Spontis Wochenschau #12/2014

Als ein Wetterbericht vor Weihnachten prophezeite, dass es in den frühen Morgenstunden schneien würde, bin ich extra früher aufgestanden um das lang ersehnte Schauspiel zu verfolgen. Schnee um sechs Uhr am Morgen ist ein leises Ereignis. Die Stille der Stadt ist beeindruckend, nur der Wind drückt gegen die Fenster und krabbelt durch die Ritzen ins Inneren um als Säuseln am Gehör zu zerschellen. Weiß, sagt man, ist die Farbe der Unschuld, der Reinheit und der Unsterblichkeit – und unsere Natur verkörpert das Meiste davon. Der Mensch macht aus dem Schnee dann letztendlich eine grau-schwarze Masse, die in Rinnsteinen darauf wartet endlich im Gulli verschwinden zu dürfen – ganz so, wie er es mit der Natur und seinesgleichen macht. Doch kurz nach sechs ist die Welt noch in Ordnung, bis ich mich in den gesammelten Nachrichtenstrom begebe, um die letzte Wochenschau für dieses Jahr zu verfassen. Eine Mischung, die genauso grau erscheint, wie der Schneematsch und zwischen dem absurdem, schrecklichen und schönen auf dieser Welt ständig die Farbe wechselt. Im Spiegel steht ein Artikel über das Lesen, denn wir lesen – so der Spiegel – immer mehr und müssen neue Möglichkeiten erarbeiten, wie wir noch mehr Text in noch kürzerer Zeit lesen, um der steigenden Informationsflut gerecht zu werden. Was der Artikel jedoch verschweigt ist die Frage, wie wir mit dem ganzen Matsch dieser Welt umgehen sollen.

  • Irak: Milizen steinigen Emos oder stürzen sie von Dächern | Welt
    Was falsch verstandener Glaube auch 2014 noch anrichten kann, zeigt ein Blick in den Irak. Ich habe keine Ahnung, worauf sich die dortige Regierung in ihrem Wahn stützt, doch die Folgen für die dortige Subkultur einiger Jugendliche ist fatal: „Das irakische Innenministerium brandmarkte das Emo-Phänomen vor wenigen Wochen offiziell als „Satanismus“ und lieferte damit den religiösen Extremisten eine Art Lizenz zur Verfolgung der Emo-Jugend. Seither jagen schiitische Milizen und Todesschwadronen die Emo-Jugendlichen systematisch und mit äußerster Brutalität.“ Die irakische Verfassung, die seit nunmehr 10 Jahren gilt, ist das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben steht. Auszug: „Der Irak ist laut Verfassungstext eine multi-ethnische und multi-religiöse parlamentarische Republik, die sich zur Demokratie, zum Pluralismus und zum Föderalismus bekennt. Im Text verankert sind die Menschen-, Freiheits- und Bürgerrechte, das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit sowie die Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten.
  • Christian Industrial – Pure. Industrial. Goodness | WTF
    Herbst 2004. „Lanthanum“ registriert die Domain christianindustrial.net und fängt an sie mit Inhalt zu füllen. Blöd nur, dass er vergessen hat Gott vorher zu fragen (Joshua 9:1-27) und daraufhin seine Festplatte den Dienst verweigerte und alle Daten ins Jenseits schickte. Selbst Schuld. Im Februar 2005 hatte er dann endlich die Eingebung. Er betete, bat höflich um Führung und Segnung, diskutierte mit seiner Frau und besuchte seinen Vater. Jetzt war er sich sicher, was Gott wollte. Im März konnte er endlich mit seiner Seite ans Netz gehen: „Well, Actually this is more of a who I am. Christian Industrial currently constists of myself. I am known as „Lanthanum“. The mission of this site is to provide a high profile Christian presence in the Industrial Music community. I plan to accomplish this by providing high quality streaming audio as well as a low bandwidth mirror. The reason for this is, I love Industrial music.“ Seid ihr bereit für christlichen Industrial? Dann nur zu, lasst euch missionieren. (Danke an Mone vom Rabenhorst)
  • Zwei Zimmer, Küche, Sarg | mephisto 97.6
    Ich habe mich damals mehr mit meiner Subkultur und was dahinter steht auseinandergesetzt. Ich hab den Eindruck das passiert heute eher weniger und die jungen Leute machen es eher, weil es cool ist.“ Das sagt Angel-Marlene Gilmore, die in Leipzig lebt und sie als „perfekte“ Stadt für die schwarze Subkultur hält. Es gibt eben Dinge, die ändern sich nicht – so wie die Menschen, die schwarze Klamotten für cool halten – und Dinge die im stetigen Wandel sind, so war Leipzig noch vor einer Weile ein sehr unentspannter Ort für Mitglieder einer Subkultur. Redakteurin Ulrike Bielle berichtet in einem 4:10 langen Radio-Beitrag über die 32-jährige Wahl-Leipzigerin, die einen Sarg ihr Eigen nennt, in dem sie auch schon geschlafen hat.
  • Wildes Sexleben: Mozart lässt in BILD die Peitsche knallen! | Sonic Seducer
    Ich finde, der Kerl wird immer peinlicher. Nicht, dass er behauptet, die Gothic-Szene erfunden zu haben, jetzt redet er auch über sein und das Sexleben einiger Kollegen: „Mozart spricht dort über ausschweifende Parties mit Ville Valo (HIM) beim M’Era Luna in Hildesheim. „Am nächsten Morgen konnte Ville nicht zur Pressekonferenz erscheinen. Angeblich hatte er eine schmerzhafte Dauererektion“, lässt Mozart sich zitieren. Mit Falco teilte sich der Frontmann von Umbra et Imago in den Neunzigerjahren eine Blondine für eine Nacht und mit Boxerin Regina Halmich verband ihn „mehr als nur eine musikalische Freundschaft“, lässt er sich entlocken.“ Warten wir ab, in ein paar Jahren erklärt er die Szene bestimmt für tot und wendet sich anderen Projekten zu. Traurig wäre ich nicht.
  • Depeche Mode in der DDR: „Beim vierten Lied bekam ich keine Luft mehr“ | Einestages
    Für einige Jugendliche hatte der 7. März 1988 eine ganz besondere Bedeutung, denn da traten Depeche Mode in DDR auf und beeinflussten das Leben der Menschen vor der Bühne nachhaltig. Ich glaube es gibt kein Konzert, über das so emotional berichtet wird, wie dieses – vielleicht weil es tatsächlich etwas ganz besonderes war: „Nach dem vierten Lied bekam ich keine Luft mehr. Ich schaffte es gerade noch, etwas weiter nach hinten zu gelangen, ohne zusammenzubrechen. Plötzlich bemerkte ich das süße Mädchen neben mir; auch sie schien vollkommen atemlos zu sein. Wir schauten uns lange in die Augen, lauschten der Musik und nahmen uns zärtlich in die Arme. Bald umarmten wir uns immer inniger und sangen gemeinsam die Lieder unserer Helden aus dem Radio. Bei einer Ballade zog sie mich plötzlich zu sich hinüber und gab mir den wärmsten und schönsten Kuss meines gesamten DDR-Lebens. Nach dem Konzert sahen wir uns nie wieder. People Are People!“
  • 2014: A subjective Year in Horror | The Gothic Imagination
    Ein paar Einblicke in die Independent-Horror-Szene nördlich des Ärmel-Kanals gibt der Blog „The Gothic Imagination“ der von schottischen Universität Stirling betrieben wird und schon eine ganze Weile mit ausgezeichneten Beiträgen rund um den Begriff „Gothic“ aufwartet. So auch dieser Beitrag der mir einerseits wieder Lust auf anständigen Horror gemacht hat und zum anderen aufzeigt, dass nicht alles was dort in den Kinos zu sehen ist, auch hier zu sehen sein wird. „If there has been one formal quality that unites the year’s best horror films, it is the return of colour: bright, aggressive, joyful colour. Coincidence or conscious movement, 2014 saw a number of filmmakers seemingly drunk on the legacy of Dario Argento’s 1977 masterpiece, Suspiria. This connection to Italian horror is made explicit in the neo-gialli that are captivating horror audiences in fresh, original ways. Hélène Cattet and Bruno Forzani’s luscious and perverse The Strange Color of Your Body’s Tears lies at one end of this spectrum, while at the other you can find Astron 6’s recent loving homage to the subgenre, The Editor.
  • Die lesbischen Vampire der Hammer-Filme | Dangerous Minds
    Oha! Diese Überschrift bringt den Blog nach vorne, ganz sicher. Ganz so, wie es sich die Hammer-Studios in den 70ern gedacht hatten, als sie Vampire-Filme, Horror und Porno zu einer B-Movie Suppe vermischten und an das begierige, durch die sexuelle Revolution stimulierte, Publikum zu bringen. Auch Herr von Karnstein war mit von der Partie: „With all the hubbub about sexy vampires these days, courtesy of Twilight, True Bloodand The Vampire Diaries, it’s time to take a short stroll down memory lane to the “golden age” of vampire lesbian cinema with Hammer’s so-called “Karnstein Trilogy.”“ So und jetzt noch schnell ein Bild, damit die Klickzahlen steif steil nach oben gehen.
  • Skinny Puppy fordern Geld für das Spielen ihrer Musik in Guantánamo | msnbc
    Weil ihre Musik angeblich bei den Folterungen im Gefangenenlager Guantánamo gespielt wurde, verlangte die Band von der US-Amerikanischen Regierung 666.000 Dollar Gebühr. Die Welt schreibt dazu: „Eine überparteiliche Kommission hatte im April 2013 schwere Vorwürfe gegen die US-Regierung erhoben. Terrorverdächtige seien gefoltert oder mit grausamen, unmenschlichen Praktiken verhört worden. Dazu habe auch die Dauerberieselung mit Musik gehört.“ Mit dabei, so jedenfalls die Gerüchte, Skinny Puppy.
  • The Way we were | Vimeo
    Punk und New Wave zwischen 1976 und 1978. Irgendwo dazwischen wurde es dann düster: „Channel 4 UK programme first broadcast circa 1984 / 1985-ish. Hosted by the late Tony Wilson, it’s a compilation of performances by bands taken from his previous TV shows in the late 70’s, such as So It Goes. Includes Sex Pistols, Clash, Buzzcocks, Iggy Pop, The Fall, Elvis Costello, Blondie, Penetration, Wreckless Eric, Ian Dury, Tom Robinson, Magazine, John Cooper Clarke, XTC and Joy Division – many of them making their TV debuts.

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Irmin
Irmin (@guest_50244)
Vor 9 Jahre

Zu Leipzig: Ich war bisher ja nur bei Konzerten in der Stadt, aber „gefühlt“ würde ich der guten Dame recht geben. Im Gegensatz zum „Ausnahmezustand“ WGT habe ich mir beim Runes-and-Men-Festival mal erlaubt, zu sehen, wer sich im „Normalzustand“ so alles in Leipzig rumtreibt (~500(?) Leute fallen halt nicht so auf wie 20.000, und ja, ich mache gerne solche „Sozialstudien“ ;)). Im Vergleich zu meiner aktuellen Heimatstadt ist das ein ziemlich großer Unterschied, das bezieht sich aber nicht nur auf gotisches Volk. Gut, Münster ist zwar Studentenstadt, aber eben in den Bereichen Jura und BWL groß. Das merkt man auch. Ich laufe ja selbst nicht gerade so herum, dass Leute von „außerhalb“ bei mir auf irgendwelche seltsamen Musikvorlieben schließen würden, aber selbst von den Unauffälligen, die nur der „Eingeweihte“ erkennt, gibt es hier kaum welche.

Wie dem auch sei, der Kontrast zu Leipzig war jedenfalls so groß, dass mir das sofort aufgefallen ist und ich mir erst überlegt habe, ob einem besagte 500 Leute in einer Stadt vielleicht doch mehr auffallen als man meinen könnte.

Zu Christian Industrial: Ich war mal kurz auf der Seite und habe leider auf den „Got Jesus?“-Reiter geklickt. Mein erster Gedanke war „Du meine Fresse.“ Mein zweiter bis 23. auch. Dann habe ich mir die Musik angehört und es lief ein „Industrial“-Cover von „White Christmas“. Naja, kurios ist es wohl allemal…

Zum Umbra-et-Imago-Frontmann: Über den guten Mann habe ich mich glaube ich schon mal ausgelassen, das steigert meine Meinung über ihn nicht gerade. Echt erstaunlich, dass man die nach „In den Neunzigern teilte sich [Gothic] dann auf, einige gingen in Richtung Techno, wie Kraftwerk, andere blieben Gothic, wie wir.“ noch verschlimmern kann. Aber er lässt sich eigentlich ansonsten echt gut ignorieren.
Ansonsten solltest du dich schämen, Robert: Nicht nur habe ich auf einen Link zum Sonic Seducer geklickt, nein, sogar dem Bild-Link da bin ich gefolgt. Ob ich mir selbst das verzeihen können werde? ;)

Zu Skinny Puppy: Hihi, hat was von das System von innen heraus zerstören. Gefällt mir.

black bat
black bat (@guest_50245)
Vor 9 Jahre

@Irmin: Ich gebe Dir Recht in Bezug auf Dein Gefühl während Deines Besuches in Leipzig! Ich wohne nun seit gut 3 Monaten hier und kannte die Stadt vorher auch nur vom WGT, aber seit meinen ersten Tag hier fiel mir auch auf, dass erstaunlich viele „schwarze Menschen“ durch die Gegend laufen als ich das bei meinen bisherigen Wohnorten „gewohnt“ war. Ich empfinde dies als sehr angenehm, denn auch die „normalen Einwohner“ der Stadt tolerieren dies hier mehr als sonstwo, habe ich das Gefühl bzw. fällt es ihnen vielleicht gar nicht mehr so sehr auf. Jedenfalls bin auch ich der Meinung, dass die Stadt ein guter Ort für das Leben in einer Subkultur ist – ob es der „perfekte“ ist, weiß ich nicht. Die Partys/Konzerte/Festivals der Szene sind um einiges zahlreicher, mit guter Musik, netten, tolleranten Menschen und diejenigen, die dieser Subkultur nicht angehören akzeptieren es ohne schief zu schauen oder beleidigend zu werden – dies habe ich anderswo schon ganz anders erlebt! In Leipzig ist mir bisher derart negatives noch nicht wiederfahren, ich fühle mich hier extrem wohl und freue mich, was die Zukunft in dieser schönen – im übrigen auch kulturell sehr gut ausgestatteteten Stadt – noch bringen mag! :)

Flederflausch
Flederflausch(@flederflausch)
Vor 9 Jahre

Ach, Leipzig ist ja immer noch mein persönliches Mekka und Langzeitlebensziel^^ Die Male die ich ausserhalb des WGTs dort war, habe ich immer als sehr angenehm empfunden und ja, Leipzig ist nicht nur eine sehr schöne Stadt, sie hat in jede Richtung kulturell viel zu bieten.

Was Mozart angeht: Die Artikel-Überschrift „Heidschi-Po-Peitschi – die irrsten Geschichten von SM-Guru Mozart“ hat mir gerade einen herzlichen Lacher beschert. Spätestens seid er in irgendeiner Reportage was davon faselte, wie sie auf Ibiza den Gothic erfunden haben, schüttel ich darüber nicht mal mehr den Kopf…

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