Volkmar Kuhnle: Gothic-Lexikon

Das habe ich dir vorher gesagt, warum hörst du nicht auf mich? Nicht das mir die Meinung dieses Menschen nicht wichtig gewesen wäre, aber ich muss es erst immer am eigenen Leib erfahren, mich sozusagen selbst geißeln. Natürlich rein geistig. Ein Angebot bei großen Internetversandhaus für 2€ weckte meine Aufmerksamkeit und so sollte es sein, dass eben jenes Gothic-Lexikon von Volkmar Kuhnle nach einer Woche den Weg in meinen Briefkasten fand.

Auf 337 Seiten schickt sich Herr Kuhnle an, die Welt der Gothic in Worte zu packen, diese zu erklären und alphabetisch aneinanderzureihen. Das erste was ins Auge des Betrachters fällt sind die teils miserablen Bilder der beschriebenen Themen, die oftmals wie schlecht hochgepixelte Kleinstbilder wirken, die aus Zeitschriften ausgeschnitten wurden. Die Kurzbeschreibung auf der Rückseite des Einbandes lautet verheißungsvoll: Gothic ist mehr als nur der Trend einer geheimnisvollen Jugend-Szene. Geschichte und Gegenwart der Gothic-Kultur werden in diesem Lexikon erstmals ausführlich beschrieben. Für Szene-Insider wie für Interessierte. Beginnen wollen wir aber vorne, den in der Regel beginnt man dort ein Buch zu lesen.

Als Ursprung der Gothic Musik wird dort unter anderem Kraftwerk genannt, die vielleicht elektronische Pioniere waren, aber mit Gothic Musik nicht wirklich etwas zu hatten. Auch die angebliche S/M-Musik als Subgenre konnte ich nicht nachvollziehen, auch das wir aus unserer negativen Grundeinstellung zur Romantik finden, halte ich für ein Gerücht.  Der Rest des Buches handelt von Begriffen, die für die Szene und die Musik relevant sein sollen, dabei handelt es sich aber nur um eine Zusammenstellung von Beschreibungen über Bands und Künstler, die Wikipedia sicher besser hinbekommt. Dazwischen finden sich dann immer wieder lieblose Einstreuungen unglaublich düsterer Begriffe:

Unter K wie Kuß heißt es: „Wenn sich eine Gothic-Frau und ein Gothic-Mann (oder Gleichgeschlechtliche) einen Kuß geben, dann geschieht das nicht so nebenbei. Der Kuß ist für alle Goths ein ganz tiefes Gefühl, eine völlige Hingabe […] Das Wort Kuß (meistens auf englisch: Kiss) steckt in einigen Namen von Goth-Bands.“ (Seite 158)

Es war mir bis jetzt neu, das wir anders küssen sollen als andere Menschen, aber – wie konnte ich das vergessen – schließlich sind wir ja alle Vampire und der Kuss hat eine besonders morbide Bedeutung für uns. Eigentlich sollte diese grandiose Kuß-Definition für alle Liebespaare gelten und das Wort als solches kommt in genau so vielen Nicht-Gothic Bands vor. Unter dem Begriff Leiche finden sich 5 dicht geschriebene, fotolose Seiten, das WGT (Wave Gotik Treffen) muss sich hingegen mit 8 Zeilen begnügen. Depeche Mode ist übrigens (laut Lexikon) eine Darkwave Band und der Tod von Prinzessin Diana ein düster-romantisches Schicksal, das in einem deutschen Mercedes(?) endete. Keine Inhaltsangabe, kein Stichwortverzeichnis und kein Literaturverzeichnis im Anhang runden das negative Gesamtbild für mich ab.

Für alle interessierten ist das Buch sicherlich noch bei diversen Online-Auktionshäusern käuflich zu erwerben und immer für einen Lacher gut. Meiner Meinung nach ist das Buch nicht das Papier Wert, auf dem es gedruckt wurde.

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Atanua
Atanua (@guest_597)
Vor 15 Jahre

Oh du Armer, hättest du vorher doch mal erwähnt welche Bücher du noch „lesen“ willst. Ich habe dieses Ding mal in der Stadtbibliothek von Burgdorf gesehen und als ich mich vom Schock erholt hatte, den halben Tag damit verbracht ne Alternative zu finden. Schon nur, um einen Grund zu haben der Bibliothekarin vorzuschlagen, das Ding in den Mülleimer zu werfen…leider nichts gefunden.

Und wenn wir gerade bei Büchern sind, such mal in Bibliotheken nach „Schock und Schöpfung; Jugendästhetik im 20. Jahrhundert“ Das Buch kam glaube ich in den 80’er raus und behandelt logischerweise alle Jugendkulturen die es bis dahin gegeben hatte. Dürfte dich doch interessieren ;-)

LG

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