Gothic Friday: Ist Gothic ein Lebensstil? (Katharina)

Auf den letzten Drücker hat Katharina am Freitag ihren Beitrag zum Gothic Friday eingereicht. Da ich am Wochenende verreist war, komme ich leider erst jetzt dazu, ihn zu verarbeiten und nachzupflegen, wir werden ihn daher zur Verlosung zulassen. Im Übrigen freuen wir uns auch immer wieder über Beiträge außerhalb der zeitlichen Rahmens. Keiner wird überlesen und jeder wird entsprechend in der Übersicht eingepflegt. Ihr könnt auch auf Themen antworten, die bereits ein Weile zurück liegen, wir würden uns sehr freuen, wenn der Gothic Friday auch über den zeitlichen Rahmen hinaus ein lebendiges Konstrukt bleibt, dass aus den unterschiedlichen Artikeln seiner Teilnehmer besteht.

Für das knifflige September-Thema, für den viele Teilnehmer in sich gegangen sind, fragt sich Katharina „Schwarze Szene und Gleichgesinnte?“ Ich freue mich sehr über ihre Teilnahme, die sie trotz knapper Zeit noch realisieren konnte.

Ist Gothic ein Lebensstil?

Nicht wirklich. Nach meiner Gothic-Definition ist der Kern Musik und Kleidung. Der Rest ist außerhalb entstanden, selbst die Gothic-Literatur und -Filme gab es ja schon vor unserer Subkultur. Aber das sind schöne Ergänzungen, ebenso wie andere Interessen z.B. geschichtliche, esoterische oder philosophische und aus diesen Grundlagen kann man einen Lebensstil inspiriert vom Gothic entwickeln.

Von mir selbst  könnte ich nicht behaupten einen besonderen Lebensstil zu haben: essen, trinken, schlafen, Ausbildung, Familie u.s.w. So sieht es auch bei “Bunten” aus. Aber es gibt auch Gothic-kompatible Eigenheiten in meinen Leben, wie eine fast allen Klischees erfüllende Wohnraumgestaltung: Dunkle Möbel, Halloweendeko und   Bilder von Caspar David Friedrich und einen alten Friedhof vor meinen Fenster; mein ignorantes Verhältnis zu Trends. Zwar interessiere mich zwar dafür, was gerade in ist, aber orientiere mich nicht daran oder es ist mir egal, ob es meine aktuellen Interessen oder Neuanschaffungen vor 2, 20 oder 200 Jahren waren. Vieles z.B. Dvds oder Bücher muss ich bestellen, aber wenn gerade etwas in Mode ist, was mir gefällt, nutze ich gerne die Gelegenheit. Oder meine Art, mich ohne den Zwang zu Gezappel oder Drogen amüsieren zu wollen, ist in der Szene auch noch möglich.

Ist Gothic (m)eine Lebenseinstellung?

Meine Einstellung ist eine Mischung aus verschieden Interessen  und Philosophien, die ich auch  außerhalb meines Goth-Ticks gefunden hab. Weshalb ich keinen Grund sehe, meine “Lebenseinstellung” danach zu bezeichnen. Jedoch empfinde ich sie als passend dazu.

Aber es gibt auch subkulturelle  Eigenheiten, wie er spielerische Umgang mit dem Konzept von “Gut und Böse” oder wie es heutzutage heißt: ”positive und negative Energien“. Ein leider weitverbreitetes Denkmuster, das viele zu fragwürdigen Verhalten hinreißt, wie das verteufeln von Fremden oder das Leugnen von unangenehmen Emotionen. Deshalb bin ich froh eine Kultur zu haben, wo diese Denk- und Verhaltensmuster manchmal aufgelöst, verkehrt oder verändert werden. Wo die Dunkelheit keine Bedrohung sondern eine Begleiterin sein kann oder  man auch Unzufriedenheiten (auf  eine friedvolle Weise) ausdrücken kann. Wenn ich z.B. traurig bin, beruhige mich es in der Musik oder Kunst diesen Ausdruck wieder zu finden, anstatt zusätzlich noch Frust durch Hineinfressen zu produzieren. Dieses Verständnis dafür, dass die Welt nicht Friede-Freude-Eierkuchen ist und man es bedauern darf, hat mich besonders in meiner Teenagerzeit angezogen. Mittlerweile ist es das Nichtangehören der “Spaßgesellschaft” und eine Ablehnung des angeblich schönen Scheins, was ich hier ausdrücken kann. Aber am liebsten ist mir aber immer noch das Bejahen klassischer Gruftiästhetik. Daneben gibt es auch anderes unangepasstes, was ich und andere hier ausleben können, auch wenn da nicht gleich “Gothic” rauskommen muss.

Schwarze Szene und Gleichgesinnte?

In der schwarzen Szene, in der oft die Unterkategorie “Gothic” als Gesamtbezeichnung gebraucht wird, hat das Durcheinander und Undefinierte mal ausnahmsweise den Vorteil, dass nicht nötig ist, eine bestimmte Meinung und Verhaltensweisen (bis auf etwas Kleidung und Musik) anzunehmen, um nicht doch noch seine schwarzen Leute und Hobbies zu finden. Dementsprechend verschiedene Leute findet man vor und aufgrund dieser Vielfältigkeit erwarte ich nicht dieselben Meinungen, Hobbies oder Geschmack  von anderen Schwarzen, nur bei Goths ist es ein bestimmter Geschmack: Gothrock und /oder Darkwave und meist auch ein dem entsprechendes Äußeres. Bloß kein “Kostüm”, denn ich wettere ja gerne gegen Etikettenschwindel oder Karnevalisten.)

Auch wenn ich einige Auswüchse nicht gut finde oder einfach nur nicht die Faszination teile, habe ich hier meine Inspirationen  und subkulturelle Heimat  gefunden, in der ich die Freiheit besitze, ich selbst sein zu können. Auch wenn womöglich die Legende des “Lebensstils” oder der “Lebenseinstellung” Schuld.

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unkraut
unkraut (@guest_16425)
Vor 12 Jahre

hm… mir liegt da was auf der Zunge:
Zitate aus dem Text:
„Nach mei­ner Gothic-Definition ist der Kern Musik und Klei­dung.“

„Bloß kein “Kos­tüm”, denn ich wet­tere ja gerne gegen Eti­ket­ten­schwin­del oder Karnevalisten.“

ich verfolge ja immer Diskussionen um den Begriff. ich weiß auch dass es bei diesem GothicFriday um persönliche Definitionen geht. Und häufig kritisiert, dass viele Gothic als Modenschau sehen (was vermutlich mit dem zweiten Zitat gemeint ist).

Auf der anderen Seite: wenn der Kern für die Autorin Kleidung und Musik ist, ist es dann für sie ein Etikettenschwindel wenn Menschen die Musik mögen und quasi „Schau-laufen“?

Oder sind damit eher Leute gemeint die sich „verkleiden“ ohne überhaupt irgendwas mit der Musik anfangen zu können?

Muss zugeben, auf diesen großen „Szenetreffs“ (WGT usw) war ich noch nie, aber es wird ja meist kritisiert dass solche Treffs zu schwarzen Modenschauen mutieren.
Vielleicht ist mit dieser Kritik etwas anderes gemeint als ich es verstanden hab.
Vielleicht kommt die Kritik aber von Leuten für die Gothic nicht hauptsächlich Musik und Kleidung ist.

(Das Ganze was ich geschrieben hab ist nicht als Kritik sondern als Frage gemeint. Kann sein dass ich die Zitate zu sehr bewerte, im Text wird ja durchaus noch etwas mehr differenziert)

Krähe von Nebenan
Krähe von Nebenan(@caromarzahn)
Vor 12 Jahre

@ Unkraut: Ja, im Text habe ich mich (zu) kurz gefasst. Es war auch schwer für mich, ich habe Gothic weder erfunden, noch weiß ich wie es zu Begin war, auch wenn ich so gerne die Schilderungen verfolge. Ich habe auch überlegt, ob ich statt Kleidung „eine dunkle Ästetik“ schreibe, vielleicht hätte ich es ganz rauslassen können, aber in den 80ern hat sich eben doch ein zur Musik und Kultur zugehöriger Stil entwickelt. Wenn ich an die Gothic-Kleidung denke, fallen mir verschiedene Beispiele an Stile ein: die Waver in den 80ern, Die Endzeitromantiker in den 90ern, schlichtes Schwarz ohne Schnickschnack oder ganz anders einen einen eigenen besonderen Stil oder historische Vorlieben.Da gibt es ja viele Möglichkeiten, modische Experimente und Auffälligkeiten, hinter welchen die Träger stehen oder ausdrücken können und sich wohlfühlen. Und dann empfinde ich das nicht als Kostüm.

Beim „Verkleiden“ und/oder auf Fotografen warten, wie die Jugendlichen im vor einen Monat diskutierten Video, finde ich etwas… befremdlich. Letztes WGT traf ich auch so eine in der S-Bahn, sie war ja ein sehr nettes Mädchen, aber „in die Stadt gehen und fotografiert werden“ ist ein für mich ein nicht nachvollziehbares Tagesziel. Oder eine (sehr bieder wirkende)Aushilfe(?) die mir mal erklärte, sie „verkleide“ sich beim Mera Luna. Das ist doch kein Cosplay! Die Grenze zwischen auffällig und Verkleidet ist bei mir also sehr subjektiv, aber da ich da niemanden reinreden will, sehe ich da kein Problem drin.

Für mich sind es dabei, wie von dir vermutet, die musikalischen Hintergründe, welche ich da oft bemängel, denn für mich ist die Hauptsache Musik. Vielleicht sollte ich mal meinen Beitrag für Februar „nachreichen“, wie Robert es am Anfang des Artikels vorschlägt. Das würde ich gern demnächst tun.

Nebenbei: Seit 2005 gehe ich jährlich zum WGT, meist in legerer Kleidung. Und wird wirklich von vielen als „Schaulaufen“ aufgefasst, die meisten kömmen aber nicht deshalb und machen es auch nicht mit. Jedoch wird es auch seinen Namen gerecht , wie bei dem Treffen unserer Internet“familie“. Gothic und Wave gibt es auch genug. Also werde ich dort glücklich. Mit anderen Festivals kann ich es kaum vergleichen, sonst war ich nur mal bei Zitarock (zuviel Gedrängel vor einer Bühne) und beim ersten Nocturnal Culture Night (da war es noch auf Electropop beschränkt und hatte wenige Besucher, deshalb war es schön entspannt.)

Der auch erwähnt Etikettenschwindel, bezieht sich nicht aufs Schaulaufen, sondern ich habe fragwürdige musikalische Zuordnungen oder etwas/jemand schwarz anmalen und daraufhin als Goth bezeichnen damit gemeint. Das von dir erwähnte Beispiel (Musik und Schaulaufen) würe ich nicht als Etikettenschwindel empfinden, auch wenn ich die Suche nach Aufmerksamkeit, ebensowenig nachvollziehen könnte.

Ich hoffe damit deine Fragen beantwortet zu haben.

unkraut
unkraut (@guest_16431)
Vor 12 Jahre

doch, jetzt kann ichs nachvollziehen ^^

naja, vermutlich red ich mit zu wenig Leuten und leb zu sehr in meinem eigenen Kopf, als dass mir manches auffallen würde… (

aber das mit dem Etikettenschwindel wie du es definierst ist mir auch schon aufgefallen:
Wenn mir ne Bekannte sagt, sie höre Gothic; und auf die Frage, welche Bands sie höre, nennt sie Korn und Slipknot O.o …

Bei dem „Cosplay“ stimm ich dir zu, vermutlich ist das dank Visual Key und Gothic Lolitas rübergeschwappt. Quasi die Bindeglieder zwischen Manga&Animefans und anscheinend Gothic (selbst wenn sie sich in Japan nicht dazu rechnen würden).

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