Resümee April: Gothic und Beruf können zusammengehören, müssen es aber nicht

Als allererstes möchte ich mich bedanken! 21 Leute haben am Gothic Friday im April teilgenommen (dazu kommen noch Shan Dark, die bereits 2013 einen Artikel zum Thema auf ihrem Schwarzen Planten veröffentliche und meine Wenigkeit) und nur eine Person davon musste ich zwingen motivieren doch auch mitzumachen. Damit macht ihr mir und dem gesamten Gothic Friday Team viel Freunde und viel Arbeit. Zudem sollte nicht unerwähnt bleiben, dass diese rege Teilnahme unseren geschätzten Robert wohl am meisten überrascht hat.

Grufti Berufe

Gruftis und Gruftis, das scheint zusammen zu passen, also Gruftis aka Gothics und Gruftis aka Senioren. Vier der 23 Teilnehmer sind haben eine Ausbildung zum Altenpfleger oder sind in der mobilen Seniorenbetreuung. Zwei weitere lassen sich, als Erzieherin und Sozialarbeiterin ebenfalls dem Sektor Soziale Berufe zuordnen. Tanzfledermaus ortet ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Gothics und Sozialen Berufen und erklärt diesen in einem ihrer Kommentare wie folgt: „Sie fühlen selbst intensiv und sich daher gut in andere ein. Sie wollen die Gesellschaft, die sie in vielen Punkten kritisch betrachten, so weit es geht ein bisschen besser machen, ohne dabei laut zu werden und auf die Straße zu gehen. Eher im Stillen, Alltäglichen, wie auch schwarze Kleidung für viele eher ein stiller Protest ist.

Welche Berufe üben die Spontis Leser noch aus?

Drei davon studieren, Rechtspsychologie, Visuelle Kommunikation und Geographie. Zwei sind Sekretärinnen. Eine ist Fachinformatikerin und ein anderer IT Fachmann mit Schwerpunkt CRM Software. Weitere Teilnehmer sind im Online Marketing oder als Online Redakteurin tätigt bzw. arbeiten im Kundenservice. Eine ist Werbeentwicklerin, eine gelernte Schauwerbegestalterin, wobei sie momentan als Köchin arbeitet und einer verdient sein Geld als selbstständiger Künstler. Des Weiteren befinden sich unter den Verfassern der Artikel ein Lokführer, ein Privat-Dozent, eine Rechtsanwaltsfachangestellte, eine Archäologin und ein Research Assistent.

Die beruflichen Werdegänge sind höchste unterschiedlich. Manche, wie Regin Leif, hatten von Kindheit an einen Traumberuf und arbeiten nun tatsächlich in diesem. Andere, wie Tanzfledermaus haben einen „Zickzack-Kurs“ beschritten und viel ausprobiert.

Hervorheben möchte ich, dass durchwegs eine hohe Zufriedenheit im Beruf geäußert wurde. In den allermeisten Fällen scheint der Beruf auch eine Berufung zu sein, eine Tätigkeit, die zwar immer wieder neue Herausforderungen mit sich bringt, aber prinzipiell gerne ausgeübt wird.

Wie Gothic und Beruf verbunden werden

Fledermama - Telefongrufti
Fledermama aus Shanghai: „Ich bin Goth und ich habe einen Beruf. Punkt.“

Ob sich Gothic und Beruf verbinden lassen und ob eine solche Verbindung wünschenswert ist, darüber sind die Teilnehmer des Gothic Friday geteilter Meinung. Während einige strikt zwischen Gothic und Beruf, zwischen Arbeit und Freizeit unterscheiden sehen andere die Verbindung als ganz natürlich an. Manche sehen das Thema sehr rational, wie etwa Fledermama: „Ich bin Goth und ich habe einen Beruf. Punkt.“ Andere betrachten es eher emotional, wie beispielsweise Zaeddyst, der die Auffassung vertritt, dass, wer sich im Berufsleben genauso zeigen und geben kann wie er ist entspannter und glücklicher ist. Stoffel betrachtet die Materie differenziert und gibt zu bedenken, dass es von mehreren Faktoren abhängt, ob und wie sich Gothic und Beruf verbinden lassen, etwas von der eigenen Persönlichkeit, dem Arbeitgeber und dem gewählten Beruf. Guldhan nimmt sich bei der Beantwortung dieser Frage dezidiert heraus: „Die Beantwortung der Frage überlasse ich den Gothics.“ Regin Leif nennt Gothic zwar ihren Lebensstil, gibt aber zu, dass sich auch ihr die Frage nie stellte. Bei ihr liegt das allerdings daran, „dass Szene und Beruf bei mir sich wirklich gut miteinander verbinden lassen und ich mir da auch nie wirklich viele Gedanken dazu gemacht habe und machen musste.“

Die Altenpflegerin Mia gehört zu denjenigen, die Gothic und Beruf strikt trennen. Angefangen damit habe sie unbewusst, mittlerweile macht sie es allerdings bewusst. Genauso hält es auch GM, die als Sekretärin arbeitet: „Mein Privatleben trenne ich strikt von der Arbeit, ohne jedoch meine Persönlichkeit an der Eingangstür anzugeben.“ Auch Simagljubka nimmt das Gruftisein am liebsten nicht mit in die Arbeit, um diese nicht zu stören und um nicht allzu viele Fragen von Kollegen zu provozieren. Arbeit soll seiner Meinung nach primär Geld einbringen und nicht zwingend zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse dienen. „Mit dieser Einstellung fahre ich nicht immer ganz angenehm und sie schränkt mich fast immer auch ein, doch für das Zusammenleben in der Arbeitswelt hat sie sich als sehr brauchbar erwiesen.“ Auch für Mone vom Rabenhorst ist das Büro eine „andere Welt“, wo sie das Geld verdient, mit dem sie sich ihre Welt außerhalb der Arbeit gestalten kann. Auch für Svartur Nott gehört Gothic in den Freizeitbereich: „Gothic ist Interesse und Leidenschaft, gehört damit in den Bereich der Freizeit bzw. Nicht-Arbeitszeit.

Für Fledermama haben Gothic und Beruf grundsätzlich nicht viel miteinander zu tun, da ihr Beruf nur ein Teil ihres Lebens ist und den Bereich der Freizeit nicht beeinflusst. Dass man sich einen Beruf aussucht, der zur eigenen Person passt und mit dem eigenen Lebensstil sowie als möglich kompatibel ist betrachtet sie als selbstverständlich. Die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und persönlichen Vorlieben ist somit keine Gothic spezifische.
Jana Strangeplant, die Rechtsanwaltsfachangestellte pflichtet Fledermama insofern bei, als dass sie sagt, dass (ihr) Beruf mit Gothic nichts zu tun hat. „Und dennoch funktioniert es für mich miteinander.“ Sich selbst in der einen wie in der anderen Welt, innerhalb und außerhalb des Büros treu zu bleiben ist ihr wichtig: „Ich kann mir nicht vorstellen, in Job und Privatleben unterschiedliche Personen zu verkörpern.

Guldhan - Dozent
Guldhan vom Blog Opus-Mentis ist Dozent an der TÜV-Akademie und

Am anderen Ende des Spektrums findet sich unter anderem Diana. „Mir ist das schon wichtig, den ich BIN schwarz. Durch und durch. Ich möchte auch Kleidungsmäßig das tragen, was ich möchte. Und das ist nun mal schwarz.“ „Ich kann mir nicht vorstellen, meine Szenezugehörigkeit zur Gothic-Szene an einer Einrichtungstür abzulegen, innerlich wie äußerlich.“ Auch für die Fachinformatikerin Traumverliebt gehören Gothic und Beruf zusammen, da sich diese beiden Komponenten quasi in ihrer Person vereinigen. „Gothic ist ein Teil von mir, ich bin einfach eine Gruftschnecke. Das hört nicht auf, wenn ich mit morgens an der Zeiterfassung einbuche.“ Für Zaeddyst, den Künstler geht „das Ganze sehr fließend ineinander über, da meine Kunden zum allergrößten Teil aus der schwarzen Szene stammen.“ Für ihn müssen Szenezugehörigkeit und Beruf bis zu einem gewissen Grad kompatibel sein, damit er sich wohl fühlt. Ronny identifiziert Ähnlichkeiten zwischen seinem Beruf des Altenpflegers und der Szene, da er sich hier wie dort mit dem Thema der Vergänglichkeit auseinandersetzt.

Manchmal sind Szenezugehörigkeit und Arbeit auch auf andere Art und Weise verbunden, in dem Sinne, dass eines zum anderen geführt hat. Dies funktioniert, wie die Teilnehmer des Gothic Friday beweisen in beide Richtungen. Morella, die Rechtspsychologiestudentin hat beispielsweise über die Szene zu ihrem Studium gefunden. „Ich denke, dass meine Erfahrungen in der „Gothicszene“ (Irgendwie sind wir so gleich und doch so anders) nun ausschlaggebend dafür waren, dass ich anfing, mich besonders für das Thema Mensch und all seine Facetten zu interessieren.“ Diana hingegen fand über ihre Arbeit als Erzieherin, genauer gesagt über einen Jugendlichen, der in der Wohngruppe lebte, in der sie arbeitete, zur Szene. Ralf, der Lokführer, fand ebenfalls erst zur Szene als er bereits begonnen hatte ins Berufsleben einzusteigen, durch den Austausch mit anderen Lehrlingen.

Welche Abstriche in Kauf genommen werden

Shan Dark - Buisness Look
Shan Dark vom schwarzen Planeten: „Haare. Auch im Job geht da einiges und man kann Akzente setzen. Meine Faustregel seit Jahren: Hingucker ja, Schocker nein.“

Die meisten haben absolut kein Problem damit Kompromisse einzugehen, dem Chef ein Stück weit entgegen zu kommen, für Hygiene- und Sicherheitsvorschriften auf bestimmte Schmuckstücke zu verzichten, hin und wieder Farbe zu tragen oder sogar eine Uniform anzulegen. Dennoch wird auch oft auf persönliche Grenzen und No-Goes verwiesen, die interessanterweise oft mit den Haaren zu tun haben. Shan Dark erkannte in ihrem Artikel somit ganz richtig, dass Haare für Grufties schon immer wichtig waren.

Einige Teilnehmer erwähnen, dass sie, seit sie beruflich aufpassen müssen was sie anziehen, es umso mehr genießen sich in ihrer Freizeit ausleben zu können. „Umso dringender habe ich immer auf Phasen der Freizeit gewartet wo ich all diesen Überlegungen deutlich weniger unterworfen war.“ Schreibt Simagljubka und Cookie mutmaßt, dass sie unbewusst privat etwas nachholen muss und daher ihr Freizeitoutfit wieder dunkler geworden ist.

Shan Dark gibt in ihrem Artikel Survival Tipps für berufstätige Grufties. Das Motto dabei lautet: „Reduce tot he max.“ Ergo: „Reduziere Deinen Stil zu Beginn auf ein Minimum, mit dem Du Dich noch wohl fühlst, aber die neuen Kollegen nicht mit Dir selbst überforderst.

Dass Kompromisse gemacht werden müssen sehen die meisten entspannt, da es zum Berufsleben dazugehört sich optisch bis zu einem gewissen Grad anzupassen bzw. auf praktische Kleidung zurückzugreifen. Guldhan weist in seinem Artikel darauf hin, dass das Beharren auf die eigene Individualität im beruflichen Umfeld zu Spannungen führen kann, die nicht ein jeder aushalten kann oder will, weshalb man sich darauf gefasst machen sollte Abstiche machen zu müssen. „Denn das der Mensch nun einmal die Sympathiefrage, in erster Instanz, den Registern der Oberflächlichkeit unterwirft, dürfte nicht das größte Geheimnis sein. Und ist in Sachen Job oder Beruf recht deutlich anhand der Debatte zum Thema »Passbild bei Bewerbungen« zu erkennen.

Fledermama hat zum Thema einen pragmatischen Zugang: „Wenn mein Beruf einen Dresscode erfodert – sei es Anzug und Schlips, Uniform oder Laborkittel oder sonstwas – dann ist das halt so!“ Trotzdem würde sie inzwischen keine Abstriche bei ihrem Äußeren mehr in Kauf nehmen. Sie hat bunte Haare, trägt schwarze Kleidung und versteckt weder ihre Tattoos noch ihren Sidecut: „Und wenn ein Arbeitgeber damit ein Problem hat, dann ist es nicht der richtige Arbeitgeber für mich.“ Früher war das noch anders, da sei sie zum Vorstellungsgespräch im mintgrünen bzw. roten Hosenanzug erschienen. Diana hat ebenfalls darauf geachtet beim Vorstellungsgespräch weniger schwarz zu tragen als sonst.

In Punkto Vorstellungsgespräch rät Shan Dark „auf jeden Fall das anzulegen, worauf du an dir selbst auf keinen Fall verzichten möchtest, wenn du die Stelle bekommst.“ Denn „es ist falsch, total stino zum Gespräch zu gehen und dann in der ersten Arbeitswoche den Obergruftie raushängen zu lassen. Das ist nicht ehrlich, nicht authentisch und verprellt nur die Leute.

Wer sich gar nicht anpassen muss sind Zaeddyst, der Künstler und die Studenten, Morella, Magister Tinte und Svartur Nott. Sie alle genießen die Freiheit sich genauso zeigen zu können wie sie sich am wohlsten fühlen. Auch Tanzfledermaus musste, als sie noch in der Kreativbranche tätig war selten darauf achten was sie trägt, da dort, wie sie sagt ein individuelles Outfit durchaus gerne gesehen wird. In der Archäologie geht es auch entspannt und düster zu, da sich dort laut Regin Leif genug „Freaks“ rumtreiben.

Stoffel an ihrem Arbeitsplatz
Stoffel arbeitet zwar von zu Hause, muss aber regelmäßig ins Büro: „dadurch wurden die „Bürotauglichen“-Klamotten hervorgekramt, im freundlichen Schwarz versteht sich.“

Minimal anpassen müssen sich Cookie, Shan Dark, Diana oder GM. Sie tragen in der Arbeit größtenteils, aber nicht ausschließlich schwarz, schminken sich dezent und achten darauf, dass der Schmuck niemandem in die Quere kommt. Mone vom Rabenhorst betrachtet ihre „entschärften“ Klamotten als Berufskleidung und besitzt zudem „Büro-Pikes.“ Gewisse Kleidungsstücke sind für sie No-Goes: „Ein Kostüm mit hohen Schuhen oder sowas würde ich jedoch nie anziehen. Dann würde ich doch eher den Job wechseln, denn darin würde ich mich definitiv unwohl fühlen. So viel Geld könnte man mir gar nicht bezahlen.“ Ähnlich sieht es Seniorenbetreuerin Anna, die sich in bestimmten Sachen schlicht nicht wohlfühlen würde: „Müsste ich morgens mit Püntkchenrock und Blümchenbluse in Pastellpink aus dem Haus, wäre der Tag für mich gelaufen und genau das würde ich dann wohl auch ausstrahlen.“ Stoffel bezeichnet die Wahl von Kleidung oder Schmuck für das Büro als „Drahtseilakt“ zwischen dem, was sie gerne tragen würde und dem was von Seiten der Firma verlangt wird.

Fogger erzählt als einziger von Kompromissen abseits von Äußerlichkeiten. Der IT-Fachmann muss nämlich vor allem darauf achten was er auf Facebook postet und für wen welcher Post dort sichtbar ist, da sich dort sowohl Arbeitskollegen als auch Freunde aus der Szene tummeln.

Arbeitskleidung tragen müssen die Altenpfleger unter den Teilnehmern, welche in ihrem Fall weiß ist. Die Fachinformatikerin Traumverliebt muss Sicherheitsschuhe tragen, Lokführer Ralf muss sich an die Kleidervorschrift, gelbe Sicherheitsjacke und Helm halten.

Guldhan und Tanzfledermaus haben ebenfalls bereits Erfahrungen mit dem Tragen einer Uniform gesammelt. In Guldhans Fall war diese blau, weiß oder türkis und sah, wie er zugibt, scheiße aus. Heute, als Privat-Dozent ist er froh um das Privileg „unzensiert“ auftreten zu können und sich dabei keine Sorgen um eventuelle Konsequenzen machen zu müssen. Tanzfledermaus musste, während sie in einem Bioladen gearbeitet hat, eine neongrüne Uniform tragen, eine Erfahrung die sie als „grenzwertig“ beschreibt. Inzwischen ist sie als Köchin tätigt, wobei schwarze Kleidung kein Problem darstellt. Diese fällt in ihrem Fall zumeist unspektakulär aus: „Da ist mir etwas mehr Schlaf mittlerweile wichtiger als äußerliche Selbstverwirklichung.“ Des Weiteren schreibt sie: „Ich für meinen Teil kann mit Kompromissen in Bezug auf Arbeitskleidung leben, sofern mir eine gewisse Narrenfreiheit in Sachen Frisur und Haarfarbe gewährt wird.

Frisur, Haare, Haarfarbe – das sind die Bereiche in denen die wenigsten bereit sind sich auf Kompromisse einzulassen. Viele haben bunte Haare oder einen Sidecut, der mal versteckt, wie im Fall von Shan Dark oder Mone vom Rabenhorst, mal offen, wie beispielsweise bei Feldermama getragen wird. Sogar Guldhan, der es für lächerlich hält sich aufgrund von Kleinigkeiten wie der Farbe der Hose oder eines Armbandes die Chance auf Arbeit zu verspielen, beschreibt sich in einem Punkt als radikal: Niemals kann er sich vorstellen sich dauerhaft den Bart komplett zu rasieren. Er könnte, wie er schreibt „wohl auch wahnsinnig genug sein, damit eine berufliche Zukunft oder gar Karriere zu verweigern. Denn ganz ehrlich, was nützt schon Karriere, wann man sich dafür nicht mehr im Spiegel betrachten kann.“ Svartur Nott meint zwar nicht die Haare im Gesicht, sondern die auf seinem Kopf, schließt sich aber ansonsten Guldhan an: „Wenn man mir beispielsweise damit kommen würde, ich solle doch bitte meine Haare kurz schneiden lassen (sie sind aktuell ziemlich lang), wäre das für mich ein NoGo.“ Mia, an deren Sidecut sich bis dato noch niemand gestört hat, empfände es als lächerlich wegen ihrer Frisur nicht eingestellt zu werden. Shan Dark empfiehlt bei Haaren das Motto: „Hingucker ja, Schocker nein.

In den meisten Fällen sind bunte Haare für niemanden ein Problem. Wobei manche Chefs bei diesem Thema ganz klare Vorstellungen zu haben scheinen. So wurde etwa Mone vom Rabenhorst aufgefordert ihre Haare bloß nicht blau zu färben. Anna hingegen erzählt, dass sich die Leute über „Farbtupfer“, sei es in Form von Haarfarbe oder in Form von Tätowierungen freuen würden.

Die Reaktionen der anderen

Wie eingangs bereits erwähnt sind die meisten Teilnehmer des Gothic Friday mit ihrem momentanen Beruf zufrieden. Das liegt mitunter auch daran, dass sie sich dafür nicht großartig verkleiden und verbiegen müssen und auch kaum negative Reaktionen, sei es von Kunden, Kollegen oder Chefs bezüglich ihres Auftretens bekommen. Negative Reaktionen kamen zumeist von einer bestimmten Person und nicht beispielsweise von Kollegen oder Kunden allgemein. Zum Großteil wird den Grufties im Job Interesse entgegen gebracht und diese scheuen sich nicht davor ihre Szene zu erklären, Bands vorzustellen oder selbstgenähte Kleidung zu präsentieren. Akzeptanz ist zumeist kein Problem.

Shan Dark, Mia, Diana, GM und Ralf haben in ihrer beruflichen Laufbahn allerdings auch schon schlechte Erfahrungen gemacht.

Shan berichtet folgendes: „Ich kannte mal einen Abteilungsleiter in der IT, mit dem ich öfters mal zu tun hatte und der sich immer abweisend und mürrisch mir gegenüber verhielt.“ Später fand sie heraus, dass er sich deshalb so verhielt, weil er ihr, die ihr übertragenen Kompetenzen aufgrund ihres Äußeren nicht zutraute. Mia berichtet von einer Bewohnerin, welche die Pflege durch sie verweigerte, da sie sich an ihrem Aussehen störte und Diana wurde in der Probezeit gekündigt, da ihre Chefin, die früher selbst schwarz gewesen ist, ihre gruftige Kleidung als Zeichen dafür, dass Diana eben noch nicht erwachsen war, angesehen hat. GM muss sich zeitweise mit „dümmlichen, unreflektierten Fragen“ auseinandersetzen. Kollegen geben ihr ungefragt Stylingtipps, fragen ob Kirchen durch Gruftis entweiht werden oder halten sie für eine Domina. Ralf musste mehrere Gespräche mit seinem Dienststellenleiter und seinem Personalchef führen, wobei es vor allem um sein Erscheinungsbild ging. Wirklich ergiebig waren diese Gespräche allerdings nicht: „Auf die Beantwortung meiner Frage, ob es eine Farbvorschrift für Haare oder das Erscheinungsbild geben würde warte ich bis heute.

Die positiven Reaktionen umfassen interessiertes Nachfragen, beispielsweise zu Tattoos oder Bands und Komplimente zu Frisur und Outfit. „Meist ist auch das Interesse an der Szene größer als die Abneigung.“ Meint Regin Leif, wenn sie mal wieder von Kollegen ausgefragt oder von Kunden beäugt wird. Manchmal führt ein schwarzes Outfit auch zu netten Assoziationen und Spitznamen. Die Kinder, mit denen Diana arbeitet mögen ihr Aussehen etwa, weil es sie an Piraten erinnert und die Kollegen in Mones Büro nennen sie „Schwarze Hexe“, aber auch „Engelchen.“

Marion Levi - Gothic Friday
Marion Levi: „…ich genieße die relative Freiheit nicht großartig zwischen Arbeits- und Freizeitkleidung unterscheiden zu müssen.“ Marion ist Mitglied des Gothic-Friday Teams und hat sich diesem April-Thema gewidmet.

Einige haben die Erfahrung gemacht, dass ihr alternatives Aussehen ihnen dabei hilft, mit Kunden in Kontakt und ins Gespräch zu kommen. Anna hat beobachtet: „Das Interesse ist immer riesig und es gibt immer ein Gesprächsthema.“ Simagljubka beschreibt: „Weder KooperationspartnerInnen noch Versuchsteilnehmer haben sich jemals kritisch geäußert oder verhalten, im Gegenteil, ich hatte den Eindruck, dass sie sich so schneller geöffnet haben als ich das sonst erwartet hätte und die Zusammenarbeit besonders angenehm war.“ Auch Ralf hat in diese Richtung gehendes erlebt. Ihm fiel auf, dass wenn er mit Kollegen in einer Gruppe zusammenstand meist er derjenige war, der von den Reisenden angesprochen und um Auskunft gebeten wurde.

Summa summarum

Im Endeffekt bringt es Svartur Nott auf den Punkt: „Gothic und Beruf können zusammengehören, müssen es aber partout nicht.“

Viele haben in ihren Artikeln oder Kommentaren zum Ausdruck gebracht, dass sie sich anfangs unsicher waren, ob sie denn überhaupt etwas zum Thema „Gothic und Beruf“ beizutragen hätten. Diese Unsicherheit resultierte möglicherweise daraus, dass viele ihre Geschichten und ihren beruflichen Werdegang nicht als interessant genug, ergo nicht als erzählenswert empfunden haben. All die eingegangenen Artikel beweisen das Gegenteil und ich freue mich, dass sich so viele dazu entschlossen haben ihre Erfahrungen mit der Spontis Family zu teilen. Ich war überrascht über die Vielfalt der Berufe und fand es immer wieder schön zu lesen, wie alle ihren Weg gegangen sind und dass sie etwas gefunden haben das sie gerne tun und das sich auch, mal mehr mal weniger mit ihrer schwarzen Lebensweise vereinbaren lässt.

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Tanzfledermaus
Tanzfledermaus(@caroele74)
Vor 7 Jahre

Eine sehr gelungene Zusammenfassung – Danke für die viele Arbeit dahinter :-)

Svartur Nott
Svartur Nott(@svartur-nott)
Vor 7 Jahre

Dem schließe ich mich unumwunden an, super. Vielen, vielen Dank dafür auch von mir, Marion. Ich hatte bisher auch immer die These, dass Schwarze in bevorzugt sozial ausgerichteten Berufen unterwegs sind, muss jedoch nun einsehen, dass ich sie begraben kann …. also die These ^^.
Die Sache mit den Archäologen und den „Freaks“ fand ich witzig, ist mir allerdings auch schon aufgefallen: Der Anteil an subkulturell orientierten oder einfach abgedrehten Menschen erscheint mir dort definitiv höher, als in anderen Fachbereichen. Aber vielleicht ist das auch Zufall, wer weiß.

strangeplant
strangeplant (@guest_52173)
Vor 7 Jahre

Liebe Marion, herzlichen Dank für das unerwartet interessante Thema. Für mich ergibt sich der Eindruck, dass die meisten mit ihrem Beruf/Erwerbsleben im Einklang stehen. Dass die eigene Individualität wichtig ist… was sich auf die Zufriedenheit im Beruf auswirkt. Ich fühl mich in meiner Einstellung bestätigt. Wer auf sich selbst achtet, ist einfach glücklicher.
LG

Shan Dark
Shan Dark (@guest_52183)
Vor 7 Jahre

Sehr sehr gut zusammengefasst und resümiert – das war sicher eine Menge Arbeit. Chapeau!

Shan Dark
Shan Dark (@guest_52187)
Vor 7 Jahre

Ja, aber keine Sorge, man liest die „Arbeit“ nicht aus dem Text heraus – es fließt. :) Aber ich weiß, dass es doch schon viel Aufwand und schwierig ist, alles in einen runden Guss aka EINEN Artikel zu bekommen. Ich fand die Resümees immer das Schwierigste beim 1. Gothic Friday. Vielleicht hätte ich das damals auch mit Leuchtmarkern etc. lösen sollen… Anyway, das wichtigste ist wirklich der Spaß an der Sache und ihr macht das alle im Team ganz wunderbar!

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