Gothic Friday Mai: Ich predige Selbstwertgefühl und mag keine Fotos von mir

In den späten 80ern habe ich Fotos gehasst. Ich bin jedem Bild aus dem Weg gegangen, habe mich weggedreht oder gar nicht erst teilgenommen. Vielleicht ist mein Vater so ein bisschen schuld daran, denn der liebte das Fotografieren und so mussten ich, bis zu meinem 15. Lebensjahr etwa, bei jeder Gelegenheit die Nase in die Kamera halten. Robert auf dem Berg, Robert im Wald, Robert und die Kuh, Robert mit seinem Wanderstock, Robert schlecht gelaunt, Robert im Freibad. Mit Beginn der persönlichen Freiheit, selbst in Urlaub zu fahren, habe ich dann Kameralinsen konsequent gemieden und das mit dem Bilder knipsen als Jugendlicher einfach mal für uncool erklärt.

Heute ärgere ich mich darüber, denn aus meiner Zeit als junger Erwachsener, mit den unzähligen Haaren, makelloser Haut und einem atemberaubenden Körperbau fehlt so gut wie jede Dokumentation. So bleiben nur Beteuerungen, wie schön ich damals gewesen bin.

Zu allem Überfluss habe ich dann auch noch die schwarzen Gefilde für rund 15 Jahre verlassen und in bunten Klamotten, mit furchtbarem Haarschnitt und völlig lächerlichen Schuhen will ich mich noch nicht einmal selber sehen, von einer Präsentation in der Öffentlichkeit ganz zu schweigen.

Ganz abgesehen davon habe ich mich gefragt, warum die Resonanz zum aktuellen Thema bis jetzt so dürftig ausfällt. Ist die Selbstdarstellung nicht irgendwie ein Teil unseres Daseins? Machen wir uns nichts vor, Gothics haben sich immer schon herausgeputzt, ob in den frühen 80ern oder heute. Das Schaulaufen auf der AGRA anlässlich des Wave-Gotik-Treffens gehört irgendwie dazu. Sei es als Laufender oder als Beobachter. Und auch für die, die jetzt energisch den Kopf schütteln und abwinken, seid ehrlich: alle putzen sich für besonders gruftige Anlässe heraus.

Roberts dunkle Vergangenheit
Schwarz ist man von Innen heraus! Ein Bild von mir (rechts), irgendwann in den 00ern während meiner „bunten“ Phase. Ganz exklusiv für Euch.

Und wer jetzt immer noch mit dem Kopf schüttelt gehört dann möglicherweise zu den Resignierten, die aufgrund irgendeines merkwürdigen Körpergefühls meinen, dass sich das alles sowieso für sie nicht mehr lohnt. Sind ja sowieso alle viel schlanker, schöner, jünger, faltenfreier, größer, kleiner, androgyner oder begabter. Vielleicht gehört ihr auch zu den Mittelfeldspielern, die sich zwar herausputzen und stylen, aber sich einfach nicht trauen der gruftigen „Elite“ das visuelle Wasser zu reichen. Das Leben ist einfach so: es gibt immer einen, der Dir toller vorkommt als du. Es ist aber auch frustrierend, wenn du einem 20 jährigen begegnest, der nicht nur ein Händchen für seine Haare hat, sondern auch noch sein Baby-Popo-Gleiches Gesicht kreativ mit Schminkkünsten verziert. Zu allem Überfluss sind die dann auch noch mit androgynen Körpern und einem tollen Klamottengeschmack gesegnet!

Ihr merkt schon: Ich predige Selbstwertgefühl und komme mir selbst ziemlich dämlich dabei vor, weil Fotos von mir nicht mag und durch ständige Grimassen versuche, von meinen Defiziten abzulenken.

Abgesehen davon sind das natürlich alles Oberflächlichkeiten. Ernsthaft! Grufti (oder Gothic) zu sein passiert nicht Außen, sondern Innen. Deshalb ist es mir auf völlig egal, wie gruftig jemand aussieht oder sich kleidet, was zählt sind Wellenlänge, Wertvorstellung, Weltanschauung und Interessen. Für mich ist das so. Deshalb ist auch jemand, der in olivgrünen Cargo-Hosen zum Spontis-Treffen kommt, genauso gruftig wie jemand, der sich von Kopf bis Fuß in Latex hüllt. Gut, mein Geschmack ist das nicht, aber da unser Leben von Oberflächlichkeiten bestimmt wird, ist der erste Eindruck immer ein wenig anstrengend. Das ist manchmal wie mit unappetitlichem Essen. Sieht komisch aus, hat eine merkwürdige Konsistenz und riecht auch noch ein bisschen eklig, entpuppt sich dann aber als Gaumenschmaus. Und dann ist der erste Eindruck auf einmal nicht mehr so wichtig.

Geht auch andersrum. Da kann der Teller noch so kunstvoll verziert, die Zutaten noch so raffiniert drapiert und der Geruch noch atemberaubend sein, wenn es scheiße schmeckt, hilft das gut Aussehen auch nicht weiter. Moment, jetzt muss ich doch nochmal das Ursprungsthema lesen um mich daran zu erinnern worum es geht.

Welche Accessoires sind unumgänglich? Pikes. 2014 habe ich es mal mit Stiefeln probiert, steht mir nicht so.
Styling-Vorbilder und Inspirationen? Die 80er. Aus wenig etwas machen. Die damalige Mode zweckentfremden und zum Styling machen.
Wie hat sich mein Stil über die Jahre verändert? Gute Frage. Ich bin wohl etwas sicherer im Umgang mit mir selbst geworden und dank einer liebevollen Ehefrau auch immer Selbstbewusster. Unten gibt es dann Bilder, da könnt ihr selbst urteilen.
Wie würde ich mich gerne herrichten, gäbe es keine Hindernisse? Ich denke, ich hätte mehr Piercings im Gesicht und würde noch figurbetontere Sachen anziehen.

Zur letzten Frage habe ich ja irgendwie ausreichend Stellung bezogen. Glaub ich. Vielleicht sollte ich noch hinzufügen was ich damit zum Ausdruck bringen wollte. Macht mit! Zeit Euren Style, so langweilig und unaufregend, unpassend und hässlich ihr euch auch vorkommt. Das ist nämlich völliger Quatsch. Auch rein äußerlich. Außer Uniformen. Die find ich doof und sind hässlich ;-) Erklärt, was Styling für Euch bedeutet oder zeigt uns, welche Talente und Fertigkeit ihr euch hinsichtlich Eures Äußeren angeeignet habt. Ich wäre ja neugierig, wie der ein oder andere von Euch so völlig „casual“ aussieht und wie er sich dann verwandelt. Oder wie Ihr Euch so in den letzten Jahren auf dem WGT gezeigt habt. Also immer her mit den Bildern!

 

 

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Yorick
Yorick (@guest_52251)
Vor 7 Jahre

Also ich persönlich finde dich 2013 am schicksten;)

Mone vom Rabenhorst
Vor 7 Jahre

Ich feiere das (WGT 2014-Bushaltestellen)- Stiefelbild…. XD

Donna-Clara
Donna-Clara (@guest_52259)
Vor 7 Jahre

In diesem Text finde ich mich wieder.
Fotos von mir empfinde ich als Horror. Da macht man sich zurecht, 5 Minuten später knipst einer ein Foto von dir und du denkst: bitte gleich wieder löschen. (Den neumodischen Kameras sei Dank!)
Wenn ich mich so umschaue, bin ich sozusagen die Jane Doe der schwarzen Szene. Alles Mittelmaß: durchschnittliche Größe, durchschnittliches Gewicht, sogar Schuh- und Körbchengröße sind durchschnittlich. :-) Aber zumindest in einem unterscheide ich mich zu den „Normalbürgern“: ich trage IMMER schwarz, seit über 20 Jahren. Zum darüber hinaus gehenden „Auffallen“ fehlt mir des nötige Selbstbewusstsein.

Flederflausch
Flederflausch(@flederflausch)
Vor 7 Jahre

Haha, das war /ist in meiner Familie auch so. Jedes Kind hier, und jedes Kind da und dann alles zusammen, mit Papa, mit Mama, mit beiden, mit Oma, mit mütterlicher buckeliger Verwandtschaft, mit väterlicher buckeliger Verwandtschaft usw. und diese Fotos können nicht einfach gemacht werden. Nein da wird arrangiert, der perfekte Lichteinfall ausgenutzt, verschiedene Einstellungen durchgegangen usw. Und am Ende, ja, am Ende sehe ich doch immer auch wie zugedröhnt oder mit Gesichtsmuskelfasching :D

Ich finde es übrigens faszinierend, wie du deinen eigenen Stil entwickelt hast und doch auf den verschiedenen Fotos immer so anders aussiehst.

Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Vor 7 Jahre

Das 2014er-WGT-Stiefel-Bild jetzt mal ausgenommen, könnte man meinen, Du hättest die Reihenfolge Deiner Fotos chronologisch vertauscht. Witzigerweise erscheinen die neueren Fotos so, als wären sie ganz früher entstanden – und die älteren Bilder eher neueren Datums. Einfach deshalb, weil Du immer ein bisschen weiter in Richtung Oldschool-Look gegangen bist.
Tja, wirklich schade, dass es keine ganz alten Aufnahmen gibt. Mein Vater hat auch immer viel fotografiert, aber das fanden wir Kinder toll und wir waren immer neugierig darauf, wie die Fotos geworden sind. Dank ihm habe ich noch eine ganze Menge Bilder aus meiner schwarzen Frühzeit. Später hatten wir dann phasenweise keinen Kontakt, da nahm die Bildqualität dann leider ab, weil weder ich noch meine Freunde sich damals mit Fotografie auskannten.

NorthernNephilim
NorthernNephilim (@guest_52269)
Vor 7 Jahre

Ich gehe mit Tanzfledermaus vollkommen D’Accord: Je neuer die Bilder desto jünger der Robert aussieht. Spontis hält jung! :)

Donna-Clara
Donna-Clara (@guest_52271)
Vor 7 Jahre

Danke, Robert! :-)
Ich käme mir wohl auch ziemlich verkleidet vor, wenn ich jetzt auf Biegen und Brechen etwas „Ausgefallenes“ anziehen würde. Da wären wir wieder beim Stichwort Authentizität, die unter diesen Umständen leiden würde. Ich bin ich. Das ist schon ok so. Bisschen mehr Mut zum „extremeren“ Augen-Make Up würde ich mir selber wünschen, aber da habe ich einfach kein Händchen für.

Rena
Rena(@normanormal)
Vor 7 Jahre

Ich finde du wirkst auf den Fotos immer authentischer, als würdest du immer mehr zu dir finden, deshalb wahrscheinlich auch zufriedener und jünger…
Ich selbst ärgere mich auch oft so wenige Fotos aus meiner Jugend zu haben, wenn mir doch mal eins in die Hände fällt bin ich ganz verwundert warum ich damals nicht zufrieden mit mir war! Aber ich bin nachwievor fotoscheu, weil ich heute selten ein Bild von mir gut finde… sehe ich in zehn Jahren wahrscheinlich wieder anders ; )

Fogger
Fogger (@guest_52276)
Vor 7 Jahre

Ich mochte ebenfalls nie fotografiert werden. Es gibt ein Urlaubsfoto mit der Familie (ohne Vater, der knipste ja) wo klein Andreas sich das Fernglas vor die Augen hält …. Das mag ích heut noch :-)
Aber insbesondere aus dem Alter zwischen 16 und 21 vermisse ich heute Fotos und bedauere es sehr, das so gut wie keine vorhanden sind.

Zur schlechten Resonanz beim aktuellen Thema, kann ich meine Sicht beschreiben. Mit dem WGT hab ich soviele tolle Menschen kennen gelernt und neue Eindrücke gewonnen, das zu verarbeiten dauert etwas. Außerdem hab ich mir die letzten und kommenden Wochen so voll geplant, das ich gar net in einen Gruftschuppen zum Tanzen komme :-)

Biggi
Biggi (@guest_52283)
Vor 7 Jahre

Die Entscheidung fuer Schwarz ist so schön, weil ich mich von da an von nicht mehr viel ablenken lassen muss. Von da an ist es Kunst, keine Anpassung, keine Oberflächlichkeit, nur ich. Und aus dem, worauf ich mich beschränke, entsteht Neues, sehr Kreatives. Wie Leben aus Tod – und andersherum.Das wichtigste ist, sich selbst zu finden (und wir erkennen uns doch am besten in unserem Gegenueber). Und wenn wir auch als verschlossen, geheimnisvoll, beängstigend oder unnahbar erscheinen, so sind wir. Keiner kann uns das nehmen. Liebe Grüße an alle, die im Inneren schwarz aber trotzdem wundervoll und voller guter Taten und Hoffnungen sind.

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