Industrials: Nicht nur ein Musikgenre, sondern auch ein Tanzstil

Trägt vornehmlich Cargohosen und andere mit D-Ringen verzierte Kleidungsstücke, die stark an die Ladefläche eines Passat-Kombi erinnern, gerne trägt er Oberbekleidung mit der Darstellung von Zahnrädern und Altdeutscher Schrift. Tanzt als Extremitätenschwinger und braucht dazu oft eine eigene Bühne, da er sonst seine Mitmenschen mit dem Herumwerfen der Arme leicht verletzen kann. 1975 auch Ausdruck einer Kunstform hat die Szene ihren Namen vom gleichnamigen Plattenlabel Industrial Records. Von Laien oftmals mit Krach verwechselt gehört das experimentieren mit offensichtlich ungeeigneten Gegenständen als Instrument zur künstlerischen Freiheit. Früher hörte man Einstürzende Neubauten und Throbbing Gristle, heute hört man eher KMFDM und Ministry.

 

Rein Begrifflich gesehen, handelt es sich bei Industrial nicht um eine Subkultur sondern um eine Musikgenre, das Mitte der 70er entstand und von Bands wie Throbbing Gristle und Einstürzende Neubauten etabliert wurde. Es handelt sich dabei um eine sehr experimentelle Art von Musik deren Wurzeln wohl im Avantgarde der Konzept- und Aktionskunst zu suchen sind. SPK aus Australien hantierte schon 1978 mit Flammenwerfern auf der Bühne und provozierte das Publikum auch mit dem verspeisen eine Schafhirns 1. Rammstein wirkt dagegen wie Kindergeburtstag.

Eigentlich möchte ich mich gegen die geläufige Bezeichnung Indus oder Industrials wehren, doch erfreut er sich offenbar größter Beliebtheit unter den jugendlichen Anhängern, der Zugehörigkeit ich eher in Richtung der EBM’ler lenken würde, doch offenbar ist die Begrifflichkeit nicht nur Ausdruck der Musik, sondern auch die gefühlte Art des Umfelds in der sich die Szenemitglieder bewegen. Kurioserweise tanzen dann eben selbsternannte Industrials nicht zur gleichnamiger Musik, sondern eher zu Klängen von EBM oder Noize. Übrigens ist Industrial auch eine Art sein Ohr zu piercen, wobei mir diese Verbindung immer noch schleierhaft ist.

Dieser Artikel sollte daher nicht losgelöst von der Electronic Body Music (EBM) betrachtet werden und eher als Musikrichtung in den Köpfen bleiben. Eine Subkultur Industrial gibt es meiner Meinung nach nicht, es handelt sich dabei um eine Musikrichtung, zu der die Protagonisten des EBM vermeintlich tanzen. Der Vollständigkeit halber und zur Aufklärung suchender Anhänger sollen diese Ausführungen dennoch erhalten werden. Ein sehr aufschlussreichen, wenn auch schwer verständlichen Text findet sich bei Birgit Richard unter dem Titel Die Industrial Culture-Szene. Dieser beschreibt die Industrial Szene als solche und blendet die Kommerzialisierung der selbigen aus. Vielen Dank an einen anonymen Kommentator für diesen Hinweis.

Einzelnachweise

  1. Black Musik-Magazin: Industrial Music For Industrial People (Heft 19/2000) – Teil 2 – Seite 51[]
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pseudonym
pseudonym (@guest_647)
Vor 15 Jahre

Woher stammt eigentlich die Idee, aktuelle Musik, die kaum etwas mit Industrial zu tun hat, als solchige zu bezeichnen?

Was den „klassischen“ Industrial anbelangt, gibt es einen sehr lesenswerten Text:

http://www.birgitrichard.de/goth/texte/industrial.htm

welchen ich nur zu gerne jedem als Pflichtlektüre verpassen würde, der mich irgendwo anspricht und sich darüber beschwert, es spiele keinen Industrial.

Wobei Throbbing Gristle selbst auf dem Zug aufspringt, und das Label welches den Namen prägt, letztes Jahr reaktiviert hat.

pseudonym
pseudonym (@guest_649)
Vor 15 Jahre

Ok danke für das offene Ohr! Was mir nur fehlt, wie kam es dazu, dass jetzt plötzlich jeder behauptet er hört Industrial, obwohl diese Leute offensichtlich nicht einmal bei Wikipedia den Begriff eingegeben haben^^?

Abiz
Abiz (@guest_2087)
Vor 14 Jahre

Also ich muss sagen, dass ichvor den Industrials sehr großen Respekt habe. Ich beweundere sie.^^ Ich weiß auch nicht warum, aber der Eindruck bleibt. Sie sind aber auch so ziemlich die einzige Musikgruppe der ich mit so viel Respekt begegne.

Mau
Mau (@guest_2837)
Vor 14 Jahre

huhu^^

ich würde „industrials“ aber nicht unbedingt als eigene Subkultur bezeichnen.
Sie sind ja eigentlich nur die kleine Gruppe da in dem Video.
Der Rest beeichnet sich da je eher noch als Gothic, Electro oder Cyber.
Und die Industrials würde ich da leider auch nur als typisches Klishee Bild nehmen. Denn, auch wenn ihr Slogan „no poser – just friends“ lautet, sind die meißten von denen doch leider ziemliche Poser.
Ich mein… „just frinds“ – nein, du kannst nich zu uns, du bist nicht cool genug!
bitte? ich versteh unter freunden und keinen posern leider etwas anderes.
aber da spiegelt sich dann ja auch wieder die schrecklicherweise aufkommende Arrogantswelle der szene wieder.
traurig aber wahr…

Tears
Tears (@guest_2847)
Vor 14 Jahre

@ Abiz: Es ist noch nicht allzu lange her, da wurden Menschen festgeschnallt um sich nicht so zu bewegen. Die Apparatur die man in diesem Zusammenhang kennt nennt sich „Elektischer Stuhl“. Mit ner Autobatterie kann man übrigens einen toten Frosch genau so zum tanzen bringen. Falls du jetzt mit dem Kescher in der Hand zum nächsten Tümpel willst: Bitte nur mit toten Fröschen probieren :D

Mau
Mau (@guest_2849)
Vor 14 Jahre

@ Robert

na ja…ich bin mir da nicht mehr so sicher, ob diese Art von Arroganz nur zum Selbstschutz dient.
denn man muss je inzwischen etliche Kriterien erfüllen um sich dann wie auch immer bezeichnen zu dürfen.
Das ist dann ja die Begleiterscheinung „True“. Ich glaube es rührt eher alles daher, dass sich manche Menschen dann für etwas Besseres halten, weil sie bestimmte Kleidung tragen, bestimmte Musik hören usw…
Leider sinkt damit auch immer mehr die Toleranzgrenze. Eigentlich war die Szene mal sehr tolerant…
Inzwischen hassen alle Schwarzen die Punks und so gut wie jeden der ein bisschen mehr Farbe trägt.
Natürlich ist für die Szene typisch, dass man viel oder fast nur ausschlißlich schwarz trägt, aber der Styl zeichnet sich doch auch durch eine bestimmte Ausstrahlung und Esthetik aus…
Ich finde es sehr schade, dass das Schubladendenken hier jetzt auch greift.
Und dass jeder sich für was besseres hält. Die Leute sollten mal wieder anfangen zu denken, anstatt den halben Tag vorm Spiegel zu stehn und sich Sorgen zu machen, ob man true genug ist.

Mau
Mau (@guest_2858)
Vor 14 Jahre

@robert

neeein, nein, nein :-D
ich sag ja auch lange nicht, dass jeder so ist.
aber selbst die meißten aus meinem bekannetnkreis führen sich des öfteren mal so auf. Und klar, das mit der Musik in den Discotheken kann ich auch iwo nachvollzeihen, auch wenn das so in etwa mein Musikgeschmack ist.
Ich denk mal, die läuft einfach so oft, weil man da am besten noch drauf „tanzen“ kann.
Aber zb die Vereinigungen von wegen „halte deine Szene sauber“.
was ist denn dagegen einzuwenden, dass manche es für schick halten, sich Gartenschläuche in die Haare zu machen? :-D
Mir gefällt auch nicht jeder Trend, aber deswegen fange ich doch nit an die Laute iwie zu diskiminieren.
Ich finde das sehr schade.

Ich weiß ja nicht, (kenn mich hier nit aus >.<) ob hier jemand schwarzesglück.de kennt, aber die mehrheit da ist intolerant gegen:

– korpulentere Leute
– jüngere Leute
– Cyber/ Industrials etc
– einfach nur so arrogant

und das finde ich sehr schade, denn so lernt man ja auch schließlich keine neuen Leute kennen, wenn man gegen alles und jeden Vorurteile hat.

Tears
Tears (@guest_2859)
Vor 14 Jahre

schwarzesglück.de ist eher ne Community voller junger, dicker Cybers / Industrials die mehr blöd als arrogant sind. Ich und intolerant? Ja verdammt! Toleranz ist was für Muttersöhnchen und Idioten -> Definition von Toleranz mal nachschlagen.

Death Disco
Death Disco (@guest_5476)
Vor 14 Jahre

Industrial ist durchaus eine Jugendkultur mit eigenen Veranstaltungen (siehe Druckempfinden Festival), aber eben nicht modisch definiert. Hier steht die „Musik“ im Vordergrund (Klassischer Industrial, Power Electronics, Dark Ambient usw.).

Was diese Cyber-Hüpfer damit zu tun haben sollen, erschließt sich auch mir nicht. Wenn die meinen, sich als „Industrials“ bezeichnen zu müssen, wäre ich zumindest so boshaft, sie dafür auszulachen. Anerkannt werden sie damit jedenfalls nicht. ;)

Scrag!
Scrag! (@guest_14840)
Vor 12 Jahre

Wenn wir „Industrial“ im ursprünglichen Sinne (wie von Monte Cazazza / Throbbing Gristle definiert) verstehen, ist der Begriff selbst ein wenig überholt, behaupte ich einmal.
Ich denke, dass das Genre heutzutage wohl am ehesten als „Avantgarde“ bzw. „Experimental“ zu verstehen ist – und das im positivsten Sinn.

Da die ursprünglichen Protagonisten schon längst das provokative Element abgebaut haben, bzw. sich nicht damit identifizieren – denn unter Provokation wird heutzutage offenbar hauptsächlich Lautstärke und nicht-aufgelöste/erklärte Verwendung von Nazisymbolik verstanden – fehlt dem Genre ein wenig die Grundlage.

Was früher undenkbar war – eine Verquickung der Gothic- und Industrial-Bewegung (beides sind/waren bitte Bewegungen, keine Jugendbewegung und keine Musikrichtung), hat überraschenderweise gut funktioniert, wohl auch aus der geringen Größe beider Szenen in den späten Achtzigern, daher sieht man auch viel mehr Goths auf reinen Industrial-Veranstaltungen. Und ich muss sagen, das sind mir die liebsten Leute in der Szene. Das jährliche Highlight ist dabei das Wroclaw Industrial Festival. Wer einmal dort war, wird diese spezielle Atmosphäre und das Publikum lieben!

Mit „Tanzen“ hat Industrial übrigens grundsätzlich einmal wenig zu tun, in einigen Fällen natürlich schon („Adrenalin“, „United“ von TG, „Contact“ und späteres SPK-Material, Esplendor Geometrico vielleicht), aber eher verstehe zumindest ich Industrial in erster Linie als experimentellen, konstruktivistischen Ansatz… eine philosophische Punk-Variante vielleicht, ohne rhythmische Basis.

Industrial hat sich auch sehr stark mit der experimentellen EBM-Fraktion vermengt – ich glaube daher kommt auch der Irrtum im Neo-Industrial (der eigentlich Dark Techno/Aggro/Harsh ist).
Wo Skinny Puppy, Front Line Assembly oder á;grumh… phasenweise von beatbasierten Kompositionen weg zum experimentellen Noise gingen, hat sich eine Querverbindung aufgetan, die dann aufgegriffen und völlig ohne Grundlage weitergeführt wurde.

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