu, daß man zu Josef Klumbs Werk und Wirken „durchaus kritische Worte verlieren kann„, einen „rechtsextremen Funktionär“ vermag er in ihm selbstverständlich nicht erkennen. Dafür entdeckt er aber „die gleichen faschistoiden Methoden“ bei den Kritikern Klumbs, womit er immerhin Josef Klumb ”faschistoide Methoden” zuschreibt, was er aber vermutlich nicht einmal merkt. Die Kritiker jedoch wenden nicht nur ”faschistoide Methoden” an, sie erklären ihre „Feinde für ‚vogelfrei'“. Wer mit Josef Klumb nicht diskutieren will, der will ihn an den nächsten Baum hängen.

”Wir-” Gefühle und Alien Sex Friends

Nervig an Ecki Stiegs Statement ist, daß er eine Logik von „Eigenem“ und „Fremdem“ aufbaut, die verdammt an die Logik von Nationalismus und Rassismus erinnert. Auf der einen Seite steht eine nette „Wir-Gruppe“, die Gothic-Szene (die in Stiegs Statement meist zur „Gotik“-Szene eingedeutscht wird). Die hat zu kämpfen mit fiesen Vorwürfen, die von „Außen“ kommen: von den etablierten Medien oder von Alfred Schobert, der hinterhältigerweise kein Gothic ist (Die Grufties gegen Rechts fallen aus diesem Schema allerdings völlig heraus, weshalb sich Ecki wohl lieber auf Alfred Schobert einschießt). Daß das Medium, in dem er seinen Unsinn verzapfen kann, das Zillo, ebenfalls zu den „etablierten Medien“ gehört bleibt ebenso unbeachtet wie die Tatsache, daß die Berichterstattung in einigen der etablierten Medien (dem Spiegel z.B.) zwar oft zum Kotzen, aber häufig immer noch kritischer als die des Zillo ist. Und hätte Ecki Stieg die Artikel von Alfred Schobert jemals gelesen, hätte er zudem bemerkt, daß dieser „den etablierten Medien“ durchaus sehr kritisch gegenüber steht, übrigens gerade auch, was diffamierende Berichterstattung und Pauschalverdammungen der Gothic-Szene angeht (nachzulesen etwa in „Auf Teufel komm raus“ oder in „Geheimnis und Gemeinschaft“, DISS-Internet-Bibliothek).

Es gäbe genug Grund, die unglückliche Endlos-Geschichte des Zillo im Zusammenhang mit dem rechten „Kulturkampf“ einmal kritisch aufzuarbeiten. Immer nur auf andere zu zeigen und berechtigte Kritik weit von sich zu weisen (Ecki spricht in diesem Zusammenhang von „schwarzen Schafen“, die immer „als symptomatisch für die ganze Szene“ porträtiert würden), ist ein schlechter Anfang.

Am Ende seines Statements bedauert Stieg: „Schade, daß sie (die Diskussion) nicht stattfindet“.

Über die Gründe, warum, hat er in seinem langen Text kein einziges Wort geschrieben.

(da die Erklärungen vom Zillo und von Joachim Witt sich inhaltlich nicht besonders unterscheiden, gehen wir hier nicht gesondert auf sie ein).

GRUFTIES GEGEN RECHTS / MUSIC FOR A NEW SOCIETY

Diese Broschüre erschien im Sommer 1999, Auflage 5000