Gothic Friday: Musik und Leidenschaft (Karnstein)

Es ist Februar und der Gothic Friday wartet mit einem neuen Thema auf. Diesmal gibt es einen Katalog von zehn Musik-bezogenen Fragen zu beantworten, da ja Musik unterm Strich doch für fast alle „Schwarzen“ einen recht wichtigen Faktor ihres Lebens darzustellen scheint. Also begebe ich mich einfach ohne Umschweife an die Fragen, wobei man mir bitte verzeihen muss, dass ich es mir natürlich nicht verkneifen kann, alles massiv mit Videos zu untermalen, die zwar wohl der Illustration des Geschriebenen behilflich sind, aber mitunter in längeren Ladezeiten resultieren dürften :)

Was bedeutet Musik für Dich? Wie wichtig ist sie Dir?

In meinem Leben spielt Musik eine äußerst zentrale Rolle. Ich bin selbst Musiker in zwei Projekten und auch bevor ich das war nahm Musik eine wichtige Rolle in meinem Alltag ein – zur Berieselung und Untermalung in allen Lebenslagen auf der einen Seite, aber natürlich auch zum reinen Selbstzweck auf der anderen Seite: Tür zu, CD rein, Licht aus, und einfach lauschen und genießen – Mit solchen Ritualen habe ich in meiner Teenagerzeit angefangen, als ich auch feststellte, wie viel Musik für mich mit Emotion zu tun hat. In manchen Stimmungen verlangt es mich fast schon schmerzhaft nach bestimmter Musik, und andersherum kann bestimmte Musik mich in bestimmte emotionale Zustände versetzen.

Ein Schlüsselerlebnis war für mich in dieser Hinsicht das Album Lingua Mortis, das die deutsche Metal-Band Rage 1996 mit dem Prager Symphonie-Orchester aufnahm. Die Mischung von Klassik und Metal wurde später ja sogar recht populär, hat aber in meinen Ohren nie solche Größe erreicht wie in dieser ersten wirklich groß angelegten Synthese, die alten Metal-Songs eine enorme Tiefe und Emotionalität verlieh. Das 15-minütige Medley war das erste Lied, das mich jemals zum weinen brachte, und ich habe mich dabei verdammt gut gefühlt :)

(Fängt bei 00:45 erst richtig an. Genau genommen war es der rein orchestrale Teil „Firestorm“ nach etwa 05:00 der die Wasser zum Ãœberlaufen brachte :) )

Welche Richtungen »schwarzer Musik« hörst du? Nenne ein Beispiel, das für Dich deine Bedeu­tung des Genre am besten Wiedergibt.

Ãœber die Jahre hat sich herauskristallisiert, dass ich mich in den traditionelleren Klängen der Szene am meisten zu Hause fühle. Die „gute alte Zeit“ eben, die ich selbst natürlich nie mitgemacht sondern erst später entdeckt habe und die mich immer wieder mit dem erfüllt, was ich gerne Fremdnostalgie nenne :)
Post-Punk, Gothrock, New und Dark Wave und allerlei Verwandtes haben es mir am meisten angetan, aber auch für einiges der Neuen Deutschen Todeskunst kann ich mich sehr erwärmen. Ebenso darf es aber auch mal alter Industrial, allerlei Post-Industrial und Romantik/Heavenly-Voices-Kram sein (etwa Collection D’Arnell-Andreá, die ich durch Rosa kennenlernte), oder auch mal Industrial Metal (à la Ministry) und alter EBM (Nitzer Ebb, etc.).
Meine Lieblinge sind dabei schwierig auszumachen… Als Lieblingsband (wenn ich mich entscheiden müsste) könnte ich mich nicht zwischen Joy Division, The Cure und Grauzone entscheiden, aber als Lieblings-Genre müsste ich wohl synthetischeren Dark Wave angeben, wobei wiederum DER eine Song, der für mich Gothic zusammenfasst einfach „Bela Lugosi’s Dead“ sein muss.

Wie würdest deine musikalische Laufbahn beschreiben? Über welche Richtung der Musik bist Du in die Szene gekommen, welche hast hinzugewonnen, welchen hast du abgeschworen und was hörst du heute?

Wie bereits letzten Monat umrissen, hat es mich über Punk und Metal in die schwarze Szene verschlagen. Meine Einstiegsdroge war ASP, die ich bis heute unter den moderneren schwarzen Bands noch immer als die mit Abstand beste und kreativste empfinde. Nach einem bedauernswerten Abstecher in den schwarz-„alternativen“ Mainstream mit Loveparade-Beats und „Ich bin so böse“-Texten eines 12-Jährigen habe ich dann recht schnell die oben aufgeführte alte Schule für mich entdeckt.

Wirklich abgeschworen habe ich eigentlich kaum einer Musikrichtung, die ich seit meiner Teenager-Zeit für mich entdeckt habe, bis eben auf Agonoize und Konsorten, die mich zum Glück nur etwa ein Dreiviertel-Jahr begleiteten. Ich mag noch immer Punk und Metal, höre es aber einfach deutlich seltener. Auch The Prodigy, die mich schon seit vor meiner Punk-Zeit begleiten, mag ich bis heute.

Meine jüngste Begeisterung ist dabei die für alten Industrial, der so richtig weh tut und den ich auch beim besten Willen nicht immer hören kann, und den ich vor einem Jahr noch lediglich interessant fand, aber kein komplettes Stück durchstehen konnte :) Als Beispiel sei dieser ausgesprochen anstrengende Ausschnitt der Einstürzenden Neubauten angeführt:

Wie und wo hörst du Musik am liebsten?

Ich höre am liebsten immer und überall Musik, es ist also immer eine Kontext-Frage. Ich denke, es erscheint mir hier sinnvoller zu beantworten, welche unterschiedlichen Motivationen es für mich in verschiedenen Situationen haben kann, Musik zu hören, bzw. wie ich Musik in unterschiedlichen Sitationen empfinde (wobei es durchaus in jeder Situation die gleiche Musik sein kann). In der Stadt mit Kopfhörern kann Musik mir mitunter auch zum Abschotten dienen. Im Auto darf es dagegen gerne die Lebensgeister wecken und zum Mitgröhlen motivieren. Zuhause kann es Untermalung sein, oder aber bewusster Musikgenuss nur des Musikgenusses wegen. Nur auf der Arbeit, da kann ich manchmal beginnen Musik zu hassen, weil ich natürlich der Einzige bin, der nicht von morgens bis abends den gleichen dümmlichen Radiosender hören möchte um sich mit Lady Gaga, Deutschlands neuestem „Superstar“ oder Unheilig *räusper* berieseln zu lassen.

Welche Musik hörst du außerhalb der typischen dunklen Musik noch?

Durch meine Eltern sind mein Bruder und ich bereits im Säuglingsalter mit klassischer Musik in Berührung gekommen. Man munkelt, der kleine bewindelte Karnstein habe schon Anfang der 80er mit riesigen Kopfhörern auf der Couch gestanden und enthusiastisch die „kleine Nachtmusik“ mit rhythmischen Schlägen auf die Rückenlehne begleitet. Ich kenne mich absolut nicht aus in klassischer Musik, merke mir selten irgendwelche Namen (weder von Komponisten, noch von Stücken oder gar von Orchestern oder Musikern), aber verdammt vieles finde ich unheimlich schön – wenn ich also gezwungen bin Radio zu hören suche ich immer gern den nächsten Klassiksender.

Außerdem bin ich großer Fan von Simon & Garfunkel. Generell mag ich Singer/Songwriter und Liedermacher-Kram, aber Simon & Garfunkel rangieren seit meiner späten Kindheit oder frühen Teenagerzeit ganz oben mit. Etwa gleichzeitig kennengelernt habe ich Loreena McKennitt, deren enorm vielseitige Weltmusik ich auch nur jedem ans Herz legen kann.

Ansonsten gerne allerlei aus der Rockmusik – die Rolling Stones etwa, U2, R.E.M., einzelner Kram aus den 60ern, von Oasis, Blur, Eagle-Eye Cherry oder den White Stripes.

Mal angenommen, Du könntest ein Instrument spielen, hättest eine tolle Stimme und würdest zusammen mit Freunden eine Band gründen. Welche Rolle in der Band wäre Deine?

Ich spiele Instrumente und singe auch :) In der Folkband Tritonus bin ich meist für Percussion zuständig, singe aber auch und spiele vereinzelt andere Instrumente wie Drehleier oder Scheitholt.
In meinem Soloprojekt Farblos mache ich alles selbst – Programmierung, E-Bass, Keyboard und Gesang.

Nenne 5 deiner Alben die für Dich unverzichtbar mit Szene verbunden sind.

Das ist recht einfach zu beantworten:

  • The Cure – Seventeen Seconds. Weil es 1980 der Anfang ihrer enorm prägenden Gothrock-Phase war.
  • Joy Division – Unknown Pleasures. Auch wenn Bernard Sumner und Peter Hook es eigentlich aufgrund der Produktion garnicht so recht mögen :)
  • The Cure – Disintegration. Weil es einfach des beste Album aller Zeiten ist. Punkt :)
  • Grauzone – Grauzone. Weil diese viel zu unbekannte Band damit schon früh gezeigt hat, dass deutsche Alternative-Musik wahnsinnig kreativ sein und völlig unabhängig von England existieren kann (anders als etwa X-mal Deutschland).
  • ASP – Weltunter. Weil es der Beweis dafür ist, dass eine ganz neue Generation von schwarzer Musik immer noch enorm gothic sein kann, ohne ein Abklatsch der 80er sein zu müssen.
    Daher hier mein Favorit von diesem Album in der fantastischen Unplugged-Version:

Welche musikalischen Eigenschaften hat für dich das ideale Lied?

Boah, das ist wohl wirklich unmöglich, weil es eben ganz verschiedene Ansätze finde, für die ein Lied perfekt sein kann. Und ob ein Lied jetzt himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt verbinden sollte weiß ich nicht so recht. Instrumental ist das vielleicht etwas einfacher: Massiver und dominanter E-Bass, keine Frage. Dann noch sehnsuchtsvolle Synthesizer, und man hat schonmal das wichtigste. E-Gitarren dürfen sich notfalls auf atmosphärisches Gequieke beschränken, aber irgendwas Akkustisches muss noch dazu, etwa Konzert-Gitarren-Geschrammel oder Streicher und Piano. Joah, so oder so ähnlich…

Welche Band oder welchen Musiker/in würdest Du gern mal interviewen und auf welche Frage musst Du dabei unbedingt eine Antwort haben?

Lustigerweise wüsste ich bei meinen Favoritenbands garnicht, was ich sie fragen sollte. Was fragt man Robert Smith? Und was würde man Ian Curtis fragen, wenn man jemals dazu die Gelegenheit hätte? Ich würde jedoch gerne Asp mal fragen, ob er zufällig Ältere Deutsche Literatur studiert hat (zumindest privat), weil ich meine, einen gewissen Bezug zum Mittelalter auszumachen, der nichts mit Sackpfeifenkrach à la In Extremo zu tun hat sondern eher mit Bildern und Motiven. Hm, und vielleicht würde mir Peter Murphy ja verraten, wie es dazu kam, dass er in Twilight mitspielte ;)

Wer oder was repräsentiert für die Dich die Zukunft der »schwarzen« Musik?

Wie schon mehrfach hier erwähnt halte ich unter den neuen Bands sehr viel von ASP, würde aber keineswegs sagen, dass sie die Zukunft der Szene ausmachen. Ich denke, wenn etwas die Zukunft ausmacht, dann ist es die Vielfalt, die in den letzten 30 Jahren entstanden ist. Es ist natürlich viel Mist dabei herausgekommen, aber es gibt immer wieder mal Lichtblicke, wie etwa Stillste Stund, die ganz eigene Wege gehen, oder wie Diva Destruction und Leichenliebe, die die Fahne der alten Schule hoch halten.

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