2002: Der Rheinische Merkur über das WGT in Leipzig – „Eine schleichende Bewegung“

Düstere Gestalten wecken Assoziationen: Sind es Satanisten? Oder Nazis? Ganz falsch sind die Vorwürfe nicht, ganz richtig jedoch auch nicht.“ 2002 beschäftigt sich der rheinische Merkur – eine christlich konservative Zeitung, die seit 2010 nicht mehr herausgegeben wird – mit der Grufti-Szene und untertitelt den Beitrag: „Der Popstrom erfasst irgendwann jeden: Was sich einst als Untergrundkultur formierte, ist heute kommerzialisiert und zersplittert.“ Das machte mich neugierig, titelte die Zeitung doch bereits vor 13 Jahren von dem, was man der Szene seit dem nahezu jährlich vorwirft. Es geht um das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig, das 2002 rund 15.000 nach Leipzig lockte. Erstaunlich kritisch, sachlich und reflektiert setzt sich Autor Andreas Bromba mit den Gruftis auseinander und beschreibt die Szene zur Jahrtausendwende.

Festivals wie das in Leipzig sind eine große Grufti-Melkmaschine. Alles kostet extra. Oder ist so teuer wie das ICE-Bordrestaurant. Zwei „schwarze“ Jungs aus Schweden in Netzhemd und knöchellangen Männerröcken warten geduldig am Imbissstand in einer der großen Messehallen. Sie entscheiden sich für „Pasta mit Tomatensoße“. Der Imbiss-Mitarbeiter klatscht eine große Kelle Nudeln auf den Teller und kippt rote Flüssigkeit darüber. Die Nudel ersaufen. „Macht dreifuffzig.“ Die Schweden zahlen klaglos und schleichen zurück an ihren Tisch. Und überhaupt – schleichen. In den großen Messehallen des Agra-Geländes schleichen die schwarzen Grüppchen aneinander vorbei. Vom Schmuckstand zum CD-Stand, weiter zum Klamottenstand, anschließend Bücher, Weihrauch und Fotos gucken. So richtig Stimmung will nicht aufkommen. Außerdem hagelt es Verbote: Keine Würstchen auf dem Zeltplatz, Durchgang verboten, keine Getränke mitnehmen, hinten anstellen, keine Fotoapparate, Taschen herzeigen, Kofferraum öffnen. Kahlköpfige Ordner setzen rabiat jede Anordnung durch. […] Eigentlich ist alles verboten, nur Geldausgeben nicht.

Und tatsächlich. Viel verändert hat sich offensichtlich nicht in den letzten 13 Jahren. Nun ja, eigentlich muss ich eingestehen, dass sich sehr viel verändert hat, zum negativen. Mittlerweile ist ganz Leipzig eine schwarze Messehalle. Jeder Einzelhändler versucht seinen Teil vom Kuchen einzustreichen. Die Gruftis bringen Geld nach Leipzig, viel Geld. 4,2 Millionen Euro waren es 2013. Wir sind schon lange nichts mehr fremdes und eigenartiges, dass sich Bürger und Händler der Stadt nicht erklären konnten. Heute sind wir eine Attraktion.

Ein älteres Ehepaar aus der thüringischen Provinz schielt auf eine „Dame in Schwarz“. Es gibt was zu sehen: hochhackige spitze Schuhe, Netzstrumpfhose, darüber schwarzer Minirock. Recht luftig. Oben Lack-Top. Die Haare sind schwarze dazwischen rosa Strähnen. Die Blicke wandern rauf und runter, plötzlich bleiben sie kleben: da – ein Totenkopf an einer Halskette. Also doch – Satanisten! Die Frau guckt unter ihrem runden Urlauberhut ihren Mann vielsagend an. Er nickt zur Bestätigung. Das Fernsehen hat recht, Gruftis sind Satanisten. „Die sind an ihrem schlechten Image selbst schuld.“ DJ Ralf sieht das so. „Viele sind einfach verbohrt“. Also vor einigen Monaten das junge Ehepaar Ruda wegen Mordes – nach angeblich satanischen Ritualen – verurteilt worden war, kamen viele Gruftis angereist und verkündeten vor Kameras: „Das sind unsere Helden!“ Ach, die schwarze Szene.

Im Folgenden schildert Bromba, wo die Wurzeln der Szene liegen und wie die Gruftis begannen, die äußere Rebellion der Punks in eine innere Rebellion zu transformieren. Mitte der 80er dann der Höhepunkt, bis mit dem Fall der Mauer neuer Schwung in die Szene kommt und neue Musikrichtungen, wie beispielsweise die „Neue deutsche Todeskunst“ in die Szene drängen.

Nun ist es aber eine andere Szene, die erwacht. Es ist keine relativ geschlossene Gruppe mehr. Ein gemeinsames politisches Anliegen gibt es nicht. Der allgemein Stil-Mischmasch der Neunziger erfasst auch die ehemalige Dark-Wave-Szene. Gruppen wie Death in June aus England, benannt nach der Liquidierung der SA-Führung im Sommer 1934, verbreiten germanische Mythologie und NS-Symbolik unter den jetzt eher unpolitischen „Schwarzen“. Bald darauf sind es Ministry und Rammstein, die die Szene umkrempeln: schnelle, harte Gitarren-Rythmen – Musik wie aus dem Presslufthammer. Ende der neunziger Jahre tritt das französische Projekt „Die Form“ eine Sadomaso-Lawine los: Ein Mann mit schwarzem Ledermantel und Gasmaske betritt die Konzertbühne. Eine als Krankenschwester verkleidete Frau kommt hinzu, zieht sich aus, räkelt sich auf einem OP-Tisch. […] Das Publikum ist baff. Nach dem ersten erstaunen greift ein Teil der Gruftis den neuen Trend auf, umgekehrt finden SM-Anhänger ihren Weg in die Clubs der Gotik-Szene.

Ein undurchsichtiges Gebilde aus Stilen und Einflüssen bildet heute die „schwarze Szene“. Längst ist es unmöglich geworden allgemein für die „Gothics“ zu sprechen. Von der ursprünglich „Trauer“ und der Provokation christlich-symbolischer Werte ist nicht viel geblieben. Immer mehr Stile und Musikrichtungen suchen ihr zu Hause in der Szene, das WGT kann die Bandbreite kaum noch darstellen, geschweige denn differenzieren. Der Zusammenhalt, den die DDR-Bürger nach dem Fall der Mauer in die Szene brachten, ist verbraucht. Die Mitte der Ellbogen-Gesellschaft ist auch bei den Gothics angekommen. Diskussionen um Toleranz und Intoleranz bestimmten das Szene-Leben.

Und so wundert es mich auch nicht, dass das Fazit von damals auch heute noch gilt: „Das Festival in Leipzig ist zu Ende. 15.000 gehen, 100.000 turnen weiter. Das Massenspektakel zeigt: Die äußere Schale dieser Jugendkultur ist für viele wichtiger geworden als deren Inhalt. Im Jahr 2002 ist „Schwarz“ nicht mehr gleich „Schwarz“. Die heutige schwarze Szene ist wie ein offenes Haus mit vielen Wohnungen, deren Bewohner sich zwar grüßen, ansonsten aber nicht viel miteinander zu tun haben.

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Animus
Animus (@guest_50281)
Vor 9 Jahre

Ich hab mich gerade über

„Das Festival in Leipzig ist zu Ende. 15.000 gehen, 100.000 turnen weiter.“

gewundert.
Hä, wer turnt denn auf dem WGT? Und dann fiel mir ein das 2002 mein erstes WGT war und ich da zusammen mit meiner Schwester, die im Sportverein war und am Sportfest auch organisatorisch teilgenommen hat, durch die Innenstadt gezogen bin. Gerade 2002 war ein schönes Zusammensein von Sportlern und Goten. :) Ich denke das war der Anfang davon das die Goten eine akzeptierte Geldquelle für Leipzig wurden.

Wombel
Wombel (@guest_50290)
Vor 9 Jahre

Ja, es war ein denkwürdiges Treffen, das 2002er. Turner und Schwarze teilten sich einträchtig Straßenbahnen und Cafe`s. Aber nicht nur deswegen bleibt es in Erinnerung. Nach Einschätzung vieler und auch von mir so empfunden, war es das letzte WGT, bei dem die alte Stimmung aufkam. Alle waren froh, daß das Chaos-WGT zwei Jahre vorher, nicht das Ende von selbigem bedeutet hatte. Aber irgendwie war es nach 2002 nicht mehr wie vorher.

Flederflausch
Flederflausch(@flederflausch)
Vor 9 Jahre

Nach Einschätzung vieler und auch von mir so empfunden, war es das letzte WGT, bei dem die alte Stimmung aufkam.

Alte Stimmung inwiefern? Kannst du dich da irgendwie spezifizieren? Was würdest du heute als anders beschreiben? Was fehlt dir? etc…
Ich hab da jetzt keinen Vergleich^^

Wombel
Wombel (@guest_50304)
Vor 9 Jahre

Ja, ich möchte zumindest versuchen, es zu erklären. Vielleicht war es verkehrt, meine Empfindung an dem Jahr 2002 festzumachen. Andere, die ähnliches empfanden, haben den Eindruck vielleicht schon 1998 oder erst 2004 bekommen. Kommerzverweigerung, Anarchischer Spaß und Verwurzelung der Leute in der DDR-Punk/Wave und Nach-Wende-Indie-Szene waren auf dem WGT lange Zeit noch fühlbar. Nach 2002 aber immer weniger, dafür wurde es scheinbar immer wichtiger, einem medial vorgegebenen Bild nachzueifern, wie man als Grufti zu sein hat. Es war auch früher alles nicht so augenfällig darauf ausgerichtet, den Szeneleuten auf Teufel komm raus das Geld aus der Tasche zu ziehen. Kommerz gab es natürlich schon vor 2002, aber die Bereitschaft sich diesem zu verweigern, war früher größer. Geld ausgeben war auf dem alten WGT noch Nebensache. Auch wollte man damals noch unter sich bleiben. Kam irgendwoher einer mit einem Fotoapparat, dann drehte man sich demonstrativ weg. Heute setzt man sich dagegen noch extra in Pose. Naja, meine Zeilen lesen sich vielleich gerade furchtbar spießig und früher-war-alles-besser-mäßig. Ich weiss aber nicht, wie ich es anders beschreiben könnte.

Flederflausch
Flederflausch(@flederflausch)
Vor 9 Jahre

Danke für diesen Einblick :)

Nach 2002 aber immer weniger, dafür wurde es scheinbar immer wichtiger, einem medial vorgegebenen Bild nachzueifern, wie man als Grufti zu sein hat.

Wie sich die zeitliche Entwicklung da voll zogen hat kann ich nur aus theoretischer Sicht nachvollziehen, um solche Vergleiche zu ziehen bin ich zu jung. Ich teile allerdings deine Ansicht, dass in dieser Zeit, Mitte der 00er, als ich zur Szene kam, es sehr wichtig war, wie man sich darstellte. Das ist natürlich auch etwas, was für junge Menschen eine furchtbar wichtige Rolle spielt in diesem Alter, trotzdem hatte ich das Gefühl, dass sich „die (Neu)Gruftis“ in zwei Lager spalteten, die, die ganz cool und individuell waren und coole und angesagte Sachen hatten und die, die so cool waren, weil sie so individuell waren und sich dagegen gewehrt haben. Insgesamt war mein damaliger Eindruck und ist es teilweise auch heute noch, nur kann ich das heute anders betrachten, dass es für viele eben das war, nur eine Modeerscheinung, eine Phase, eine Form der Rebellion an der sie sich irgendwann die Hörner abgestoßen hatten.

Es war auch früher alles nicht so augenfällig darauf ausgerichtet, den Szeneleuten auf Teufel komm raus das Geld aus der Tasche zu ziehen. Kommerz gab es natürlich schon vor 2002, aber die Bereitschaft sich diesem zu verweigern, war früher größer.

Ich denke das mit dem Konsum hängt allgemeingesellschaftlich auch damit zusammen, dass es immer wichtiger wird, seine Identität durch seine Authentizität und Persönlichkeit zu bilden, da andere Verortungskriterien, wie Beruf, Familie, Klasse etc. eine abnehmende Bedeutung haben. Für die Antwort auf die Frage wer man ist, nimmt vor allem die Bedeutung des Berufes immer mehr ab (auch weil Berufe durchlässiger werden und selten noch über ein Leben stabil bleiben) und die Persönlichkeit und die Interessen immer mehr zu. (Nicht das das früher unbedeutend war, aber das ist eine Tendenz, die allgemein diagnostiziert wird, was nicht heißt, dass man sich darüber nicht aus streiten kann). Dazu kommt sicher auch, dass es eben so furchtbar einfach ist, der gleichen Dinge zu bekommen. Man klickt sich rein /geht in den Laden und legt am Ende das Bare auf den Tisch. Der Optionenspielraum ist unglaublich groß, man so vieles.

Geld ausgeben war auf dem alten WGT noch Nebensache. Auch wollte man damals noch unter sich bleiben. Kam irgendwoher einer mit einem Fotoapparat, dann drehte man sich demonstrativ weg. Heute setzt man sich dagegen noch extra in Pose.

Was den letzten Satz angeht stimme ich dir zu, aber gerade hier bin ich der Meinung, dass sich auf dem WGT wunderbare Nischen finden lassen, in denen man „unter sich“ sein kann, in dem es nicht das wichtigste ist, was man trägt und auf wie vielen Fotos man sich schon verewigen konnte. Darüber hinaus stellt sich mir die Frage, ob diese ganze Fotografiererrei nicht irgendwie auch ein Ausdruck unserer Zeit ist, abgesehen davon, dass es überhaupt diese Möglichkeit dazu gibt, ständig ein Foto machen zu können, scheint mir, das die Tendenz alles ins Netz zu stellen, dazu führt, das alles erst als „wirklich/echt“ empfunden, wird, wenn man es beweisen kann. Wenn man zeigen kann, ich war da, ich hab das und dies und die anderen „liken“ – sie finden das toll. Hartmut Rosa würde jetzt sagen, dass ist die Suche nach Ressonanz… (Ich hoffe man kann das jetzt verstehen und ja, es ist sehr verallgemeinernd und diskutabel.)

Beatrice
Beatrice (@guest_50313)
Vor 9 Jahre

Der Autor hat ja leider so recht. Ich stimme jedem Wort zu und möchte gar nichts hinzufügen. Ausser, dass ich, wenn ich das WGT besuche ganz ohne Festivalticket auskomme und mit den Parallelveranstaltungen die weitgehend gartis sind ganz ausgefüllt bin. Dazu kommen bestimmte Attraktionen Leipzigs, wie die Friedhöfe und die Sixtina, in der man Konzerte auch ohne den Konsumzwang miterleben darf.
Zum Wohnen bin ich zwangsweise ziemlich bescheiden, kostet ja schon der Anflug eine Menge. Ich suche mir übers Couchsurfing-Portal oder die Gothic-Gruppen im Internet eine Wohnmöglichkeit die zwischen 0 und 20,-€ kostet. So lerne ich auch jedesmal nette neue Menschen kennen.
Ausserdem folge ich dem Beispiel der Alternativangebote und hab vor 5 Jahren das jährliche Gothic-Treffen in meiner Wahlheimat Mallorca ins Leben gerufen, das, wenn es nach mir geht auch alternativ bleiben wird. Dabei tritt selbstverständlich immer wieder das Problem auf, dass alle Musiker eine Gage oder doch wenigstens eine Entschädigung für ihren Auftritt erwarten. Und das ganz zu Recht, denn seit ich selbst Gittare spiele weiss ich, wieviel Mühe und auch Geld (fúr die Ausrüstung und die Lokalität)drin steckt, bis man gut genug ist um auftreten zu können und den Ansprüchen der Zuhörer zu genügen.

Flederflausch
Flederflausch(@flederflausch)
Vor 9 Jahre

@Robert: Was die Selbstdarstellung angeht wirst du wohl Recht haben. Mal ehrlich, mir macht das teilweise doch auch Spaß^^ und in gewisser Art und Weise kann darin teilweise auch einiges an Kreativität enthalten sein (oder eben auch nicht, das ist jetzt wieder die feine Unterscheidung und Frage nach der Authentizität…). Darüber hinaus ist doch jedem Menschen seine Außenwirkung irgendwie wichtig, sei es die durch die konkrete Äußerlichkeit oder die Ausstrahlung durch die Persönlichkeit.

Gegen wen rebellieren den die heutigen “Gothics”? Alles ändert sich. Auch die Feind- und Freundbilder. Rebellion 2015 gilt dem (eigenen) Geschlecht, der Ellbogengesellschaft und den immer steigenden Anforderungen in Beruf und Familie.

Ist der letzte Satz die Antwort auf die von dir gestellte Frage oder allgemein gültig?
In dem Zusammenhang würde mich interessieren wer hier gegen was rebelliert, so ganz persönlich. Ich für meinen Teil ja gegen allgemeinegesellschaftliche Normen und Konventionen, die mir vorschreiben wollen, wie ich zu sein und mein Leben zu leben habe, was ich zu denken, empfinden und gut/schlecht zu finden habe. Ja, darin enthalten ist auch die Rebellion gegen die von dir beschriebenen Punkte.
Was du sagt trifft aber meiner Meinung nach auch über mein persönliches Empfingen hinaus sehr gut.
Teilweise hab ich jedoch das Gefühl, dass „die schleichende Bewegung“ für jüngere Generationen nicht mehr so attraktiv als Rebellionsausdruck ist. Vielleicht treffe ich generell nur auf zu wenig junge Menschen, aber mein ganz subjektiver Eindruck beim letzten WGT (und auch so im Alltag) war, wie wenig wirklich junge Menschen da waren.

Irmin
Irmin (@guest_50346)
Vor 9 Jahre

Ich bin durchaus positiv überrascht, wie vernünftig sich dieser Artikel liest. Nicht nur dafür, in welcher Zeitung er erschienen ist.

Allerdings, dass ein Autor einer christlich-konservativen Zeitung Veränderungen und Wandel suspekt gegenübersteht und mehr oder minder aus den Zeilen klingt, wieso denn nur nicht alles so bleibt wie es angeblich immer war, ist schon weniger überraschend.

Nun ist ja nicht der Stillstand der „natürliche“ Zustand, sondern die stetige Veränderung. Selbstverständlich kann man versuchen, den Status quo (bzw. jetzt wohl eher einen Status ante) zu konservieren, aber das halte ich für wenig zielführend. Zumindest in seiner Gesamtheit. Und es ist ja nicht so, dass die Ecken, in denen man sich wohl und zu Hause fühlen kann, nicht mehr existieren. Ja, die Szene ist vielfältiger als früher, was auch bedeutet, dass man in ihr Aspekte findet, die einem nicht so zusagen. Das war früher vermutlich anders. Ich sehe darin nur kein Problem. Ich konzentriere mich auf das, was mich interessiert und lasse die anderen Spaß mit Anderem haben. Selbst, wenn bestimmte Teile der Szene nicht ganz mein Metier sind, so kann man doch hier und da immer wieder interessantes Neues entdecken.

Ich kann die entsprechenden Kommentare von Flederflausch und Robert nur unterstützen. Auch ich verstehe diese immer wiederkehrenden Argumente gegen das WGT nicht, es sei zu „kommerziell“. Wir leben nun mal, ob wir wollen oder nicht, in einer kapitalistischen Gesellschaft, und so sehr man sich auch gerne von der Mehrheitsgesellschaft abkoppeln will und kann, hat man allenfalls dann überhaupt keine Berührungspunkte mehr mit ihr, wenn man allein im Wald lebt.

Und dafür, dass das WGT nicht von irgendeiner (bzw. von genau einer) Biermarke „präsentiert“ wird, die Tickets nicht mehr Werbung als Sonstiges enthalten und alle Bühnen werbefrei gehalten werden, sind die Tickets in der Tat erstaunlich günstig. Außerdem ist es wohl das einzige verbliebene einigermaßen große Festival, bei dem man die auftretenden Künstler nicht Jahre im Voraus prognostizieren kann, weil es immer dieselben sind. Von denen mich dann gerne auch mal null interessieren, was für ein „Szenefestival“ irgendwie schon erstaunlich ist.

Flederflauschs Art der Rebellion kann ich viel abgewinnen. Wobei ich mich so manches mal frage, ob ein „Warum?“ als Antwort auf eine Äußerung, „man“ mache jetzt dieses und jenes auf diese Art und Weise schon Rebellion ist. Anscheinend ja schon, wenn man sich so umschaut. Traurig eigentlich.

Irmin
Irmin (@guest_50357)
Vor 9 Jahre

Gute Fragen, Robert. Aus meiner ganz persönlichen Sicht kann ich deine erste Frage bejahen. Um das mal einfach am WGT festzumachen: Da fühle ich mich definitiv wohl und zugehörig, und zwar nicht nur, wenn ich uniformierte Neofolker sehe ;) (Nur, damit keine Missverständnisse aufkommen: Von Uniformen halte ich nicht so besonders viel.)

Die „Splittergruppen“ sind aus meiner Sicht aber auch gar nicht so getrennt, wie das für mich in deinem Beitrag klingt. Sicher, man wird bei Neofolkbands mehr „typische“ Neofolker sehen, bei Goth-Rock-Bands mehr klassische Gruftis (wenn ich das so sagen darf :)) und so weiter. Die mögen sogar die absolute Mehrheit bilden, aber ich war eigentlich ziemlich überrascht, wie divers das Publikum bei den Konzerten ist. Ich hätte das tatsächlich noch „geteilter“ erwartet.

Und jeder wird sicherlich eine bevorzugte Ecke in der schwarzen Szene haben, aber das heißt ja nicht, dass man nur und ausschließlich Musik aus der Ecke hört. Da kommt man dann automatisch mit anderen „Ecken“ in Berührung. Es fühlt sich vielleicht nicht ganz an, als sei man zu Hause – aber doch zumindest, als sei man bei einem sehr guten Freund zu Gast… jedenfalls für mich :)

Irmin
Irmin (@guest_50371)
Vor 9 Jahre

Toleranz? Das passt für mich als Begriff hier ehrlich gesagt gar nicht. Toleranz ist für mich eine mehr oder minder neutrale Haltung gegenüber Leuten, mit denen ich eigentlich nichts zu tun habe. Oder gar haben will, wobei das schon wieder fast zu negativ klingt.

Dass dieser Minimalkonsens für die Szene gelten soll, hoffe ich doch nicht. Sicher, ich finde nicht jeden nur deswegen großartig sympathisch, weil er oder sie sich schwarz anzieht. Aber ein Dazugehörigkeitsgefühl ist für mich weit mehr als nur Toleranz. Allerdings wirkt diese deine Bemerkung auch leicht mit Ironie versetzt ;)

Und was die Splittergruppen angeht: Vollkommene Zustimmung, Robert. Ich glaube aber auch wie gesagt gar nicht, dass die überhaupt so ausgeprägt sind – vielleicht sogar viel mehr „optisch“ als dass es da eine tatsächliche, „gelebte“ Trennung gäbe. Selbst auf den Metalkonzerten beim WGT sieht man ja bei weitem nicht nur Metalheads, und da besteht ja doch so etwas wie eine Feindschaft (oder so) ;)

Da lasse ich meine Intoleranz doch viel lieber an den vielen Schlagerbands aus, die sich in der Szene so tummeln…

Flederflausch
Flederflausch(@flederflausch)
Vor 9 Jahre

Deinen Eindruck was das WGT angeht kann ich leider nicht teilen, dass liegt vielleicht an einer verschobenen Wahrnehmung (nicht böse gemeint). “Ältere” Gothics übernachten bei Freunden, in Hotels oder Pensionen, essen Abends im Restaurant, frühstücken im Cafe und treiben sich erfahrungsgemäß mit eher gleichaltrigen Zeitgenossen herum. Plätze wie der Zeltplatz beispielsweise, tauchen in meiner Wahrnehmung kaum noch auf und eben dort tummeln sich gerade jüngere Gothics. Oder?

Das mit der verschobenen Wahrnehmung kann durchaus so sein^^ Ich zweifel da gerade echt etwas dran. Sicher sind mehr jüngere auf dem Zeltplatz, die Älteren habe ich da aber auch nicht vermisst und sooo jung (also jung bezog sich in meiner Wahrnehmung auf ein Stück jünger als ich, also 21 und jünger) war der Rest auch nicht. Ich merke gerade wie sehr standpunktsbezogen meine Bezeichnung von jung war/ist und das ich mich evtl. etwas unklar ausgedrückt habe was das angeht.
Das beschäftigt mich jetzt schon irgendwie…werde wohl bei den nächsten Veranstaltungen / beim nächsten WGT eine kleine private Beobachtungsstudie anstellen und mich auf die Suche nach heute „gut besuchten“ Foren und Facebookgruppen machen um einen anderen (ja, ebenfalls sehr selektiven) Überblick zu bekommen und möglicherweise meinen Eindruck zu revidieren.
Vllt, hat da jemand noch ein Gefühl zu, dass er mitteilen möchte…

Irmin
Irmin (@guest_50374)
Vor 9 Jahre

Um dein Gefühl mal etwas zu unterstützen, Flederflausch: Ja, dass der Altersschnitt beim WGT doch eher hoch ist, habe ich auch so empfunden. Und ich bin 27 (huch, wie sich das anfühlt, das so auszuschreiben… schrecklich), da ist meine Wahrnehmung vermutlich sogar noch etwas nach „oben“ verschoben ;)

Flederflausch
Flederflausch(@flederflausch)
Vor 9 Jahre

Deine Vermutungen erscheint mir durchaus plausibel Robert. Was allerdings die anderen Festivals angeht fehlt mir schlicht ein Referenzerlebnis.

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