Hante. – Haunted Wave from Paris

Nicht nur die große Bandbreite an kleinen Festivals zeigt: die Szene lebt. Auch die Fülle an aktueller dunkler Musik bleibt stetig Facettenreich. Meine ganz persönlichen Klangperlen gebe ich hiermit einen Raum. Wer jetzt eine musikwissenschaftlich fundierte Kritik erwartet oder eine objektive Diskussion der modernen Klangkünstler oder zumindest eine basale Grundlage an musikalischen Ausdrücken darf jetzt oben rechts auf das kleine x klicken, zehn Jahre musikalische Erziehung haben sich leider nicht wirklich in meine Erinnerung eingeprägt – subjektiv und emotional ist die Devise. Und bitte, wer steht schon auf der Tanzfläche und denkt, dass das jetzt sehr sotto voce gesungen und allgemein sehr grave war?

Fast schüchtern betritt sie die Bühne, äußerlich ganz ruhig steht sie im Strahlen werfenden Scheinwerferlicht, gegen das sich dunkle ihre in weite Kleidung gewandte Silhouette abzeichnet. Mit den ersten Tönen scheint ihr Körper zu vibrieren, wie ein Netz aus schwarzem Samt weben sich die Töne durch den Raum und Hélène de Thoury scheint selbst zu strahlen zu beginnen, während sie in dem dunkeln Nebel ihrer Musik zu schweben scheint, sich in dessen Düsternis verliert und nicht verhindern kann, dass sich immer wieder ein zufriedenstes Lächeln auf ihre Lippen schleicht. „Singing on stage in front of the audience is something that makes me feel alive“

„The day may never rise, You will shine in the shadows, No matter what you look like, In front of people you don’t know“ (One More Dance)

„A cold and synthetic music mixing nagging cold wave and striking electronics“ steht bei Hante. auf Bandcamp und kein Wort davon ist gelogen. Ihre Musik hat etwas von den Wellen eines Meeres, die mal sanfter, mal kraftvoller wiegen, mal kälter und mal wärmer sind, unter welchen man treibt ohne einen Moment zu glauben man wird ertrinken und glaub man wird eine Ewigkeit ertrinken. Wenn ich Hante. höre denke ich an das Meer und gleichzeitig denke ich an einen Sommersturm am Abend, draußen im Feld unter einem großem Baum, auf den der kalte, nebelige Morgen folgt.

„In a heartbeat my whole life has changed, This morning of september on the road, All the landscape colors turned to grey, you left only one red rose“ (This Morning of September)

Bevor ich Hante entdecke, bin ich zunächst über Phosphor und Minuit Machine gestolpert und habe deren Werke ich mich aufgesogen, ohne mir Gedanken um Verbindungen und Hintergründe zu machen. Erst als ich das erste Mal „the Storm“ hörte, dämmerte mir so langsam, dass die drei Projekte nicht ungekoppelt sein können. Hélène sagt dazu:

„Phosphor was already over when I started Hante. I just finished the composition of the album « Live & Destroy » for Minuit Machine and I felt the need to start a solo project. When you are in a band you have to do some compromises and I wanted to be totally free. Plus, I felt that I was ready to sing on my own compositions. It took me time to feel that way because I never liked my voice, I thought it was not good enough.“

Musik hat sie aber schon viel früher gemacht und diese war immer sehr wichtig in ihrer Familie. Als Kind spielte sie Klavier und Harfe und lernte Musiktheorie. Mit 12/14 begann sie mit der komposition erster eigener Stücke über unmögliche Liebe und endlose Traurigkeit. Bis sie 2012/2013 in London lebte und sich mit Phosphor alles veränderte.

Those guys know how to write beautiful songs in a very fast way. So it made me want to try and I composed « Open Your Eyes », one unreleased song that we used to play live. This song was the first one that I fully composed, from the electronic drums to the vocal line and it felt so good!!

I would say [music] is the art that touches me the most. You can close your eyes and it fills your mind with emotions and images. I deeply believe that music helps us. When you’re deeply sad and that you find the perfect song with the lyrics that seem to describe what you are experiencing at this very moment, it’s kind of magical. It makes you feel better because you know you’re not the only one to feel that way. Music is a companion, you can choose the soundtrack of your life, what will make an instant more beautiful, more tragic, more enjoyable or even sexier…

Musik als Eindruck und Ausdruck, als Bilder und Gefühle, die sich uns aufdrängen und das Innerste, dem damit Ausdruck verliehen werden kann. Immer wieder fasziniert bin ich von Hélène’s Fähigkeit mit wenigen Worten Geschichten aufzuspinnen und diese dabei mit einer solchen Bedacht zu wählen, dass sie, trotz ihrer Einfachheit eine unglaubliche Tiefe aufspannen. Wie wenig man braucht um so viel zu sagen. Und selbst, wenn ich nichts von dem verstehe, was sie sagt (in der Schule habe ich in Französisch kläglich versagt), fühle ich mich als würde ich alles verstehen, weil es nicht mehr braucht, als die wundervolle Komposition von Tönen, Worten und Stimme, die sich in seidiger Dunkelheit vereinen.

The language I choose depends on the way I want to sing. In french, I like the « singing-talking » style. It helps me to tell stories but you have to choose the words carefully. It has to sound a bit smart or poetic to work. In English, it’s easier in a way. Simple ideas make great songs.

Unterstrichen wird die Stimmung noch durch die bildliche Verarbeitung:

Dunkel und kalt. Reduziert und ausdrucksstark.

[…]The visuals are really important to me. I think nowadays you have to show a strong image, the music itself is not enough. My songs are kinda cinematographic, I like to tell stories, describe situations in my lyrics. I always have a lot of images in mind when I’m composing a song and it’s a real chance for me to be able to work on all these kind of arts. I never feel bored!

Und weil ich zugegebener Maßen schon während des gesamten Schreibprozesses nach Worten ringe, überlasse ich denk letzten Abschnitt Hélène, ihren Worten und ihrer Musik:

[…] I never know where I’m going when I start composing, I just let my emotions lead the way. Because you can’t control what’s going to happen to the song anyway. Sometimes I think « let’s compose a really dancy one! » and at the end of the day, it can be the most slow and depressing song I ever composed ahah

Du möchtest mehr über Hante. erfahren?

  • Hante. auf youtube
  • Hante. bei Facebook
  • Hante. bei Bandcamp – Hier kann man auch die beiden Alben „This Fog that never Ends“ und „Her Fall and Risen“ auf verschiedenen Medien kaufen und herunterladen. Ein kleiner Merch-Shop bietet zudem noch weitere Kleinigkeiten.
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ColdAsLife
ColdAsLife(@coldaslife)
Vor 7 Jahre

Liebe Flederflauschige,

dein Artikel kommt mir gerade gelegen. Auch ich bin in letzter Zeit vermehrt über diverse Pariser und Berliner Acts gestolpert, die zusammen eine große akustische Schnittmenge bilden. Hante wäre hierfür ein repräsentatives Musterstück. Es klingt alles sehr, wie soll ich sagen, „jung“ und „neu“, mit vielen Anleihen an entfernt zurückliegende Ursprünge und Einflüsse. Auch, wenn die Ideen nicht alle neu sind, so muss ich zugeben, dass viele der neuartigen Videos, die ja mittlerweile eine extrem hohe Qualität haben, diese neueren Acts nur mehr interessant machen. Vieles geht fast schon in Richtung Performance Art. Es sind viele Paralellen unter diesen jüngeren Acts zu erkennen, angefangen vom Einsatz der Keyboards und Synthesizer (haunting), über eine auffallend hohe Frauenquote (gut so), bis hin zur verbreiteten Kopfschmückung mittels Bob-/Pagenfrisur (subjektiv).

Da wird Darkwave, Minimal, Ambient und manchmal sogar Ritual mit etwas Neuem verschmolzen, und es kommen erstaunlich eindrückliche Stücke dabei heraus. Es gibt sogar schon französische Rap-Gruppen, die mit obskurem Wave arbeiten – was sie auch völlig selbstbewusst als eines ihrer Stilmittel bezeichnen. Ich finde die Beobachtung der Entwicklung mittlerweile interessanter; vorher dachte ich, ich müsste mich davon eher distanzieren, weil da trittbrettfahrerartig alter Wein aus neuen Schläuchen läuft, bloß mit moderner Video-Pose unterlegt.
Aber mittlerweile habe ich mich geöffnet, es sind einfach wirklich schöne Stücke mit dabei, die allesamt ihre Daseinsberechtigung haben. Abklatsch gibt es immer, natürlich auch unter diesen Acts selbst, aber die, die gut sind, werde ich weiterverfolgen. Einiges davon läuft ja auch auf der ein oder anderen Veranstaltung (Austra, Zola Jesus, Lebanon Hanover etc.).

Neben Minuit Machine und Phosphor, die du nennst, fallen mir noch eine ganze Reihe weiterer Klangperlen ein. Vielleicht kontaktiere ich dich ja einmal bei Facebook.

Einen schönen Gruß

ColdAsLife
ColdAsLife(@coldaslife)
Vor 7 Jahre

Hervorragend. Nach meinem Urlaub!

Satoria
Satoria (@guest_52772)
Vor 7 Jahre

Hach ja, Hante… Auf sie aufmerksam geworden bin ich nach dem Konzert auf dem WGT. Zu viele haben zu viel Gutes über ihre Musik und das Konzert gesagt, dass ich mich schon fragte, ob ich an dem Tag falsche Prioritäten gesetzt hatte.
Nach viel Hin und Her war ich nun doch am Samstag auf dem NCN – Hante, juchuu!! Doch das Wetter war zu verlockend, um nicht an den paar Minuten entfernten See zu laufen. Herrlich dort! Der Wind wehte die Musik der Bands herüber, dazu See, blauer Himmel, Sonne, Wasser, „Stille“, klasse Musik sowie gute Gesellschaft – einfach nur schön. „Aufgewacht“ bin ich dann zu den Klängen von „Noir“ – ‚Huch, jetzt aber mal fix aufbrechen.‘ – Ehe wir zurück waren, war es leider vorbei – Hante also nur aus der Ferne… aber immerhin.
Meine andere nachhaltige Entdeckung in diesem Jahr war „Position Parallele“, ebenfalls aus F. In „Liste Noire“ (Side von Velvet Condom) höre ich mich gerade rein.

Heiko
Heiko (@guest_52777)
Vor 7 Jahre

Hante habe ich zwar auch erst durch diesen Blog gefunden/kennen gelernt, aber auch hier wieder großartige, bewegende Musik. Ähnlich ist mir das schon bei Adam Usi passiert, den ich auch erst durch Spontis gefunden hatte. Auf jeden Fall gibt es in dieser Richtung sicher noch mehr spannende Bands zu entdecken.

Gruftfrosch
Gruftfrosch(@gruftfrosch)
Vor 7 Jahre

Manchmal ist das Brett vorm Kopp so groß, dass bei mir nüscht mehr geht. Minuit machine kannte ich schon seit geraumer Zeit, gefiel mir sehr. Erst später kam Hante. dazu. Klingt sehr sehr ähnlich, dachte ich mir, zu ähnlich eigentlich. Denkste, ich bin auf den Trichter bekommen, dass da immer Hélène de Thoury dahintersteckt? Nö! *kopfklatsch*

Robert
Robert(@robert-forst)
Admin
Vor 7 Jahre

Ist das eigentlich wieder ein neuer Trend, das immer mehr Musiker ihren Facettenreichtum in die verschiedensten Projekte verpacken? Macht das die Musik des einzelnen Projekts nicht monoton?

Hante. gefällt mir sehr gut, auch Minuit Machine hat mir gut gefallen. Ich erkenne nicht genau, wo Hante. sich jetzt im Gegensatz zur Arbeit in ihrer Band, verwirklicht hat. Sie schreibt in ihrem Interview, dass man immer Kompromisse eingehen muss, wenn man in einer Band ist. Das stimmt. Ist es aber nicht auch ein kreativerer Prozess zusammen zu arbeiten? Ich frage mich, warum man sich nicht gemeinsam verwirklichen kann?

Ich finde diesen Prozess, den man bei vielen Bands und Künstlern beobachten kann, sehr erstaunlich und mitunter verwirrend. Vor allem, wenn sich die Ergebnisse kaum von einander unterscheiden.  Flederflausch : Wie denkst du darüber?

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