Mein schaurig schönes Tagebuch – Episode 3: Höfliche Homophobie

Liebes Tagebuch, neulich sprach ich mit einem guten virtuellen Freund über mögliche Themen für eine kritische Auseinandersetzung mit dieser unserer Szene. Ich warf das Stichwort „Homophobie“ in den Raum und hoffte auf feurige und unterstützende Resonanz. Zugegeben, mein eigener Standpunkt war mir so sonnenklar, dass ich gar nicht auf die Idee gekommen bin, eine andere Meinung zu hören. So schoss meine Euphorie ins Leere: Natürlich, so entgegnete mein Gegenüber, gäbe es bei den Gothics Homophobie, schließlich bildet die Szene „auch nur einen Schnitt durch die Gesellschaft“ daher war dieses Thema für ihn gar nicht feurig, wie ich es mir erhofft hatte. Aus Mangel an Gegenargumenten wusste ich nicht, was ich dazu schreiben sollte und begnügte mich zunächst damit, andere Themen vorzuschlagen. In meinem Kopf rumorte es aber fürchterlich: „Schnitt durch die Gesellschaft“ Hallte es durch die geistigen Hallen – „Pah!„, sagte das Herz erbost, „der spinnt doch! Wir sind anders, außergewöhnlich und hintergründig!“ – „Blödsinn…„, entgegnete der Verstand lapidar, „…er hat völlig recht. Gothic ist allenfalls eine schwarze Feierkultur von den gleichen Homophoben Spinnern die du in jeder Fußgängerzone triffst.“ – Das Herz fiel dem überheblich wirkenden Verstand ins Wort: „Goth bewahre! Wir sind ein tiefgründiges Sammelbecken für Andersartigkeit, deshalb fühle ich mich doch so wohl!“ Und während sich der Verstand und das Herz so zankten, fühlte sich ein paar Etagen tiefer der Bauch immer unwohler. Erst als er sich zu heftiger Übelkeit hinreißen ließ, schenkten ihm die Streithähne Aufmerksamkeit. „Einigt euch bitte endlich. Das macht mich ganz bekloppt.

Natürlich hat mein virtueller Freund recht, doch diese Tatsache stimmt mich traurig. Wollten wir nicht anders sein? Tragen wir nicht schwarz, weil wir alles das, was uns an der „normalen“ Gesellschaft stört ablehnen? Ist die Szene nicht ein schwarzes Becken voller introvertierter Spinner, depressiven Nihilisten und latenten Misanthropen? Verhüllten wir nicht einst unsere Körper in langen schwarzen Gewändern um den Blick vom unwesentlichen Abzulenken?

Das letzte WGT empfand ich als homophobe Katastrophe. Ich erinnere mich gut an die kleinen Messerstiche die ich aufschnappte. „Was wollen DIE denn hier?“ – „Die gehören nicht zu meiner Szene.“ – „Was hat denn das mit Gothic zu tun?“ Ich weiß noch wie verstört ich war, als ich realisieren musste, dass es manche Leute ernst meinten. Die andere Seite machte es unterdessen nicht besser, denn die aufwendig gestylten „Genderfucker“ in ihren Reifröcken echauffierten sich offensichtlich über einen alternden Herrn der selbstzufrieden in einem schwarzen Kleid, Nylonstrümpfen und höllischen High-Heels über die Agra stolzierte. Selbstverliebte Arschlöcher. Ja, wir sind eine visuelle Szene, in der Outfit, Kleidung, Make-Up und Schmuck eine zentrale Rolle spielen. Das will ich auch gar nicht aus der Welt räumen, denn ein extremes „Zurechtmachen“ ist für mich stilprägendes Element der Gothic-Szene. Aber was für eine Rolle spielt die geschlechtliche Identität? Ist es nicht völlig egal ob jemand dick oder dünn, Mann oder Frau oder was auch immer ist? Ist das Spiel mit dem Geschlecht nicht sogar ein Merkmal der Szene?

Die Höflichkeit an der Sache

In der Tram machen die Gothic immer Platz für ältere Menschen, sie stehen brav in der Schlange vor den Kassen, prügeln sich nicht und pöbeln auch nicht rum. Ich fand es immer schon toll, wenn man höflichen Menschen begegnete. Ich glaube, das habe ich von meiner Mutter, denn die war selbst in größtem Stress höflich, auch zu dem Busfahrer der sie einst anbrüllte, als ich mich als 7-jähriger partout nicht in den Bus ziehen lassen wollte. Mit jedem neuen Jahrzehnt, dass seit dieser Zeit verstrichen ist, wurden die Menschen unhöflicher. Die Arbeitswelt erzieht uns zu verbitterten Einzelkämpfern. Die einzige Gemeinsamkeit sind die Schlagzeilen der BILD, die dazu animieren sich gemeinsam über den Steuerbetrug eines Fußball-Club Präsidenten aufzuregen. Jahr für Jahr habe ich es als Wohltat empfunden, über Pfingsten von so höflichen Menschen umringt zu sein!

Sollte es das gewesen sein? Ist Höflichkeit der einzige Codex der sich zwischen unzähligen Musikstilen, Subkulturen und Splittergruppen finden lässt? Sind wir höfliche Homophobe?

Geht alle weg. Verschwindet mit eurer geheuchelten Höflichkeit. Wir wäre es mit echter Toleranz gegenüber allen Menschen in der Szene und gelebter Intoleranz gegenüber dem „Schnitt durch die Gesellschaft“. Höflichkeit ist auch eine Maske, eine Maske hinter der man sein wahren Emotionen verbirgt. Höflich und freundlich lächelt man dem schwulen Gothic-Paar zu während man sich hintergründig fragt „Muss das denn sein?“ Manchmal denke ich, dass ich mich ziemlich lächerlich damit gemacht habe den Cybergothics ein eigenes Refugium schmackhaft zu machen. Oder meine anfänglichen Erklärungsversuche der Gothic-Szene. Wie ich alles relativiert habe. „Eigentlich sind wie gar nicht so anders wie normale Leute.“ Von manchem Text den ich der Öffentlichkeit andrehte, wird mir heute noch schlecht. Lasse ich aber alles drin, wir wollen ja ehrlich bleiben und gelegentlich tut es gut, aus seinen niedergeschriebenen Fehlern zu lernen.

Haut ab! Bleibt mir mit euren komischen und eingefahrenen Ansichten von Geschlecht, Identität und Sexualität vom Leib, ihr könnt eure Meinung gerne eintuppern. Beim Sex ist alles erlaubt, was einem selbst und beiden gefällt. Welches Geschlecht man dabei hat, ist mir völlig egal. Liebe kennt kein Geschlecht. Gerade in der Gothic-Szene sollte man sich ernsthaft Gedanken darüber machen, wohin die Reise gehen soll. Gothic ist für mich auch die Freiheit so zu sein, wie man ist. Gothic ist für mich, das Innerste auch visuell nach außen zu tragen. An alle Leute, die mir vordergründig höflich begegnen und sich nachher über mich aufregen, weil ich so tuckig bin, Damenstrumpfhose trage oder High Heels liebe: Verpisst Euch! Bitte. Wir wollen ja höflich bleiben.

Öfter habe ich schon überlegt, endlich mal einen vernünftigen Beitrag über dieses ganze Homophobie-Ding zu schreiben. Ich wollte aufklären und erklären, zeigen und darstellen. Bin ja selbst ein winzigklitzekleinesbisschen Queer. Aber mit viel Wohlwollen bin ich nur halb betroffen und finde mich wohl eher irgendwann in dem älteren Herrn wieder, der über die Agra stolziert. Dann traf ich Izzie Adams. Izzie hat eine Geschichte und er weiß sie zu erzählen, Izzie ist jung, tiefgründig und hat das nötige Feuer. Ich habe ihn gebeten, als Gastautor über seine Erfahrungen und seine Gedanken zu schreiben. Ich bin sehr froh, dass er zugestimmt hat. Ich freue mich auf morgen, denn da hat er Premiere.

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Izzie Adams
Izzie Adams (@guest_49307)
Vor 10 Jahre

Oh weh, oh weh, nun macht sich Aufregung breit *gg*

– ich würde gern eine (wenn auch schriftlich formulierte) Standing Ovation zum besten geben. Sehr schöner Beitrag, besonders weil man diese harschere Ausdrucksweise so kaum von dir kennt, Robert :)
Und ich kann mich dem Ganzen nur restlos anschließen. Vielleicht müssen wir einfach auch mal etwas lauter, etwas deutlicher und weniger relativierend sein. Hin und wieder. Mit der nötigen Höflichkeit ;)

Scyllarus
Scyllarus (@guest_49309)
Vor 10 Jahre

Ich kann nur rundum zustimmen! Und es ist nicht zu harsch, sondern einfach klar und (oh wie ungoth) ungeschminkt. Und bin gespannt auf morgen …

Kathi
Kathi(@kathi)
Vor 10 Jahre

Ich find den Beitrag echt gut.
Höflichkeit ist eben nicht immer höflich wke du sagtest.
Danke für die deutlichen Worte und ich bin gespannt auf morgen.

Libbit
Libbit (@guest_49311)
Vor 10 Jahre

“Ist das Spiel mit dem Geschlecht nicht sogar ein Merkmal der Szene?“ Sehr gut.
Ich bin ebenso gespannt auf morgen…

orphi
orphi(@orphi)
Editor
Vor 10 Jahre

Ich hoffe, dass ich jetzt die richtigen Worte finde, um das auszudrücken, was ich WIRKLICH meine, sonst steckt man mich hier ganz schnell in die falsche Ecke. Ich habe auch auf dem letzten WGT mehrmals gefragt „Was machen die denn hier?“ Allerdings ging es mir dabei überhaupt nicht darum, dass Männer Frauenkleider tragen oder Geschlechter verwischen. Ich meinte Männer, deren – so wirkte es zumindest – Hauptaugenmerk nicht auf „Gothic“ lag, sondern darauf, das Fest einer (vermeintlich?) toleranten Szene dazu zu benutzen, den „Fetisch Frauenklamotten“ spazieren zu tragen. Sprich: Die Outfits und die Gesamterscheinung hatten nichts mit Gothic zu tun. Ich hatte den Eindruck, dass es sich irgendwie rumgesprochen hat, dass Gothics „Geschlechter verwischen“ und dass viele Nicht-Gothics das zum Anlass genommen haben, einen Fetisch-Ausflug ins schwarze Leipzig zu planen. Das ist in der Tat nicht meine Szene – genauso wenig wie die „Krankenschwester“ in weißem Latex mit rotem Kreuz, der Cyberhannes mit Knicklicht oder der blutverschmierte Bettlakenzombie. Ob die Leute nun homosexuell, heterosexuell oder irgendwas-sexuell oder asexuell oder blablabla sind, ist mir vollkommen egal. Das geht mich nix an und sagt nichts darüber aus, ob ich sie nett finde oder nicht. Dennoch: Auf dem WGT und auf Szene-Veranstaltungen liebe ich Grufti-Gothic-Ästhetik und ein schwarzer Rock, schwarze Perücke und High Heels machen noch keinen Grufti – bei Männern nicht und bei Frauen auch nicht. Ach ja… ich freue mich ebenfalls sehr auf Izzies Gedanken und Berichte <3

Und Herr Forst: Du wirst als alter (noch älterer) Mann brav in Pikes oder in Gesundheits-Docs übers WGT laufen. High Heels kannst du woanders anziehen, wo es besser passt. Dafür stehe ich mit meinem Namen…oder so ähnlich ;-)

Pitje
Pitje (@guest_49313)
Vor 10 Jahre

Ist man direkt homophob, weil man über die trashigen Transen, die jedes Jahr zahlreicher beim WGT auftauchen den Kopf schüttelt? Ich denke nein. Vielmehr glaube ich, dass das übertriebene Toleranzdenken die Szene immer mehr verwässert hat. Die Cyber-Thematik ist ja oben schon mal abgesprochen worden. Auch wenn es manche Gutmenschen hier verwundern wird, aber auch als schwuler Grufti, können einem alte, halbnackte, schlecht geschminkte Männer, die die schwarze Szene nur dazu nutzen, ihr Andersartigsein auszuleben, echt auf den Keks gehen. Wie Orphi nämlich richtig erwähnt, haben die nämlich in den meisten Fällen mit der Gothic-Kultur aber auch rein gar nichts am Hut.

Izzie Adams
Izzie Adams (@guest_49314)
Vor 10 Jahre

Ich hoffe, dass ich jetzt die richtigen Worte finde, um das auszudrücken, was ich WIRKLICH meine, sonst steckt man mich hier ganz schnell in die falsche Ecke.

Also ich für meinen Teil verstehe, was du sagen willst, Orphi und ich stimme dir im Grunde absolut zu. Das einzige, was mir bei sowas immer im Hinterkopf schwirrt ist die leise Frage: Woher weiß man denn, dass genau DIESE Person nicht erst vor kurzem die Gruftie-Szene für sich entdeckt hat und sich einfach noch nicht besser optisch auszudrücken weiß?

Ist man direkt homophob, weil man über die trashigen Transen, die jedes Jahr zahlreicher beim WGT auftauchen den Kopf schüttelt?

Homophob ist man per Definition, wenn man Hass und Intoleranz gegenüber homosexuellen Menschen empfindet und demonstriert. Deine Aussage der „trashigen Transen“ klingt für mich daher eher transphob, mit Verlaub.
Im Ernst, muss man gleich mit Begriffen wie „Transe“ um sich werfen, wie es der gemeine Volksmund ständig zelebriert?
Auch hier einfach mal der selbe Gedankenanstoß wie ich ihn zu Orphis Kommentar abgegeben habe ;)

kleine Eule
kleine Eule (@guest_49315)
Vor 10 Jahre

Orphi, Du hast es gut ausgedrückt und soweit würde ich Dir auch zustimmen.

Vorab. Ich mag Menschen die „ihr eigenes Ding“ machen, ich mag „verrückte, ungewöhnliche Menschen“ mit „seltsamen Stilen“. Was Sex betrifft verstehe ich die gesellschaftlich vorherrschende Engstirnigkeit auch nicht, erlaubt ist was gefällt.
ABER: Es scheint zur Regel geworden zu sein, alles was anders ist „in den Gothic-Topf“ zu stecken, eben um eine Rechtfertigung zu haben und dann zu sagen „Jaaaaaaaaa………xyz ist TOTAL die ESSENZ von Gothic!“. Und wenn ich mich dann in „Gothicforen“ als Schwarze schon dafür seltsam „virtuell ankucken“ lassen muss dass ich NUR Schwarz trage, frage ich mich, wo es noch hinführt. Ich frage mich, ob die Offenheit gegenüber anderen Lebensstilen nicht „der Todesstoß“ war oder ob sich die Leute „denen ursprünglich die Szene gehört hat“ das irgendwann einfach nicht mehr gefallen lassen und sagen „Schluss damit!“ und man „die Kurve noch bekommt“.

Versteht mich jetzt aber bitte nicht falsch. Wenn jeder sein Ding leben würde, dann wäre die Welt ein wesentlich besserer und friedlicherer Platz weil alle zufriedener wären. Mir geht es nur darum, dass die Leute, die eben anders sind, nicht versuchen sollen sich in irgend ne Schublade zu pressen (egal welche) sondern einfach zu sagen: „JA DAS BIN ICH!!!“. Nicht weil man Goth oder Satanist oder HipHoper oder sonstwas ist, sonder weil man MAN SELBST IST!!!

Sorry wenn ich vom Thema abgeschweift bin aber der Anschluss bot sich sehr an.

Gerne möchte ich aber auch nochmal etwas zu diesem Höflichkeitsding schreiben. Ich finde, da muss man schon unterscheiden. Wenn man an das 19. Jahrhundert denkt, so kann man auch nett sagen „Sir, sie haben mich aufs Tiefste verletzt und ich fordere Genugtuung“ ohne dabei unhöflich und barsch im Tonfall zu werden. Genau so kann man auch sagen was man denkt und meint ohne andere Menschen zu verletzen. Das heißt unter Umständen nicht ausführlich zu werden in Ausführungen zum Beispieln. Oder eine höfliche Formulierung für die eigenen Gedanken zu finden. Aber warum sollte man jemanden verletzen wenn man es nicht muss? *rhetorische Frage*. Und ich denke wie es ist RICHTIG verletzt zu werden – das weiß so ziemlich jeder und kann sich vorstellen wie mies es sich anfühlt. Man kann auch nett formulieren was man denkt und in ruhigem Tonfall sprechen – oder virtuell eben es nett formulieren was man denkt. Ohne beleidigend und unsachlich zu sein. Erlichkeit? UNBEDINGT. Unhöflichkeit? Auf keinen Fall.

orphi
orphi(@orphi)
Editor
Vor 10 Jahre

Woher weiß man denn, dass genau DIESE Person nicht erst vor kurzem die Gruftie-Szene für sich entdeckt hat und sich einfach noch nicht besser optisch auszudrücken weiß?

Es ist absolut möglich, dass man hierbei ab und an irgendwelchen Leuten Unrecht tut (übrigens auch Frauen in Frauenkleidern und Männern in Männerkleidung). Wichtig ist im Zusammenhang mit dem Thema jedoch, dass es bei der Ablehnung um Ästhetik und nicht um Homophobie geht. Und wie die kleine Eule richtig sagt: Dann kann ich ehrlich und höflich sagen: Find ich nicht schön.

Oder um es anders auszudrücken: Wenn jemand in Jogginghose ins Theater geht, ist das einfach unpassend – auch wenn er ein netter Kerl ist.

Acricola Heimgang
Acricola Heimgang (@guest_49317)
Vor 10 Jahre

Ich kenne auch mehrere „homophobe“ Schwule, Pitje. Nicht jeder möchte vornehmlich über seine Sexualität definiert und dazu gedrängt werden, diese möglichst expressiv nach außen zu tragen. Das gilt auch für Heterosexuelle mit einem etwas ausgefalleneren Liebesleben, bestimmten Fetischismen usw. und hat auch rein gar nichts damit zu tun, dass man sich als Homosexueller verstecken müssen sollte. Dass allerdings etwa beim Gothictreffen (verbale) Angriffe auf sich an den Händen haltende oder sich küssende homosexuelle Grufties verbreitet wären, habe ich so noch nicht wahrnehmen müssen. Orphi, ich unterschreibe jedes Wort!

Acricola Heimgang
Acricola Heimgang (@guest_49318)
Vor 10 Jahre

Im Ernst, muss man gleich mit Begriffen wie “Transe” um sich werfen, wie es der gemeine Volksmund ständig zelebriert?

Ohne jetzt der große Auskenner zu sein, hätte ich in dem Wort „Transe“ nicht per se einen pejorativen Begriff gesehen. Ähnlich wie das ursprünglich abwertende „schwul“ wird „Transe“ doch inzwischen auch als – meinetwegen ironische – Selbstbezeichnung gebraucht, jedenfalls wenn man von den aus den Medien bekannten Transvestiten und Dragqueens verallgemeinert.

Frau Fledermaus
Frau Fledermaus (@guest_49319)
Vor 10 Jahre

Guten Morgen,
als gute Bekannte von einigen dieser „trashigen Transen“ möchte ich kurz versuchen zu erklären, wie es dazu kommen kann, dass sich diese bunten Vögel am WGT rumtreiben – die, by the way, im Normalfall (soweit ich sie kenne) stockhetero sind. Mein erstes WGT 2006 (= mein erstes schwarzes Jahr) sah folgendermaßen aus: über einen flüchtigen Bekannten kam ich in eine WG mit mir bisher unbekannten Schwarzkitteln. Nach einer kleinen Futter-Einkaufstour kamen wir zurück in die Wohnung und ich staunte nicht schlecht, als eine perfekt (schwarz gestylte) 2-Meter-Transe (man möge mir den Ausdruck verzeihen) vor mir stand. Sie war/ist ein Freund der WG-Bewohner und war schon 1 oder 2 Jahre vor mir mit von der Partie. Wir hatten ein wunderbares WGT und die meisten aus dieser ersten „WGT-WG“ zähle ich heute zu echt guten Freunden. Ich ließ mich einfach treiben und fühlte mich in der Stadt und in dieser Gesellschaft sofort zu Hause. Die folgenden Jahre folgte eine Tranny der anderen und irgendwann gab es bei den „Damen“ eine feste Gruppe, für die Pfingsten in Leipzig ein fester Termin im Kalender war. Auch für Neutrannys als Gelegenheit, mal 4 Tage das zu tun und zu tragen, was ihnen sonst nur an einzelnen Wochenenden vergönnt ist. Ich hab in den ersten schwarzen Jahren viel von ihnen gelernt: neben Schminken nämlich auch, sich einfach keinen Kopf zu machen, was andere zum Outfit und Auftreten sagen und denken. Sie gaben mir ein ganzes Stück Selbstbewusstsein mit auf den Weg. Im Laufe der Jahre entfernten sich unsere Interessen – Trannytreff am Metstand an der Agra und Uumz-uumz-Clubabende vs. echte schwarze Konzerte und Tanzveranstaltungen. Jeder ging seiner Wege und man traf sich nur noch sporadisch in der MB und am Metstand, manchmal auf Agra-Konzerten. Natürlich redeten wir oft über das Thema Gothic und was ich euch ganz klar sagen kann: das sind keine Grufties, wollen sie auch gar nicht sein. Die beißen nicht, die wollen einfach nur feiern und 4 Tage die „Sau rauslassen“ und eben auch mal bei Tageslicht bestaunt werden. Im Grunde nix anderes als die Zeltplatz-Metaller, wenn auch auf höherem Niveau ;o). Man wird sie auch sicher nicht auf der WWWY-Party oder beim Dunkelromantischen Tanzabend finden. Ebensowenig auf kleinen, richtig schwarzen Konzerten. Wen es stört, der kann dem also ganz einfach aus dem Weg gehen. Ein Geständnis noch von meiner Seite: andersrum geht das auch… Ich hatte schon sehr viel Spaß beim Queerboot in Berlin – als „Biofrau“, ganz in schwarz. Und da ist es mir auch völlig wurscht, ob sich da die eine oder andere „Dame“ drüber beschwert, dass ich da eigentlich nix zu suchen hab. Ich zahle Eintritt und feiere einfach mit – weil es Spaß macht und ich dort Freunde treffe.
Das war jetzt die absolute Kurzfassung – und ein Versuch einer Erklärung. Sorry, falls es am Thema vorbei ging.
Für Interessierte, hier ein Blogeintrag aus Sicht der anderen Seite: http://www.sheila-wolf.de/klassisch-bunte-sinfonien-beim-19-wgt-wave-gotik-treffen-in-leipzig/
Dunkelbunte Grüße
Frau Fledermaus

Death Disco
Death Disco (@guest_49321)
Vor 10 Jahre

Deine Aussage der “trashigen Transen” klingt für mich daher eher transphob

Also ich habe mich köstlich amüsiert. Vielleicht sollte man es mit einem Zwinkern aufnehmen, so wie es Schwarze untereinander tun („Yo Nigger, was geht!?“). Als Bandnamen fänd ich’s schon wieder genial.

Izzie Adams
Izzie Adams (@guest_49322)
Vor 10 Jahre

Es ist absolut möglich, dass man hierbei ab und an irgendwelchen Leuten Unrecht tut (übrigens auch Frauen in Frauenkleidern und Männern in Männerkleidung). Wichtig ist im Zusammenhang mit dem Thema jedoch, dass es bei der Ablehnung um Ästhetik und nicht um Homophobie geht. Und wie die kleine Eule richtig sagt: Dann kann ich ehrlich und höflich sagen: Find ich nicht schön.
Oder um es anders auszudrücken: Wenn jemand in Jogginghose ins Theater geht, ist das einfach unpassend — auch wenn er ein netter Kerl ist.

Jap, genauso sehe ich das auch und ich finde du hast das sehr gut in Worte gepackt, in beiden Kommentaren :)

Ohne jetzt der große Auskenner zu sein, hätte ich in dem Wort “Transe” nicht per se einen pejorativen Begriff gesehen. Ähnlich wie das ursprünglich abwertende “schwul” wird “Transe” doch inzwischen auch als — meinetwegen ironische — Selbstbezeichnung gebraucht, jedenfalls wenn man von den aus den Medien bekannten Transvestiten und Dragqueens verallgemeinert.

Das ist so leider nicht ganz richtig. Ja, es wird oft von z.B. Transvestiten oder Drag Queens benutzt, um den negativen Tonus ins Umgekehrte zu drehen, aber der feine Unterschied ist, ob ich als „Transe“ diesen Begriff für mich selber wähle und Anderen gestatte, ihn zu benutzen weil ich damit klar komme, oder ob jemand ihn abwertend einfach gegen/über mich gebraucht, um ihn eben im Negativen zu benutzen. Ich hoffe das ist so verständlich erklärt *kopfkratz* – es ist eben etwas anderes, ob jemand, der genderqueer lebt diesen Begriff absichtlich provokativ benutzt, oder ob jemand ihn abwertend verwendet. Vielleicht macht meine Sensibilität zu dem Begriff nach meinem heute kommenden Beitrag mehr Sinn. :)
Ich will auch wirklich nur darauf aufmerksam machen, dass es für viele Menschen eben nicht okay ist, so einen Begriff an den Kopf geworfen zu bekommen, da er eben nicht nur EINE Sache (wie schwul = sexuelle Orientierung) betrifft, sondern mehrere (Transvestit, genderqueer, Transsexuell/Transgender, usw.)

Frau Fledermaus – danke für den Einblick, den verlinkten Beitrag werde ich mir mit Zeit und Ruhe definitiv einmal durchlesen da mich das Thema sehr interessiert :)
(und ich fand deine Ausführungen gar nicht am Thema vorbei).

Mone vom Rabenhorst
Vor 10 Jahre

Nun, anscheinend kommt‘s ja hier noch vor Izzie’s Beitrag, auf den wir schon alle gespannt warten, zu der gewünschten fast „feurigen“ Diskussion, vermutlich zur Freude des Verfassers. :-)

Da Orphi ja (mal wieder) exakt alles geschrieben hat, was ich zum Thema vielleicht noch zu sagen hätte, kann ich mir meinen Beitrag sparen.

Ein hier gefallener Satz jedoch ist bei mir hängen geblieben:

”Ist das Spiel mit dem Geschlecht nicht sogar ein Merkmal der Szene?”

Ist es das???

Mal ganz unabhängig davon, ob der EINZELNE gerne „sein Inneres auch visuell nach außen tragen möchte“, weiß ich nicht, ob das ein MERKMAL der SCHWARZEN Szene ist, sich als Mann in Frauenkleidern (beispielsweise) zu zeigen!?

Klärt mich doch bitte auf. Es kann natürlich sein, daß mir da was entgangen ist, weil ich ja ziemlich lange weg vom Fenster (in einer anders extremen Szene ;-) inkl. Tunnelblick) war und das ist mir nämlich jetzt neu. Ich kann ja (leider) meist immer nur von „früher“ sprechen und da war das mit Sicherheit nicht so. (Außer lange Haare und Kutten war da (noch) nicht viel in dieser Richtung.) Vielleicht hat sich das ja geändert. Vielleicht hab ich auch nur einen Denkfehler.

Auf den Veranstaltungen, die ich am WE so besuche, trifft man meist auch Herren in Frauenkleidern. Ich stelle da nicht fest, daß die Herren irgendwie vom Schwarzvolk doof angemacht werden. Sie gehören dazu. Sie sind auch immer in Begleitung (männlich und weiblich) und haben Kontakt zu anderen Gästen.

Über den „einen“ muß ich sicher schmunzeln, den „anderen“ bewundere ich, wie gut er in seinem Styling aussieht und wie er es schafft, auf den hohen Hacken zu laufen. Die Schmunzelei (bei ganz Extremen natürlich auch Lästerei) hat, genau wie Orphi schrieb, immer nur was mit Ästhetik zu tun, nicht aber, ob sie schwul, bi oder was auch immer sind. Das ist mir sowas von latte. Soll doch jeder machen, was er will! Hauptsache er/sie hat/haben Spaß dabei.

Für mich persönlich (als Frau jetzt) ist das aber nix. Männer in Corsagen oder Röcken sind nicht unbedingt meins, rein optisch gesehen. Ich sag das vielleicht auch ein, zwei Mal, weil ich halt immer sage, was ich denke. Dann ist für mich der Fisch (für die Vegetarier: die Möhre) aber auch gegessen.

Anschließend hab ich dann aber auch kein Problem damit, „Herren mit Faible für Frauenklamotten“ so gut ich kann zu „unterstützen“. Beispielsweise während eines gemeinsamen Besuches auf einem Trödelmarkt auf einen gerade entdeckten Stand mit Herrenröcken hinzuweisen etc.

Egal was man im Leben tut, egal ob als Normalo oder als Schwarzvolk:

Man sollte es IMMER aus Überzeugung und Leidenschaft machen und dann auch dazu stehen.
Solche Leute bewundere ich.
Und wenn jemand aus dem Freundeskreis das nicht akzeptiert bzw. lästert: Weg damit!

(Noch einer hinterher, fiel mir grad spontan ein:

”Ist das Spiel mit dem Geschlecht nicht sogar ein Merkmal der Szene?”

Ich gehe jetzt nicht davon aus, daß dieser Satz heißen soll, daß wir in der schwarzen Szene mit unseren Geschlechtern spielen… da mach ich nämlich nicht mit! Ich bin treu! ;-) )

kleine Eule
kleine Eule (@guest_49325)
Vor 10 Jahre

Egal was man im Leben tut, egal ob als Normalo oder als Schwarzvolk:

Man sollte es IMMER aus Überzeugung und Leidenschaft machen und dann auch dazu stehen.
Solche Leute bewundere ich.
Und wenn jemand aus dem Freundeskreis das nicht akzeptiert bzw. lästert: Weg damit!

Liebe Frau B. aus G., das bringt es für mich TOTAL auf den Punkt.
Mit der Verbannung solcher Leute aus dem Freundeskreis ist es vom Kopf aber leider immer einfacher als vom Herz her. „Weg damit“ in direkter Konfrontration ist schon radikal und kann echt böse werden aber wirklich die einzige Lösung, jedenfalls wenn man auf Dauer nicht ständig Streß und Diskussionen über die unterschiedlichen Auffassungen will.

Mone vom Rabenhorst
Vor 10 Jahre

Kleine Eule,

ich bin ja nun schon etwas älter *heul*. Glaube mir, das geht, mit dem Verbannen solcher Leute. Es kommen immer wieder mal Neue ins Leben. Irgendwann passt es dann (besser).

Ich habe mich gerade in den letzten 2 Jahren von sehr vielen Leuten der anderen „Szene“ getrennt. Es kann so befreiend sein, wenn man wieder seine Ruhe hat!

Und auf Diskussionen würde ich mich nie einlassen. Du mußt Dich vor niemandem für Dich/Dein Outfit rechtfertigen. Sag einfach immer: Weil ich es toll finde. Und lass sie dann denken, was sie wollen. Es ist die Mühe nicht wert und was andere über Dich denken sollte Dir grundsätzlich egal sein.

orphi
orphi(@orphi)
Editor
Vor 10 Jahre

Nein, meine Liebe, diesmal bin ich offensichtlich anderer Meinung als Du. Man muss sich auf Diskussionen einlassen, sich und seine Beweggründe erklären. nur so kann man andere inspirieren, sie zum Nachdenken anregen oder auch selber Gedankenanstöße erhalten und seinen Standpunkt und sein Verhalten überprüfen. Das ist anstrengend und manchmal auch vergeblich, aber manchmal eben auch nicht. Und wenn ich alle Leute aus meinem Freundeskreis verbannen würde, die anderer Meinung sind als ich, dann hätte ich keinen Freundeskreis mehr.

kleine Eule
kleine Eule (@guest_49328)
Vor 10 Jahre

@ Frau B. aus G.; Du weißt doch – Frauen werden niemals älter als 29. Also keine Sorge ;) :D

Mein Leben haben mitlerweile auch einige Leute zwangsverlassen *gg* :D
Und natürlich sind ganz viele liebe Menschen dazu gekommen die ich auch nicht mehr missen möchte (um keinen Preis!). Wenn der erste Schritt gegangen ist, ist es einfach den Weg weiter zu gehen…einfach ist es nie, aber die Alternative wäre undenkbar…..Das Leben ist eine Reise. :)

 Orphi: Ich denke da ist es auch immer davon abhängig worum es sich handelt. Die Seele eines Menschen, seine Essenz, die kann man nicht ändern. Man kann anderen etwas vorspielen das man nicht ist, aber das sollte man nicht denn es schadet der Seele und geht nicht lange gut. Und was die Freunde betrifft kommt es immer darauf an, um welche Differenzen es sich handelt und wie schwer die Differenzen wiegen. Manchmal lebt man einfach auch nur in unterschiedliche Richtungen.

Mone vom Rabenhorst
Vor 10 Jahre

Ok, Orphi, vielleicht war ich mal wieder etwas zu extrem in meiner Ansicht und/oder zu schnell mit dem Kommentarabschicken.

In der Regel weiß/merkt man vorher, mit wem sich eine solche „Diskussion“ überhaupt lohnt. Ich ging jetzt von „mir unwichtigen“ Leuten aus, die eh über mich lästern. Da habe ich keine Lust auf Diskussionen sondern „verbanne“ sie. Weil sie mir sowieso gepflegt den Buckel herunterrutschen können. Die will ich auch nicht missionieren, die können mich einfach mal.

Wenn es schon bessere/nähere/wichtigere Bekannte oder Freunde sind, da hast Du natürlich völlig Recht mit den gegenseitigen Gedankenanstößen!

Das, was Du mit Deinem letzten Satz schreibst, habe ich gar nicht gemeint. Es ging nicht um andere Meinungen, sondern um die Akzeptanz jemanden so zu nehmen wie er ist. In diesem Falle jetzt das Outfit/Auftreten.

Wenn jemand mich nicht akzeptiert, wie ich bin, dann …………… adieu. ;-)

Nachtrag:
Eine bestehende Beziehung/Freundschaft lebt doch von verschiedenen Meinungen, über die man sich freuen oder drüber zanken kann.

mela
mela (@guest_49330)
Vor 10 Jahre

Man muss sich auf Diskussionen einlassen, sich und seine Beweggründe erklären. nur so kann man andere inspirieren, sie zum Nachdenken anregen oder auch selber Gedankenanstöße erhalten und seinen Standpunkt und sein Verhalten überprüfen.

Mich stört das „muss„, ansonsten gebe ich dir vollkommen Recht, Orphi.
aber ich kenne auch die Seite, die Mone vom Rabenhorst anspricht. Ich habe neulich erst einen – wie ich dachte – recht guten Freund aus meinem Leben geschlossen, weil von dessen Seite immer nur ein „Schwarz ist scheiße“ und „naja, du bist ja auch psychisch krank. Wenn du gesund wärst, würdest du auch nicht schwarz tragen“ kam. Das war sehr harter Tobak, den ich mir sehr lange anhörte. Seitdem ich aber darunter den Schlußstrich gezogen habe, geht es mir auch wieder besser.
Man sollte sich selber immer bewusst sein, was einem selber antreibt. Man kann es auch anderen erklären. Vielleicht wird es auch toleriert. Selten aber akzeptiert.

Death Disco
Death Disco (@guest_49331)
Vor 10 Jahre

weiß ich nicht, ob das ein MERKMAL der SCHWARZEN Szene ist

Der Waver-Style war eigentlich nicht so recht geschlechterspezifisch. Männlein/Weiblein trugen oft exakt dieselben Klamotten ohne Betonung irgendwelcher Geschlechtsmerkmale. Andererseits könnte man aber auch sagen, dass sich die Weibleins gerne „viril“ gaben. Kurzhaarschnitt, Hosen usw., ziemlich „boylike“. Männer in Frauenkleidern… Sowas war damals eigentlich fast ausschließlich in der Musikszene angesagt, nicht in der Jugendkultur selbst.

Natürlich, so entgegnete mein Gegenüber, gäbe es bei den Gothics Homophobie

Erfahrungsgemäß könnt ich’s mir eigentlich nur im EBM-/Elektro-Sektor vorstellen, da dieser Bereich ja sehr maskulin geprägt ist und schon damals nicht gerade für seine Schwulenfreundlichkeit bekannt war (siehe hierzu auch Interviews von Claus Kruse und Claus Larsen).

Homophob ist man per Definition, wenn man Hass und Intoleranz gegenüber homosexuellen Menschen empfindet und demonstriert.

Homophobie ist eine der unsinnigsten Wortbildungen, die jemals das Licht der Welt erblickten. Als hätte das griechische Präfix „homo-“ per se etwas mit Sexualität zu tun, als hätten Kritiker der gleichgeschlechtlichen Liebe eine Phobie. Da wundere ich mich schon manchmal über die „Fachwelt“ und ihre Neologismen. Xenophobie mag ja durchaus noch einleuchten, obgleich hier schon Phobie nicht sinngemäß übersetzt wird… Aber das?

Es dürfte im Übrigen kaum sonderlich hilfreich sein, die Kontrahenten permanent als eingefahren, zurückgeblieben, spießig u.ä. abzutun. Wer eine tiefgründige Gotenszene fordert, wird sich nicht nur mit niveaulosen Stammtischproleten auseinandersetzen müssen, sondern auch mit der Tatsache, dass es kaum stichhaltige Pro-Argumente gibt. Was will man dem Gegner denn für Argumente liefern, die abseits der ethisch bestimmten Akzeptanz- und Gleichberechtigungforderungen doch kaum vorhanden und wissenschaftlich (Ursachenforschung) nicht einmal durchweg untermauert sind?

Der übliche Verweis auf die Natur („Homosexualität ist natürlich. Schimpansen/Bonobos tun’s ja auch!“) taugt leider wenig. Wer damit argumentiert, sollte nicht vergessen, dass in der freien Natur so allerhand Verhaltensweisen vorkommen, die unter Menschen als Krankheit, sexuelle Störung oder sonstwas eingestuft und sogar geahndet werden. Bis vor 20 Jahren wurde Homosexualität offiziell noch als Krankheit geführt. Ich werde sicher niemandem den Kopf abreißen, wenn er’s auch heute noch tut. Soll doch jeder seine Ansicht dazu haben. Nun von jedem dieselbe Haltung zu fordern, ist mehr als lächerlich. Bedeutend ist lediglich der zwischenmenschliche Umgang. Es gibt noch ein Leben abseits sexueller Orientierungen und Vorlieben.

Izzie Adams
Izzie Adams (@guest_49332)
Vor 10 Jahre

Death Disco – ich schließe mich der Meinung vollkommen an, dass das Wort Homophobie für sich genommen absoluter Unsinn ist.
Widersprechen muss ich allerdings der Unterstellung, ich würde hier irgendjemanden als zurückgeblieben oder dergleichen abtun. Ja, ich bin was dieses Thema betrifft sehr sensibel und in meinen Antworten resolut, das heißt aber noch lange nicht, dass ich hier irgendwem Intelligenz abspreche.
Ganz im Gegenteil sogar.

Was deinen letzten Absatz betrifft muss ich sagen dass er auf mich persönlich sehr …wie soll ich es sagen… – er wirkt, als möchtest du es dir mit dem Thema ganz einfach machen. So ein wenig nach dem Motto „Betrifft mich nicht, sollen sie halt auf den Kopp kriegen und als krank bezeichnet werden, ich bin’s ja nicht.“
Wenn ich das falsch interpretiere entschuldige ich mich vorab.
Sicher gibt es mehr als sexuelle Orientierung und Vorlieben. Es macht aber einen Unterschied ob man previligiert ist, weil man heterosexuell, weiß und in seinem biologischen Geschlecht zufrieden ist – oder eben nicht. Solange man aufgrund seiner Orientierung benachteiligt wird, darf es einfach nicht egal sein und lapidar beiseite gewischt werden.

– Eigentlich bin ich hier nur nochmal hingetigert weil ich gerade ganz zufällig über den folgenden, kleinen Blogeintrag gestolpert bin, der meine Stellungnahme von vorher etwas besser erklärt (unter dem Strich steht der Eintrag auch in Deutsch^^):
„Tranny / Transe“

Gruftfrosch
Gruftfrosch(@gruftfrosch)
Vor 10 Jahre

Ich spreche jetzt mal für mich und ich muss sagen, mir hilft es auch sehr, dass ich sowohl schwule, lesbische Freunde/innen habe als auch eine Transfrau im Freundeskreis habe.

Durch intensive und offene Gespräche bauen sich einfach mal Schranken ab, die ich ohne diese vielleicht hätte. Diese Gespräche würde ich so mit einer weitläufigeren Bekanntschaft sehr wahrscheinlich nicht führen. Aber nicht, weil ich die verschiedenen Arten der sexuellen Orientierung ablehnen würde, sondern aus „Angst“ (in Anführungsstrichen, denn wirkliche Angst mein ich jetzt nicht, mir fällt nur grad kein besseres Wort ein) in irgendwelche Fettnäpfchen zu latschen. Das kann ich sonst manchmal nämlich wirklich gut :-/.

Gerade die Transfrau hat sich mit viel Geduld meine Fragen, die ich hatte angehört. Ich habe unglaublichen Respekt davor, wie sie ihren Weg nach einer langen Leidensphase gefunden hat und bin gleichzeitig so glücklich, dass mir so ein Schicksal erspart geblieben ist. Heute ist sie arbeitslos, weil keiner sie einstellen möchte. Natürlich werden fadenscheinige Gründe für die Ablehnung genannt, aber schnell wird klar, dass es einfach die Angst der Arbeitgeber ist, die anderen Leute würden nicht damit klar kommen. Das finde ich traurig und macht mich wütend, denn es zeigt, dass eben trotz angleichender OP dieser Leidensweg nicht zwangsläufig beendet sein muss. Dabei ist sie intelligent, witzig, sozial engagiert usw. Als Mann hatte sie übrigens Arbeit, so viel dazu.

Death Disco
Death Disco (@guest_49343)
Vor 10 Jahre

als krank bezeichnet werden

Du wirst nicht alle Welt vom Gegenteil überzeugen können, zumal diese Einordnung durchaus weit verbreitet war und noch immer ist. Die stammt nicht von Kalle von nebenan, der nach der schweren Arbeit wieder ein paar Biere zuviel geschlürft hat und nun erst mal ’ne Stunde lang gegen Schwule pöbeln muss, sondern war offiziell im ICD-Katalog der WHO vertreten. Erst Anfang der 90er wurde der Eintrag entfernt, höchstwahrscheinlich deshalb – so vermute ich – weil diese Einordnung nicht mehr in den gesellschaftlichen Rahmen passte. Wenn es Dich stört, dass andere sie weiterhin nutzen, liegt es Dir frei, mit entsprechenden Argumenten (soweit überhaupt möglich) zu kontern. Oder wie hattest Du Dir das nun vorgestellt?

ich würde hier irgendjemanden als zurückgeblieben oder dergleichen abtun.

Keine Bange. Der Abschnitt (und auch der darunter) war auch nicht explizit an Dich gerichtet.

Solange man aufgrund seiner Orientierung benachteiligt wird, darf es einfach nicht egal sein und lapidar beiseite gewischt werden.

Gut, hier mag es sicher noch Nachholebedarf geben. Andererseits finde ich es aber auch nicht mehr so dramatisch wie vor 20/30 Jahren. Inzwischen sind wir beim Adoptionsrecht angekommen (und auch hierzu darf sich jeder seine Gedanken machen und auch Bedenken äußern).

Izzie Adams
Izzie Adams (@guest_49344)
Vor 10 Jahre

Du wirst nicht alle Welt vom Gegenteil überzeugen können

Nein, natürlich nicht, das ist mir auch klar.
Genauso wenig wird man 100% der Bevölkerung zur Mülltrennung oder bewusstem Einkauf von tierversuchfreien Produkten bekehren können.
Aber ich finde es genauso verkehrt, gleich den Kopf in den Sand zu stecken und das Problem überhaupt nicht mehr anzugehen.
Wie du schon ganz richtig sagst ist es ja schon lange nicht mehr so schlimm, wie vor 20/30 Jahren – aber von alleine ist das auch nicht besser geworden. Da waren viele Proteste, Aufmärsche, viele Diskussionen und Dialoge notwendig. Und genau darum geht’s doch im Grunde – dass gesprochen und darauf aufmerksam gemacht wird, damit sich überhaupt etwas ändern kann.
Von dem her gesehen bin ich schon recht positiv, dass sich die Situation in weiteren 20/30 Jahren nochmals erheblich verbessert haben wird. Hoffentlich.

Keine Bange. Der Abschnitt (und auch der darunter) war auch nicht explizit an Dich gerichtet.

Es klang ein wenig so, dann ist ja alles gut und ich beruhigt :)

Ich persönlich muss übrigens sagen, dass ich Homophobie oder generell Ablehnung gegen eine Orientierung in der Szene bisher eigentlich nicht erlebt habe.
Im Gegenteil schien mir hier immer eine sehr große Akzeptanz vorhanden zu sein.
Dann wiederum komme ich ja bisher nicht wirklich aus meinem Loch raus, höchstens um ab und zu mal meine Runden auf einer Tanzfläche zu drehen. Mal sehen wie meine Auffassung aussieht, wenn ich dieses Jahr mein erstes WGT hinter mir habe.

Yorick
Yorick (@guest_49346)
Vor 10 Jahre

Der übliche Verweis auf die Natur („Homosexualität ist natürlich. Schimpansen/Bonobos tun’s ja auch!“) taugt leider wenig. Wer damit argumentiert, sollte nicht vergessen, dass in der freien Natur so allerhand Verhaltensweisen vorkommen, die unter Menschen als Krankheit, sexuelle Störung oder sonstwas eingestuft und sogar geahndet werden.

Du hast recht, das Natur-Argument trägt nicht weit. Das taugt allenfalls dazu, Leute zu widerlegen, die das heteronormative Sexualverhalten als das einzig ’natürliche‘ ansehen (auch davon gibt es nach wie vor genug).

Wirklich brauchbar ist in diesem Zusammenhang nur ethische Argumentation. Mein ethisches Credo lautet: „Solange es niemandem schadet, tu was du willst“. Auf das Thema Sexualität übertragen bedeutet das: Was erwachsene Menschen im Einverständnis aller Beteiligten im Bett oder sonstwo treiben ist allein deren Sache. Punkt. Natürlich sollte dabei auch darauf geachtet werden, dass keinem der Beteiligten ein bleibender Schaden entsteht. Deswegen ist, um nochmal auf den Vergleich mit dem Tierreich zurückzukommen, ein gleichgeschlechtlicher Liebesakt in Ordnung, den Partner nach dem Geschlechtsakt auffressen hingegen nicht.

Übrigens finde ich es nicht zweckdienlich, Homosexualität als ’normal‘ hinzustellen, wie es heute krampfhaft versucht wird. Denn das ist sie nicht, schon allein deshalb, weil Homosexuelle gegenüber Heterosexuellen nun einmal statistisch in der Minderheit sind, und es ist nicht davon auszugehen, dass sich das jemals ändern wird. Das Problem ist m.E. nicht, dass Homosexuelle als unnormal gelten, das Problem ist der Normalismus an sich, also die Vorstellung, dass das, was scheinbar alle machen, per se auch das Gute, Richtige und Gesunde ist. Dieses Denken aufzubrechen ist die eigentliche Herausforderung.

Just my 2 Cents
Yorick

Veeja
Veeja (@guest_49371)
Vor 10 Jahre

>Sollte es das gewesen sein? Ist Höflichkeit der einzige Codex der sich zwischen unzähligen Musikstilen, Subkulturen und Splittergruppen finden lässt? Sind wir höfliche Homophobe?
>Geht alle weg. Verschwindet mit eurer geheuchelten Höflichkeit. Wir wäre es mit echter Toleranz gegenüber allen Menschen in der Szene und gelebter Intoleranz gegenüber dem “Schnitt durch die Gesellschaft”.

Ach und „erzwungene Toleranz“ ist da so viel besser? Wenn etwas wirklich geheuchelt ist, dann aufgezwungene Toleranz! Höflichkeit IST gelebte Toleranz, denn sie sagt aus, dass ich das Tun des anderen persönlich vielleicht nicht mag, aber ich achte ihn als Person und Zolle ihm „Respekt“.

Ich persönlich habe nichts gegen gleichgeschlechtliche Liebe und sehe das genau wie du.
>Liebe kennt kein Geschlecht.
Allerdings verstehe ich die ganze aktuelle Aufregung um das Thema nicht.Im Moment kriegen die ganzen Homosexuellen leider die generelle politisch-gesellschaftliche Unzufriedenheit ab, besonders in anderen Ländern wo sogar extra dagegen demonstriert wird, auch von Nichtkatholischen, und wo ich mir nur denke „Gehts noch? Was bilden sich einige Menschen ein anderen zu sagen wie sie leben sollen, obwohl sie niemandem was antun? Und das extra noch herumbrüllen und seine Zeit opfern und dafür rummaschieren. Zu viel Zeit? Keine Hobbys? Keine Freunde?“
Manche Menschen stellen sich selbst aber überproprotional expressiv dar und erwarten dann von anderen, dass sie das gefälligst toll zu finden haben, nerven aber nur damit. Und ja, da denkt man sich dann man halt mal „Muss das sein?“. Ich habe erstaunlich viele homosexuelle Paare im Freundeskreis, besonders Kerle und ein paar legen wirklich ein negatives Klischeeverhalten an den Tag und benehmen sich wie 16-jährige pupertierende Teenager und übetreiben mit sexuellen Kommentaren. Sie sind im Kern sehr liebe Menschen, aber mehr als 3 Stunden kann ich mir das nicht geben und sie wissen das auch. Also schwingen sich beide Seiten aufeinander ein wenn man sich trifft und hat eine schöne Zeit zusammen. Das ist „grundsätzliches ehrliches menschliches Miteinander“. Das bezieht sich auch nicht nur auf nur auf dieses Thema sondern generell auf fast alles.

Und was dein Beispiel vom WGT angeht:
>alternden Herrn der selbstzufrieden in einem schwarzen Kleid, Nylonstrümpfen und höllischen High-Heels über die Agra stolzierte

Wer in auffälligen und aufreizenden Kostümen herumläuft will gesehen werden und sucht die Aufmerksamkeit der Leute und muss dann auch mit ihrem Urteil klarkommen. Auch wenn ich weiß, dass das Beispiel für ein bestimmtes Verhalten des Umfeldes gemeint is, bist du hier gerade selber etwas ungenau und vermischst die Dinge. Nur weil jemand in Kleidung des anderen Geschlechts rumrennt ist er noch lange nicht homosexuell. Und etwas optisch nicht mögen gehört nun mal dazu, mann kann nicht alles mögen (du ganz nebenbei auch nicht, wie man in vielen Artikeln rauslesen kann). Ich denke mir auch oft:

– Knallbunte Cybers in weiß-pinken Outfits auf einem schwarzen Treffen, muss das sein?
– Petplay mit Menschen in Ganzkörperlatextierkostümen, die meinen ungefragt alle über ihre sexuellen Vorlieben aufklären zu müssen. muss das sein?
– Das nervige Geheule und Aufregen der Älteren in spießigster Manier wie besser doch alles früher war, nur weil sie selber zu unflexibel sind sich auf das Neue einzulassen, muss das sein?
– Die zuckersüßen Sweetlolitas mit Kuchenprint auf rosafarbenen Stoff mit babyblauer Spitze auf einem schwarzen Treffen mit der Rechtfertigung es sei ja aus dem Barock, muss das sein?
…. etc.

Aber sage ich etwas dagegen? Nein. Warum? Weil ich höflich bin und Höflichkeit eine Form von Respekt und Anerkennung ist! Wenn ich direkt nach meiner Meinung gefragt werde, werde ich diese ruhig und mit den entsprechenden Argumenten darlegen (natürlich immer offenen und interessiert an neuen Sichtweisen), vielleicht einigt man sich ganz, vielleicht nur in einigen Punkten, vielleicht auch gar nicht. Wenn dabei jedoch ein höflicher halbwegs sachlicher Stil einngehalten wurde, werden beide Parteien trotzdem zufrieden an einen derartigen Austausch zurückdenken, alleine schon wegen der Art und Weise wie er geführt worden ist. Das ist gelebte Toleranz bzw. ehrliches Miteinander und nicht diese pseudomoralische Schlinge die meistens nur verwendet wird um sich als Gutmensch aufspielen zu können und die Unlust/vielleicht auch unterbewusste Sorge/Emphatieunfähigkeit sich auch in andere, einem persönlich nicht so liebsame Standpunkte einzulassen.

> “Einigt euch bitte endlich. Das macht mich ganz bekloppt.“
Danke für diese ehrlichen Einsicht im ersten Abschnitt, der für die Anbahnung des Themas und die Entstehung dieses Artikels sehr wichtig zu seien scheint.

> Tragen wir nicht schwarz, weil wir alles das, was uns an der “normalen” Gesellschaft stört ablehnen?
Es gibt kein gothichaftes „wir“ und auch nicht „die normale Gesellschaft“. Das führst du doch in deinen Artikeln immer wudnervoll vor. Sorry aber bei deisem Bericht merkt man arg, wie sehr dich dieses Thema emotional berührt und wie sehr dich das Verhalten mancher Engstirniger nervt. Ist ja auch absolut okay, geht aber leider auf den sachlichen Gehalt.

>Selbstverliebte Arschlöcher.
Nichts gegen persönliche Meinung und eine einstufende Bewertung bestimmter Geschehnisse, aber je mehr es dich persönlich trifft, desto polemischer und unsachlicher wird dein Stil.

>Mein Tagebuch verträgt auch mal eine harsche Ausdrucksweise. Manchmal tut es gut etwas deutlicher zu werden und es an der nötigen Distanz und Formulierung mangeln zu lassen ;)
Persönlich individuell vielleicht, der Sache hingegen hilft es nicht, im Gegenteil. Durch lautes Geschrei werden Argumente nicht besser.

>Wollten wir nicht anders sein?
Nein, wollen viele nicht. Ich will ein ganz „normaler Mensch“ sein, wie jeder andere auch. Die Arroganz mich abzuheben und als was Besseres/Anderes darzustellen würde ich mir niemals herausnehmen. Am Ende kommt es auf den zwischenmenschlichen Umgang miteinander an und die Prinzipien die man sich selbst für sein Leben aneignet. Manchmal beißt es sich mit den durchschnittlichen Konventionen die in „der Gesellschaft“ vorherrschen, manchmal aber nicht. Alles andere ist optisches Beiwerk. Wobei ich allerdings nicht leugnen kann, dass bei gewissen Gruppierungen/Strömungen gewisse Verhaltensmuster mehr auftreten als anderswo.

>Ist die Szene nicht ein schwarzes Becken voller introvertierter Spinner, depressiven Nihilisten und latenten Misanthropen
Ja ist sie… unter anderem… aber auch voller schwarzromantischer Träumer, ästhetischen Genießern, tanzwütgem düsteren Partyvolk und einfachen Mitläufern, die zwar inhaltlich nicht wirklich mitschwingen aber niemandem was tun, die anderen um ihrer Art willen bewundern und einfach gerne dabei sind. Kommt endlich damit klar! Sei tollerant!

>Izzie hat eine Geschichte und er weiß sie zu erzählen, Izzie ist jung, tiefgründig und hat das nötige Feuer. Ich habe ihn gebeten, als Gastautor über seine Erfahrungen und seine Gedanken zu schreiben.
Ich bin sehr gespannt von ihm zu lesen! :)

Veeja
Veeja (@guest_49571)
Vor 10 Jahre

@Robert Danke das du so schnell auf meinen Kommentar reagierst und ihn anscheinend anregend fandest. Sorry das ich so lange gebraucht habe, aber wenn will ich adäquat antworten und der Eintrag wird sehr lang :D Aber wenn wir schon mal dabei sind, dachte ich „wenn dann richtig“. ;-)Ich hatte schon Sorge und wollte dir auch nicht einen „auf den Deckel geben“, aber diese Thematik liegt mir sehr am Herzen. Bei mir klang die Emotionalität daher auch etwas an, aber auch nur, weil dein Eintrag auch so aufgezogen war bzw. manchmal kann man auf diese Art und Weise vielleicht doch etwas besser und spannender seine Ansichten ausdrücken. Dabei habe ich, wie von dir angemerkt, wohl wirklich etwas zu arg den Tagebuchaspekt in den Hintergrund gestellt. Nichtsdestotrotz erzielt so was bei den Lesern eine Wirkung. Ich habe ja auch geschrieben, dass es okay ist, aber es in diesem Fall halt besonders auffällt und du das sonst etwas eleganter löst. Aber wenn du das so empfindest und so hinschreiben willst ist das natürlich dein gutes Recht. ;-)

Bin ja schließlich auch nur Mensch :-)

Nein du bist DER schwarze Blogger mit DEN besten Beiträgen die ich so vielschichtig, abwägend und gut recherchiert sonst nirgendswo so finde! (ò.Ó)o

Natürlich ist das nicht besser, da hast du vollkommen recht. Deine Sichtweise leuchtet ein und macht mir deutlich, dass wir mit dem Begriff “Höflichkeit” ein unterschiedliche Sichtweise haben.
Bei mir beruht die Ansicht auf schlechten Erfahrungen, wurde doch Höflichkeit vorgespielt, während man “hintenrum” alles andere als höflich war.

Es beruhigt mich sehr, dass du meinen Standpunkt verstehst. Das heißt nicht, dass man ihn mögen oder zustimmen muss, aber zumindest worums mir inhaltlich geht. Ich glaube aber gar nicht mal, dass wir da so unterschiedliche Sichtweisen haben. Diese Falschheit hinten rum ist selbstverständlich blöd, wobei auch da wieder zu unterscheiden gilt: 1. Posaund jemand von sich aus falsche Freundlichkeit raus, ist aber hintenrum anderer Meinung 2. Wird jemand angesprochen und ist falsch-freundlich weil er nicht zu seiner Meinung steht oder 3. will jemand den anderen einfach nicht verletzen und zollt mit Höflichkeit Respekt. Diese Kontextualität darf man meiner Meinung nach (in so vielen Dingen des Alltags) nicht vergessen, denn sonst entstehen unnötige Konflikte.

Emotionen haben zwei mögliche Folgen (in Bezug auf diesen Artikel) entweder benebeln sie den Geist, oder sie motivieren dazu ihn zu öffnen. Das soll dieser Artikel erreichen. Es ist wichtig zu wissen, ob ich damit über das Ziel hinausgeschossen bin. Wenn du diese Sichtweise berücksichtigt hast und dennoch der Meinung “too much” bist, werde ich sicherlich darüber nachdenken die Art und Weise anzupassen.

Das stimmt allerdings (ich selbst habe mich ja nur mal zu einem Beitrag hochgerissen, weils mir doch arg zu plakativ war ^^°), aber ich sehe halt generell mit zusehender Sorge wie das laute Emotionale den inhaltlichen Diskurs verdrängt bzw. oft pseudomoralisch/wissenschaftlich vorgegangen wird (von Subkultur, Hobby bis hin zu Gesellschaft und Politik). Natürlich ist jeder Mensch subjektiv und absolute Objektivität ist nicht möglich, aber gewisse Umgangsformen kann man sich schon aneignen, was letztlich ja auch der Sachfindung hielft. Wenn gewisse Dinge angeprangert oder gar aufgebrochen werden, hat das oft seinen berechtigten Grund. Am Beispiel der Höflichkeit musste ich z.B. bei deiner geschilderten Situation schmunzeln, wie dich deine Mutter dazu erzogen hat immer höflich zu sein. Auch in Situationen wo es vielleicht wirklich nicht angebracht ist. So etwas prangert man dann zu recht an. Der Übergang in einzelnen Situationen funktioniert da vielleicht noch, aber oft kippt das Ganze dann komplett ins Gegenteil um und die jungen Leute sind nur noch dreist und unfreundlich (und merken es zum Teil noch nichteinmal, weil sie es nicht anders kennen und der Gesamtstandard sinkt und sinkt und sinkt). Die Menschen haben immer das Gefühl aus vermeintlichen Zwängen ausbrechen zu wollen, teilweise berechtigt, teilweise wird aber auch nicht vernünftigt nachgedacht wozu man einiges vielleicht doch braucht. Und dann ist immer DIE Gesellschaft, DIE Politik oder DIE Wirtschaft schuld. Dabei wird ausgeblendet, dass es DIE Gesellschaft gar nicht gibt (heutzutage weniger denn je), DIE Politik sich letztlich auch nur aus den Menschen zusammensetzt, auch nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten handeln kann (die gnadenlos überbewertet wird) und sich stur von oben ohnehin nichts bahnbrechendes ändern läßt (das muss von Innen selbst kommen, selbst in autoritären Regimen) und es auch nicht DIE Wirtschaft gibt und viele schlicht nicht damit klarkommen das sie, berechtigt oder unberechtigt (oft ist es ein teils teils, aber das geben die wenigsten zu), vermeintlich(!) nicht so gut zurechtkommen im Leben. Dann verfallen viele in ideologische Schemata und wenn dann noch emotionale Trommelwirbel geschlagen wird, wird das Ganze absolut unsachlich, wenn nicht sogar chaotisch-gefährlich. Und die meisten merken es nicht einmal und schieben es wieder ab, anstatt die Gründe zu analysieren. Denn wirkliche Sachlösungen/konkrete inhaltliche Alternativen haben die wenigsten. Und die letzten 10 – 20 Jahre wird es generell immer schlimmer, der Ton immer agressiver, die Auseinandersetzungen gewaltätiger. Und aufeinmal wird ein junges Mädchen weil sie Gothic trägt zusammengeschlagen und getötet und alle fragen sich „Wie konnte es so weit kommen?“. Für mich hängt das viel mit Erziehung zusammen und gerade der Aspekt der Höflichkeit bzw. Umgangsformen ist meiner Meinung nach sehr ausschlaggebend, weil das Umfeld die Menschen einfach prägt.

Schwierig. Ich glaube es wäre wichtig zu erfahren, was für Dich “normal” ist. Nach meiner Definition von Normal (angelehnt an eine fiktive Norm, also der breite Masse entsprechend) möchte ich das nicht sein. Ich halte es auch nicht für arrogant mich “Anders” darzustellen. Vielleicht überschätze ich mich damit selbst, das ist möglich. Pure Individualität ist eher ein Mythos. Natürlich möchte ich mich mit Mitmenschen umgeben, die die Dinge so wie ich sehen und handhaben. (Wobei wir paradoxerweise wieder bei “Norm” wären) Und das ist auch die Essenz einer Subkultur (losgelöst von den musikalischen Wurzeln). Du sagst “Viele wollen nicht anders sein”, das mag sein, doch die sind nicht das, was ich als “Subkultur” bezeichnen würde. Schwarze Klamotten ohne Bedeutung? Nicht für mich.

Mmmmh wie du sagst schwierig. ^^° Selbst ’normal‘ als fiktive Form der breiten Maße ist für mich in der heutigen Zeit kaum noch zu halten, da die Gesamtgesellschaftsstrukturen einfach so vielseitig zersplittert sind (war vorher in dem Ausmaß halt nie möglich). Bestes Beispiel die Musik. Selbst in den Top 20 der gängen Charts findet sich ein bunter Misch von allem (Hiop Hop, Rap, Dance, Rock, Pop, Schlager…usw.) und selbst Hörer dieser Richtungen mögen jenachdem auch mal Klassik oder Metal. So lange es nur als „anders“ betrachtet wird, ist es okay, aber viele setzten „anders = überlegen/besser“ und damit hab ich so meine Probleme. In dem Sinne ich bin Punk also bin ich ein besserer Mensch als ein Hip Hoper. Und das machen viele und ich empfinde das als sehr arrogant (amüsant-traurig wird es immer an dem Punkt wo nach Toleranz geschrien wird aber selbst keinen Deut besser). Ich habe einen sehr gemischten Freundeskreis und am Ende geht es meiner Meinung nach darum wie jemand charakterlich ist und nicht welche vermeintlichen Szene man sich zuordnet. Natürlich ziehen gewisse Milieus gewisse Typen von Menschen an, die wiederum ihre inhaltlichen Übereinstimmungen optisch auch zum Ausdruck bringen (irgendwie muss sich der Mensch ja auch von der Oberfläche definieren, wir haben nun mal einen Körper und sind keine rein immateriellen Wesen). Aber wer bestimmt konkret im Detail was dazugehörgt und was nicht? Gerade anfangs ist oft eher Zufall prägend und es bildet sich ein gängiger Typus heraus (eine Norm? Ein wegwachsender Ast im Baum der Norm? ^^°). Man kann „andere“ Lebensweisen/Ansichten als direkte Abgrenzung aber auch als parallele Bereicherung ansehen oder beides in Wechselwirkung.

Ich glaube du unterschätzt mich. Ich komme mit vielem klar, eigentlich sogar sehr gut.

Das weiß cih doch. Es gab schone so viele kritische Themen wo ich anhand der Überschrift dachte „Oh weh, das kann nur mit Moralkeule abgeschlachtet werden“ und dann waren es doch immer gut recherchierte, abwägende, perspektivenabwägende Berichte (Bsp. Afro-Goth, Nazi-Ästhetik,…etc). War auch nicht konkret an dich, sondern die Widersprüchlichkeit der Toleranzauslegung rethorisch etwas aufgebauscht zur Verdeutlichung (hab das t bei seit vergessen, dann wärs klarer) ^^°

Randbemerkung:

Würde ich nicht bloggen, würde ich das wohl ganz ähnlich handhaben. Problematisch ist, wenn niemand nach meiner Meinung fragt. Wenn auf dem WGT Menschen in Nazi-Uniformen herumlaufen frage ich mich, ob es hier angebracht wäre höflich zu schweigen. Ich habe angefangen darüber zu schreiben, weil ich mit Sorge beobachtet habe, das der damals aktuelle Status der Szene (so wie du ihn negativ beschreibst) das Bild war, dass bei jungen interessierten Menschen verbreitet war. Mir war es wichtig, diese Dinge zu thematisieren und so einen Austausch von Meinung zu schaffen und den ein oder anderen zum nachdenken anzuregen.

Interessant dass du das erwähnst, denn so bin ich überhaupt auf Spontis gestoßen. Damals hatte ich Nachtmahr für mich entdeckt und fand die gesamte Military-Ästhetik sehr ansprechend sowie das emotionale Spiel mit Moral und Musik. Ich wusste das zu dem Zeitpunkt aber nicht einzuordnen („Ich bin doch kein Nazi oder dergleichen, kein bisschen! Aber mich spricht das so an und die ganze Aufmachung ist so anziehend, bin ich doch einer? Nein, weil von der Lebeneinstellung doch nicht,..etc. HILFE) und versuchte eine Antwort zu finden. Unter anderem stieß ich dabei auf dein Interview über Naziästhetik und auch die Diskussion darunter hat mein Wissen und die Einordnung des Ganzen sehr bereichert. Dazu etlich durchwältze wissenschaftliche Bücher über Ästhetik, Psychologie und Geschichte kann ich das ganze beruhigt für mich persönlich betreffend abhaken. Mich spricht nämlich wirklich ausschließlich die optische Erscheinung z.B. von Uniformen an, einfach wegen Schnitt, Form, Farbe, Machart,…etc. an, noch nicht mal unbedingt – wie bei vielen anderen noch zusätzlich – der Aspekt von Dominanz und Devotion. Wobei ich den Aspekt auch interessant finde (aber nicht in Zusammenhang mit dem optischen Erscheinen). Die SS Uniformen sind tragischerweise die schicksten von allen und strahelen halt einen düstere Provokation aus. Wo die Kritikpunkte dabei liegen und wie man Missverständnisse vermeiden kann wurde ja ausführlich genug diskutiert (z.B. Armbinde mit weißer Rose und keine „klaren“ Nazisymbole wie Hakenkreuz des Dritten Reiches und co. wobei es da bei Dingen wie dem Eisernen Kreuz, den berüchtugten Runen und dem Totenkopf schon wieder schwierig wird, da das schon weit vorher extierte und entfremdet bzw. eingegliedert wurde). Ich sehe keine große Gefahr von „Nazis“ unterwandert zu werden. Die meisten in voller Montur sind sich über ihre Sache einfach nicht im klaren und die meisten Inspirierten spricht nur die militärische Ästhetik/Düsternis/Dominanz-Devotion an, aber nicht politisch wirklich ‚rechtes‘. Natürlich werden ein paar dabei sein. Aber das kann genauso gut im Kirchenchor sein. Am Ende ist es die Einstellung bzw. das eigene Handeln was einen rechts macht und nicht die Kleidung (wird natürlich symbolisch immer versucht, da Menschen Schubladenorientierung brauchen um sich zurechtzufinden). Teilweise finde ich es doch gut, dass in diese Richtung (in Maßen) provoziert wird und die Diskussion stattfindet. Denn so wird man gewzungen sich intensiver mit diesen Themen auseinanderzusetzten und gerade in Deutschland wird man in der Regel derart antmilitaristisch erzogen (was generell natürlich gut ist!), dass mittlerweile bloße Miliärtkleidung oder mach durchschnittlich konservative Meinung als ‚rechts‘ gilt (was nicht gut ist). Ich habe Nazi und rechts immer bewusst in Klammern gesetzt, da vielen durch die oberflächliche Beschäftigung mit diesen Dingen der Unterschied zwischen konservativ, Patriotismus, Nationalismus, Nazis, Neonazis, und Antisemitismus überhaupt nicht bewusst ist (es gibt natürlich viele Überschneidungen, aber es ist ein Unterschied ob man nur sein Land mag oder ausschleißlich sein Land und zusätzlich keine anderen Nationen duldet und sich sogar darüber stellt). Für all dies wird der schwammige Sammelbegriff ‚rechts‘ benutzt. Selbiges für ‚links‘. Links kann alles sein von kommunistisch, sozialistisch-demokratisch,…etc. Und auch da wiedre die Frage: wer definiert das alles und mit welchem Recht? ^^°

fxsend
fxsend (@guest_49573)
Vor 10 Jahre

Das stimmt allerdings (ich selbst habe mich ja nur mal zu einem Beitrag hochgerissen, weils mir doch arg zu plakativ war ^^°), aber ich sehe halt generell mit zusehender Sorge wie das laute Emotionale den inhaltlichen Diskurs verdrängt bzw. oft pseudomoralisch/wissenschaftlich vorgegangen wird (von Subkultur, Hobby bis hin zu Gesellschaft und Politik).

Es gibt Themen, bei denen ich tatsächlich müde bin, in einen inhaltlichen Diskurs einzusteigen. Weil mir die Aggressivität, mit der oft genug detailverliebt argumentiert wird anstatt zuzuhören, oft genug die Sprache verschlägt. Als ob es darum ginge, den hetero- oder homosexuellen von seinem Standpunkt abzubringen und zu klären, wer den nun falsch liege. Wenn es um sexuelle Orientierung oder die Art und Weise geht, in der jemand seine Beziehungen gestaltet, dann kommt man doch eigentlich schnell an den Punkt, wo es kein richtig oder falsch mehr geben kann. Eigentlich. Anscheinend sehen das viele anders. Dann frage ich mich, weshalb ich dagegen argumentieren soll. Dem Ignoranten kommt man nicht mit Argumenten bei. Und weshalb sollte ich ihn überzeugen wollen? Und wovon?

Weshalb dem dann nicht anstatt mit Beweis und Gegenbeweis mit einer Erzählung antworten? Von dem berichten, was man fühlt, was einem im Kopf herumgeht und wie und was man lebt? Es macht doch keine Unterschied, ob man sich damit in’s Wage begibt und angreifbar macht, weil Zahlen und Belege fehlen und eine rhetorische bella figura. Dem anderen wird man so oder so nicht eine andere Perspektive nahelegen können, wenn er das nicht will.

Was aber Texte wie den von Robert oder von anderen hier wertvoll macht, ist das Angebot, was sie an Menschen machen, die tatsächlich offen für andere Gedanken- und Lebenswelten sind. Indem sie nämlich zu Verstehen und Verständnis einladen und dadurch auf eine ganz andere Art Überzeugungsarbeit leisten.

Veeja
Veeja (@guest_49585)
Vor 10 Jahre

Es gibt Themen, bei denen ich tatsächlich müde bin, in einen inhaltlichen Diskurs einzusteigen.

Ich auch, aber dann sollte man sich meiner Meinung anch schlechtweg raushalten. Entweder ganz oder gar nicht.

Weil mir die Aggressivität, mit der oft genug detailverliebt argumentiert wird anstatt zuzuhören, oft genug die Sprache verschlägt.

Oh ja, das stimmt. Aber das ist das was ich mit „pseudowissenschaftlich/moralisch“ meinte. Denn wenn jemand so agressiv detailverliebt argumentiert geht es ihm ja nicht um den gemeinsamen Austausch, sondern um das bestmögliche durchboxen seiner eigenen Ansichten.

Wenn es um sexuelle Orientierung oder die Art und Weise geht, in der jemand seine Beziehungen gestaltet, dann kommt man doch eigentlich schnell an den Punkt, wo es kein richtig oder falsch mehr geben kann.

Absolut, aber da habe ich doch auch ganz ausführlich beschrieben, dass ich das ebenso sehe bzw. ist das ja ein wudnerschönes Beispiel wie auf rein emitionaler Basis hier Hass gegen etwas aufgebaut wird was sachlich-inhaltlich überhaupt nicht zu halten ist (da niemand jemandem vorschreiben kann wie er seine Beziehungen zu führen hat, so lange niemand drittes Schaden erleidet).

Dem Ignoranten kommt man nicht mit Argumenten bei. Und weshalb sollte ich ihn überzeugen wollen? Und wovon?

Stimmt auch, aber je nachdem wie was einen betrifft ist man nicht immer in der Lage sich zu entziehen. Ich habe prinzipiell auch kein großes Interesse mit Ignoranten rumzudiskutieren, besonders dann, wenn es nichts bringt. Ich habe aber auch nirgendwo behauptet dass man das muss.

Weshalb dem dann nicht anstatt mit Beweis und Gegenbeweis mit einer Erzählung antworten? Von dem berichten, was man fühlt, was einem im Kopf herumgeht und wie und was man lebt? Es macht doch keine Unterschied, ob man sich damit in’s Wage begibt und angreifbar macht, weil Zahlen und Belege fehlen und eine rhetorische bella figura.

Dagegen habe ich nie was gesagt, im Gegenteil, eine gute Idee. Mir ging es um die Art und Weise wie das vonstatten gib bzw. ganz spezifisch um den Aspekt ‚Höflichkeit‘. Der wurde für meinen Geschmack(!) halt zu einseitig überzogen emitionalisiert dargestellt, wobei ich dann doch geschrieben habe dass ich den Tagebuchaspekt wohl etwas außer Acht gelassen habe und dann ganz ausführlich warum und wieso ich das so empfine (muss ja keiner teilen). ^^° Kam das nicht rüber? :(

Es macht doch keine Unterschied, ob man sich damit in’s Wage begibt und angreifbar macht, weil Zahlen und Belege fehlen und eine rhetorische bella figura.

Das sehe ich teilweise halt anders. Denn wenn ich mich zu einem bestimmten Thema in Diskussion begebe (sei es nun mündlich oder schriftlich) muss mich genau mit den Inhalten auseinandergestezt haben und auch der korrekte Umgang mit Wörtern ist wichtig, denn ansonsten entstehen schnell verherrende Missverständnisse da man aneinander vorbeiredet und Unverständnis oder gar Hass sind die Folgen. Das ist aber immer sehr kontextabhängig und mit Zahlen ist es eh immer so eine Sache (wie war das noch – traue keiner Statistik die du nicht selbst gefälscht hast? ^^). Ich hatte eigentlich das Gefühl, dass ich das verdeutlich habe :(

Was aber Texte wie den von Robert oder von anderen hier wertvoll macht, ist das Angebot, was sie an Menschen machen, die tatsächlich offen für andere Gedanken- und Lebenswelten sind. Indem sie nämlich zu Verstehen und Verständnis einladen und dadurch auf eine ganz andere Art Überzeugungsarbeit leisten.

Aifjedenfall! Sehr schön in zwei Sätzen zum Ausdruck gebracht! :)

fxsend
fxsend (@guest_49587)
Vor 10 Jahre

@Veeja:

Kurz vorab:

Als ich heute Morgen auf Dein Posting geantwortet habe, habe ich mir einen Satz, einen Aspekt zwischen Kaffee und Brötchen herausgepickt und habe aufgeschrieben, was mir dabei durch den Kopf ging. Weil das eine Sache ist, die mir schon länger durch den Kopf geht. An Deinen Antworten sehe ich jetzt, dass Du das auf viel mehr bezogen hast, als ich eigentlich im Sinn hatte. An jenen Stellen hast Du Dich schon so ausgedrückt, dass ich es verstanden habe – als ich es heute Abend dann doch noch einmal gelesen habe. ;-)

Ich auch, aber dann sollte man sich meiner Meinung anch schlechtweg raushalten. Entweder ganz oder gar nicht.

Es gibt Themen, die (mir) einfach zu wichtig sind, um sie einfach denjenigen zu überlassen, die dort Deutungshoheit beanspruchen und dabei andere Meinungen einfach wegdrücken. Da finde ich es wichtig dagegen zuhalten. Um vielleicht einfach nur zu dokumentieren, dass es Alternativen zu dem gibt, was da für scheinbar einzig richtig und normal gehalten wird.

Das sehe ich teilweise halt anders. Denn wenn ich mich zu einem bestimmten Thema in Diskussion begebe (sei es nun mündlich oder schriftlich) muss mich genau mit den Inhalten auseinandergestezt haben und auch der korrekte Umgang mit Wörtern ist wichtig, denn ansonsten entstehen schnell verherrende Missverständnisse da man aneinander vorbeiredet und Unverständnis oder gar Hass sind die Folgen. Das ist aber immer sehr kontextabhängig und mit Zahlen ist es eh immer so eine Sache (wie war das noch — traue keiner Statistik die du nicht selbst gefälscht hast? ^^). Ich hatte eigentlich das Gefühl, dass ich das verdeutlich habe :(

Keine Frage. Genau so ist das. Aber leider werden Diskussionen nicht immer sachlich und fair geführt. Was in vielen Fällen noch nicht einmal daran liegt, dass dort jemand tatsächlich bösartig wäre. Alles was mit dem Thema „queer“ zu tun hat, ist emotional sehr stark besetzt, paradoxerweise häufig bei jenen, die sich davon gar nicht betroffen wähnen, weil sie ja „normal“ sind. Dann geht es aber trotzdem schnell auf eine irrationale Schiene und es wird einfach geblockt oder sich in aberwitzigen Details verloren.

Was ich in den meisten Fällen aber einfach nur möchte, ist, dass mein Standpunkt akzeptiert, wenigstens toleriert wird. Der andere muss ihn sich nicht zu eigen machen. Wie auch?

Aber dort inhaltlich tief in den Diskurs einzusteigen und (Vor-)Urteilen argumentativ zu begegnen bringt meist einfach nichts. Natürlich könnte ich versuchen, die Argumente auseinander zu pflücken, die mir da angeboten werden. Meist geht das auch ganz gut, man kennt sie ja, sie kommen einem ja in Endlosschleife jahrelang immer wieder unter. Aber es führt zu nichts. Es kommt zu keinem Ende. Wie auch?

Die Frage, die ich mir heute morgen gestellt habe, war: Welche Strategie funktioniert da? Was ist überhaupt angemessen? Und zu allererst: Was will ich dabei überhaupt? Wen will ich erreichen?

Als Adressaten sehe ich dabei dann in erster Linie nicht die zwei, drei Leute, mit denen ich mich direkt auseinandersetze. Sondern diejenigen, die still mitlesen. Und darunter diejenigen, die begonnen haben, aus Interesse oder aus ihrer eigenen Biographie heraus, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Denen möchte ich kein Spektakel bieten, indem ich auf evolutionsbiologischen Schnickschnack einsteige oder rhetorisch grandios aber erfolglos, anderen die Absurdität ihrer Argumente vor Augen zu führen versuche.

Da geht es doch eher darum, anderen zu zeigen: Seht her, ihr seit nicht alleine mit dem, was ihr denkt und fühlt. Mit anderen Worten: Was ihr da denkt, ist überhaupt nicht so seltsam, wie ihr glaubt, schließlich geht’s anderen genauso. Lasst euch nichts einreden.

Und dabei, finde ich, ist die Erzählung eine bessere Form als das Argument. Das ist das, was ich auch heute Morgen eigentlich sagen wollte und jetzt hoffentlich etwas besser ausdrücken konnte.

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